Hessen ist ja für mich so ein seltsam undefiniertes Gebiet, wo ich immer auf die Karte schauen mus,s um mich zu orientieren, weil ich nie genau weiß, wo denn jetzt was liegt und in welcher Nähe zu irgendwelchen anderen Bundesländern.
Irgendwo in Nordhessen, zwischen Marburg und Kassel, liegt der Kellerwald und am Rande dieses Waldes findet sich das Lengelbachtal. In diesem Gebiet gibt es ein gutes Dutzend historischer Mühlen und allein wir sind schon, ausgehend von der Bärenmühle, an der Lengelmühle und der Kuchenmühle vorbeispaziert entlang des Baches, der dem Tal seinen Namen gibt und der durch eine Szenerie führt, die an Krabat erinnert, oder doch zumindest an die Gebrüder Grimm, die ja wiederum nicht weit entfernt ihr Dasein fristeten und in dieser Gegend das ein oder andere Hausmärchen aufgeschnappt haben dürften.
Die Gebrüder Grimm kommen dann auch wieder ins Spiel, wenn man sich entscheidet, ein paar Tage in der Bärenmühle zu verbringen, und sich überlegt, ob man in der Mühle ein Zimmer buchen mag oder eine Suite oder gar eine ganze Wohnung. Entscheidet man sich für die Wohnung, bieten sich dann eben die Gebrüder Grimm Stuben an. Wir dagegen haben uns für die Suite der Schönen Müllerin entschieden. Suite hört sich jetzt ganz etepetete an. So ist das aber alles gar nicht. Es ist ein Landhotel, eingerichtet mit viel Geschmack und Liebe zum Detail, professionell geführt, aber mit genau dem Anteil Charme und Leichtigkeit, der einen vergessen lässt, dass es ein Hotel ist. Es bleibt sehr persönlich und trotzdem erhält man den vollen Service, wenn man will; denn man kann die Wohnungen und Suiten als Hotelzimmer mit Voll- oder Halbpension und täglichem Raumservice buchen, jedoch ebenso als Ferienwohnung nutzen und einfach buchen ohne weiteren Service.
Wir wiederum haben uns eine Mischung gegönnt; denn das geht auch: am ersten Abend im Restaurant essen und die restlichen Tage selber kochen.
So haben wir uns also am Heiligen Abend von den beiden Kohl-Schwestern Bettina und Christiane samt einer Tochter bekochen und bedienen lassen. Diese hatten ihren Bediensteten freigegeben und den Laden selber geschmissen. Sehr sympathisch. Eine selbstbewusste Entschuldigung zu Beginn für etwaige Verzögerungen – und dann gab es Schlesische Weißwurst mit Ananaskraut, Rücken vom Weideschwein, zum Schluss Lebkuchenparfait. Alles sehr gut gemacht. Dazu Weine aus einer der Rhône nahen Region rund um Die , aus dessen Ortschaften die Hugenotten vor langer Zeit vertrieben worden sind, unter anderem nach Louisendorf, dem Nachbarort der Bärenmühle. Auch zur Bärenmühle selbst gehört ein so genanntes Hugenottenhaus, in dem es neben zwei Ferienwohnungen auch einen kleinen Laden und eine Werkstatt gibt von Bettina Kohl, die unter ihrem Künstlername Menusch in Paris und New York gearbeitet hat, als Lederhandwerkskünstlerin und freie Tänzerin, bis sie dem Ruf ihrer Schwester gefolgt ist, die die Mühle – die der Vater, damals Landrat dort, in den 50ern erworben hat – zu eben jenem schmucken Ensemble ausgebaut hat. Die Schwester, Christiane Kohl, arbeitet als Journalistin und Buchautorin und nimmt sich durchaus gerne Zeit für Gespräche, vor allem wenn es ums Schreiben geht, hat sie ein offenes Ohr und passt auch gerne die Preise an, wenn man sich als Autor entschließen sollte, die Bärenmühle zu nutzen, um am eigenen Werk zu arbeiten.
Was uns sehr gut gemundet hat, war neben dem im Restaurant Gereichten auch das Selbstgemachte: Filets von der Rotbarbe in einem Champagnerschaumcurry. Nicht zu scharf, eher ein wenig tropisch süßlich mit Flocken von getrockenten Mangos, Papaya und Banane. Dazu gab es den Einstiegschampagner von Larmandier-Bernier, Tradition genannt: 80 % Chardonnay und 20 % Pinot Noir bei 5 Gramm Dosage.
Sehr spritzig, sehr hell und klar, sehr erfrischend mit Aromen von Zitrus- und Limettenschalen, feiner Mineralik und Hefe. Leider wissen die Larmandiers natürlich mittlerweile, welchen Preis sie für ihre Erzeugnisse nehmen können, die Preise sind deutlich gestiegen in den letzten drei Jahren. Doch es lohnt sich immer noch. Für mich eines der interessantesten Häuser an der Côte de Blanc.
Am nächsten Tag dann das besagte Rag0ut mit Wild, dessen Grundrezept man im Blog der Anonymen Köche findet. Dazu gab es 2004er Les Hauts de Pontet-Canet, über den ich bei Delhaize in Brüssel gestolpert bin und den ich direkt mitgenommen habe. Wollte ich doch immer schon einmal den Zweitwein von Pontet-Canet probieren. Allein, ich hatte ihn bisher nirgendwo gefunden.
Hätte man mir den Wein einfach so unter die Nase gehalten, wäre ich davon ausgegangen, dass man es hier mit einem noch etwas zu jungen Jahrgang eines klassifizierten Château zu tun hätte. Dieser Zweitwein wirkt wie der Cru eines guten Erzeugers. Eine dichter Duft von dunklen Beeren, vor allem Cassis, Gewürzen, leicht geröstetem Holz und Zederholz, Vanille und etwas abgehangenem Fleisch. Sehr dicht im Mund, fruchtig, noch ein wenig zu viel Holz, etwas unruhig wirkend. Diesen Wein sollte man noch ein paar Jahre in der Keller legen, bevor man ihn wieder hervorholt. Das ist sehr feiner Stoff.
Und diese Mühle ist ein sehr geeigneter Ort, um sich mal ein paar Tage komplett zurückzuziehen.