Ich weiss nicht, ob den Traditionalisten italienischen Weins die Haare hochstehen, wenn sie an Bolgheri denken. Da gibt es alles, nur keine klassischen Rebsorten. Und man mag fragen ob die, die dort irgendwann mit Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc, Merlot und Syrah angerückt sind, dem italienischen Weinbau einen Gefallen getan haben – gibt es doch in Italien eine Menge authochtoner Rebsorten höchster Qualität.
Wozu also dieser ganze internationale Kram? Um den italienischen Weinbau zu retten, sagen die anderen. Um ihn international aufzustellen und die Qualität zu verbessern. Und in der Tat hat der, dessen Weine wir getrunken haben entscheidend dazu beigetragen dies zu tun, den italienischen Weinbau wenn nicht zu retten, dann doch in eine entscheidende Richtung zu führen. Und zwar in eine, in die er in den 80ern und 90ern nicht unterwegs war, zumindest nicht in der Breite. Wir können hier ein Lied davon singen, bei uns war das auch nicht viel besser und wenn damals der ordinäre Chianti noch international zu verkaufen war, war es hier die Liebfrauenmilch. Mehr aber auch nicht.
Marchese Ludovico Antinori, von dem rede ich hier nämlich, hat dies mit einer unglaublichen Energieleistung geändert. Er, dessen alteingesessene toskanische Familie jede Menge Ländereien und vor allem Rebhänge besitzt, konnte den fortschreitenden Niedergang nicht gut ertragen. Und neben einem strikten Qualitätsstreben der heimischen Rebsorten hat er eben auch auf einen internationalen Stil gesetzt. Und das auf angestrebt höchstem Niveau. Herausgekommen ist das, was irgendwann den Namen Super-Tuscans bekommen hat. Wein internationalen Stils der in Italien jedoch lediglich die Qualitätsstufe eine Landweines, eines IGT erhalten hat, weil er den Richtlinien der Anbaugebiete nicht entsprochen hat. Das tat dem Erfolg der Antinorischen Weine und deren Verbündeter keinen Abbruch, so dass Sassicaia, Tignanello, Ornellaia oder Guado al Tasso berühmt wurden und eine Aufbruchstimmung erzeugten, die über das kleine Bolgheri, ja über die Toskana weit hinausging.
Im Gefolge der Super-Tuscans finden sich Zweitweine und andere Abfüllungen dieser Güter deren Preis nicht direkt in die Hunderte geht. Drei gereifte Weine, alle aus dem Besitz der Antinoris, haben wir probiert und über ca. drei Stunden verfolgt. Zunächst hat mich keiner der drei vollends überzeugt, zum Schluss hätte ich die drei alleine trinken können.
Il Bruciato 2004, Guado al Tasso, Bolgheri
Dieser Wein ist ein Nasenschmeichler. Süße Frucht und etwas vanilliges getoastetes Holz strömen aus dem Glas. Im Mund ist der Wein zunächst weniger fruchtig, ja, ich habe den Eindruck, die Frucht würde in der Gesamtheit des Weines deutlich zu weit zurückstehen. Die Tannine, die Säure stehen im Vordergrund. Nach einiger Zeit aber, genauer gesagt ca. 2 Stunden, nach dem ersten Schluck öffnet sich der Wein, der aus 60% Cabernet Sauvignon, 30% Merlot und 10% Syrah besteht, also gut vier Stunden nach Öffnen der Flasche.
Il Pino di Biserno 2004, Campo di Sasso
Im Gegensatz zum Il Brusciato ist dies nicht unbedingt ein Nasenschmeichler. Beim Il Pino treffe ich auf die Würze einer reduzierten Bratensoße, versetzt mit medizinischer Tinktur. Im Mund erwartet mich zunächst ein Geschmack von Dropsen aus der Metalldose, die zu lange im heißen Auto gelegen hat. Auch dieser Wein findet erst nach langer Zeit zu sich und klart dann förmlich auf. Jetzt finden sich Aromen von Schokolade und der Mund füllt sich mit dichten, dunklen, reifen Beeren. Der Wein wird erstaunlich harmonisch und ich bin angenehm überrascht. Das hatte ich gar nicht mehr erwartet von diesem Bogheri, der zumindest in 2005 aus 35% Cabernet Franc, 30% Cabernet Sauvignon, 20% Merlot und 15% Petit Verdot zusammengesetzt war.
Insoglio del Cinghiale 2004, Campo di Sasso
Auch der Wein mit dem markanten Schwein auf dem Etikett ändert seinen Charakter im Laufe des Abends beträchtlich. Zunächst steigt mir ein Geruch in die Nase als ob jemand alten Kabeljau über ein rostiges, von altem Blut überzogenes Geländer gezogen hätte. Da ist so viel Eisen im Geruch, dass ich zunächst ein wenig zurückschrecke. Am Gaumen findet sich jedoch eine sehr angenehme Fruchtsüße, die von kräftigen Tanninen und dunklen Früchten eskortiert wird. Dieser Wein gefällt mir abgesehen vom Gestank Geruch zunächst mit Abstand am besten. Der Wein wird zumindest als 2005er Jahrgang zur Hälfte von Merlot getragen, den Rest teilen sich Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon, Syrah und Petit Verdot. Später dann – auch hier dauert es seine Zeit – verfliegt der rostige Geruch und macht Platz für gekochten Rotkohl und Holunder. Das kann ich nun deutlich besser riechen, und geschmacklich schummelt sich noch etwas Schokolade und Mokka in die Fruchtaromen, was jetzt auch nicht unangenehm ist.
Ich fand den Abend jedenfalls ausgesprochen spannend weil ich selber ja eher ein Fan davon bin, in den Weinbaugebieten die heimischen Sorten anzubauen und das tendenziell eher als kulturlos empfinde, überall die gleichen Sorten anzupflanzen. Was mich jedoch nicht davon abhält, diesen Weinen, und zwar jedem der drei einen ganz eigenen, auch eigenwilligen Charakter zu attestieren. Und genau dann macht Wein Spaß.
Unser Sohn lud mich zum Muttertag ins Hotel Steffani St. Moritz zum Mittagessen ein und kredenzte uns einen mir noch unbekannten excellenten Rotwein und zwar einen Insoglio aus der Toscana. Ich habe mich vom Rioja in den letzten Jahren etwas losgerissen, um auch mal andere Weine lieb zu gewinnen und war heute derart begeistert von dem Wein, dass ich nach der Rückkehr sofort im Internet diesen Wein ausgoogelte. Die verschiedenen Jahrgänge gilt es jett erst noch zu degustieren aber der Anfang war schon mal super!