Neue Liebe zum Riesling

In den letzten Jahren war es immer so, dass, wenn der Herbst einsetzte, die Lust auf Rotwein aufkam. Draußen war es kalt, innen manchmal auch, Formen von Depression, spätestens mit dem Ende der Sommerzeit eintreffend, verdunkelten den Tag. Am Abend dann, wenn ich die Heizung aufgedreht hatte und die warme Luft und der Mangel an Sauerstoff in der Luft mich schläfrig werden ließen, freute ich mich auf ein schönes Glas roter Glut. Der Wein durfte auch ruhig etwas schwerer sein, ein fetter Spanier oder ein ordentlicher Bordeaux, vielleicht ein Wein von der Rhone oder auch aus Südfrankreich.

Nicht so in diesem Jahr. Am Samstag habe ich bei Freunden zwei Gläser Crozes-Hermitage getrunken und fühlte mich ein bisschen benebelt, als ich – netterweise – nach Hause gefahren wurde. Der Wein war gar nicht übel. Sehr typisch würzig, kräuterig, eigentlich mag ich Weine aus der Gegend sehr gerne, aber der machte mich überhaupt nicht an. Am Sonntagabend habe ich mir dann eine Flasche Dr. Bürklin-Wolf Gutsriesling trocken aufgemacht. Den einfachen, den für 7 Euro.

Bürklin-Wolf Gutsriesling 2006

Da fiel mir auf, was so ein Glas dieses gelben Saftes alles bewirken kann. Meine Stimmung hellte sich schlagartig auf. Schlagartig. Und das nicht wegen des Alkohols. Ich musste nur am Glas riechen – der Duft nach Sonne und reifen Früchten, nach Birnen, nach Äpfeln, so dicht, betörend und dann auf der Zunge leicht und beschwingt, erfrischend, herzhaft. Eine Spritztour im Sommer mit dem Cabrio durch die Mittelhaardt. Die Augen geschlossen und das Licht dringt trotzdem durch die Lieder. Das Feuchte, das Kalte, das draußen wartet, ist vergessen. Ein Blinzeln und ein Blick auf die Wolken im Blau, darunter die grüne Fläche der Rebzeilen. Irgendwo anhalten, etwas Pfälzisches zu Mittag essen, die Füße hochlegen und auf die Landschaft blicken.

Ich meine, das ist es doch. Das ist es, was ich so liebe. Es reicht eigentlich schon der Duft, besser ist ein Schluck und los geht die Reise. Das verbinde ich mit Riesling viel mehr als mit jedem anderen Wein. Das geht schon los bei einem einfachen Gutswein wie diesem hier und kann intensiver und dichter werden von Spätlese über Auslese zur Trockenbeerenauslese. Nicht dass andere Weine nichts zu erzählen hätten, dass sie keine Emotionen auslösen würden – ganz und gar nicht. Ab hier und jetzt in dieser Zeit ist es für mich der Riesling. Es ist die Kombination aus Frucht und Säure und Mineralen, der Duft nach reifem Obst und feuchtem Stein, der mich schwelgen lässt. Und wenn die Opulenz noch zunimmt, in den Auslesen, die Tiefe, das Karamellige, das Kandierte … hach, dann muss ich sagen, sind wir mit unserem Weinbau in Deutschland wirklich gesegnet.

Und wie schade ist es, dass ich in den Supermarktregalen zu so großem Teil nur ausländische Weine finde und dann eine Erben-Spätlese und dieser ganze Horizont an so vielen gut gemachten Tropfen aus hiesigen Landen dort kaum wahrgenommen wird. Und viele, auch Freunde von mir, denken ausschließlich an Sodbrennen, wenn sie an Riesling denken. Ich versuche das gerade missionarisch im kleinen Kreis zu ändern und auch im großen Kreis tut sich natürlich etwas und es gibt einen großen Aufbruch und es gibt wieder eine Nachfrage im Ausland und es gibt Stuart Pigott, dem ich zwar häufig kritisch gegenüberstehe, der aber ein eindeutiger Streiter für deutschen Riesling ist.

Und gestern brachte dann ein Freund eine Flasche vom Urbanshof mit, und da ich noch den Gutsriesling von Bürklin-Wolf hatte und schon einen Rotwein dekantiert habe, muss der Moselriesling leider noch warten.

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