Nach einer beiderseits ziemlich durchzechten Nacht trafen wir uns gestern kurz vor Weihnachten zum ritualisierten Weihnachtsweinabend. Auf dem Programm stand ein 2005er Sonoma Zinfandel von Seghesio. Seit meinem Weinerweckungserlebnis vor mittlerweile ca. 15 Jahren, damals war es ein Sebastiani Zinfandel, habe ich – so glaube ich – keine Zinfandel Flasche mehr geöffnet. Um so gespannter war ich, was uns erwartete.
Der Wein hatte einen ziemlich intensiven Duft nach Zeder und Eukalyptus, verbunden mit schwer zu definierenden Kräutern. Da gab es nichts zu erahnen, sondern das sprang einem förmlich ins Gesicht. Im Mund dann ein Marmeladen-Toast von Himbeeren, Blaubeeren (?) und gezuckertes Allerlei. Ich dachte zuerst, es wären Mandeln vom Weihnachtsmarkt, aber vielleicht war es nur gesüßtes Popcorn. Popcorn, ja, ein Popcorn-Wein. Oder besser: Ein Popcornkino-Wein. Der Hauptdarsteller findet eine Bettgefährtin. Die ist ziemlich aufreizend-sexy und weiß, was sie an diesem Abend will. Man hat Spaß, alles ist irgendwie klar und bleibt doch anonym. Es geht nichts in die Tiefe – und das soll es auch nicht. Und nachher ist es schnell vergessen. Der Sex der beiden Darsteller und der Film eh.
Da hatte der zweite Wein schon mehr zu bieten. Der ist vordergründig ein Marketingprodukt mit Namen Wanted Gang. Name und Etikett erinnern an billigen New-World-Weinfusel. Das ist eine Flasche, die ich nie im Laden kaufen würde. Ich habe sie zusammen mit dem nächsten Wein über den WeinPlus-Weinstammtisch zugeschickt bekommen.
Das Amüsante und zugleich Fragwürdige ist, dass der Wein gar nicht aus den USA oder Australien oder sonst woher kommt, sondern von der südlichen Rhône. Und die Winzer betreiben die renommierten Güter Chateau de Saint Cosme, Chateau Pesquié und das Chateau Montfaucon. Und aus den guten Weinen dieser Güter haben sie so was wie eine Supercuvée kreiert. Wenn man auf die Website schaut, findet man diese in englischer, japanischer und koreanischer Sprache, womit klar wäre, wo das Zielpublikum lebt. Und die ganze Aufmachung ist wohl das Ergebnis von Marktanalysen und der Zusammenarbeit von BWLern und einer Werbeagentur. Also, ich finde es einigermaßen abstoßend, da zu vordergründig gewollt.
Der Wein, der in dieser Flasche schlummert, ist allerdings ein tolles Tröpfchen, da konnten wir nicht meckern. Zusammengesetzt aus Grenache, Syrah, Cinsault, Carignan, Mourvèdre, Counoise und Clairette, spiegelt er all das wider, was einen Rhônewein ausmacht. Die Härte, die Würze, das Pfeffer, das Volumen, die Kräuter. Dabei feine Säure und feine Tannine, obwohl im Moment noch zu jung. Leicht röstig und leicht rauchig, aber gut ausgewogen. Ähnlich dem 15 % Vol.-Koloss Zinfandel hat der Wanted Gang 2005er ordentliche 14,5 % Alkohol, nur dass man es ihm nicht so anmerkt; denn er wirkt viel frischer, viel entspannter, viel tiefer. Das schreit nach einer längeren Beziehung, wenn der Preis nicht wäre – und das Etikett.
Neben diesem Wein gab es im WeinPlus-Paket noch etwas ziemlich Rares: Einen 1955 Rivesaltes. Frisch abgefüllt und gestern von uns frisch entkorkt. Und das ist dann eher der Deneuve-Aspekt beim Wein. Alles andere als taufrisch. Aber immer noch seeehr sexy. Ein paar Falten, die oxidativen Noten, der bernsteinfarbene goldbraune Teint.
Ein intensiver Duft nach Walnüssen und Kandis und Salz. Im Mund dann kandierte Früchte, ebenfalls Walnüsse und leichtes Salz, rosinig. Und die alte Dame ist noch lange nicht müde, da steckt noch viel Kraft drin, viel Vitalität. Der Geschmack hallt lange, lange nach und das rockt!
Frohe Weihnachten allerseits.
2005 Sonoma Zinfandel, Seghesio Family Vineyards, Kalifornien, 15,0 % Vol.
2005 Wanted Gang, Vin de Table, Gigondas, 14,5 % Vol.
1955 Nectar du Prieuré, Cuvée de L’Homme de Tautavel, Domaine Mounié, Rivesaltes, 16 % Vol.