Mit Siggi habe ich in Bonn glücklicherweise jemand gefunden, der genauso weinvernarrt ist wie ich selber, einen, der sich mit einem Weinatlas ins Bett legt und diesen durchliest wie andere Krimis und der sich auch mal ’ne gute Flasche vom Munde abspart.
Er jedenfalls hatte mich eingeladen zu Essen und Wein – und ich habe es nicht bereut.
Blind verkostet gab es vorab einen Schluck von einem im großen Holzfass ausgebauten Weißburgunder der Cantina Terlan. Ein feiner, nach Birnen und Äpfeln duftender Pinot Bianco, dem die leicht würzige Holznote sehr gut tut.
Was Siggi dann zu gefüllten Kalbsrouladen und Polenta gereicht hat, war aller Ehren wert.
Der 2000er Fontalloro von Felsina, einer der berühmten Tafelweine aus dem Chianti, 100 % Sangiovese, wartet auf mit kräftigem Duft nach Süß- und Sauerkirschen. Dazu ein wenig vom typischen Geruch nach Stall, Schweiß und Leder. Später kommt etwas Kräuteriges hinzu und ein bisschen Eukalyptus. Er wirkt fest und stark zu Beginn, baut dann aber im Laufe des Abends ab. Nichtsdestotrotz ein beeindruckender Wein.
Der 1999er Poliziano von Asinone, ein Vino Nobile de Montepulciano, gilt bei Einigen als Referenzwein in Sache Vino Nobile. Erstmals 1985 abgefüllt, zeigt er Jahr für Jahr kontinuierlich eine Klasse, wie sie andere Erzeuger nicht so stringent hinkriegen. Der Wein besteht aus den autochtonen Rebsorten Prugnolo Gentile, Canaiolo und Mammolo.
Zunächst einmal ist dieser Wein ein ungeheuerer Nasenschmeichler. Kirsche und Pflaume, weich und dunkel, Schokolade kommt hinzu und ein angenehmer Hauch von Kühle weht herein, als ob jemand im Hintergrund die Tür öffnet. Ein wenig Leder findet sich ein und später Marzipan in diesem Tropfen, der immer noch feste Tannine und straffe Säure besitzt. Ein ungemein tiefer, klarer, harmonischer Wein.
Zu einem ungewöhnlichen, in Jamie Olivers Italienbuch gefundenden, einfach zuzubereitenden Dessert von Vanilleeis mit Olivenöl und Fleur du Sel – die drei Ingredienzien sollten von sehr guter Qualität sein, dann überzeugen sie durch einen überraschenden und faszinierenden Geschmack – gab es einen Muscat de Lemnos von Ktima Hatzigeorgiou. Dieser Wein lag dem Weihnachtsstammtischpaket von WeinPlus bei und erhielt in der Wertung 92 Punkte. Diese konnten wir nicht wirklich nachvollziehen. Der Wein wirkt überkandiert und vordergründig. Sehr, sehr viele vollreife Aprikosen gehen eine Allianz ein mit einigen Bitterorangen und Datteln. Neben viel Süße erhaschen wir eine Bitternote, etwas von Crema Catalan und Kandiertem. Nicht wirklich tief und harmonisch. Die Harmonie zeigt sich erst eine Woche später, als ich den Wein noch mal aus dem Kühlschrank hole.
Zum Schluss dann, mitten in der Nacht quasi gehen wir noch mal in den Keller und verharren vor dem Flaschenarsenal, entscheiden uns schließlich für eine Flasche La Lune 2006 der Ferme de la Sassonière, also für einen Chenin Blanc aus dem Anjoù.
Dieser nach Demeter-Richtlinien erzeugte Wein hat mich nicht ganz überzeugt. Direkt nach dem Öffnen ein wenig UHU-Noten und Pflaume. Die Aromen vergehen schnell und weichen der Süße, feiner Mineralik und dem Geruch reifer Birnen. Vielleicht etwas Aprikose. Der Wein trägt eine beschwingte Leichtigkeit in sich, wirkt zunächst sehr harmonisch. Viel Frucht paart sich mit einer klaren Mineralik. Doch ist er mir zu zurückhaltend, schüchtern fast, freundlich, aber mit zu wenig Biss. Und plötzlich dann löst er sich in seine Bestandteile auf …