Bordeaux zwischen Vinocamp und VinExpo, 6 – Château la Tour Figeac und St. Emilion

Weiter geht es Richtung La Tour Figeac, wo Otto M. Rettenmaier schon wartet. Château La Tour Figeac ist ein Grand Cru Classé Weingut dritter Ordnung aus der Provinienz St.Emilion. Es liegt in den sogenannten Graves de St. Emilion, wo der Oberboden relativ viele Kiesel aufweist, die hier Graves genannt werden. Daher auch der Appellationsname »Graves« auf der anderen Seite der Gironde, vor den Toren Bordeauxs. Das Plateau grenzt an Pomerol und liegt in Sichtweite von Cheval Blanc, wo ständig die Motoren der Hubschrauber rattern, die im Pendelverkehr die Exklusivgäste von und zur Vinexpo bringen.

Das als Gästehaus genutzte Haupthaus liegt versteckt hinter der Halle mit Fudern und Barriques

Figeac wurde im 19. Jhd. nach und nach in drei Güter aufgeteilt von denen das bekanntere Château Figeac ist, das unbekanntere Gut Château La Tour du Pin Figeac. La Tour Figeac selbst nun gehört seit dem Beginn der Siebziger Jahre der Familie Rettenmaier, die das Gut damals, als Bordeaux-Weingüter noch erschwinglich waren, auf Anraten des Jagdfreundes Hubertus Graf von Neipperg gekauft haben. Auch die Neippergs haben in dieser Zeit in Bordeaux investiert und sind Eigner der Güter La Mondotte, Canon La Gaffelière, Clos de l’Oratoire, Peyreau, d’Aiguilhe und Clos Marsalette, plus Beteiligungen an Château Guirauld und Soleil.

Otto Maximilian Rettenmaier in seinem Wingert

Doch zurück zu La Tour Figeac. Der Besitz wurde damals, und das sollte auch zunächst so bleiben, von Michel Boutet verwaltet, der wiederum auch die Neipperg-Güter Canon La Gaffelière und Clos de l’Oratoire verwaltet hat. Als Boutet sich zu Beginn der 90er zurückzog übernahm Otto Maximilian Rettenmaier die Verwaltung des Familienbesitzes. Der gelernte Betriebswirt wollte eigentlich nur die Verwaltungsnachfolge regeln, konnte sich aber von Gut, Landschaft und Leuten nicht mehr so richtig trennen, wie er selbst erzählt. Das Gut hat unter ihm einen kontinuierlichen Qualitätsanstieg erlebt, was nicht zuletzt damit zu tun hat, dass er ein gutes Händchen für die richtigen Leute zu haben scheint. Die technische Direktorin heißt Christine Derenoncourt, der Nachname ist nicht ganz unbekannt in der Weinwelt, ihr Mann Stéphane Derenoncourt, der nachvollziehbarer Weise häufiger auf dem Besitz anzutreffen ist und entsprechend berät, gehört mit zu den wichtigsten önologischen Beratern im Bordeaux und Kalifornien, auch hier gibt es wieder eine enge Verbindung zu den Neippergs, denn er berät auch Canon La Gaffelière und Clos de l’Oratoire aber genau so beispielsweise auch Smith Haut Lafitte oder Francis Ford Coppola. Für einen speziellen Teil der Weinbergsarbeit, nämlich für die Erfahrung mit biodynamischer Arbeitsweise wurde zwischenzeitlich François Bouchet herangezogen, der sich unter anderem bei Chapoutier mit dieser Arbeitsweise vertraut gemacht hat. Mittlerweile ist Caroline Guillier hinzugekommen, die vor allem für den Keller verantwortlich zeichnet.

Früher wurden Rosen als Mehltaufrühindikatoren angepflanzt. Das ist heute nur noch Optik. Moderne Wettermeldungen und Messsysteme im Weingarten sind viel genauer.

Wenn man mit Otto M. Rettenmaier spricht, unterhält man sich mit einem Menschen, der ziemlich genau weiß, was er will und der dies sehr geerdet und  bestimmt formulieren kann. Im Gespräch über die biodynamisch angewandten Methoden im Weinberg wird schnell klar, dass er mit Esoterik und Quasi-Okkultem, was in Steiners Traktaten ja immer wieder mitschwingt, nichts am Hut hat, dass er auch nicht vor hat, irgendwann einmal mit Dung gefüllte Kuhhörner im Weinberg zu vergraben. Es geht ihm um den grundsätzlichen Blick auf die Reben und den Umgang mit ihnen. Es geht ihm um Respekt und  den natürlich Umgang mit seinem wertvollen Rebmaterial. Was er festgestellt hat, und das sagen ja alle, die in diese Richtung der Weinbergbearbeitung gehen, das im Laufe der Zeit der sorgfältigen Bodenbearbeitung, des Umgangs mit Kräutersuden und Präparaten und dem Einsatz rein natürlicher Dünger und Mikroorganismen der Wein immer terroirtypischer geworden ist und stabiler, sich mehr im Gleichgewicht befindet. Angebaut wird auf den 14.5 Hektar zu 65% Merlot und zu 35% Cabernet Franc, der Ertrag liegt normalerweise bei etwa 40hl/ha.

 

Die großen Fuder sind neu, ebenso der gesamte Bereich der Trauben-Anlieferung und -Sortierung

Dass auf La Tour Figeac im Keller genau so penibel gearbeitet wird, wie im Wingert versteht sich dabei eigentlich von selbst. In den modernen, großen hölzernen Gärbottichen beginnen die Trauben mit Unterdruck zu gären bevor sie angepresst werden. Es gibt in den ziemlich neuen Fudern ein mechanisches System zum Maischestoßen, was wesentlich ruhiger und schonender verläuft als das Umpumpen. Hier wird beides in Kombination angewandt. Später wandert der Wein für 13 bis 15 Monate in Barriques.

Amüsant sind übrigens die Bezeichnungen der Eichenholzfuder und Stahltanks. Während Rettenmaier die Bottiche nach großen klassischen Komponisten benannt hat steht Caroline Guillier eher auf Jazz-Sängerinnen. Wozu die Namen? O-Ton Rettenmaier: »Es ist doch netter sich zu fragen, was Beethoven wohl gerade so treibt als zu schauen, was in Fass 6 passiert.«

Der eine liebt die Klassik, die andere den Jazz.

Otto Rettenmaier hat sich Zeit für uns genommen. Zunächst gab es die jüngeren Jahrgänge im Verkostungsraum, die Jahrgänge 2000 und 2001 dann haben wir zum Essen im nahegelegenen St. Emilion getrunken.

Wir beginnen mit dem 2008er L’Esquisse de la Tour Figeac, einem raren Zweitwein der in diesem Jahr aus 95% Merlot und 5% Cabernet Franc besteht. Ausgebaut wurde der Wein auf der Feinhefe in einjährigen Barriques. Ein ziemlich gelungener Einstieg. Merlot-Kraft und Dichte bestimmen den Wein und dieser besticht durch eine schöne Länge und Harmonie.

Schlichtheit bestimmt den Barrique-Keller, der auf jeden kathedralen Effekt wohltuend verzichtet.

Auch wenn der Jahrgang 2008 zwischenzeitlich ein wenig zu entgleiten drohte aufgrund des feuchten Sommers und der Verrieselung der Blüte wird es mit der wärmenden Septembersonne schließlich mengenmäßig ein kleiner, qualitativ aber ein ausgezeichnet Jahrgang. Der Beste, den wir vor Ort probieren, auch wenn 2009 mehr Sex hat und 2005 natürlich fleischiger ist und dicht, beerig und weich. 2008, mit 70% Merlot und 25hl/ha Ertrag legt sich tief und breit ins Glas, wirkt eukalyptisch-mineralisch kühl, einigen Veilchen- und Schokoladenaromen verbinden sich mit reifer aber eben nicht zu reifer Frucht und werden durch einen (übrigens immer) sehr moderaten Holzeinsatz gestützt. Das ist ein Wein im klassischen Bordeaux-Stil, der mir ausgesprochen gut gefällt. 2006 ist noch so ein Jahr, das mir gefällt, das sich sehr schön entwickelt, nicht nur auf diesem Château. Auch hier eine schöne Dichte, Kraft und Saft, gebändigt durch eine ausgleichende Säure und ein angenehmes Tanningerüst. 2010 erinnert natürlich an 2005: der leichte Rumtopf, die reifen Trauben, ein satter Wein voller Frucht und, etwas Überbordendes, etwas, das viel schneller sättigt als 2008. Doch wen wundert’s, bei diesen Jahrgangsbedingungen?

Bemerkenswert auch: Die Sélection Prestige, eine Sonderabfüllung aus 100% Merlot

Wie erwähnt fahren wir gemeinsam nach St. Emilion, dieses im frühen Mittelalter gegründete Städchen, das ganz still in der Mittagshitze liegt. Auf halber Höhe zwischen Ober- und Unterstadt lassen wir uns im Logis de la Cadène nieder, ein 2000er und 2001er La Tour Figeac unterm Arm. Gereicht wird, neben einer Vergleichsflasche 2004er Château Canon Boeuf vom Stück. Nur aussen leicht angebraten, sonst noch bleu liegen dort zwei große Teile am Knochen. Zwei ausgezeichnete Stücke Fleisch zu moderat gereiften Weinen bester Qualität. Was für ein herrlicher Moment!

Wir entern die Logis de la Cadène, Christian Riedel, mein Begleiter während der Reise hat sich die den 2000er und 2001er unter den Arm geklemmt.

Der 2004er Canon kommt etwas leichter daher als die beiden La Tour Figeac, was nicht zuletzt am anderen Boden liegen dürfte. Beim 1er Grand Cru Classé herrscht Kalkstein vor. Kein bisschen Überreife, dafür eine feine Frucht, etwas fleischig, feine, präzise Säure und runde Tannine. Jetzt schon toll, aber eigentlich noch für den Keller.

Vom Verkosten zum Trinken, die Weine harmonieren hervorragend zu dem Stück Rind, das auf unsere Teller geschnitten wird.

Der 2000er La Tour Figeac beeindruckt mich am stärksten neben dem 2008er. Während jener natürlich eigentlich noch viel zu jung war haben sich beim 2000er die Primäraromen weitgehend abgeschliffen, der Wein ist expressiv und ausladend. Aber auch hier gibt es nicht Überreifes. Das ist viel eher elegant und rund und passt ausgezeichnet zum Essen. Der 2001er steht ihm nicht viel nach, vielleicht wirkt der Wein ein wenig fetter und nicht ganz so elegant wie der 2000er, aber das wird die Zeit zeigen, denn beide kann man, sollte man sie im eigenen Besitz wähnen, durchaus noch ein paar Jahre im Keller vergessen.

Während Otto Rettenmaier sich langsam Richtung Heimat aufmacht, haben wir noch ein wenig Zeit. Viel zu wenig um in Ruhe und mit Muße durch die Stadt zu laufen, doch man kann selten alles haben und wir haben die Mittagszeit bei 30 Grad im Schatten lieber in guter Gesellschaft verbracht.

Blick auf die Unterstadt

 

La Maison du Vin

 

Vorbei an der Abtei…

 

und diversen Weinläden.

 


Während manch einer in der Sonne döst und Schwätzchen hält…

 

…schlendern wir an Château Ausone vorbei…

 

…zurück zum Wagen.

So hat Martin Fueyo nicht mehr allzu viel Zeit, sein Wissen mitzuteilen doch für eine kleine Runde durch die Stadt reicht es noch, bevor ich mit Christian Riedel, der mich die meiste Zeit der Reise begleitet hat, Richtung Château Bonnet aufbreche, vorbei an so klingenden Namen wie Vieux Château Certan, l’Evangile oder Petrus.

10 Kommentare

  1. […] geht’s zu den Artikeln aus BDX auf originalverkorkt.de Bordeaux zwischen Vinocamp und VinExpo, 6 – Château la Tour Figeac und St. Emilion Bordeaux zwischen Vinocamp und VinExpo, 5 – zurück zur Scholle: Château de Piote Bordeaux Trip […]

  2. Otto Henning

    Da man ja selten ein Feedback bekommt, wollte ich mich ausdrücklich für den stimmungsvollen Bericht bedanken.

  3. Christoph

    Das stimmt. Daher auch ganz herzlichen Dank für das Feedback!

  4. Sehr schöner Artikel zu La Tour de Figeac mit dem deutschen Besitzer Otto Rettenmaier. Leider finde ich keine direkt Website mit Kontaktdaten zum Chateau La Tour de Figeac.

  5. Heinz

    Ein sehr gelungener Reisebericht. Vielen Dank.
    Darin u.a. erwähnt “Die Sélection Prestige, eine Sonderabfüllung aus 100% Merlot” und der “Jahrgang 2005”.
    Konnten ( durften ? ) sie den Jahrgang 2005 als Sélection Prestige verkosten ?

  6. Vielen Dank! Ich denke, ich habe sie probiert, finde aber gerade die Aufzeichungen nicht. Der Reisebericht ist ja schon 12 Jahre alt.

  7. Heinz

    Das ist verständlich, danke für das feedback. Dieser 2005er Jahrgang wird ansonsten ja sehr gelobt. Ich habe drei Flaschen jenes Jahrgangs als SELECTION PRESTIGE in der damaligen Holzkiste hier und überlege, diese alsbald in eine Weinauktion zu geben. Aber es gibt im www. zu wenige übereinstimmende Meinungen dazu. Und kaum zu finden sind Auktionsergebnisse.
    Viele Grüße
    Heinz

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