Wenn ich über das Weingut Robert Weil schreibe, dann schreibe ich nicht nur über ein Rheingauer Gut von hervorragendem Ruf, sondern über eines, das in schweren Zeiten des deutschen Weinbaus die Speerspitze des Qualitätsweinbaus gewesen ist und auch noch heute, wo glücklicherweise die Menge an Weingütern, die hervorragende Qualitäten liefern, deutlich größer geworden ist, zur vordersten Gruppe gehört. Nicht nur kamen aus diesem Hause zwischenzeitlich die teuersten und vielleicht besten Weine der Welt, geordert von gekrönten Häuptern in ganz Europa, auch heute noch gehören die Auslesen, die süßen Weine aus der Lage Gräfenberg mit zum Besten und auch immer noch Teuersten, was es gibt. Wer in die Berge geht und in die Keller, hat das Gefühl, das im Stillen mit einer fast aristokratischen Zurückhaltung Tradition und höchster Anspruch gepflegt wird. Die Familie Weil hat in den ganzen letzten Jahrzehnten unglaublich viel Zeit und Mühe und wiederum Geld investiert um diesen hoch angesetzten Standard in den 75 Hektar Rheingauer Lagen und im Keller halten und sogar noch ausbauen zu können – nicht zuletzt seit dem Einstieg des Urenkels des Gründers, Wilhelm Weil, der wiederum der erste Nachfahre der Familie ist, der nicht in erster Linie Jurist und in zweiter Linie Winzer war sondern der den Weinbau in Geisenheim studiert hat und sich mit Leib und Seele seinen Weinen verschrieben hat.
Auch wenn das Weingut in erster Linie für die edelsüßen Weine weltberühmt ist, werden doch auch einige ausgezeichnete trockene Rieslinge erzeugt. Das beginnt mit dem leckeren, wenn auch nicht ganz preisgünstigen Gutsriesling und endet beim Großen Gewächs aus dem Gräfenberg, das im Rheingau Erstes Gewächs heißt. Dass die Weine nicht ganz preisgünstig sind dürfte nicht zuletzt am sehr aufwendigen Entstehungsprozess Weilscher Weine liegen. Das beginnt im Weinberg mit der Begrünung, bei der immer nur jede zweite Rebzeile begrünt wird, jährlich wechselnd, bei der ausschließlich organischen Düngung, Schädlingsbekämpfung mit umweltverträglichen Mitteln und dem völligen Verzicht auf Herbizide. Hinzu kommt erhebliche Ertragsbeschränkung durch restriktiven Anschnitt, mehrfaches Ausdünnen, Negativauslese und sehr selektiver Weinlese, meist nicht vor Anfang November. Diese verläuft häufig über zwei Monate – mit stark selektiver Auslese, wobei die Erntehelfer bei den von Botrytis befallenen Trauben schon im Weinberg angehalten sind, zwischen drei verschiedenen Fäulnisgraden zu wählen. Im Keller wird dann noch einmal jede Beere in die Hand genommen und überprüft.
Zwischen den oben genannten trockenen Gutsweinen und dem Ersten Gewächs stehen die reduktiv ausgebauten Lagenweine, schlicht Kiedricher Klosterberg, Kiedricher Turmberg, Kiedricher Gräfenberg genannt und auch in diese Reihenfolge gestellt, ist doch der Gräfenberg die über allem liegende Toplage und der Turmberg immer die zweitbeste Lage des Gutes gewesen.
Der Klosterberg dagegen ist weniger bekannt und, was die Weilsche Stilistik angeht vielleicht sogar etwas untypisch, da ein wenig barock. Ein klein wenig nur, denn da gibt es ganz andere Extreme, da gibt es Weine, gegen die ist das Interieur der Klosterkirche Birnau ein Witz. Aber das ist nicht Weils Stil. Wenn also, dann kann man diesem Wein, der auf einem Boden wächst der sich aus devonischem Buntschiefer und vordevonischem Phyllit und Serizitgneis sowie kiesigen Lössen zusammensetzt, höchstens eine gewisse, aber nicht bedeutende Atypizität des Stils unterstellen. Ich weise deswegen auf die Gesteinsformationen hin weil genau diese, samt dem etwas sich verändernden Mikroklima für die prägnanten Unterschiede der drei Lagen sorgen. In der Nase findet sich etwas Marzipan in Verbindung mit zurückhaltender Frucht, ein wenig Süße und etwas, was ich nicht besser bezeichnen kann als Babypuder, man möge es mir nachsehen. Geschmacklich relativ breit angelegt findet sich auch hier eine wahrzunehmende Süße, Kräuter dominieren hier, ich meine sogar etwas milden Senf zu erahnen. Im Laufe des Abends findet sich ein wenig mehr Frucht ein, vor allem frische Grapfruit.
Deutlich schlanker, fast wie eine Kirche nach dem Bildersturm – um bei dem Bild zu bleiben – präsentiert sich der Turmberg: Zurückhaltend in der Nase mit einem leichten Apfel- und Steinobst-Duft, vermengt mit etwas, was nach Biskuitboden riecht, feingliedrig und schlanker als der Klosterberg am Gaumen. Man spürt deutlich weniger Restsüße, dafür mehr Säure und wieder die kräuterwürzige, sehr feine Mineralik. Der Turmberg wirkt etwas eindringlicher als der Klosterberg, die etwas andere Bodenzusammensetzung wirkt sich aus.
Der Turmberg liegt an den Hängen einer steilen Kuppe. Der Boden dieser Schieferkippe besteht zu hohen Anteilen aus Phylliten mit einigen Anteilen Lößlehm. Die knapp 4 Hektar kleine Lage erhielt übrigens erst 2005 wieder ihren ursprünglichen Namen nachdem sie Anfang der Siebziger während der Flurbereinigung in die größere Lage Kiedricher Wasseros aufgegangen war.
Der dritte Wein im Bunde, der trockene Riesling aus dem Kiedricher Gräfenberg präsentiert sich feingliedrig mit einer leicht kräutrigen Nase, einem Hauch Feuerstein und einigen medizinalen Anklängen, unterlegt von dieser leichten Apfel-Steinobst-Aromatik. Der Wein wirkt deutlich trockener mit mehr Gerbstoffen, ein klein wenig salzig sogar, fest und mit einer deutlichen mineralischen Würze ausgestattet. Nach diesem fast asketischen Turmberg sind wir hier wieder auf der Sonnenseite angelangt, eigentlich verbindet der Gräfenberg das Beste aus den beiden anderen Lagen, er hat etwas mehr Druck, mehr Tiefe, ja geradezu mehr Macht als Kloster– und Turmberg. Hinzu kommt, aber das gilt eigentlich für alle drei Weine, eine sehr angenehme, ja ausgewogene Länge. Das ist klassische Rieslingeleganz, was noch einmal um so deutlicher wird, wenn man dagegen ein Wein wie den Neumond von Klaus Peter Keller trinkt, ebenfalls ein ganz ausgezeichneter Wein, dessen überbordende Fruchtfülle im direkten Vergleich jedoch fast obszön wirkt, aber eben nur im direkten Vergleich.
Gefallen haben uns alle drei Weine in ihrer ausgewogenen, aristokratisch zurückhaltenden Art, doch wenn ich mir einen aussuchen würde, griffe ich definitiv zum letzteren. Der Gräfenberg zeigt auch in der Gruppe der trockenen Lagenweine, dass er gewissermaßen der Primus inter pares unter den drei herrschaftlichen Lagen des Weingutes Robert Weil ist. Er wird im Weingut dementsprechend auch als Grand Cru von den beiden anderen Lagen abgesetzt, die als Premier Crus bezeichnet werden. Die Weine sind, wie alle anderen Füllungen des Gutes auch, keine Schnäppchen. Mindestens 21 Euro muss man auf den Tisch des Hauses legen um eine der Flaschen erwerben zu können. Wer aber nach weitgehend trockener, klassischer Rheingauer Riesling-Eleganz sucht, wird sich mit diesen drei Weinen bestimmt anfreunden – und sollte sie dennoch ein paar Jahre liegen lassen, denn es zu schade, diese Weine jetzt schon zu öffnen.
Interessantes Posting, was ich eben erst entdeckt habe, nach meiner Veroeffentlichung von gestern http://www.schiller-wine.blogspot.com/2011/01/in-glass-2009-kiedricher-turmberg.html