Geliebtes Gretchen, Blanc de Noirs 2005 brut, Wein- und Sektgut Winterling, Pfalz

Vor wenigen Tagen hat meine Tochter ihren neunten Monat durchlebt und so habe ich, angeregt durch einen Artikel bei drunkenmonday, zum demnächst erscheinenden Podcast eine besondere dreiviertel Liter-Flasche mitgebracht, um auf ein dreiviertel Lebensjahr anzustoßen.

Kurz nach der Geburt hatte ich eine Flasche deutschen Schaumwein vom Weingut Winterling aus Deidesheim in der Pfalz geschenkt bekommen. Wie der Zufall es wollte, kannte der Gratulant, der mir die Flasche eher zufällig schenkte, den Namen meiner Tochter noch nicht und so hatte er keinen blassen Schimmer, dass der Name des Weines ausgezeichnet passte. Denn natürlich nennen wir unsere Tochter, die Greta heißt, sehr häufig Gretchen. Insofern ist es etwas sehr besonderes, mit einer Flasche Geliebtes Gretchen auf sie anzustoßen.

Was ich allerdings nicht erwartet hatte, war, dass der Wein ebenso besonders sein würde. Er gehört mit Sicherheit zu einem der ungewöhnlichsten und auch beeindruckendsten Schaumweine, die ich bisher probiert habe. Nicht nur die Flaschenausstattung und der Name deuten darauf hin – Winterlings haben jede einzelne Flasche mit Goldstift von Hand beschriftet. Der Wein rinnt tief orangefarben ins Glas. Die Farbe erinnert tatsächlich an die Farbe eines Orange Wines, eines jener Weine, die, aus Weißwein gekeltert, auf den Traubenhäuten vergären um aus diesen jede Menge Extrakt und auch eine eigene Farbe zu ziehen. Das hier ist kein Orange Wine denn es ist ein Pinot, genau gesagt besteht der Sekt aus Pinot Noir und Pinot Meunier, also Spätburgunder und Schwarzriesling. Doch auch dieser Weine muss einige Zeit auf den Schalen gelegen haben, um zu etwas zu werden, was normalerweise ein Rosé werden würde. Hier ist es kein Rosé. Hier ist es ein Wein, der nicht nur ungewöhnlich ausschaut, er riecht auch nicht wie ein Schaumwein, geschweige denn wie ein deutscher Schaumwein. Er riecht nach Kraft und Karamell, nach etwas Medizin und nach frisch gebackenem Brot, vor allem nach der Kruste. Hinzu kommt ein wenig Duft von Sherry und Indian Pale Ale.

Nach wenigen Momenten nimmt man die Perlage im Glas nicht mehr war. Im Mund schäumt der Wein erst nach einem kurzen Moment des Zögerns auf und füllt dann ganz weich die Mundhöhle aus. Der Sekt selbst strotzt vor Kraft, untermalt von nicht unerheblichen 14 Prozent Alkohol. Die merkt man aber nur, weil der Wein von allem sehr viel hat, ohne banal zu protzen. Unangenehm auffallen tut der Alkohol jedenfalls nicht. Es ist halt so wie bei einem Porter oder belgischem Double oder Triple, auch ein solches Bier trinkt man nicht zur Erfrischung auf der Terrasse, eher am Ende eines langen Tages oder zum Essen. So ist das hier auch. Das ist ein Essensbegleiter, der jedem großem Menü zur Ehre gereicht und auch locker jede Form von rotem Fleisch schafft. Ansonsten ist das ein Wein zur Meditation oder für einen besonderen Abend mit guten, weinerfahrenen Freunden.

Ich muss sagen, ich war selten so begeistert von einem Wein, auch jetzt noch, einige Tage nach dem Öffnen, denn jetzt präsentiert sich der Wein, der noch mal ordentlich geschäumt hat nach dem Öffnen, genau so brillant und charaktervoll wie am ersten Tag. Kein Anzeichen von Müdigkeit trübt den Blanc de Noirs. Es ist ein so ungewöhnliches Erlebnis inmitten der Vielfalt der Weinlandschaft, dass ich ganz überrascht bin, nicht schon früher davon gehört oder gelesen zu haben. Das volle, üppige, ungewöhnliche Aroma, die Kraft, Fülle, Balance und Länge zeichnen ein Gretchen aus, dass mit Sicherheit kein braves Mädchen ist. Sie hat es faustdick hinter den Ohren, und, das kann ich nach neun Monaten sagen: das passt.

5 Kommentare

  1. Klingt nach einem wirklich spannenden deutschen Sekt. Ist sofort auf meiner Liste gelandet – wird im Laufe der nächsten Zeit definitiv probiert!

  2. Ich werde morgen mal anfragen, ob der aktuelle 2006er Jahrgang ähnlich außergewöhnlich ist.

  3. Klingt nach einem Sekt, der auch mir gefallen könnte! Kann man diesen Sekt auch in einem Laden kaufen?

  4. Das weiss ich nicht, ich habe ihn zunächst geschenkt bekommen und den nächsten Jahrgang auf deren Website bestellt.

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