Wenn man Gary Vaynerchuk glauben darf, dann hat Sideways die amerikanische Weinwelt verändert. Und in der Tat hat sich die Anbaufläche von Pinot Noir in Kalifornien seit Sideways deutlich vergrößert. O.k., bleibt die Frage von Huhn und Ei. Mittlerweile bekommt man hier in Deutschland eine Auswahl an amerikanischen Pinot Noirs und da war es gestern Abend mal Zeit, zwei davon zu probieren, wo ich eh schon gerade bei Popcornweinen bin.
Der erste Wein des Abends trägt einen großen Namen, besser, das Weingut bzw. dessen Besitzer. Es ist Francis Ford Coppola, der mich als Regisseur schon mehr bewegt hat und dessen Paten ich gerade zu Weihnachten noch von meinem Bruder als Geschenk auf dem Gabentisch fand. Probieren wollte ich schon lange etwas von ihm. Das Weingut Inglenook, das Coppola 1979 kaufte, hatte seine besten Zeiten lange hinter sich. Kurze Zeit nach der ersten Tranche kaufte er mehr Rebfläche auf, insgesamt das gesamte Gebiet der ursprünglich 1879 gegründeten Winery. Coppola hat aber nicht einfach gekauft und verwaltet. Er hat sich engagiert, komplett zertifiziert auf Bio umgestellt und das Renommee von Inglenook, jetzt Niebaum-Coppola, mehr als wiederhergestellt. Bekannt war mir nur der Vorzeigewein Rubicon, der, bei über 100 Euro angesiedet, bisher noch nicht in meinem Glas gelandet ist. Einen schönen amerikanischen Überblick über Coppolas Weinwelt bekommt man übrigens hier.
Gestern dann also der Directors Cut 2005 Sonoma Coast Pinot Noir. 14,5 % Alkohol ließen mich Schlimmes erahnen. Der hohe schmeckbare Alkoholanteil der letzten Neueweltweine hat mir gar nicht gepasst. Was wir dann aber im Glas hatten, geschnuppert und getrunken haben, übertraf alle meine Erwartungen. Ausgeprägter harmonischer Duft nach Cassis, Pfeffer, Würze und – je länger der Wein im Glas war – dem Saft, der Süße von eingelegter Kirsche. Ein opulenter, aber nicht überbordender Geruch. Im Mund dann das Gefühl, in einen weichen, saftigen Kirschschokoladenkuchen zu beißen, nicht in schwere Sachertorte mit Marmeladenschicht. Nein, nein – eher ein frischer, aber durchgezogener Kuchen mit einem hohen Marzipananteil, mit Gewürzen, mit Süßkirschen, mit einem Hauch von Chilischokolade und Vanille. Der Alkohol auf Grund der Wucht und Stärke des Weines bewusst, aber kaum spürbar.
Das ist zwar neue Welt, aber was für eine. Das hat mit den abgestandenen Marmeladenweinen nichts zu tun. Das ist große Klasse!
Als Counterpart kam dann ein Pinot Noir der Domaine Carneros, dem kalifornischen Taittinger-Ableger, ins Spiel. Wie mag man in Texas wohl Taittinger aussprechen? Die haben sich übrigens ein französisches Schlösschen in die kalifornische Tiefebene gebaut. Und sie haben auch keinen wahren Stil mehr, die Exilfranzosen.
Hier also der Avant Garde 2002. Also, hätte ich es nicht besser gewusst, wäre ich davon ausgegangen, dass mir jemand ins Glas uriniert hat, während ich kurz abwesend war. Das konnte aber nicht sein, weil der Wein nicht nach frischem Urin roch, sondern nach abgestandenem – und so lange war ich gar nicht weg. Andere meinen, er rieche nach Liebstöckl bzw. Maggikraut. Na, das mag jeder selbst beurteilen. Der Geruch verfliegt dann auch irgendwann und es kommt ein filligraner Duft nach Walderdbeeren und leicht nach Himbeeren zum Vorschein. Auch im Mund verstärkt sich der Erdbeer-Himbeergeschmack. Dazu kommt frische Sauerkirsche, die dann die Erdbeeren verdrängt und sich das Bettchen mit der Himbeere teilt.
Im Ernst ist das ein gut gemachter Wein, den ich überhaupt nicht in Kalifornien ansiedeln würde. Das ist klare alte französische Schule. Schön, aber, um ihn nach Europa quasi zu reimportieren, ein bisschen überflüssig. Da kann ich mir dann auch direkt was Hiesiges kaufen. Sprach’s und öffnete den Meyer-Näckel …
Der Director Cut kostet so um die 27 Euro, der Avant Garde 10 Euro weniger.