Fünf Jahrgänge Smith Haut Lafitte blanc und anderer genialer Stoff

Gestern haben wir mal wieder in kleiner Runde zusammengesessen. Auf dem Programm stand eine Fünfer-Vertikale des im Pessac-Léognan beheimateten Bordeaux-Châteaus Smith Haut Lafitte.

Traditionell beginnen wir unsere Abende mit einem Champagner, in diesem Fall mit einer Grande Réserve des Hauses Vilmart & Cie, Rilly-la-Montagne aus dem nördlichen Bereiche der Grande Montage de Reims.

Vilmart, 1890 gegründet, besitzt 11 Hektar rund um das eigene Anwesen, wobei hier, ganz unüblich für die Region, Chardonnay als Hauptrebsorte überwiegt. Normalerweise findet sich in der Montagne mehr Pinot. Sämtliche Lagen des Besitzes fallen unter den Premier Cru Status. Vilmart, bzw. der Besitzer Laurent Champs und auch schon sein Vater gehören zu den Winzern, die sehr früh auf den Einsatz von Herbiziden und Pestiziden im Weinberg verzichtet haben und sie gehören weiterhin zu jenen, die ihre Grundweine samt und sonders in Holzfässern ausbauen. Non Vintage Champagner werden in Fudern ausgebaut, Jahrgangschampagner in gebrauchten Barriques. Die Vorgehensweise ähnelt also der bei beispielsweise Selosse, de Souza, Larmandier-Bernier und anderen Winzern, die biologisch im Weinberg arbeiten und auf Holz statt auf Edelstahl im Keller setzen.

Die Grande Réserve Brut Premier Cru, Losnummer 11 08, das dürfte auch das Degorgier-Datum sein, besteht im Gegensatz zu allen anderen Erzeugnissen Vilmarts zu einem höheren Anteil aus Pinot Noir (70%) und zu einem geringeren aus Chardonnay (die restlichen 30%).

In der Nase findet sich ein Hauch Holz und ein leichter Duft von Hefe, zusammen mit etwas Salzigem, was mich ein wenig an Fisch erinnert hat, aber das wäre ein Negativurteil, was ich so nicht formulieren mag. Es scheinen jedenfalls einige salzige Aromen am Geruchsbild mitzuwirken, das ansonsten eher auf Chardonnay denn auf Pinot schließen lässt: Zitrusfrüchte dominieren hier.

Am Gaumen ist der Wein zunächst einmal frisch und crémig, was meiner Meinung nach zunächst einmal das Wichtigste ist. Fehlt die Frische wird der Wein schnell langweilig, dann kann ich auch einen Stillwein trinken. Hier jedoch findet sich eine frische Säure, Mineralität, wiederum Citrusnoten und Pfirsich, begleitet von würzigen Noten und frischem Brioche. Im Mund merkt den Pinotanteil deutlicher als in der Nase, der Wein hat hier ein pinottypisches Volumen. Schön ist, um noch mal darauf zurück zu kommen, die crémige Textur, die nicht zuletzt aus dem zehnmonatigen Holzfassausbau resultieren dürfte sowie die Länge, die diesen Einstiegswein des Hauses zu einem guten Kauf werden lässt und mit 32 Euro bei Hardy in Berlin auch gut bepreist ist.

Das eigentliche Thema des Abends aber waren die weißen, von Sauvignon Blanc dominierten Gewächse des Château Smith Haut Lafitte, bei mir intern op Kölsch Schmitz-Hoot genannt.

Wie viele andere Châteaux im Bereich Pessac-Léognan, Graves auch ist Smith Haut Lafitte deutlich älter als die bekannten Médoc-Güter. Bis ins 14. Jhd gehen die Annalen zurück als die Familie Bosq im Jahre 1365 das Gut gegründet hat. Interessant wird es ab dem 17. Jahrhundert, als der Schotte George Smith den Besitz übernahm, das heutige Anwesen erbauen ließ und begann, die Weine auf die britischen Inseln zu exportieren. Ab 1842 hat der damalige Bürgermeister von Bordeaux, Monsieur Duffour-Dubergier den Besitz übernommen, ausgebaut und das Gut weiter bekannt gemacht. Den weltweiten Export übernahm der Händler Louis Eschenauer, der das Anwesen zwischenzeitlich erwarb bis es 1993 in den Besitz des früheren Ski-Olympiasiegers Daniel Cathiard überging. Dieser hat den Besitz zusammen mit seiner Frau Florence zu einer neuen Blüte gebracht, enorm viel Geld in das Anwesen mit dem markanten blauen Signet investiert und mit Frau und Tochter sogar eine eigene, auf Weintrauben basierende Kosmetiklinie namens Les Sources de Caudalie sowie eine Reihe von Spa eröffnet. Die Familie hat in den letzten zwei Jahrzehnten also keine Mühen gescheut um den Besitz in die erste Riege der Graves-Château zu befördern, zu denen es vorher eigentlich nie gehört hat. Eine der vielen Maßnahmen, die angewandt wurden um diesen Qualitätssprung zu erreichen ist neben der Neuanlage der Weinberge, dem Ausbau des Kellers und der Beratung durch Michel Rolland die stete Hinwendung zur biodynamischen Bewirtschaftung des Weinbergs, womit peu à peu 1997 begonnen wurde.

Die Jahrgänge 2000 und 2002
Leider hatte direkt der erste Wein im ersten Flight einen Korkschmecker, der den Vergleich mit dem hervorragenden 2002er schwieriger werden ließ. Beide Weine standen goldgelb im Glas und dufteten mit einer Aromatik von leicht gerösteten Nüssen und Kernobst.

Was ich beim 2000er zuerst als Walnuss-Aromatik empfunden hatte wandelte sich zunehmend deutlich im Laufe des Abends zu einem TCA-Fehler des Korkens. Schade, denn der Wein hatte eine schöne Tiefe und Länge.

Der 2002er ist von der Zusammensetzung her ein typischer weißer Smith Haut Lafitte. 90% Sauvignon Blanc werden ergänzt durch 5% Sauvignon Gris und 5% Sémillon. Neben der Aromatik von gerösteten Nüssen findet sich ein wenig Akazienhonig, etwas Banane und reife Mirabellen. Und das nicht nur im Duft sondern ebenso im Geschmack, wo sich zusätzlich eine gewisse Kräuteraromatik einfindet. Der Wein hat eine schöne Dichte und ausgezeichnete Länge. Zum Schluss des Abends findet sich ein leichter Petrolton in der Nase.

Die Jahrgänge 2007 und 2006
Im zweiten Flight stand der 2007er Jahrgang neben dem 2006er. Auch diese setzen sich aus 90% Sauvignon Blanc und je 5% der Nebenrebsorten zusammen, der Ertrag lag bei beiden bei 30 Hektoliter je Hektar (2002 lag er bei 25hl).

Die Stilistik der ersten beiden probierten Weine setzt sich auch in diesen beiden fort. Auch wenn der 2007er säurebetonter ist als der 2002er und zurückhaltender im Duft, findet sich die Steinobst-Nuss-Aromatik, die zunehmend durch eine leicht steinige Komponente ergänzt wird. Im jüngsten Wein des Abends findet sich zwar etwas mehr Holz als in den anderen, doch oaky ist dieser Wein kein bisschen. Die Frucht überwiegt deutlich, ist expressiv und verbindet sich hervorragend mit der Säure. Sehr gut.

Der 2006er, von René Gabriel mit übertriebenen 20/20 Punkten bewertet, ist noch ein Schüppchen besser. Nüsschen, reife, ja crémige weiße Früchte mit einem satten Schuss Akazienhonig formen einen dichten, in angenehmen Sinne vollen Wein, der jedoch genau so viel Grip und Säure in sich trägt, dass sich eine großartige Balance ergibt. Der Wein weckt bei allen am Tisch gleichermaßen Begeisterung. Hervorragend.

Der Jahrgang 2005 und ein unbekannter Nebenbuhler
Der 2005er, im dritten Flight mit einem verdeckten Nachbarn kredenzt, fällt in der Aromatik zunächst ein wenig heraus. Die bisher immer mitschwingende Nusskomponente finde ich kaum, hier überwiegen Quitte und Trockenfrüchte in der Nase. Am Gaumen aber hat dieser Wein alles, was das Weingut ausmacht. Wenn der Wein auch weniger Säure hat als seine beiden Vorgänger ist dies hier die Quintessenz: kühle Frische, ausgezeichnete Säurestruktur, mineralische Kräuteraromatik, leichte Würze, stoffige, weiße Frucht und ein wenig vollreifer Pfirsich. Kraftvoller ist der Wein und doch elegant, tief, mit einer ausgezeichneten Länge fast monumental. Für mich nahe an der Perfektion weißer Graves.

Neben diesem 2005er stand ein Wein, der zwar in der Nase deutliche Alterungsnoten aufweisen konnte, im Glas aber hell schimmerte ohne jeden Alterungston. Auf einen 1979er Château Laville Haut Brion, heute La Mission Haut Brion, ebenfalls Graves, ebenfalls Sauvignon Blanc, ist am Tisch natürlich niemand gekommen. Durchaus amüsant und durch die Bank zutreffend waren die Geruchsvergleiche mit Tahin und Zitrone, Käse oder Kettenfett, gekochtem Gemüse und Karamell. Stand Tahin und Kettenfett zu Beginn im Vordergrund wurde der Wein über die nächsten Stunden nicht schwächer und müder, nein, im Gegenteil formte sich ein karamelliger Wein mit ausgezeichnetem Säuregerüst mit zunehmender Weichheit und Finesse. Sehr beeindruckend.

Was nach den drei Runden Pessac-Léognan wiederum verdeckt ins Glas kam war ein Wein, der von einem der bevorzugten Winzer unseres Gastgebers stammt. Der 2003er Uhlen Laubach von Heymann-Löwenstein, Terrassenmosel, hat uns ebenso viel Spaß bereitet wie die Bordeaux. Dieser Wein aus dem Hitzejahrgang wirkte überhaupt nicht müde – beim kürzlich genossenen 2003er von Clemens Busch konnte ich davon auch nichts feststellen. Der leicht nach Virginiatabak und Pfirsich duftende Wein hatte zwar naturgemäß keine überbordende Säure, aber eine, die den Wein sehr gut zusammengehalten hat. Leicht karamellig wirkte der Wein, mit kräutriger Mineralik, leicht herben Johannisbeer-Noten, einer deutlich spürbaren Restsüße und ausgezeichneter Länge.

Zum Schluss noch mal ein Höhepunkt eines feinen Weinabends: Château Suduiraut, Sauternes, 2003. Was für ein genialer Tropfen. Eine nicht enden wollende dichte Süße, eine crémige Karamellbonbonessenz mit eingelegten Früchten voller gebändigter Kraft und Dichte. Und das, was einen bei vielen Sauternes befürchten lässt, man müsse ob der Schwere durch die Decke plumpsen wird hier gekontert mit Frische, mit einem feinen Säuregerüst, was mir bei diesem Château wie bei kaum einem anderen immer wieder auffällt und die Weine unwiederstehlich macht: Da schwebt eine riesige, mit eingelegten Früchten durchsetzte Crème Brullée in einem schweren Tongefäss wie auf einem Magrittschen Gemälde schwerelos über den Dingen. Großer Wein, großartiger Abend.

8 Comments

  1. Das hört sich ja großartig an! Ich muss zugeben, mit weißen Bordeaux bislang vielleicht unangemessen vorsichtig gewesen zu sein. Altes Vorurteil: technisch gemacht und mit Holz kaschiert. Hast Du auch schon Erfahrungen mit “mittelpreisigen” Vertretern wie Carbonnieux, Fieuzal etc.? Was würdest Du da zum Trinkfenster sagen? Die beiden sind ja mittlerweile auch Schwerpunkt-Sauvignons.

    Viele Grüße, matze

  2. Was die mittelpreisigen Vertreter betrifft, so habe ich nichts beizutragen. Ich kann aber der Begeisterung über die Jahre 2000, 2005, 2006 voll und ganz folgen. Die eigene Kombination aus Mineralik, Frucht und Eleganz erzeugt wahrlich große Weine. Selbst das in jungen Jahren deutlich wahrnehmbare Holz ist nicht in der Lage, die Tiefe und Finesse dieser Weine zu überdecken…

  3. Ehrlich gesagt, habe ich mit den mittelpreisigen Vertretern auch keine Erfahrung.

  4. Nicht mittelpreisig, doch mich vor geraumer Zeit einmal sehr beeindruckt habend: Pape Clement blanc. Ist allerdings ein ganz anderer Stil mit 45% SB, 45% Sémillion. Der 99er, den ich mal blutjung (der Wein) auf dem Gut probiert habe und der mich damals ziemlich beeindruckt hat (das mag zum Teil aber auch an der übersakralen Inszenierung des Probenraums auf Pape Clement gelegen haben), ist im Kölner Weinkeller gerade für vergleichsweise günstige 45 Euro zu haben.

    Nämliche Quelle war lange Zeit auch der Ort, an dem man die weißen SHLs günstig erwerben konnte. Leider findet sich inzwischen kein einziger Jahrgang mehr auf der Liste…

  5. Ich habe mal in meinen aufzeichnungen nachgeschaut und fand bestätigt, dass ich die letzten Jahrgänge von Malartic Lagraviere ziemlich gut fand. Aber die liegen bei Unger Weine auch bei 45 Euro, was auch nicht wirklich mittelpreisig ist, zumindest nicht für meine Verhältnisse.

  6. Hey, ich wollte doch gar keine Mittelpreis-Krisensitzung aufmachen 😉 Nein, allen Ernstes, ich habe fast das Gefühl, in dem Bereich sind die weißen Bordeaux nicht wirklich gut positioniert. Pape Clément, Malartic-Lagravière, Chevalier, Laville Haut-Brion (okay, preislich schon woanders), alles schön, aber wenn darunter der nächstbeste der Clos Floridène für knapp 15 € ist, dann klafft mir da qualitativ und preislich doch eine ganz schöne Lücke. Aber Bordeaux bekommt bei mir eh erst die nächste Chance, wenn der Techno-Wahn vorbei ist. Da scheint auf dem rechten Ufer ja schon was zu gehen – nur leider nicht in Weiß…

  7. Da fällt mir in weiß Chateau Reynon ein. Gibt es bei Lobenberg für 12.90 oder so. Schön gemachter Wein aus SB und Muscadelle.

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