Ich muss zugeben, ich bin um diesen Artikel herumscharwenzelt, immer wieder. Ich habe ja schon über Vieles geschrieben hier im Blog, aber selten über gereifte Weine aus dem Burgund. Überhaupt lese ich dazu sehr selten etwas, auch in anderen Blogs kommt das Burgund, so nehme ich es wahr, selten vor. Das könnte daran liegen, dass es schlichtweg deutlich schwieriger ist, darüber zu schreiben als über, sagen wir, gereifte Mosel-Rieslinge, zumindest empfinde ich das so. Nun, bevor wir zur Bewährungsprobe kommen gab es als Entrée eine Bollinger La Grande Année 1996 für unseren Kleinen Bonner Weinzirkel. Ich kam etwas zu spät und die Flasche war schon länger geöffnet. So hatte sich der Wein schon entfaltet und verströmte einen schönen Duft von etwas mürbem Apfel, gleichzeitig Zitrusaromen, etwas Hefe und Nüsse. Im Mund wirkte der Champagner wie auch in der Nase wie ein zwiegespaltenes Ganzes. Einerseits Alterungstöne, siehe mürber Apfel, andererseits sehr viel Frische, Mineralität und Säure. Der Champagner kann vor zehn Jahren kaum zum Genuss geeignet gewesen sein wenn ich schmecke, wie viel Säure er jetzt noch hat. Jetzt tut es ihm gut und verbindet sich vortrefflich mit dem crémigen Charakter. Der lange Abgang überzeugt vollends.
Die eigentliche Reihe an weißen Burgundern begann dann mit einem 2000er Rully Premier Cru Les Cloux von Vincent Girardin. Rully zählt nicht zu den berühmten Lagen. Rully gehört, neben Bouzeron, Givry, Mercurey und Montagny zum Gebiet der Côte Chalonnaise zwischen Côte d’Or und Mâconnais. Das Gebiet zeichnet sich durch Kalkstein und kalkhaltigen Lehm aus, in Rully selber gehört die Premier Cru Lage Les Cloux zu einer von 20 Premier Cru Lagen.
Der 2000er Les Cloux hat eine leicht und angenehm duftende Nase nach etwas Blüten und Zitrone mit einem Hauch Honigbanane. Schon in der Nase kann man Säure erahnen, die sich im Mundgefühl auch bestätigt. Deutliche Apfelsäure findet sich hier. Was die Säure angeht, wirkt der Wein jung, die Frucht aber dürfte sich nicht mehr weiter entwickeln und ist an ihren Grenzen angelangt.
Jean Boillots 2001er Puligny-Montrachet stammt aus der Premier Cru Lage Clos de la Mouchère. Hier sind wir schon bei einem der berühmten Montrachet-Winzer und bei einer guten Lagen angelangt. Nachdem eine leichte Käsenote aus dem Glas entschwunden ist, offenbaren sich Noten von Akazienholz und -honig mit ein wenig Banane und ich fühle mich an überschwengliche Übersee-Chardonnay erinnert. Am Gaumen finden sich die Akaziennoten wieder, aber angenehm deutlich gedämpft. Es kommt eine Orangennote hinzu und leichte Noten von Alterung. Neben der Frucht steht eine ernsthafte Säure und viel Mineralität. Dieser Wein kann noch ein paar Jahre mehr, ist aber jetzt ausgezeichnet, mit einer schönen Länge und Dichte.
Daneben fällt Etienne Sauzets 1999er Puligny-Montrachet aus der Premier Cru Lage Les Combettes deutlich ab. Hier fand sich für mich ein metallischer Ton in der Nase, der Wein wirkte auch im Mund fast ein wenig scharf. Jedoch ist kein wirklicher Fehler und erst recht kein Oxydation festzustellen. Damit hatten wir am gesamten Abend glücklicherweise keine Probleme. Doch wenn Sauzet sagt, dies sei sein bester Jahrgang seit 1992, finde ich dies zumindest bei dieser Flasche überraschend. Er ist ausladend und lang, aber eben nicht wirklich balanciert.
Der zweite Flight setzte sich aus drei Meursault zusammen. In diesem Bereich der Côte d’Or finden sich keine Grand Crus, dafür aber eine Menge Premier Cru. Jörg, der die Runde ausgerichtet hat, hat den 1998er Les Narvaux von Vincent Giradin neben den 1996er Les Genevrières des selben Winzers gestellt und den Flight durch einen 1997er Les Grands Charrons von Michel Bouzereau ergänzt.
Les Narvaux glänzt in der Nase durch ein komplexes Bukett aus Haselnüssen, Akazienhonig, etwas Schokolade, Baiser und Quitte. Der Duft ist großartig, der Geschmack dieses Weins kann allerdings nicht ganz mithalten. Der Burgunder hat eine deutliche, vielleicht etwas zu starke Säure, was in der Nase Honig war ist hier eher Kandis mit einem Rest Karamell, und neben Volumen, Dichte und einer gewissen Mineralität findet sich ein leicht brandiger Ton im Abgang.
Les Grands Charrons von Michel Bouzereau wirkte wie eine große Portion Honig-Karamell. Aber eher so ein wenig wie Honig-Karamell-Parfum, in das sich dann irgendwann eine Blumenwiese und etwas Butter mischt. Der Wein wirkte auf mich ein wenig aufgesetzt und nicht ganz stimmig.
Les Genevières von wiederum Vincent Girardin beschloss den zweiten Flight mit einem Meursault im Zuckerbäckerstil der eine gewisse Opulenz von allem an den Tag legte -ölig im Glas mit Holzaromen in der Nase und einer süßen Frucht. Dabei aber immer noch mit Säurerückgrad und Mineralität. Einzig ein Bitterton im Abgang störte meinen positiven Gesamteindruck.
Mit der dritten Runde begaben wir uns in die Liga der Premier Cru Gewächse aus Chassagne-Montrachet. Diese umfassen rund 150 Hektar der Gesamtanbaufläche von 340 Hektar. Neben den Premier Cru gibt es mit Bâtard-Montrachet, Criots-Bâtard-Montrachet und Montrachet lediglich noch zusätzliche drei Grand Cru Lagen die zusammen gerade einmal 11,6 Hektar umfassen.
Nebeneinander standen in diesem Flight der Chassagne-Montrachet Premier Cru Les Caillerets 1998 von Jean Noel Gagnard, der Chassagne-Montrachet Premier Cru Les Caillerets 1996 von der Domaine Bachelet-Ramonet sowie ein 1996er Chassagne-Montrachet Les Chaumées Clos de la Truffière von Michel Niellon.
Diese drei Weine wirken etwas dichter und konzentrierter als die Mersault aus der vorherigen Paarung. Gagnards Les Caillerets verbindet das Leichte von floralen Noten mit einer konzentrierten Dichte von Steinobst, reifem Apfel und Shortbred. Shortbred oder besser Apple-Pie mit ein wenig Haselnüssen und einigen Kräuternoten finden sich auch im Geschmack wieder. Der Wein beeindruckt durch seine wie selbstverständlich wirkende Balance von Fülle und Struktur.
Ramonets zwei Jahre älterer Les Caillerets stammt aus der selben Lage, ist aber, wen sollte es wundern, ein völlig anderer Wein. Was mir zunächst wie abgebrannte Feuerwerkskörper in der Nase erscheint entwickelt sich bei zunehmender Luft zu einer deftigen Specknote, oder besser, Speckchips. Am Gaumen fand ich den Wein deutlich weniger harmonisch, deutlich unbalancierter als jenen von Gagnard. Vor allem das Zuviel an Säure fand ich etwas störend in einem ansonsten durchaus noch energiereichen Wein.
Mit Niellons 1996er Clos de la Truffière hatten wir dann als Nächstes meinen Favoriten des Abends im Glas. In der Nase ganz zurückhaltend, meilenweit entfernt von der Specknase des Nachbarn, finden sich eher leichte Zitrusaromen, ein wenig tropische Früchte und Haselnuss. Am Gaumen dann erneut die Limetten- und Zitrusfrüchte, etwas von Orangenschale, wieder Haselnuss. Aber was rede ich von Obst und Gemüse. Die Struktur, die Struktur ist es, die Harmonie, die Länge, das Verwobene von Frucht, Mineralik und Säure, die Frische und das Sämig-Weiche beeindruckten sehr.
Der letzte Flight war durchaus ungewöhnlich, befand sich in der Gruppe doch ein 1961er Chablis Premier Cru Fourcheaume von Albert Pic neben einem 1996er Chablis Grand Cru Vaudèsir der Domaine Verget sowie ein 1994er Bâtard-Montrachet der Domaine Leflaive.
Zum 1996er Chablis von Pic habe ich mir keine weiteren Notizen gemacht, der hatte, wenn ich mich Recht erinnere, seine beste Zeit hinter sich, wirkte müde und erschöpft. Ganz anders der 1961er Fourcheaume. Auch der hat seine beste Zeit längst hinter sich aber wirkte nicht wirklich müde, alt zwar, aber nicht erschöpft. Wir waren schwer beeindruckt von seiner Präsenz. In der Nase fand sich Satz von schwarzem Tee in Verbindung mit Orangenschalen, im Mund noch eine Rest von kräutrigen Noten und Obst, spannend war das Säuregerüst, dass den Wein durch die Zeit geschleift hat.
Weniger beeindruckend als die guten Jahrgänge und trotzdem schön war der 1994er Bâtard-Montrachet von der Großmeisterin des weißen Burgund, Anne Leflaive. Was normalerweise ein Kunstwerk ist und entsprechend teuer, wirkt hier fast wie ein Süßwein dem ein wenig die Säure fehlt und entsprechend die Struktur. In der Nase finden sich karamellisierte Aprikosen mit einer noch vorhandenen mineralischen Komponente, am Gaumen wirkt der Wein ein wenig wie Orangenlikör. Und, na ja, eine wirklich angenehme Form von Orangenlikör, aber Orangenlikör ist halt nicht Bâtard-Montrachet.
Das wir den Abend mit zwei fulminanten Weinen beschlossen haben erwähne ich noch, führe es aber nicht weiter aus. Der Gastgeber wollte noch mal überprüfen, verdeckt, wie sich ein 2000er Grüner Veltliner Ried Loibenberg von Emmrich-Knoll und ein 1997er Uhlen von Heymann-Löwenstein so in der Konkurrenz mit den Montrachet schlagen würde und ob man nach dem ganzen Chardonnay noch erkennen würde, was nun im Glas sei. Nun, man erkannte beide Rebsorten und Gebiete, und, ich muss es jetzt einfach gestehen, so faszinierend die Weine im Vorfeld waren, und wie sehr ich die Burgunder als Begleiter guten Essens schätze, als Solisten würde ich den Veltliner und den Uhlen immer vorziehen.
[…] so mit ein, zwei Gästen von außerhalb in kleiner Runde. Da gibt es dann Abende wieder diesen oder jenen oder den im Folgenden […]