Wein, Masse und Profit

»Als Jacky Mombellet noch ein Junge war, machte sein Vater im Süden Frankreichs 1.000 Hektoliter Wein im Jahr. Davon konnten vier Familien gut leben. Heute, 30 Jahre später, produziert Jacky Mombellet immer noch 1.000 Hektoliter Wein. Doch das Geld, das ihm die Winzergenossenschaft dafür zahlt, reicht nicht einmal mehr für seinen Lebensunterhalt. Deshalb wird er jetzt die Hälfte seiner Rebstöcke ausreißen und dafür Geld von der EU kassieren. 400.000 Hektar Reben will die Europäische Union vernichten lassen, um die Überproduktion und den Preisverfall in Europa zu stoppen.« (Milliardenpoker um den Wein).

Es gebe zwei Arten, Wein zu produzieren, die Art der Massenproduktion und die künstlerische Art, meint Joel Peterson, der vor 30 Jahren als sogenannter Garage Wine Maker in Kalifornien anfing, Wein zu kreieren. Irgendwann hat er seine Marke dann an einen großen Konzern verkauft, steht der Produktion aber noch vor und produziert Massenwein auf sehr unterschiedlichem Niveau. Ich habe schon mal einen Ravenswood-Zinfandel von ihm getrunken, Mitte der 90er Jahre, den ich sehr erstaunlich fand. Wenn ich mich ein bisschen beim Wine Spectator umschaue, ist allerdings wohl auch ziemlich viel Mist dabei.

Peterson hat also wohl mal künstlerisch angefangen und ist bei der Massenproduktion gelandet, bei Weinen, die heute im Keller gemacht werden und nicht im Weinberg. Mikro-Oxidation, Eichenchips und genmanipulierte Hefen sind mittlerweile üblich.
Interessanterweise kommt dabei aber trotzdem meist nichts Vernünftiges heraus, und wenn ich durch die Supermarktweine schnuppere, dann finde ich praktisch nichts, nichts von Wert. Das hat mir Wein-Plus in der letzten Woche dann auch mal wieder bestätigt mit einem Supermarkt-Weisswein– und Rosétest bzw. mit italienischem Kribbelwasser. Die Wertungen sind teilweise vernichtend, und zwar geht es hier auch um Weine von großen, namhaften Handeshäusern, nicht nur um Lidl-, Norma- oder Aldiwässerchen.

Einige Beispiele (Quelle jeweils Wein-Plus):

Baron Philippe de Rothschild SA
2006, Roséwein, Le Rosé de Mouton Cadet, Bordeaux AOC
Einfache, vegetabile und leicht rotbeerige Nase. Blass im Mund, pflanzlich, matt, kaum Substanz, knapper Abgang.

Baron Philippe de Rothschild SA
2005, Sauvignon Blanc, Weißwein, Le Cadet, Oc
Gealterte, grasig-herbe und etwas zitronige Nase. Sauer, schmal und bitter im Mund, kaum Frucht, kurzer, bitterer Abgang.

Baron Philippe de Rothschild SA
2005, Weißwein, Mouton Cadet, Bordeaux AOC
Einfache, etwas pflanzliche, zwiebelige und melonige Nase mit Papiertönen. Im Mund sehr stumpf, wachsig, alt und bitterlich, unschön.

Baron Philippe de Rothschild SA
2005, Sauvignon Blanc, Weißwein, Oc
Sehr müde, wachsige, gealterte Nase. Im Mund ausgezehrt, sauer und bitter, ohne Frucht, kurz.

Baron Philippe de Rothschild SA
2005, Chardonnay, Weißwein, Le Cadet, Oc
Matt und leicht käsig in der unsauberen, stumpfen Nase. Alt und gezehrt im Mund, säuerlich-bitter, leicht käsig, zehrender Abgang.

Baron Philippe de Rothschild SA, 2005, Chardonnay, Weißwein, Oc
Laktisch, schweißig und karamellig in der Nase. Stumpf, dünn und schweißig. Unschön.

Um nicht nur auf Rothschild rumzuhacken:

Antinori Marchesi
2005, Roséwein, Cipresseto®, Toscana IGT
Sehr einfache, leicht rotbeerige Nase mit Lacknoten. Blass und leicht aldehydisch im Mund, kaum Frucht, Säure, stumpfer Abgang.

Robert Mondavi Winery
2005, Roséwein, Woodbridge®
Sehr einfache, gemüsige und ein wenig an nassen Karton erinnernde Nase. Matt und kartonagenartig auch im Mund, modrige Töne, verhaltene, mostige Frucht, knapper, etwas stumpfer Abgang.

Peter Lehmann
2006, Roséwein, Weighbridge, Barossa Valley
Stumpfe, etwas altholzig wirkende Nase mit vegetabilen, rotbeerigen und apfeligen Tönen. Auch im Mund stumpf, bitterlich, altholzig, unharmonische Säure, vegetabile Noten, viel Gerbstoff, wirkt völlig zerfahren, stumpfer, wachsiger Abgang.

Diese Weine liegen alle zwischen 55 und 70 von 100 Punkten in der Bewertung. Was man vom Punktesystem hält, ist in diesem Falle egal, denn die Verkostungsnotizen sprechen für sich.
Es sind Weine, die jeden Weinliebhaber das kalte Grausen lehren, Weine allerdings von namhaften Weinmachern (ich wiederhole mich). Wie kommt das? Warum schämen die Leute sich nicht dafür, Unwissenden ihre letzten alten zu früh oder zu spät gereiften Trauben mit Strunk und Stiel anzudrehen, statt stolz zu sein auf einen vernünftig gemachten Wein? Denn für den Preis, für den diese Weine angeboten werden, gibt es sehr ordentliche Qualitäten. Da gehe ich lieber zu Jacques’ Weindepot und hole mir nen Fünfliter-Kanister Weißwein aus der Gascogne. Frisch, sehr fruchtig, überhaupt nichts besonderes – aber lecker und günstig dazu. Und nicht zu vergessen, dass es genügend kleine Winzer gibt, die sehr ansprechende Qualitäten für den gleichen Preis bieten.

Und viele von uns wohnen nur unweit eines Weinbaugebietes oder nur unweit eines vernünftigen Weinladens. Ich kann nur dazu aufrufen, das Qualitätsstreben und das generationenalte Wissen der »kleinen« Winzer zu unterstützen und sich nicht dem Konsum des Massenfusels hinzugeben.

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