Vor einiger Zeit habe ich Post von der Deutschen Wein-Entdeckungs-Gesellschaft bekommen und ich habe die Ankunft des auf 1.000 Flaschen limitierten Weines, die Flaschenausstattung und die Weinbeschreibung schon mal kurz hier gewürdigt. Nun haben wir uns die Zeit genommen, den als wild und ungewöhnlich titulierten Wein namens Neumond in Ruhe zu betrachten und zu schmecken. Uns ist klar, dass der Wein viel zu jung ist, aber wir haben ja ein paar Flaschen und so werden wir ihn in seiner Entwicklung verfolgen.
Dieser Riesling, dessen Beeren von verschiedenen, wild gemischten und eigenhändig vermehrten Sorten stammen, duftet schon beim Öffnen nach rheinhessischem Wein. Da ist diese ganz eigene Kräuter- und Würzaromatik, die sicher nicht allen, aber vielen Rieslingen dieser Gegend inne wohnt. Eine feine Süße steigt aus dem Glas, blumig-duftig wirkt der Wein. Würde ich sagen ätherisch würde das zwar zur Flaschenausstattung passen, wäre mir aber ein wenig zu viel des Guten. Die besagten Kräuter kommen dazu, etwas Kühles und Crèmiges schließt sich an, wie eine Pannacotta, gekühlt und mit einem Kleks Honig versetzt.
Schwebend wirkt der Wein im Glas, relativ süß zunächst im Mund. Zu Beginn fehlt ihm die erwartete Mineralik, in der Mitte wirkt der Wein würzig und hinten raus ungestüm und fast ein wenig alkoholisch. Nun, wir haben den Wein erst gerade geöffnet, wir stellen ihn beiseite und werden uns dem Wein erst zwei, drei Stunden später wieder widmen.
Nun ist die Nase deutlich vielschichtiger geworden, Steinobst und Limette haben sich in der Vordergrund geschoben, die Kräuter bleiben erhalten. Je länger der Wein im Glas steht, sprich, je wärmer er wird desto kühler wirkt er im Duft und umso stärker drängen sich exotische Aromen nach vorne, als könnten sie es gar nicht erwarten, bei diesem Wein die Regie zu übernehmen. Im Mund findet sich neben den besagten frischen Kräutern eine mineralisch, steinige Würze ein, ja, da ist die Mineralik die zu Beginn gefehlt hat – wenn auch immer noch ein wenig scheu. Begleitet wird sie von einem etwas medizinischen Geschmack, so, als würde man eine Salbengrundlage auf ein Stück Stein reiben. Auch hier findet sich die Kühle wieder, die schon im Duft mitschwang.
Im Gegensatz zu einem Satz Weil-Rieslinge den wir zwischendrin verkostet haben und die klassisches Rheingau, ja klassischen Riesling an sich verkörpern ist dies hier ein junger, wilder Bursche. Zwischenzeitlich haut er einem die süßlich-exotische Aromatik förmlich um die Ohren, dann tritt sie wieder deutlich zurück um etwas anderem Platz zu machen. Wenn ich die Wahl gehabt hätte, ich hätte ihm so ein paar Hippie-Aufkleber auf die Flasche gepappt und ihr noch mal ordentlich was aus der Sprühdose mitgegeben, so ungebunden wirkt dieser Riesling von Klaus Peter Keller und dem Initiator Carsten Sebastian Henn.
Jetzt, während ich schreibe, 24 Stunden später wirkt der junge Bursche ruhiger, im Glas steht die Würze des Bodens und ein wenig Lakritze im Hintergrund, die Früchte, die am späten gestrigen Abend so dominant waren haben sich zurückgezogen und es offenbart sich etwas, was ich schon gestern zwischendurch in der Nase hatte aber abgetan habe weil ich es zuerst als glykol-ähnlich identifiziert hatte, in Ermangelung einer anderen Assoziation. Das hätte die ganze Aromenpalette jedoch negativ besetzt und das wäre dem Wein nicht gerecht geworden. Jetzt finde ich die Assoziation. Der Wein duftet zurückhaltend nach sehr gutem Gin, also nach einer ganzen Palette destillierter Kräuter. Am Gaumen wirkt er jetzt fokusierter bzw. packender, geschlossener. Das ist zweifelsohne ein schöner, ein charaktervoller Wein, und ich freue mich darauf, im nächsten Jahr wieder eine Flasche auszupacken.
Und die Idee Carsten Henns, jedes Jahr einen ungewöhnlichen Wein mit jeweils einem anderen Winzer zu machen finde ich ebenso so schön und sollte er dies hier lesen, kann er mich für das nächste Jahr gerne wieder auf die Liste der Deutschen Wein-Entdeckungs-Gesellschaft nehmen.
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