Es war mein erster Besuch auf der Vinitaly, Italiens größter Weinmesse. Knapp 4.300 Aussteller tummeln sich auf 95.000 qm und buhlen um die Gunst des Publikums. Im Gegensatz zur Prowein, wo Importeuere und Hersteller aus aller Welt ihre Weine präsentieren, dreht sich in 11 Hallen praktisch alles um die italienischen Anbaugebiete. Wenn man dann nur zwei Tage Zeit hat, muss man sich auf einige wenige Dinge konzentrieren. Für mich hieß das: Toskana, und dieses Gebiet ist ja immer noch groß genug. Das Schöne allerdings ist, dass man einen Termin mit den Konsortien der jeweiligen geschützten Gebiete machen kann und so gab es an einem Tag Chianti und Chianti Classico, am anderen Brunello di Montalcino, jeweils so um die hundert Stück.
Natürlich sind nicht alle Winzer in den Konsortien organisiert und so habe ich auch abseits noch ein wenig rumgeschnüffelt und probiert. Ein Winzer, ein Prominenter gar ist übrigens gerade kürzlich aus dem Konsortium der Brunello-Erzeuger herausgeflogen. Es ist der Inhaber des Weingutes, dem ein ehemaliger Mitarbeiter kürzlich die Fässer der gesamten letzten Jahrgänge geöffnet hat. Die Geschichte ist schon wirklich schräg, denn nachdem man Gianfranco Soldera vom Weingut Case Basse, einem der renommiertesten Güter des Gebietes seiner gesamten letzen Jahrgänge beraubt hatte, haben andere Winzer des Gebietes ihm aus Solidarität angeboten, ihm einen Teil ihrer Ernte zu überlassen um einen Solidaritätswein produzieren zu können. Was macht Soldera? Er weist dies nicht nur brüsk zurück sondern ereifert sich öffentlich über diese „Unverschämtheit“. Was er denn mit diesem minderwertigen Zeuchs solle? Seine Kunden seien andere Qualitätsstandards gewohnt. Es verwundert nicht, dass die anderen Winzer der Vereinigung gelinde gesagt wenig amüsiert waren.
Doch vom Popcorn zurück zu ernsten Themen: Auch wenn 2010 vielleicht nicht der beste aller Chianti-Jahrgänge ist – die Winzer hatten mit ziemlichen Widrigkeiten zu kämpfen, der Sommer war einigermaßen verregnet und kurz, die Ernte verlief bis weit in den Oktober hinein und wer zu früh geerntet hat, hatte das Nachsehen – verfügen viele Weine doch über eine große Eleganz und gute Länge. Allerdings wird in einer solchen Horizontale schnell offensichtlich, wie stilistisch unterschiedlich die Weine sich präsentieren – die Vorbilder scheinen häufig eher im Bordeaux als in der Toskana zu liegen.
Klare Favoriten im Chianti
Über die besten Weine gab es in meiner kleinen Dreier-Verkoster-Runde überhaupt keine differenten Ansichten. Besonders stark, ungewöhnlich, denn es gab in den letzten Jahren auch deutlich schwächere Weine aus diesem Hause, ist der 2010er Chianti Classico von Isole & Olena. Auf praktisch gleichem Niveau liegt der Chinati Classico von Fontodi, der uns sogar noch besser gefallen hat als die Reserva aus gleichem Hause. Beeindruckend auch der Casanuovo di Nittardi, ein kraftvoller, superreifer Chianti mit großer Länge. Dieser wird in unserer Bewertung nur von der 2009er Riserva Nittardi getoppt, die noch ein wenig kraftvoller, noch eine Spur bissiger und gleichzeitig noch eleganter daher kommt. Zwei Namen sollten noch genannt werden, deren Weine unbedingt mit in die Spitzengruppe gehören: der Fonterutoli und die Castello Fonterutoli genannte Riserva aus dem Hause Mazzei hat uns ebenso überzeugt wie der Brolio 2010 sowie der Castello di Brolio 2010 aus dem Hause der Barone Ricasoli. Auf diesem eleganten Niveau macht Chianti große Freude. Abseits des Consorzio waren es die Weine aus dem Hause Riecine, die ich gerne noch mal in Ruhe verkosten möchte. Ich habe sie auf der ViViT aufgespürt, einem eigenen Bereich, in dem vornehmlich Vin Naturel und biodynamisch erzeugter Wein zu entdecken war.
Brunello mit fantastischen Weinen
Bei der ViViT haben wir auch einen meiner persönlichen Highlights der Messe aufgetan. Es ist der Brunello aus dem Hause Stella di Campalto. Der abgebildete 2007er Brunello der Podere San Giuseppe di Stella di Campalto ist ein unglaublich subtiler, eleganter und harmonischer Brunello. Wenn ich die Wahl gehabt hätte, mir einen Brunello mitzunehmen, hätte ich diesen genommen (trotz des sensationellen Uccelliera). Dieser positive Eindruck hat sich am zweiten Tag noch einmal bestätigt, denn da war Brunello-Tag. Stella die Campalto gehört nicht zum Consortio, jedoch hat die Winzerin ihre Weine zusammen mit Pian del Orino und Salicutti angeboten, zwei Weingüter, die ich selber mit Freude verkauft habe und die heute bei vinaturel zu finden sind. Ob das für Stella di Campalto ebenso gelten wird?
Neben den Weinen, die zum Consortio gehören, sollte neben den wieder einmal exzellenten Erzeugnissen von Pian del Orino noch der klassische Brunello von Lisini erwähnt werden – fein, lang, dicht und elegant. Überhaupt ist der 2008er Jahrgang in der Breite ganz hervorragend gelungen, während sich der 2007er Riserva-Jahrgang deutlich heterogener gibt. Eine ganze Reihe der lange gelagerten Brunelli schien ein wenig spröde, ja austrocknend. Die Riserva-Weine der folgenden Weingüter allerdings sind für mich über alle Zweifel erhaben. Hier steht Eleganz, Kraft, dichte Struktur, feine Säure und Finesse in einem harmonischen Miteinander. Überraschend gelungen fand ich die Pian del Vigne Riserva aus dem Hause Antinori, modern, weich, rund, aber doch charaktervoll. Sehr gut die Qualität von Fanti, von Castiglion del Bosco und von Sassetti Livio. Großartig beide Brunello-Qualitäten von Vasco Sassetti und Val di Suga, schlichtweg genial die drei Weine (hier haben wir auch noch den Rosso mit probiert) von Uccelliera. Bei der Probe des Consorzio war das unser Spitzenreiter – moderner, höchst eleganter Brunello von großer Schönheit.
Stella di Campalto gibt es hier:
http://www.50second-finish.de/
Der 2006 war ebenfalls grandios.
Grüße,
Martin
Danke, Martin!
[…] im toskanischen Weingut Riecine gelernt hat – ich hatte dieses kurz im Vinitaly-Artikel erwähnt. Tom ist herzlich und nett – überhaupt ist das auf der RAW alles sehr persönlich und […]