Zwei Tage Rheinhessen, Erster Tag: Weingut Sander, Winter und Wagner-Stempel

Da schreibt man so vor sich hin all die Monate, probiert Weine, geht zu Veranstaltungen und schafft es kaum mal ins nächste Weinbaugebiet. Eine Schande ist das. Und ich werde dies ändern. Ich bin hier in Bonn eigentlich gesegnet mit Weinbaugebieten direkt vor der Tür. Das Gebiet Mittelrhein fängt am Drachenfels an, 15 Minuten von mir entfernt, interessant wird es ab Spay und Boppard, da war ich im späten Frühjahr und dahin brauche ich eine Stunde. Die Ahr liegt nicht weit von Bonn, etwa eine halbe Stunde entfernt, da war ich im Sommer. Aber Rheingau, Rheinhessen und Nahe habe ich im letzten Jahr nicht geschafft. Mit dem Auto bin ich dort in nicht einmal zwei Stunden.

Um dies zu ändern und direkt in die Tat umzusetzen, Ihr wisst schon, neue Vorsätze fürs Jahr und so, sind wir aufgebrochen, um einige Winzer zu besuchen, Winzer, an deren Erzeugnissen teils schon lange das Herz hängt, teils, weil wir uns mit ihnen bisher nur telefonisch unterhalten haben und sie endlich mal kennen lernen wollten.

Weingut Sander, Mettenheim

Begonnen haben wir mit Stefan Sander. Dessen Weine kenne ich seit den Bioladenweinzeiten meines Reisepartners Michael van den Höövel. Die Sanders gehören mit zu den ersten Winzern, die sich in Deutschland konsequent dem biologischen Weinbau verschrieben haben. Das hat mit Stefans Großvater Ottoheinrich in den 50ern begonnen. Vater Gerhard hat es fortgesetzt und hat den Betrieb 1979 klassifizieren lassen. Mittlerweile wird unter Demeter-Richtlinien biologisch-dynamisch gewirtschaftet. Die Weinbautradition der Familie ist mittlerweile über 250 Jahre alt.

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„Meine Weine sollen gepinkelt werden“, sagt Stefan Sander und das beschreibt genau den Typus Wein, den er produziert. Keine Weine für die Ewigkeit, keine Flaschen, die ewig im Keller verschwinden sollen oder in irgendwelchen Regalen, vielmehr Weine, die zunächst einmal Spaß machen sollen, bei allem gut gemachten Handwerk. Und unterschätzen sollte man sie deshalb nicht.

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Ich schätze die Weine der Sanders. Es sind qualitativ sehr gut gemachte Weine, ehrliche Weine als Guts- und Shoppenweine, mit einer gewissen Tiefe und Komplexität im Mittelbau und einer, so glaube ich, etwas verkannten Spitze mit den Rieslingen vom Bechtheimer Geyersberg und Mettenheimer Michelsberg sowie dem Spätburgunder von der Mulde. Für mich immer zur Spitze Rheinhessens gehörte in den letzten Jahren der Sauvignon Blanc. So auch diesmal, ungetrübt vom Fass probiert, erkennt man direkt die mitteleuropäische Ausprägung des Weins. Der hat wenig überseetypisches Fruchtdropsexplosionspotential mit aufgelegtem grünen Gras, viel mehr besticht er spät im Mund durch eine feine Frucht und Mineralität.

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20 Hektar hat er, der Stefan Sander und von 2 Demeter-Vertragswinzern kauft er noch mal Traubengut von sechs Hektar dazu. Neben den klassischen Burgundersorten und Riesling findet sich Dornfelder – man soll es nicht glauben, aber der Barrique-Dornfelder war wirklich spannend –, Merlot und Cabernet Sauvignon, im Weißwein-Bereich natürlich Silvaner, Chardonnay, Sauvignon Blanc und Gewürztraminer.

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Es war eine gute Wahl, im Januar ins Weinland zu fahren. Es ist etwas Weinbergsarbeit zu machen, aber nicht zu viel, die Weine gären noch ein wenig im Tank und es bleibt etwas mehr Zeit für unsereinen. Zwei Stunden hat sich Stefan genommen, um mit uns durch die Keller zu gehen, Tanks und Fässer zu probieren. Erstaunlich hierbei, wie unterschiedlich sich die Tankinhalte von ein und demselben Weinberg entwickeln, je nach Parzelle, ganz zu schweigen vom Einfluss der frischen Fässer auf den Wein.

Weingut Winter, Dittelsheim

So wie Stefan Sander ist auch Stefan Winter Mitglied bei Message in a Bottle. Das ist der Verband junger, teils wilder, auf jeden Fall aber eloquenter und dynamischer Winzer aus Rheinhessen. Das ist die Gruppe von Leuten, die Rheinhessen zu Recht ein neues Image verpassen. Was vor wenigen Jahren noch als Synonym genannt wurde für Massenerträge à la Oppenheimer Krötenbrunnen oder Wormser Liebfrauenmilch, wird heute zunehmend wieder besetzt durch Qualität. Dazu gehören ein klares Konzept, eine Rückbesinnung auf Qualitätsweinbau und heimische Sorten, ferner der Wille zum Experimentieren, die Rückkehr zur Natur – weg von den Chemiekonzernen – und ebenso eine moderne Vermarktung.

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Stefan Winter ist so ein Paradebeispiel für einen jungen Winzer, der in den Betrieb seiner Eltern eingestiegen ist. Für einen jungen Menschen gibt es bestimmt Alternativen zum Weinmachen in einem kleinen rheinhessischen Dorf. Da gibt es mit Sicherheit spannendere Ecken. Aber er hat den Schritt getan, hat bei Keller in Flörsheim-Dalsheim gelernt und bereut es nicht. Damals, als er angefangen habe mit der Lehre, habe er nur liebliche Weine trinken wollen. Das würde sich ändern, habe Klaus-Peter Keller gesagt.

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Heute gehört der Name Winter schon durchaus zu den bekannten Betrieben, zu denen, die ein ganz klares Ziel verfolgen. Und dazu gehört der trockene Ausbau weißer Weine, solche, die so spät wie möglich gelesen werden. Das heißt, es gibt Gutsweine, Ortsweine, Lagenweine. Früher gab es 18 Reborten auf dem Hof. Heute gibt es Riesling, Silvaner, Chardonnay, Grauburgunder, Weißburgunder und – Scheurebe. Gott sei dank. Denn diese lange fast ausschließlich süß ausgebaute Sorte, die von einem Georg Scheu 1916 in Alzey/Rheinhessen gezüchtet wurde, hat auch im trockenen Bereich ein schönes Potential. Das merkt man auch bei Winters Scheu. Ein leicht blumiger und stark exotisch-zitroniger Duft im Glas, Grapefruit und leichte Würze am Gaumen.

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Die Weine, die wir probiert haben, waren spontan vergoren, hatten wenig oder keine Standzeit, wurden vor der Füllung handfiltriert. Dabei bestechen die Weine durch ihre Würze, die sich quer durch die Proben zieht. Ob im 2009er Grauburgunder vom Tonmergel, dessen Würze gepaart ist mit einer frischen Zitrusaromatik, die mit deutlichen Orangennoten daherkommt – und mit viel Grip. Oder beim 09er Riesling QbA, der deutlicher breiter wirkt, mit einer schönen Fruchtaromatik, geprägt von Apfel und Steinobst.

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Den sehr sympathischen Jungwinzer wird man im Auge behalten, da bin ich mir sicher. Und schon heute, wo ich den Artikel schreibe und bei C&D auf die Website gehe, weil ich was anderes suche, fällt mir das gelungene, moderne Etikett direkt ins Auge. Ein Etikett, das ähnlich klar und eigen ist wie die Weine.

Weingut Wagner-Stempel, Siefersheim

Was mich besonders gefreut hat an dieser Tour ist, dass Daniel Wagner so viel Zeit für uns hatte. Er gehört mittlerweile zur deutschen Winzerelite, das kann man ziemlich klar sagen und das bestätigen auch einmütig die üblichen Weinführer. Dieser Mann hat aus einem Mischbetrieb mit dem Hauptaugenmerk auf Landwirtschaft einen Augenstern in Sachen rheinhessischem modernen Wein gemacht. Er hat neben all der erworbenen Erfahrung der letzten Jahre ein sagenhaftes Händchen, vor allem für Riesling. Aber auch die Burgunder sind ausgezeichnet, den roten St. Laurent mag ich sehr, die Scheurebe ist auch hier einer meiner Lieblingsweine im Gutsweinbereich. Dies habe ich, wenn man mal in meinem Weblog sucht, auch nie verhehlt.

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Mit diesem Winzer zwei Stunden durch den winterkalten Keller zu wandern, von einem Fass zum anderen, sich erklären zu lassen, welches Fass oder welcher Tank aus welcher Parzelle stammt und wie er sich den späteren Wein vorstellt, das ist eine seltene Gelegenheit bei diesem eher scheuen, häufiger wortkargen Ausnahmewinzer.

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Auch hier zeigt sich in den jungen, trüben Weinen die ausgezeichnete Qualität des 2009er Jahrgangs. Erstaunlich konzentriert sind schon die Weine für die Guts- und Ortsweine, brilliant wirkt der Riesling aus dem Heerkretz für das Große Gewächs. Ähnlich wie bei Sander gefällt mir der kommende Sauvignon Blanc in seiner klassischen Machart, das Wechselspiel aus Stachelbeeren, Holunder und feiner Würze, verbunden mit der Mineralität der Siefersheimer Lagen.

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Mitgegeben hat Daniel Wagner uns einen Eiswein vom Spätburgunder, gelesen im letzten Januar bei -16 Grad. Vergessen hatte er die Parzelle, die im Mai einen heftigen Hagelschaden hatte und eine übliche Ernte unmöglich gemacht hat. Erst im Januar, als er Erntemaschinen sah – natürlich wird auch Eiswein noch mit dem Vollernter eingefahren, denn es gibt ja auch noch den 4-Euro-Eiswein beim Diskounter –, fiel ihm die Parzelle wieder ein und raus ging’s zum Ernten. Herausgekommen ist ein Wein mit 25 Gramm Säure und erheblicher Süße, weiß gekeltert liegt er jetzt bei mir im Keller und wird erst einmal vergessen.

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Im Sommer möchte ich gerne noch mal wiederkommen. Die Gästewohnungen dieses außerordentlich schönen Hofes warten nur darauf, für ein Wochenende besucht zu werden.

Den Abend haben wir dann in der Wöllsteiner Weinstube von Ute und Norbert Budick verbracht, deren Rumpsteaks mir Stefan Winter empfohlen hatte und die ich hiermit weiterempfehlen möchte. Das Ambiente dieses Fachwerkhauses ist sehr angenehm und die Weinkarte bietet selbstverständlich Weine der Region, die von Daniel Wagner natürlich wie auch die des Neulings Axel Koehler, der eigentlich abends auch noch kommen wollte, dessen Weine mir im letzten Sommer aufgefallen sind und den wir dann am nächsten Morgen besucht haben.

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