Eine Handvoll Blaufränkisch

Hat das österreichische Weinmarketing im letzten Jahr noch den Grüner Veltliner vorgestellt, hatten sie heuer eine ganze Reihe Blaufränkisch im Gepäck. Nicht irgendwelche sondern schon die Crème de la Crème. Die 36 Weine, die die Herren Gerhard Elze und Sascha Speicher im Fillet of Soul in Hamburg präsentierten, haben mir wieder einmal deutlich gemacht, um was für eine geniale Sorte es sich beim Blaufränkisch eigentlich handelt. Warum? Das ist für mich einfach zu erklären. Blaufränkisch hat Eleganz und Kraft, vor allem eine vernünftige Säure und immer eine feine und pfeffrige Würze und eine ausgeprägte Tanninstruktur. Er schmeckt jung und hat ein gutes Alterungspotential. Er lässt sich stilistisch Richtung Bordeaux vinifizieren oder Richtung Burgund, er beeindruckt, wenn das Holz nur ganz minimal eingesetzt wurde doch er schafft auch spielend das frische Barrique. Somit gehört diese Sorte für mich eigentlich auf eine Ebene mit den Cépage noble. Letztlich bleibt der Blaufränkisch jedoch regional deutlich begrenzt und spielt global keine Rolle. Er findet sich lediglich mit ca. 3.300 Hektar in Österreich, dazu unter dem Namen Kekfrankos in Ungarn und als Lemberger in Deutschland. Hinzu kommen kleine Flächen in Italien, den verschiedenen baltischen Republiken, Washington und Australien.

selfportrait

Wie alt diese dunkelfleischige und dunkelhäutige Sorte tatsächlich ist, bleibt unklar. Genauso wie ihre Eltern heißen. Bis vor nicht allzu langer Zeit ging man davon aus, dass sie mit dem Gamay identisch wäre. Dem ist jedoch nicht so. Wahrscheinlicher ist eine Wildkreuzung aus Weißem Heunisch/Gouais Blanc und einem noch unbekannten Partner. Gleichzeitig ist sie ein Elternteil vom Gamay Noir. Das Fränkische im Namen deutet darauf hin, dass die Sorte schon früh zu den edlen, also fränkischen Sorten im Gegensatz zu den heunischen, den einfach gezählt wurde.Der Blaufränkisch ist die Leitsorte des Mittelburgenlandes. Hinzu kommen die Bereiche Eisenberg im Südburgenland, Carnutum in Niederösterreich und der Höhenzug am Westufer des Neusiedlersees, der Leithaberg. In diesen Bereichen findet die Sorte die Wärme und das Klima das sie braucht, um ihre Eleganz zu entwickeln.

Alles ist vorbereitet

Alles ist vorbereitet

Wie deutlich die Sorte die unterschiedliche Bodentypizität aufnimmt, wurde schon im ersten Flight klar, wo Leithaberg DAC, Eisenberg DAC und Mittleburgenland DAC nebeneinandergestellt waren. Im Leithagebirge findet sich verwitterter Gneis und Glimmer, durchsetzt mit Muschelkalk, was beim Leithaberg DAC 2010 von Markus Altenburger zu einem schlanken, fleischigen Wein mit deutlicher Säure führt, während der Wein aus dem Eisenberg, es handelte sich um einen Burgenland Reserve 2010 von Krutzler, mehr Kraft, mehr Würze, mehr Kühle und, wen wundert’s Holunder- und Eisennoten mit sich brachte. Ausgezeichnet gefallen hat mir die Reserve V-Max 2009 von Rotweine Lang. so viel ausgeprägte Rive-Droite-Bordeaux-Stilistik habe ich ausserhalb von St. Emilion selten gefunden. Leichte Süße in der Nase, dunkle und rote Früchte, feines Holz, cremige Noten, etwas Kaffee und Toffee, gleichzeitige Leichtigkeit und Tiefe wie bei einem St. Emilion aus vergangenen und kühleren Tagen, leichtes Parfum, Pflaume, süße Weichsel-Kirsche, etwas an Cabernet Franc erinnernde Paprika. Das alles fein gewirkt und komplex, einfach begeisternd. Nur knapp dahinter lag für mich der Buehl 2009 von Claus Preisinger, ein fleischer und saftiger Wein mit kühlen und kalkigen Noten, Rauch, Creme und klarem Tannin – ausgewogen und zupackend, ebenfalls begeisternd.

Die Herren Elze und Speicher sowie ein ausgesprochen burgundisch anmutender Spitzerberg

Die Herren Elze und Speicher sowie ein ausgesprochen burgundisch anmutender Spitzerberg

Im zweiten Flight dann Burgund statt Bordeaux. Der Klassik Spitzerberg 2010 von Muhr-van der Niepoort überrascht schon mit der verhaltenen Pigmentierung, die deutlich an Pinot erinnert. In der Fruchtaromatik, den erdigen und pilzigen Noten, der Kraft und den zarten Tanninen setzt sich das fort. Am Gaumen ist dieser Wein saftig und frisch und gehörig elegant. Ich mochte das sehr. Nach einer Cassis-Bombe mit Saft und floralen Noten, es handelte sich um den Leithaberg 2010 vom Kloster am Spitz, übernahm wieder die Holzfraktion. Die Reserve Goldberg 2010 von K+K Kirnbauer setzt vergleichsweise viel Holz ein, das aber gekonnt. der Wein erinnert ebenfalls eher an Burgunder denn an Bordeaux-Cuvée. ich dachte ein bisschen an Oregon. Der Wein hat 14% (der Spitzerberg brachte es auf 12,5%) und das merkt man auch. Zum Holz gesellen sich hier deutlich Kirsche und Erdbeere, Waldboden und Unterholz. Dann wieder Eisenberg, diesmal die Reserve Pfarrgarten 2010 von Wachter-Wieser. eisen schon im Duft, dazu Kräuter, wiese, Veilchen und etwas Holz. Auch hier, wie eigentlich immer Pfeffer, Gewürze, in diesem Fall etwas Nelke und diese sagenhafte Säure. der Wein ist frisch und verspielt.

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Nach dem 2010er Jahrgang nun der 2009er. Die Reserve Dürrau 2009 von IBY stammt aus dem Horitschon. Und die dortigen fetten Lehmböden wirken sich auf die Stilistik deutlich aus. Ein fest gewirkter, kraftvoller Blaufränkisch mit relativ viel Holz und einem süßen, reifen Kern. der Wein ist saftig und kirschig am Gaumen, nur etwas zu heiß zu Schluss. Ebenfalls ein wenig alkoholisch – in beiden Fällen nur eine Spur, aber schon spürbar – die Reserve 2009 von Prickler aus Lutzmansburg. Viel Mineralik und Würze sind hier zu schmecken, etwas herbe Schokolade und eine tolle Frucht am Gaumen. auch hier wieder ziemlich perfekte Säure, Saft und Frische. Mit der Reserve Himmelthron 2009 vom Winzerkeller Neckenmarkt zeigt die Genossenschaft, auf welchem Niveau sie arbeitet. Sie ist, so habe gelernt, bekannt dafür, dass sie umliegenden Spitzenwinzern Trauben für deren Basics liefert. Hier findet sich wieder eine leichte Cabernet Franc Stilistik, wie ich sie schon beim V-Max gefunden habe. Eine grüne Paprika-Note, leicht und begleitend, keineswegs unreif wirkend. ein fordernder, leicht scharfer Wein mit kalkigen Noten und ebenfalls großer Saftigkeit. Zur Reserve Creitzer 2009 von Gesellmann habe ich mir nicht viel notiert. da war mir zu viel Holz drin, ein wenig zu viel Säure aber schönes Tannin.

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In der vierten Runde ging es an die gereiften Gewächse. Und da zeigt der Blaufränkisch seine ganze Klasse. Ungerberg 2007 von Paul Achs hat ein hohes Niveau, zeigt viel Frucht in der Nase bei kühler Stilistik. Am Gaumen fleischig, saftig, wirkt jung, hat eine gute Struktur und mineralische Noten, zeigt jedoch nicht die Tiefe der kommenden drei Weine. Von einem meiner liebsten Winzer stammt der folgende Wein. Der Lutzmannsburg Alte Reben 2002 von Moric, Roland Velich kommt aus der Magnum und stammt aus einem vergleichsweise kühlen Jahr im Burgenland. Entsprechend zeigt er die gereifteste Farbe und Note in der Nase. Und doch, was für ein gelungener Wein, wenn das Reduktive erst einmal verflogen ist. Jod und Bohnenkraut bestimmen die Nase zuerst, dann eine warme Note, Marzipan, Würze, am Gaumen und mit der Zeit immer mehr Würze bei dunklen Fruchtnoten. Der Wein öffnet sich nach und nach, zeigt rote Paprika, mineralische und balsamische Noten, Länge – ich mag dieses Reifestadium. Danach dann einer vielleicht besten Blaufränkisch, die ich bisher getrunken habe und gleichzeitig auch einer der berühmtesten Weine des Nachbarlandes. Der Marienthal 2001 von Ernst Triebaumer aus Rust ist begeisternd harmonisch, tief und balanciert. immer noch so viel frischer Frucht- und Traubensaft am Gaumen, so viel passende Säure, dunkle Frucht, Stein, Kalk, feinkörniges Tannin, einfach traumhaft. Kaum weniger begeisternd der Goldberg 1995 von Prieler. Hier wieder die Assoziation mit gereiftem St. Emilion auf Spitzenniveau. Praktisch alles ist stimmig, die Tiefe, die Struktur, die Länge, die präsente Säure, das auffallende Viel an Frucht für einen so gereiften Wein. da ist eigentlich keine Spur von Müdigkeit zu erkennen, toll.

Für mich: Best of Show

Für mich: Best of Show

Die weiteren Weine gab es ohne Begleitung zum Selbstverkosten. Der junge, also noch nicht gereifte Star des Nachmittags war für mich eindeutig der Point 2009 von Kollwentz. Ein mächtiges und gleichzeitig saftiges Monument an Blaufränkisch. Der macht jetzt unglaublich viel Spaß und ich möchte ihn gerne in ein paar Jahren erleben. Ebenfalls großartig der Tannenberg 2009 von Anita & Hans Nittnaus, der Rusterberg 2010 von Rosi Schuster und der Reihburg 2010 von Schiefer. Es gab für mich an diesem Nachmittag keinen einzigen Ausfall, im Gegenteil, das war eine Probe auf exzellentem Niveau. Jeden der vorgestellten und auch später probierten Weine würde ich mit Genuss zum Essen und danach probieren – ja, gerade als Essensbegleiter ist diese Sorte mit der präsenten Säure eine Wucht. Das eigentlich Schöne ist, dass diese Weine sich kaum verschließen und praktisch zu jedem Zeitpunkt Spaß machen, egal in welchem Reifestadium sie sich gerade befinden. Zudem können sie noch so tiefgründig sein, sie wirken nie überintellektuell, nie so, als dürfte man nichts anderes mehr tun, als sich nur dem Wein zu widmen. Das gefällt mir. Nur günstig sind sie nicht – doch auch das ist relativ. Der Point 2009 beispielsweise kostet keine 50 Euro. Für das Geld finde ich im Bordeaux nichts auf diesem Niveau.

Danke noch mal an Gerhard Elze und Sascha Speicher für den spannenden Par-Force-Ritt.

6 Kommentare

  1. Danke, sehr interessant!
    Für mich ist auch der Blaufränkisch die beste rote Rebsorte in Österreich. Zweigelt hat qualitativ keine Chance zum BF!! Ich finde dann die “burgundischen” Blaufränkisch-Weine am spannendsten.

    Ich habe sogar in den Adelaide Hills (Australien) Blaufränkisch bekommen, allerdings hieß er dort Lemberger!

  2. Sehe ich auch so. Zweigelt hat keine Chance. Deutscher Lemberger aber eigentlich auch nicht. Die Australier machen witziger Sachen, vor allem in den Cool Climate Regionen. Da gibt es dann auch schon mal richtig guten Lagrein.

  3. Toller Bericht zu Österreichs bester roten Rebsorte. Viele der wichtigen Weine aus diesem Bereich sind genannt…die Liste kann aber auch noch fortgesetzt werden mit BF von Erzeugern wie Wellanschitz, Gager, Trapl, Kopfensteiner, GuR Triebaumer…

  4. Ja, es waren auch noch mehr dabei, aber ich konnte nicht alles gleichermaßen erwähnen.

  5. Hab ich natürlich wieder sehr spät gesehen, sorry :(.
    Der letzte Wein, den ich vor meinem Abflug getrunken hatte, war der “einfache” 2010er Blaufränkisch von Moric (9,40 € habe ich glaub ich bezahlt). Das ist für mich einer meiner roten Lieblingsweine, wenn die Alten Reben Lutzmannsburg gerade mal wieder nicht zu Hand sind ;). Uwe Schiefers “Pala” mag ich auch sehr gern und noch ein paar andere, aber Du hast es ja schon gesagt, die Liste wird lang und länger… Ist aber irgendwie kein schlechtes Zeichen.

  6. Bei Interesse an einer Verkostung eines leckeren Lembergers aus dem Ländle bitte einfach kurz per E-Mail melden!
    Danke!

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