Cool Climate & Consorten: Ein Chardonnay-Tasting rund um den Globus, Teil 2

Der zweite Teil des Chardonnay Tastings, das am 12.06.2017 im Hamburger Witwenball mit freundlicher Unterstützung von Riedel stattfand. Hier geht es zum ersten Teil.

 

Flight 4: Bateleur – Sandhi – Chanin – Ganevat – Remi Jaubard

De Wetshof Bateleur 2014, Robertson Valley, Südafrika
Danie de Wet hat Anfang der 1970er Jahre als erster Winzer französische Chardonnay-Rebstöcke nach Südafrika gebracht und gepflanzt. Mit seinem De Wetshof im Robertson Valley hat er sich voll und ganz auf diese Rebsorte eingelassen und bietet eine ganze Reihe unterschiedlicher Weine an. Der Bateleur stammt aus dem gleichnamigen Weingarten, dessen 3,51 Hektar 1987 gepflanzt wurden. Die Reben stehen auf kiesigen Böden mit hohem Kalk- und Lehmanteil und einem pH-Wert bis 8,3. Nach dem Abbeeren und Pressen findet über Nacht eine Sedimentation statt. Vergoren wird mit Reinzucht im französischen Holz. Beim zwölf Monate dauernden Ausbau findet einmal pro Woche ene bâtonnage statt.

Der Bateleur öffnet sich mit exotischen Noten wie Ananas, dazu Orangenschalen, Haferflocken und Honig. Er verfügt zwar über Frische und auch über eine prägnante Säure, trotzdem ist der Wein breit und warm. Mit äußerlicher Wärme wird der Wein zudem etwas bitter mit der Aromatik von Bittermandeln. Ein bisschen weniger bâtonnage hätten dem Bateleur sicher gut getan. Zur Verfügung gestellt von Südafrika Weininformation und dem Anbieter: www.ruu.de, ca. € 23,-

 

Sandhi »Bentrock Vineyard« 2013, Santa Rita Hills, Kalifornien
Im Südwesten der Santa Rita Hills liegt auf 250 bis 500 Meter Höhe der Bentrock Vinyard. Der Chardonnay auf erodiertem Kalk und Lehm wurde erst vor neun Jahren gepflanzt und ist nicht weit vom Meer entfernt. Der Weinberg ist das Juwel im weißen Portfolio von Sandhi, einem Weingut, dass von einem der bekanntesten Sommeliers der USA,  Rajat Parr und dem Weinmacher Sashi Moorman gegründet wurde. Der Bentrock wird spontan im Holz vergoren, es gibt eine malolaktische Gärung, keine Bâtonnage, wenig Schwefel, keine zugesetzten Säuren etc.

Der Bentrock hat nach Knewitz die bisher deutlichste Zustimmung gefunden. Es ist ein wunderbar druckvoller Wein mit einer laserhaft klaren Säure. In der Nase der Duft von Meyer-Limone und etwas Grapefruit, Käserinde, Eichenholzrauch, Medizin, ein Hauch von Teer und verbranntem Gummi oder, wie jemand aus der Runde sagte: »Da ist halt alles drin, was geil ist.« Ein absolut präziser Wein, sehr lebendig, geradlinig, hell und tonisch.»Ich finde das großartig«, hieß es allgemein, auch wenn manchem auf ganz hohem Niveau noch ein wenig die Länge fehlte. Zur Verfügung gestellt von Anbieter: www.bacchus-vinothek.de, ca. € 79,-

 

Chanin »Bien Nacido« Chardonnay 2014, Santa Maria Valley, Central Coast, Kalifornien
Nach Hirsch und Sandhi folgte der nächste hervorragende Kalifornier, der zeigt, was in den Hügeln von Santa Rita, Sonoma und Santa Maria gerade los ist. Gavin Chanin steht in dieser Reihe. Er hat für diesen Wein einen Teil des großen Bien-Nacido-Weinbergs gepachtet, auf dem es allein 121 Hektar Chardonnay gibt. Jim Clendenen macht dort mit seinem Weingut Au Bon Climat Weine, und Gavin Chanin hat bei Clendenen gelernt. Die Böden dort sind vielfältig, dürften beim Chardonnay aber im Bereich Ton, Tonschiefer, Lehm und Vulkangestein liegen. Chanin baut den Wein über zwölf Monate im französischen Holz aus. Höchstens 10 % davon sind Erstbelegung.

Trotzdem ist die Holznote recht markant und deutlicher als beim Sandhi. Das war im direkten Vergleich auch etwas störend. Doch wie schön der erste Auftakt mit einer leichten Flint-Note, Salz, Limettenschale und Rauch. Am Gaumen ist die Frucht cremig und bekommt eine Zusatznote von Salzbutterflocken. Limettenschale, Kreide und Botanicals wie in einem ausgefeilten Gin übernehmen die Oberhand. Der Wein ist trotz des markanten Holzeinsatzes sehr lebendig und vibrierend und gefällt mir inklusive dem Druck, den er am Gaumen entwickelt, sehr gut. Zur Verfügung gestellt von Anbieter: www.schreiblehner.com, ca. €. 55,-

 

Jean François Ganevat »Les Chalasses Vieilles Vignes« 2011, Jura
Jean-François Ganevat ist einer der sehr angesehenen Winzer des Jura. Er gehört zu den Naturweinwinzern, die sehr wenig intervenieren. So findet sich auch in diesem Wein kein zugesetzer Schwefel. Der Chalasses Vieilles Vignes stammt aus einer Vier-Hektar-Lage, die 1902 gepflanzt wurde. Sie wird biodynamischen zertifiziert bewirtschaftet und steht auf grauem Mergel. Der Ausbau erfolgte über 24 Monate in teils neuen Fässern.

Als wir den Wein geöffnet haben, war es ein typischer Ganevat mit einem ebenso typisch im Vordergrund stehenden Holzeinsatz samt satter Karamellnote. Die Frucht lag eher im rötlichen Bereich, am Gaumen entfaltete sich die ganze Kraft und der Facettenreichtum. Dazu stieß die typische salzige und jodige Frische des Jura. Und beim Tasting? Nichts von alledem. Der Wein ist fast in sich zusammengefallen. Die Säure ist ihm weitgehend abhanden gekommen, der Wein tanz völlig aus der Reihe und duftet eher nach Butterscotch und Honigmet. Er wirkt überreif, leicht oxydativ und manche vermuten Botrytis. Zur Verfügung gestellt von Anbieter: vinisüd.de, ca. € 40,-

 

Remi Jobard, Meursault »Les Genevrières« Premier Cru 2013, Côtes de Beaune, Burgund
Die Lage Les Genevrières Dessus liegt im oberen Teil des Weinbegs und umfasst rund 16 Hektar. Sie wird geprägt von Callovium-Kalkstein und weißem Argovium-Mergel, Kalksteinverwitterung und einer roten, geringen Lehmauflage. Jobard arbeitet seit 2008 zertifiziert organisch. Der Chardonnay wird über sechs Stunden gepresst und teils im Stockinger und höchstens zu einem Fünftel im neuen Holz vergoren. Der Wein bleibt immer über zwei Winter im Fass.

Der Meursault hat eine hohe Spannung und Balance. Der Jahrgang ist sehr straight mit grüner Frucht, Algen und Meeresbrise beim Öffnen. Am nächsten Tag finden sich Aprikosen, Orangen und Grapefruit, aber ebenso grüne Limetten und Zitronenmelisse. Am Gaumen überzeugt der Jobard mit einer gelungenen  Dichte bei gleichzeitig nerviger Mineralität. Der Wein ist höchst lebendig, salin und hell. Zur Verfügung gestellt von Anbieter: www.alleswein.com, € 71,-

 

Resumée
Auch dieser Flight war so spannend wie schwierig. Dass der Ganevat so in sich zusammenfallen würde, hätte ich nicht erwartet. Er war kein völlig Ausfall und für sich genommen hätte ich ihn gerne getrunken aber dennoch war es nur ein Schatten von dem, was man sonst von Ganevat kennt. Jobard hatte es schwer gegen die beiden Kalifornier da ihm in 2013 dann doch etwas der Körper und der Meursault-Touch fehlt. Les Genevrières ist weiß Gott ein guter Wein, aber keiner, der sich in einer solchen Probe ohne Probleme behaupten würde. Beim Bateleur wird erneut die Problematik der Südafrikaner deutlich. Die bisherigen Weine haben sich dem burgundischen Vorbild anzunähern versucht und lassen es an Eigenständigkeit vermissen. Lediglich der Kershaw konnte aus diesem Gefüge heraustreten. Danie de Wet gelingt das mit dem Bateleur nicht. Bei den Kaliforniern sieht man immer deutlicher, was dort gerade passiert und wir hier kaum mitbekommen. Klar, es sind nur einzelne Winzer, die hier das Ruder rumreißen und begeisternde, lebendige Weine entstehen lassen. Aber immerhin, es gibt welche.

 

Flight 5: Sauzet – Arnot-Roberts – Pegasus Bay – Ridge – Crystallum 

Puligny-Montrachet war der Aufmacher dieses Flights. Puligny-Montrachet, gerade einmal 230 Hektar groß aber mit 97 Hektar Premier Cru und vier der sechs weißen Grand Cru Lagen Burgunds, ist es wohl die prestigeträchtigste Appellation. Würden es die vier Weine neben dem Champs Canet aus dem Hause Sauzet schwer haben? Das Haus ist jedenfalls ein Schwergewicht der Appellation.

 

Sauzet, Puligny-Montrachet »Champs Canet« Premier Cru 2012, Côtes de Beaune, Burgund
Die Premier-Cru-Lage Champs Canet befindet sich auf der Meursault zugewandten Seite unweit der Appellationsgrenze. Sauzet besitzt hier einen Hektar mit durchschnittlich 40 Jahre alten Stöcken. Die ältesten sind von 1938. Der Unterboden besteht aus bröseligem Kalkstein während der Oberboden von roter Erde und Kalksteinfragmenten geprägt wird. Gérard Boudot, Schweigersohn des verstorbenen Domainen-Gründers Etienne Sauzet, bewirtschaftet seit 2006 zertifiziert biologisch und hat die Umstellung auf biodynamische Wirtschaftsweise 2010 abgeschlossen. Der Wein reift in einem Drittel neuen Holzes.

Dieses Holz merkt man gerade deutlich, aber der Wein ist ja auch nicht aufs frühe Trinkfenster ausgelegt. Sieht man davon ab, sind Boudots Weine in den letzten Jahren feiner und schlanker geworden. Das spiegelt sich hier ganz eindeutig wider und wurde mit großem Wohlwollen aufgenommen. Der Champs Canet öffnete sich am Vorabend mit einer flintigen Note. Diese Reduktion war aber beim Tasting nur noch in feinen Spuren vorhanden. Die Boten von reifen Zitrusfrüchten, Birne, Äpfeln und Blüten waren weit präsenter. Am Gaumen ist der Sauzet ungemein präzise, auch wenn er Kraft und Fülle besitzt. All das ist fein austariert und stimmig. Manch einem fehlte aktuell noch der letzte Schliff und die letzte Feinheit, doch das dürfte sich mit dem zunehmenden Alter ändern. Für den Moment ist das ein ausgezeichneter Puligny und sicher der bisher balancierteste Franzose der Runde. Zur Verfügung gestellt von Anbieter: www.weinart.de, € 98,-

 

Arnot-Roberts »Watson-Ranch« Chardonnay 2015, Napa Valley, Kalifornien
Wer jetzt denkt, der Rest des Flights würde sich im Schatten des Puligny tummeln, wurde mit dem Arnot-Roberts Watson-Ranch direkt eines Anderen belehrt. Die Lage befindet sich über der San Pablo Bay am äußersten südlichen Ende von Napa auf einem Boden aus Meeresablagerungen und Kalkstein. Der Weinberg wurde 1993 gepflanzt und wird biologisch-organisch bewirtschaftet. Duncan Arnot-Meyers und Nathan Lee Roberts gehören ebenfalls zur Riege von New California. Es sind versierte Tüftler und Trüffelsucher, die neben Chardonnay auch Trousseau und einen alten Gemischten Satz im Programm haben. Der Watson-Ranch wird ausschließlich im gebrauchten Holz ausgebaut, spontan vergoren und nur leicht filtriert.

Mit 12,5 % Alkohol gehört auch er zu den kalifornischen Leichtgewichten, die am Gaumen trotzdem jede Menge zu bieten haben. »Chardonnay-Kabinett« fiel als Umschreibung für diesen tänzelnd frischen Wein, der zwar dunkel in der Aromatik ist, aber hell in seiner mineralisch-vibrierenden Anmutung. Einzig die Säurestruktur könnte vielleicht etwas mehr Druck liefern. Doch ansonsten ist das ein überaus feiner Vertreter seiner Region. Zur Verfügung gestellt von Anbieter: www.weinamlimit.de, € 42,90

 

Pegasus Bay Estate Chardonnay Virtuoso 2013, Waipara Valley, North Canterbury, Neuseeland
Nur wenige Kilometer entfernt von Bell Hill liegt das Pegasus Bay Estate, dessen Flaggschiff der Chardonnay Virtuoso ist. Die Terrassen des Weinbergs bestehen aus kalksteinigem alluvialem Schwemmland. Der Chardonnay wurde vor 30 Jahren noch wurzelecht gepflanzt. Matthew Donaldson presst den Wein über Studen mit einer alten Korbpresse ab, lässt spontan vergären und baut den Wein in 500-Liter-Punchons aus, von denen ein Drittel neu sind.

War der Wein am Vorabend noch verhalten, so zeigten sich beim Tasting doch eher Parallelen zu üppigen Meursaults denn zum eher feinen Puligny. Zunächst dezent exotisch, wurde der Virtuoso mit Luft und Wärme zunehmend buttriger, das Holz immer präsenter – wobei offensichtlich war, dass hier nur Fässer erster Güte Verwendung fanden. Trotz der inneren Wärme verfügte der Wein über Frische und eine belebende Säure. Nach den beiden feinen Vertretern hatte es der Pegasus Bay schwer, verfügt aber über ein ausgezeichnetes Potential. Ich bin gespannt auf die Flasche in fünf Jahren. Zur Verfügung gestellt von NZ Wine. Anbieter: www.wine-in-motion.com, ca. € 45,-

 

Ridge »Monte Bello« Chardonnay 2012, Santa Cruz Mountains, Kalifornien
Es war klar, dass der Ridge aus dem Rahmen fallen würde mit seinem Ausbau in amerikanischer Eiche und dem nicht wirklich auf Cool Climate ausgelegten An- und Ausbau. Doch er ist ein Klassiker, der Chardonnay aus dem Monte-Bello-Vineyard und als solcher hatte er seinen Platz verdient. Der Chardonnay reift rund 15 Kilometer vom Ozean entfernt auf einer Lage mit zersetztem Blauschiefer und Kalkstein sowie einem hohen Ton- und Jadeanteil in 400 bis 800 Meter Höhe. Das Weingut arbeitet zertifiziert ökologisch. Weinmacher Eric Bauher nutzt 14 % neue Eiche und 31 % aus Zweit- und Drittbelegung. Der 2012er Monte Bello reift nach Ganztraubenpressung, Spontanvergärung und malolaktischer Gärung 17 Monate im Fass und bekommt nur sehr wenig Schwefel.

Abgesehen von dem fehlenden Cool-Climate-Aspekt, ist der 2012er ein ausgezeichneter und typisch kalifornischer Chardonnay. Zunächst floral und immer holzbetont, wird der Wein buttrig und cremig mit etwas Honig und viel Popcorn, ein reifen, satten gelben Frucht und einer ordentlichen Zitrone drin. Am Gaumen ist der Wein exzellent strukturiert und zeigt eine große Länge. »Etwas pomadig aber geil.« Zur verfügung gestellt vom Anbieter: www.alpinawein.de, ca. € 90,-

 

Crystallum Clay Shales Chardonnay  2015, Hemel-en-Aarde, Walker Bay, Südafrika
Nur einen Steinwurf von Ataraxia entfernt liegt der Weinberg von Peter Allan und Andrew Finlaysson auf 300 Meter Höhe in Hemel-en-Aarde auf den dortigen Bokkeveld-Tonschieferböden. Das Weingut Crystallum gehört heute zu den Premier-Cru-Weingütern in der Klassifizierung von Tim Atkin. Nach einer Ganztraubenpressung wird der Chardonnay spontan im französischen Holz vergoren. Der Neuholzanteil liegt bei 20 %.

In diesem Flight hatte es der Crystallum sehr schwer. Der ruhige und etwas zurückgenommene Wein duftete nach weißem Pfirsich und Melone, Blüten und Paranüssen. Am Gaumen sehr elegant und mit einem ordentlichen Zug ausgestattet, wirkte er im Finale ein wenig heiß und unterscheidet sich mit seinen 14 % von den 12,5% des ebenfalls eleganten Watson-Ranch. Zur Verfügung gestellt vom Anbieter: www.weinamlimit.de für € 32,90

 

Resumée
Burgund hat in diesem Flight eine sehr gute Vorgabe gemacht. Doch musste sich tatsächlich keiner der anderen Weine dahinter verstecken. Mit Arnot-Roberts überzeugt der nächste junge Betrieb aus Kalifornien mit einem exzellenten Wein. Beim Südafrikaner wird wiederum en wenig deutlich, dass auch die Cool-Climate-Winzer sehr genau auf ihre Alkoholgehalte achten müssen, die bei den südafrikanischen Weinen fast durchweg mindestens ein Prozentüber den anderen Weinen liegen. Auch wenn das – wie bei Pegasus Bay – gut eingebunden sein mag, kommen die Weine an die Finesse der etwas leichteren Weine nur scher heran. Wenn man eh die Finesse ein wenig zugunsten des puren Hedonismus zur Seite schiebt, dann freut man sich auf Klassiker wie den Monte Bello, bei dessen Wahl man eigentlich nichts falsch machen kann.

 

Flight 6: Shawn & Smith – Neudorf – Tyrrell’s – Vasse Felix – Chandon de Briailles

Der letzte Flight sollte noch einmal Großes bringen doch für mich war er eher ein Flight der großen Enttäuschungen, wenn auch nicht ganz durchgängig. Zumindest fanden wir in dieser Dreier-Gruppe bekannter australischer Chardonnay zumindest einen exzellenten Wein. Doch weshalb der Grand Cru kaum Gutswein-Niveau erreichte, blieb ein Rätsel.

 

Shaw & Smith Tolpuddle Chardonnay 2013, Coal River, Valley, Tasmanien, Australien
Vom berühmten Tolpuddle-Vineyard am Coal River in Tasmanien stammt der 2013er Chardonnay von Shaw + Smith. Der Weinberg, der auf Sandstein fußt und mit Kieselerde durchsetzt ist, wurde 1988 neu bepflanzt. Martin Shawn lässt den Chardonnay über 36 Stunden kaltmazerieren bevor er eine Ganztraubenvergärung durchführt. Der Wein wird über 10 Monate französischen Holz ausgebaut, von dem ¼ neu ist.

Mich hat der Wein am Abend vor der Probe angemacht mit seiner leicht exotischen aber keineswegs plumpen Nase, seiner Frische und Präzision am Gaumen. Doch bei der Verkostung war von der mineralischen Spannung und Präzision nicht mehr allzu viel übrig. Der erste Eindruck war: »Das ist doch kein Chardonnay, der ist so duftig, das ist Weißburgunder,« und das wäre nicht mal schlimm gewesen. Doch am Gaumen war die Frische einer gewissen Seifigkeit gewichen, die Spannung hing in den Seilen. Das war Schade. Ein Wein für einen Abend also. Zur Verfügung gestellt von Anbieter: www.apell.de€ 47,50

  

Neudorf Moutere Chardonnay 2012,  Nelson Moutere Hills, Neuseeland
Eines der ältesten Weingüter Neuseelands gehört auch zu den ganz renommierten Erzeugern von Chardonnay und Pinot noir. Gelegen in den Hügeln von Nelson liegen die Chardonnay-Weinberge von Neudorf auf Kies und Schotter aus dem Pleistozän, auf Schwemmland und einem sandigen Lehmoberboden mit Kalkmergel durchsetzt. Das Weingut wird seit langer Zeit biologisch-organisch bewirtschaftet. Todd Stevens, der Weinmacher nutzt 25 % neues Holz.

Bestach der Neudorf mit einer exzellenten Frische und Länge, hatte sich diese Frische beim Tasting ebenfalls ein Stück weit verflüchtigt. Die Nase brachte etwas zu viel Klebstoff und wirkte dadurch überreif. Während der Moutere für mich am Vorabend zu den besten Weinen zählte mit seiner Eleganz, seiner tiefen Frucht und extremen Länge, hatte sich das am nächsten Tag etwas relativiert. Vor allem auch, weil aus dem sehr frischen Wein ein sehr weicher Wein geworden war. Doch jene, die den Wein am Vorabend nicht probiert hatten, waren teils begeistert. Teils aber war ihnen der Wein etwas zu pomadig. Zum Schluss blieb der Eindruck eines noblen, eleganten Chardonnay, und das ist auch gut so. Zur Verfügung gestellt von NZ Wine. Anbieter: Neuseeland-Weinboutique, Ca. € 59,-

  

Tyrell ’s VAT 47 2012, Hunter Valley, New South Wales, Australien
Das Hunter Valley ist bekannt für exzellent reifende Sémillons von großer Klarheit und Präzision. Tyrell’s ist eines der berühmten Häuser dort und produziert neben den Sémillons auch noch einen Chardonnay von 100 Jahre alten Präpheloxera-Reben auf alluvialem Schwemmland, Sand, brauner Erde und Ton. Winemaker Bruce Tyrell nutzt französische Eiche und verhindert eine malolaktische Gärung.

An diesem Chardonnay schieden sich die Geister. Der VAT 47 wird extrem reduktiv ausgebaut und erinnert aktuell in seiner Aromatik an »WC Stein in einem alten Landgasthof in Tirol«. Klar, dass eine solche Aussage nur von einem der beiden Österreicher in der Runde kommen konnte während eine andere Äusserung sich eher Richtung »schlecht ausgeleuchteter Low-Budget-Porno« bewegte. Das war allerdings nicht alles. Es gab genügend positive Meinungen am Tisch und zu der würde ich meine auch zählen. Der Chardonnay gefiel mir in seiner leicht kühlen Melonen- und Steinobstaromatik. Der Wein verfügt über ein cremig-seidiges Mundgefühl und einen ebenso cremigen Holzeinsatz. Das war am Gaumen balanciert und vor allem lang. Wenn ich an die Sémillons aus gleichem Haus denke, dann freue ich mich bei diesem Wein wiederum darauf, ihn in fünf Jahren erneut zu öffnen. Tyrell’s brauchen Zeit. Zur Verfügung gestellt von Wine Australia. ca. € 40,-

 

Vasse Felix Heytesbury 2015, Margeret River, Western Australia
Der vorletzte Wein des Nachmittags stammt von meeresnahen Lagen im Bereich Margaret River. Dort entstehen sicher einige der schönsten australischen Chardonnays. Dieser hier stammt vom ersten Weingut, das überhaupt am Margaret River entstanden ist. Das war 1967 und seitdem hat sich Vasse Felix zu einem der bekanntesten Weingüter des Landes entwickelt. Der Heytesbury Chardonnay steht auf lehmigen Böden mit viel Tonerde und Kies. Die Weinmacherin Virginia Willcock baut den Wein mit Spontanvergärung aber ohne Malo über neun Monate hinweg im französischen Holz aus. Satte 57 % davon sind neu, der Rest ist ein- bis zweijährig. Es wird eine zurückhaltende Bâtonnage durchgeführt.

Trotz seiner Jugend, des hohen Neuholzeinsatzes und der Bâttonage ist der Heytesbury bereits jetzt ein beeindruckend stimmiger und kompletter Wein. Natürlich hat er all die Komponenten, die zu einem solchen Ausbau dazu gehören: Butter, reife Banane, etwas Popcorn, gelbe Frucht, Vanille und geröstete Nüsse spielen hier rein. Aber auch ungewöhnliche Eindrücke wie Lakritze und Koriander sind markant. Dazu kommt eine steinige, mineralische Note, die sich bis ins lange Finale zieht. Zur Verfügung gestellt von Wine Australia. Anbieter: www.segnitz.de, ca. € 50,-

 

Chandon de Briailles Corton Grand Cru 2012, Côtes de Beaune, Burgund
Mit dem Chandon de Briailles Corton ging ein Grand Cru ins Rennen, der uns beim Öffnen direkt in seinen Bann gezogen hat. Er stammt aus den eher für Rotweine bekannten Lagen Corton Bressandes, Corton Chaumes und Corton Renardes, und zwar aus einer Südlage von genau 0,6 Hektar am Grenzbereich der drei Lagen. Der Boden ist geprägt von Oxford-Kalk und viel Bajoncien-Kalkmergel mit Lehmanteilen. Die de Nicolays, Besitzer des Weinguts, arbeiten seit 2008 zertifiziert nach demeter- und ecocert-Richtlinien. Claude de Nicolay presst direkt und lässt den Most 48 Stunden sedimentieren bevor der Chardonnay spontan vergoren und über 18 Monate in ausschließlich gebrauchten 200-Liter-Fässern ausgebaut wird. 

Am Vorabend des Tastings wurden wir noch mal richtig wach und aufmerksam, als dieser Corton Nase und Zunge traf. Was für eine feine, duftige und doch auch stählerne und eindringliche Nase voller Blüten- und Zitrusduft. Eine tiefe Würzigkeit und helle Frucht bestimmt den Geschmack, der kristallklar ist und, gleichzeitig absolut schlank und fokussiert und dabei extrem lebendig, vibrierend und tief. Das kann nur ein großartiger Abschluss werden, dachten wir. Am nächsten Tag aber fanden wir in der Nase vor allem unreifes Gemüse und Obst. Vor allem ein grüner Pfirsich stach hervor. Am Gaumen wirkte die Säure bissig, der Wein mehr als rustikal. Ein völlig, uns unerklärlicher Zusammenbruch eines vorher so wunderschönen Weines. Zur Verfügung gestellt vom Anbieter: www.vinaturel.de, € 105,-

 

Resumée
Es hat mich ein wenig verstört, dass sich in diesem Flight gleich drei Weine schlechter präsentiert haben als am Abend zuvor. Das Tasting fand am Montag zwischen 14 und 17h statt, die Weine waren am Abend geöffnet und probiert worden und dann mit dem Originalkorken auf der Originalseite des Korkens wieder verschlossen worden um in einen Weinklimaschrank gestellt zu werden. Am Montag wurden sie dann gegen 13h im Witwenball in die Kühlschubladen gestellt und pro Flight entnommen – eine meiner Meinung nach optimale Vorgehensweise. Immerhin, der Moutere von Neudorf hat insgesamt noch mal viel von sich gezeigt und war auch im nicht optimalen Zustand ein schöner Repräsentant Neuseeländischer Chardonnay-Kunst. Bei den Nicolays von Chandon de Briailles müsste ich vielleicht mal nachfragen, wie dieser Zusammenbruch zustande gekommen sein könnte, denn gerade Weine aus biodynamischer Wirtschaftsweise sind nach meiner nun doch schon langjährigen Erfahrung fast immer die stabilsten Weine. Und einige roten Chandons, die ich in den letzten Wochen probiert habe, haben sich über viele Tage hinweg exzellent entwickelt.

Was bleibt?
So war es ein Tasting mit Höhen und Tiefen. Ich kann zunächst nur noch mal den Dank an alle wiederholen, die mit ihren Flaschenmustern dieses Tasting ermöglicht haben. Und auch an Riedel, deren Oaked Chardonnay-Glas tatsächlich das perfekte Glas für diese Weine war.

Darüber hinaus finde ich einige Dinge bemerkenswert:

Die burgundischen Weine kann man selbst dann erkennen, wenn sie nicht komplett auf der Höhe sind. Sie besitzen über die Appellationen hinweg eine eigene Spannung, die die anderen Weine nicht durchgängig besitzen.

Die kalifornischen Weine haben auf der ganzen Linie überzeugt. Natürlich spielten Ramey und Ridge etwas außer der Reihe und gehören eigentlich nicht in ein dezidiertes Cool-Climate-Tasting – weshalb ich es auch Cool Climate & Consorten genannt habe. Für sich genommen aber waren es hervorragende Weine. Sowohl Hirsch und Sandhi als auch Arnot-Roberts und Chanin haben gezeigt, was heute im kalifornischen Weinbau möglich ist, wenn man nur will. Es gibt die kühlen Lagen und man dort Chardonnay auch kühl und elegant mit moderatem Alkohol und moderatem Holzeinsatz an- und ausbauen. Und – diese Weine besitzen eine ganz eigene Persönlichkeit, die sich ganz unabhängig vom Burgund präsentiert. In einem Ländervergleich lag Kalifornien ganz weit vorne.

Die Südafrikaner haben sich schwer getan. Es mangelt ihnen generell ein bisschen an der Frische, die heute zumindest bei denen, die auf Cool Climate achten, gesucht wird. Ein Teil der Wein präsentierte sich dann auch in der Frucht eher tropisch und am Gaumen warm. Mit Crystallum und vor allem Kershaw aber hatten wir viel Freude.

Australien hat sich ausgesprochen heterogen präsentiert. Es ist allerdings auch recht schwierig, an die Weine heranzukommen. Und das, obwohl Feodora Curtius, die Kontaktfrau zum Weinbauverband sich sehr ins Zeug gelegt hat. Trotzdem konnte man erkennen, dass das Land mit einem neuen Schwung unterwegs ist. Das fing bei Penfolds an und hörte beim beeindruckenden Vasse Felix auf. Mit diesen Weinen kann man die Vorurteile gegenüber tendenziell alkoholischen und überholzten Australiern brechen.

Neuseeland war ja der Ausgangspunkt dieses Tastings. Und für mich ist das immer wieder beeindruckend auf welchem Level dort Weine gemacht werden, obwohl dort ja erst wieder seit etwa 1980 ernsthaft Weinbau betrieben wird. Zwei dieser Pioniere waren mit dabei. Kumeu River und Neudorf waren dann auch die beeindruckendsten Exemplare aus diesem Land, um das man sich qualitätstechnisch keine Sorgen machen muss. Zumal sich die Weinmacher sehr bewusst sind, dass sie noch am Anfang stehen und in den letzten Jahren schon deutlich weg gekommen sind vom technisch geprägten Weinbau zu immer mehr hands off im Keller und viel Arbeit im Weinberg.

Natürlich geht einem das Herz auf, wenn die Chardonnay Reserve von Tobias Knewitz zum Schluss dieses Tastings ganz ohne Zweifel in der ersten Reihe steht. Der junge Winzer aus Appenheim hat schon sehr, sehr viel verstanden vom richtigen Umgang mit der Rebsorte und dem richtigen Holzeinsatz. Auch, wenn er vor allem Riesling-Spezialist ist. Was für eine Performance … spannend aber auch der völlig ungewöhnliche Chardonnay aus den Anden und der feine Wein aus Kanada, auf das man definitiv auch ein Auge haben sollte. Denn Closson Chase ist dort nicht alleine und es dürfte noch genügend Cool Climate Fläche dort geben. Für den Ried Edelschuh von Gerhard Wohlmuth tat es mir leid. Während sein Riesling aus dem gleichen Ried kurz vorher auch von mir noch stehenden Applaus beim Internationalen Riesling Symposium bekommen hat und auch der Sauvignon aus gleicher Lage über allen Zweifel erhaben ist, hatte es der Chardonnay mit seiner speziellen Aromatik einfach zu schwer in diesem Feld.

Außer dem Chandon de Briailles waren hier nicht die Grand Cru des Burgund vertreten und natürlich auch nicht Namen wie Leroy oder Coche-Dury. Solche Tastings müsste man dann von Banken finanzieren lassen und das war jetzt nicht meine Idee. Es ging eher um eine Einordnung, einen Status quo, und den kann man hier schon herauslesen, denke ich. Es gibt von jedem Wein noch eine zweite Flasche für ein Tasting in fünf Jahren. Mal sehen, wie sich die Weine bis dahin entwickeln.

Meine persönliche Einschätzung:

prägnant und herausragend
Hirsch, Knewitz, Kumeu, Sandhi, Sauzet, Vasse Felix

exzellent
Arnold-Roberts, Kershaw, Fevre, Neudorf, Ridge, Chanin

sehr gut
Penfolds, Bell Hill, Ramey, Jaubard, Pegasus Bay, Crystallum, Closson Chase

sehr gut, aber untypisch
Ramey, Catena

wenig begeisternd und/oder untypisch
Ataraxia, Bateleur, Tolpuddle, Tyrell’s, Wohlmuth, Glen Carlou, Rod McDonald

Ausfälle
Chandon de Briailles, Ganevat, Boillot, Hoddles Creek

 

Anwesend waren am 12.6. im Hamburger Witwenball:

Christoph Raffelt, Gastgeber
Axel Bode, Witwenball
Willi Schlögl, Cordobar
Gerhard Retter, Fischerklause Lütjensee
Marcel Ribis, Vier Jahreszeiten
Maximilian Wilm, Seven Seas
Markus Budai, Lobenberg
Bertel Bruun, Weinliebhaber
Christoph Niklas, Meininger Verlag
Hendrik Thoma, Mastersommelier, Wein am Limit
Paolo Ardente, CWD

 

7 Kommentare

  1. ralph

    Beeindruckende Zusammenstellung, Respekt! Knewitz muss ich unbedingt probieren! Da stimmt der Preis noch…

    Grüße ralph

  2. Man da wäre ich gerne dabei gewesen! Das hört sich sehr spannend an!

  3. Christian

    Vielen Dank für den tollen Bericht. Bei den deutschen Chardonnays hatte mich letztes Jahr der höhere Sven Leiner “Ilbesheim” ziemlich beeindruckt. Zu gerne würde ich wissen, wo Du den in einem solchen Feld sehen würdest.

  4. Sorry, dass ich jetzt erst antworte. Den Ilbesheim finde ich sehr schön und habe kürzlich noch zwei Jahrgänge probiert aber spielt noch nicht unbedingt in der Liga.

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