Den Abschluss der Großen-Gewächs-Probe bildeten die 72 Früh- und Spätburgunder aus insgesamt acht Anbaugebieten.
Ahr
Zum Auftakt ging es an die Ahr, und zwar mit drei Frühburgundern, von denen der Dernauer Pfarrwingert von Werner Meyer-Näkel einen ziemlich genialen Auftakt geboten hat. Dieser Wein ist für mich Frühburgunder in annähernder Perfektion. Er hat für mich genau den Sex, für den ich Frühburgunder liebe: eine gewisse nonchalante Grundentspanntheit, reife, verspielte Frucht, seidige Tannine, vollen Körper, viel Saft – das ist hier sehr attraktiv gemacht. Dem steht der Frühburgunder aus dem Recher Herrenberg von Alexander Stodden qualitativ in nichts nach. Auch dieser Frühburgunder ist einfach köstlich, tief, intensiv, geheimnisvoller als der üppige Pfarrwingert, voller Würze und etwas präsenterem Holz-Vanille-Ton. Überhaupt liefern sich Meyer-Näkel und Stodden an der Jahr ein Kopf-an-Kopf-Rennen auf höchstem Niveau. Da kommen Adeneuer und Kreuzberg nicht ganz mit. Und das schraubt sich immer weiter hoch: ein kraftvoll cremiger, fast sahniger Spätburgunder aus dem Ahrweiler Rosenthal von Stodden – vielleicht Stoddens bester Wein aus 2012, gefolgt von zwei Bad Neuenahrer Sonnenbergen, der Meyer-Näkelsche sehr reif mit intensiver Kirschnote, trotz der Reife sehr elegant und finessenreich. Der Stoddensche trumpft mit einer intensiven Frucht-Creme-Holz-Note, die den Wein schon im ersten Moment sehr begehrenswert macht, nur ein wenig zu viel Alkohol hinten raus macht ihn jetzt noch schwer einschätzbar. Während ich Stoddens Dernauer Hardtberg und den Recher Herrenberg momenta noch zu holzlastig finde und vor allem den Herrenberg etwas zu karamellig, trumpft Meyer-Näkel mit zwei hervorragenden Weinen aus Walporzheim auf. Der Kräuterberg hat das, was der Name schon andeutet: Kräuter, frische Kräuter und Trockenkräuter in verschwenderischer Frucht, sinnlich, tief mit nahezu perfekter Säure. Der Pfarrwingert mit viel saftiger Frucht, mit Gripp, fein, elegant und – wie alle anderen Meyer-Näkelschen Weine – sehr sinnlich. Ich kann mich nicht daran erinnern, bessere Weine aus diesem Haus probiert zu haben.
Was ich mir in den Keller legen würde: Frühburgunder Dernauer Pfarrwingert von Meyer-Näkel, Ahrweiler Rosenthal von Stodden, Walporzheimer Kräuterberg von Meyer-Näkel, Walporzheimer Pfarrwingert von Meyer-Näkel
Sachsen, Rheingau & Rheinhessen
Die nächste Gruppe an Weinen bildete das Rheingau und das einzelne Große Gewächs aus Sachsen. Es ist die Hauslage Schloss Proschwitz des gleichnamigen Gutes des Prinzen zur Lippe. Dieser Pinot ist ganz anders als der Rest. Er wirkt leichter, spielerischer, dabei mineralisch und fein. Fand ich sehr gelungen. Im Rheingau dann gab es keine großen Überraschungen, außer das mir die beiden Pinots des Platzhirschen August Kesseler nicht so gut gefallen haben, dass ich in Erwägung ziehen würde, sie mir irgendwann zuzulegen. Kirschlikör hier, Cassis-Crème dort. Ja, alles fein, saftig, elegant und mit angenehm wenig Holz. Aber irgendwie war mir das für den Moment zu vordergründig, was es im Schlossberg und im Höllenberg zu entdecken gab.
Aus Rheinhessen wurden insgesamt fünf Weine präsentiert, zwei Pinots von Neus, einer von Schloss Westerhaus und zwei von Gutzler aus den Westhofener Lagen. Das Brunnenhäuschen fand ich in seiner Entspanntheit wunderbar. Gemacht nach alter Tradition, ohne zu viel modernen Schnickschnack-Holzeinsatz, nicht zu viele Gerbstoffe, dafür schöne Frucht, aber eine tiefgehende, nicht oberflächliche. Vor allem aber bietet dieser Wein Trinkfluss schon ab dem ersten Moment – das geht vielen Weinen ab, diese Lust, den Wein in großen Schlücken zu trinken, sollte trotz aller gewollter Tiefe und Komplexität doch auch bei Großen Gewächsen eines der obersten Gebote sein. Bei den Gutzlerschen Weinen ist das der Fall.
Was ich mir in den Keller legen würde: Westhofener Brunnenhäuschen von Gutzler
Pfalz & Franken
Christmanns Idig kann ich, ehrlich gesagt, schlecht bewerten. Ich weiß nicht ob es die Flasche war oder ob es der Wein ist, es fand sich kaum Frucht, der Wein wirkte leicht oxydiert und es fand sich ganz hinten eine leichte Krautnote. Und obwohl sich das jetzt gar nicht so toll anhört, hatte der Wein trotzdem Klasse, war kühl und elegant – den muss ich noch mal zu einer anderen Zeit probieren. Hansjörg Rebholz’ Pinot ähnelt den Rieslingen 2013 aus der gleichen Lage durchaus. Der Wein stammt nicht aus 2012 sondern aus 2009 und hat einen gewissen Reifevorteil. Der benötigt er wohl auch denn er wirkt immer noch teilverschlossen. Der offenere Teil ist saftig, herrlich saftig, frisch, fein gewirkt in seiner Tanninstruktur, dazu salzig-mineralisch und auch er hat das, was Meyer-Näkels und Gutzlers Weine haben: er hat Zug, er packt zu und man will ihn unbedingt trinken. Dr. Wehrheims Birkweiler Kastanienbusch »Köppel« liegt für mich qualitativ auf gleichem Niveau. Er hat weniger offensive Frucht aber ebenso viel Zug. Er wirkt insgesamt noch eine Spur feiner und elegant und, ja ich muss es so sagen: burgundischer. Es ist der Pinot, der mich bisher am ehesten ins Burgund versetzt. Boris Kranz Kalmit ist genau so puristisch radikal wie sein Konterpart, der Riesling aus gleicher Lage. Ein kraftvoller, starker, fruchtreduzierter steiniger Wein. Für Puristen ist dieser Wein ein Muss. Daneben stehen dann die beiden Vertreter aus dem Hause Becker, der Kammersberg und der Sankt Paul. Das sind zwei Tannin-Granaten par excellence. Es sind vielleicht die größten Weine der Probe, Monolithen mit gigantischem Potenzial, das sich zwar hinter einem dicken Vorhang aus Gerbstoffen und Holz versteckt und doch deutlich wahrnehmbar ist. Ein großer tiefer stiller See voller dunkle, reifer Frucht und gezügelter Kraft.
Der Pinot aus dem Sulzfelder Maustal hatte zum Glück das, was die Weißweine aus dem Zehnthof Luckert diesmal leider etwas vermissen ließen: Kraft und Dichte. Und das, obwohl der Weine zunächst einmal leicht und spielerisch über die Zunge tänzelt. So ein Wein ist nach den beiden Schwergewichten aus dem Hause Becker eine Erholung und eine willkommene Abwechslung – zumal es mit Benedikt Baltes’ Klingenberger Schlossberg direkt sehr gerbstoffreich weitergeht. Zunächst fein, duftig, voller Kräuter und feiner Frucht, am Gaumen kraftvoll mit viel Potential und einer momentan noch etwas störenden Bitternote, die jedoch mit zunehmender Reife verschwinden – ein toller Wein, der für mich auf Augenhöhe mit den Pinots aus dem Hause Rudolf Fürst liegt. Auch diese haben dieses sehr reife Tannin und die Kräuternoten, die auch Baltes’ Wein auszeichnen. Mir gefällt aktuell der Schlossberg am besten – genau weil er etwas Wildes in sich trägt.
Was ich mir in den Keller legen würde: Siebeldinger Im Sonnenschein 2009 vom Ökonomierat Rebholz, Birkweiler Kastanienbusch von Dr. Wehrheim, Ilbesheimer Kalmit von Kranz und Schweigener Kammerberg von Friedrich Becker sowie Klingenberger Schlossberg von Rudolf Fürst und vom Weingut der Stadt Klinberg sowie Sulzfelder Maustal vom Zehnthof Luckert
Württemberg & Baden
Bei der Klasse, die hier an Pinots auf dem Tisch stand, fällt es mir schwer, den Württembergern gerecht zu werden. Vorher Fürst, Stadt Klingenberg und Luckert und den vierten aus der Gruppe, nämlich den Pinot von Schmitt‘s Kinder habe ich gar nicht erwähnt, obwohl er mir besser gefällt als die meisten Weine aus Württemberg und als alle Weine vom Kaiserstuhl, denen es an Säure mangelt, die es als Rückgrad für gute Pinots einfach braucht.
Zwei Weine möchte ich hervorheben und sie stammen aus der selben Lage. Da wäre Rainer Schaitmanns Fellbacher Bergmandel und Markus Heids Bermandel, der ziemlich saftig und reif um die Ecke kommt. Er bietet viel Trinkfluss, ist jetzt schon sehr offen, muss aber noch die Menge an Holz und Gerbstoffen verarbeiten, die Heid ihm mitgegeben hat. Schnaitmanns Bergmandel ist etwas wärmer, wirkt etwas alkoholischer mit einer leichten Bitternote hinten raus, die Frucht ist etwas gekocht.
Zum Schluss und zum Gedächtnis vier Weine von Bernhard Huber. Beim Bienenberg habe ich spontan den Eindruck, der Wein können aus dem Pauillac kommen. Pauillac-Pinot erster Güte mit satter Cassis-Frucht, Zedernholz, etwas Minze, dann eine phantastische Säure. Die Parzellen Wildenstein, ebenfalls aus dem Bienenberg wirkt dann noch saftiger und etwas fordernder. Die Sommerhalde ist dicht wie ein Scheunentor, wirkt jedoch am leichtesten von allen vier Weinen. Und dann, ja dann der Schlossberg – auch hier wieder diese Cassis- und Zedernholznoten und dazu etwas Paprika (wieder dieser Pauillac-Eindruck), dann kommt langsam die Kirsche durch, die Kräuter, das fest Gewirkte, das Kühle – ein traumhaft schöner Wein und ein großer Wurf.
Was ich mir in den Keller legen würde: Malterdinger Bienenberg Wildenstein und Schlossberg von Bernhard Huber
Gedankt sei dem VDP und den vielen Helfern – die Veranstaltung war glänzend organisiert.
Weitere, lesenswerte Berichte finden sich bei Felix Bodmann (der Schnutentunker) und Dirk Würtz.
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