Ridge, Geyserville 2006, Kalifornien

Seit Wochen beschäftige ich mich ziemlich intensiv mit kalifornischen Weinen. Das hat mit meiner Mitarbeit in der noch zu eröffnenden Atlantic Vinothek in Essen zu tun, deren Weinkeller eine so superbe Dichte an besten kalifornischen Weinen zu bieten hat, dass man weinen könnte. Allerdings werden sich die wenigsten eine Träne aus dem Knopfloch wischen, weil sich die wenigsten wirklich mit kalifornischen Weinen beschäftigen. Die guten Weine sind teuer und gelten hier in Europa eher als over the top. Dicht, konzentriert, marmeladig etc. sind typische Adjektive, die direkt aufkommen, wenn man Kalifornien thematisiert. Wer also hat sich jemals mit Diamond Creek beschäftigt? Oder mit Abreu oder mit Quilceda Creek oder mit Sine Qua Non? Das sind alles Weine, die von Robert Parker schon mal 100 Punkte ergattert haben. Und egal, wie man zu Parker steht – beim Dirk Würtz gab es dazu mal wieder eine längere Diskussion –, und egal, ob man wirklich der Meinung ist, dass ein Wein perfekt sein kann, und wenn, dann nach welchen Maßstäben, so kann man bei einer solchen Bewertung doch zumindest davon ausgehen, dass es sich bei diesen Weinen um denkwürdige und außergewöhnliche ihrer Art handelt.

Pizza mit Trüffeln und Kartoffeln bei Mamma Roma, Place du Chatelain, Bruxelles

Nun, wir sind hier in Europa, speziell auch in Deutschland und in Frankreich, sehr schnell dabei, wenn es die Möglichkeit gibt, die USA in irgendeiner Form zu bashen. Ich möchte mich da selber gar nicht ausschließen, schließlich legt es das dortige System ja durchaus darauf an, würde ich behaupten. Auch habe ich genügend Getränke von Gallo, Mondavi, Ravenswood oder Seghesio probiert, die ich völlig eindimensional und überreif fand.

Und doch gibt es dort natürlich einen komplexen und abwechslungsreichen Weinmarkt, nicht mit der gleichen Rebsortenvielfalt wie hier, aber doch spannend.

Eine der Rebsorten, für die Kalifornien berühmt ist, ist der Zinfandel. Bis 2002 war es unklar, mit welcher europäischen Rebsorte er verwandt ist. Mit Hilfe von Genanalysen ist aber klar geworden, dass es sich um eine Form der Primitivo handelt, wie sie in Süditalien vorkommt.

Das Museum Victor Horta, Rue des Americains, feinste Architektur im Jugendstil

Während ich also in Brüssel im Hotelzimmer sitze und zu Weingütern wie Corison, Dalle Valle oder Pride recherchiere, probiere ich mal in Ruhe das, wass ich vor drei Wochen bei einer Probe des Fachhändlerbereiches von Gute Weine Lobenberg probiert habe: den 2006er Geyserville von Ridge.

Ridge dürfte zu den Weingütern dieser Welt gehören, die immer noch viel zu häufig übersehen werden. Das ist erstaunlich, kosten doch die Icons der Szene, Cabernets von Harlan Estate, Screaming Eagle und diversen anderen Boutique-Weingütern aus dem Napa Valley gerne mal mehrere hundert bis tausend Dollar. Der Monte Bello, die Vorzeige-Cuvée von Paul Draper, dem Winemaker von Ridge, dagegen liegt zwischen 90 und 110 Euro. Das ist jetzt nicht günstig, aber ähnlich moderat wie beispielsweise die Weine des Château Pontet-Canet im Vergleich zu anderen klingenden Paulliac-Namen wie Mouton oder Lafite. Die Weine aus der zweiten Reihe, der Cabernet Santa Cruz Mountains, die Zinfandel-Cuvée Geyserville oder Lytton Springs dagegen kosten um die 30 Euro. Und dafür hat man etwas Exzellentes im Glas.

Das erste Mal bin ich über die Flaschen von Ridge gestolpert, weil mir die Etiketten so gut gefielen. Das ist vielleicht verzeihlich, weil ich als Grafikdesigner immer auch mit den Augen trinke. Ridge hat das schlichte, zeitlose und klare Design im Laufe der Jahrzehnte nie geändert und das mag ich schon mal sehr. Hinzu kommt etwas, das ich von kaum einem anderen Weingut kenne. Alle wesentlichen Informationen zum Jahrgang, zur Ernte, zum Wetterverlauf etc. stehen detailliert auf der Flaschenrückseite.

Ridge wurde in der ersten Boomzeit des kalifornischen Weinbaus als Monte Bello Winery gegründet – sie besaß damals 72 Hektar am Monte Bello Ridge. Anfang der 60er Jahre wurde die Winery dann von David Bennion und drei Arbeitskollegen der Standford University aufgekauft und umbenannt. Paul Draper wurde Teilhaber und Winemaker – was er bis heute ist. Es ist sein Stil, den man in all diesen Weinen findet – ein Stil, der amerikanisch ist und doch europäisch. Paul Draper macht nie fette, marmeladige Weine, sein Monte Bello 2005, den ich vor drei Wochen getrunken habe, besitzt eine außergewöhnliche Eleganz. Trotzdem nutzt er, und das vertritt er vehement, ausschließlich amerikanische Eiche für die Fässer, auch wenn dies wiederum bei vielen als unelegant gilt.

Wenn wir von Ridge reden, dürfen wir übrigens die legendäre Probe von Paris 1976 nicht unerwähnt lassen. Hier, ich habe es schon mal erwähnt, wurde zum ersten Mal geradezu offiziell deutlich, dass kalifornische Weine französischen Spitzengewächsen nicht nachstehen. Es waren vor allem französische Kritiker, die die kalifornischen Weine eigentlich gerne mit einer blasierten Handbewegung vom Tisch gewischt hätten, gerade diesen aber dann in der verdeckten Verkostung die besser Noten ausstellen mussten. Vor allem die überlieferten Kommentare sind köstlich, die von Ignoranz nur so triefen. Für die Franzosen war die Offenlegung der Bewertungen damals eine mittlere Katastrophe, die Ergebnisse wurden in der französischen Presse nahezu totgeschwiegen, während der Landpreis im Napa Valley innerhalb von Wochen in die Höhe schoss und Weingüter wie Stag’s Leap oder Château Montelena innert Stunden ausverkauft waren.

Der Wein, der in dieser Probe hinter Haut Brion, aber vor Leoville Las Cases den fünften Platz belegte, war damals der 1971er Ridge Monte Bello. Was aber noch denkwürdiger ist, ist die Tatsache, dass der gleiche Wein dreißig Jahre später bei der Wiederholung der Probe – schließlich waren die Franzosen ja der Meinung, französische Weine würden viel besser altern als kalifornische Gewächse – bei zwei parallel abgehaltenen Verkostungen in London und Los Angeles jeweils den ersten Platz belegt hat – übrigens vor den Weinen von Stag’s Leap, Mayacamas, Heitz und Clos du Val. Château Mouton-Rothschild kam als erster Franzose auf dem sechsten Platz.

Der 2006er Geyserville, eine Cuvée aus 72 % Zinfandel, 18 % Carignan und 10 % Petite Sirah kommt mit einer ziemlichen Wucht daher. Es war ein heißes Jahr und der Alkoholgehalt dieses dichten Weines liegt bei 14,5 %. Das ist relativ viel für ein Weingut, bei dem der Alkoholgehalt gerne bei 13 bis 13,5 % liegt. Eigentlich ist der Wein noch zu jung. Wo ich über Ridge lese, wird geschrieben, dass die Weine frühestens  fünf Jahre nach Abfüllung geöffnet werden sollten, weil sie sich dann weg bewegen von der fülligen, dichten, satten Art hin zu einem feineren, burgundischen Stil. Dafür bin ich also jetzt zu früh dran, ich befinde mich noch in der Sturm- und Drang-Zeit des Weines und die beeindruckt schon sehr. Denn wenn auch dieser Wein dicht und alkoholreich ist, merkt man das eigentlich nur daran, dass irgendwann der Kopf schwirrt. Das ist nichts Brandiges, nichts, ich sagte es schon, Fettes. Reifer Beerensaft, leichte Vanilletöne, Schokolade finden sich in einem runden, geschlossenen Zinfandelmonument. Zu diesem Wein und zu einigen anderen Themen gibt es übrigens eine schöne Vaynerchuk-Folge, zusammen mit Jancis Robinson.

Ridge, Geyserville 2006, Kalifornien

9 Kommentare

  1. Was die Zinfandels des Hauses betrifft, so habe ich bislang in fast jedem Jahrgang den Lytton Springs vorgezogen. Er schien mir stets noch eine Spur saftiger und voller.

    So oder so empfehle ich aber auch dringend bei Gelegenheit einmal den Petite Sirah des Hauses zu probieren.

    Und von (ehemaligem) Photo-Designer zu Grafik-Designer: die kühle Klarheit der Etiketten-Typo erfüllt doch auch immer wieder des Designers Herz, oder nicht?

  2. @Marquee: wirklich? Hab’ ich zwar länger nicht mehr probiert, aber ich fand den Lytton Springs immer kantiger, tanninhaltiger im Vgl. zum rotfruchtigeren Geyserville. Cahors / Bordeaux vs südl. Rhone. Zu den Ridge-Zns, pardon field-blends hab’ ich mal diese kleine Anekdote geschrieben: http://pivu.wordpress.com/2009/02/12/fish-n-zin/ .

  3. @Marquee Ehrlich gesagt, konnte ich mich zwischen dem 2006er Geyserville und Lutton Springs kaum entscheiden. Wer mir da besser gefällt hängt von der Tagesform ab. Der Geyserville ist tatsächlich etwas feiner, der Lytton Springs eher, @pivu, ich gebe dir Recht, eher südliche Rhône, voller, wuchtiger, was ich manchmal ebenso vorziehe.

    Wo bekomme ich denn den Petite Sirah her? Ich habe darüber gelesen, aber keinen Importeur gefunden.

    Habt ihr denn Erfahrung mit älteren Weinen von Ridge? Ändern die Zinfandels tartsächlich den Stil Richtung Burgund?

  4. @Christoph Ich habe den Petite Sirah damals via K&U bezogen, aber das ist einige Jahre her. Solltest Du mal irgenwo über ältere Flaschen stolpern, so kannst Du – vernünftige Lagerung vorausgesetzt – ruhig zuschlagen. Die Weine sind phänomenal alterungsfähig. Ich hatte von einiger Zeit mal einen 1986er im Glas von dem man nicht dem Eindruck hatte, er wäre schon auf seinem Höhepunkt.

    Ein Eindruck, den ich allerdings von den Zins so nicht hatte. Ich muss aber auch zugeben, dass ich in den letzten 10 Jahren nur noch ab und an Ridge-Zins getrunken habe, ausgiebige Erfahrungen habe ich eher mit den Jahrgängen Mitte bis Ende der 90er. Die sind bei mir nicht älter als 8,9 Jahre geworden. Sie hätten vielleicht auch noch ein paar Jährchen mehr gekonnt, aber sicherlich nicht problemlos rund 30 geschultert.

    Was die Frage Lytton vs. Geyserville betrifft, so ist’s halt letztlich eine Frage der persönlichen Vorliebe. Für mich waren das immer Winterweine und da war die Brombeerig-würzige Fülle des Lytton Springs immer höchst willkommen.

  5. @Marqueee K&U hat die Weine nicht mehr. Lobenberg schon, aber nicht den Petite Sirah. Ich hoffe, dass er mir mal anderswo unterkommt. Vielleicht komme ich ja auch mal dazu, ältere Gewächse aus der Vinothek in Essen zu probieren, die wir ja nun betreuen. Da gehen die Monte Bellos zurück bis ins Jahr 1978.

    Und übrigens, ja, die Typo, die Gestaltung, das ist einfach schön und klar und zeitlos.

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