Wenn ich mich nur an der Website des Weingutes Bischel in Appenheim orientiert hätte, wäre ich vielleicht nie dort vorbeigefahren. Die Aktualität ist irgendwann im Jahr 2008 stehen geblieben und man könnte den Eindruck gewinnen, das Weingut sei nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Das Gegenteil aber ist der Fall. Es gibt auf der Website zwar eine Rubrik mit Auszeichnungen, den rasanten Aufstieg des Gutes in den letzten Jahren, den wohl nicht zuletzt die Söhne des Besitzerpaares seit einigen Jahren maßgeblich mit zu verantworten haben, bekommt man an dieser Stelle jedoch nicht mit. Um einen Eindruck zu bekommen, was die Runkels geleistet haben, kann man, will man theoretisch bleiben, in den Kritiken beim Gault Millau und Eichelmann lesen oder man fährt einfach mal nach Appenheim. Das Weingut liegt dort so zurückhaltend an der Ortsausfahrt Richtung Nieder-Hilbersheim, dass ich drei mal daran vorbeigefahren bin.
So wenig auffällig das Gut, so unspektakulär ruhig und fließend ist die Landschaft, die es umgibt: Ein ehemaliger Mischbetrieb in einer hügeligen Kulturlandschaft in der Samstag morgens, als ich am Rande des Ortes ankomme, noch der Hund begraben liegt. Man kann auch nicht sagen, dass dieser nördliche Teil Rheinhessens je durch spektakuläre Weine in Erscheinung getreten wäre, wenn man überhaupt Weine aus dieser Gegend kennt. Dass sich dies gerade ändert liegt nicht zuletzt am Weingut Bischel. Der Hof wurde in den 60er Jahren gegründet und von Hartmut Runkel vom Gemischtbetrieb zum reinen Weinbau umgestellt. Knapp 15 Hektar Lagen gehören zum Gut, die wichtigsten Lagen sind die der St. Laurenzi-Kapelle in Gau-Algesheim sowie Parzellen im Binger Scharlachberg und mittlerweile 1 Hektar im Appenheimer Hundertgulden. Gerade Scharlachberg und Hundertgulden sind die Garanten für ausgezeichnete, markante Rieslinge.
Mittlerweile zeichnen Christian und Matthias Runkel für An- und Ausbau verantwortlich. Diese haben eine ähnliche Biografie wie viele andere erfolgreiche junge Winzer hierzulande – man nennt sie teils immer noch die jungen Wilden, auch wenn sie sich schon in den Vierzigern befinden. Die Runkels jedoch sind wirklich noch jung. Ausgebildet wurden sie in renommierten deutschen Betrieben, Studium in Geisenheim, Langzeitpraktika vor allem in Neuseeland und Australien. Dass die Runkels Mitglied bei Message in a Bottle sind verwundert nicht. Dass mein Freak-Wein-Spezialist Axel Koehler die beiden für sehr bemerkenswert hält obwohl sie so gar nicht die stringent-ökologischen Ansätze verfolgen wie er selber, finde ich bemerkenswert und steigert die Erwartungen.
Matthias Runkel hat sich am frühen Samstagmorgen viel Zeit genommen, um mit mir die Weine zu besprechen und einen Gang durch den Keller zu machen, in dem der neue Jahrgang – es war Januar – noch in Teilen ein wenig vor sich hinblubberte. Dabei machte er einen überlegten und geerdeten wie auch selbstbewussten Eindruck. Und die Weine sind der Ausdruck dieser Gemütslage. Sie überzeugen durch die Bank. Die Gutsweine, also die Brot & Butterweine sind schmelzig wie frisch, unkompliziert und im besten Sinne lecker. Dabei immer sortentypisch und mit viel Engagement gemacht. Auch hier wird mehrfach gelesen, Teile des Weine wandern in alte Fässer, teils wird spontanvergoren. Das ist sehr viel Wein für einen Preis von 5 Euro pro Flasche ab Hof.
Die nächste Qualitätsstufe am Beispiel der Rieslinge Terra Fusca und Quarzit – beides Weine unter 10 Euro, also preislich auf einer Ebene, bei der die renommierten Güter gerade mit der Gutsweinqualität anfangen – ist, wie kaum anders zu erwarten, ausdrucksstärker, im Falle des 2009er Jahrgangs auch dichter und voluminöser. Der Terra Fusca wird intern auch Kleiner Hundergulden genannt, denn aus dieser Appenheimer Lage stammt er. Ein fülliger Wein der mich in der Nase fast an einen Traminer erinnert, also mit viel Würze und Frucht. Der Quarzit dagegen trägt schon die Bodenbeschaffenheit des Binger Scharlachbergs im Namen. Auch hier viel Würze, Reife und schöne Mineralik. Während die Riesling-Spätlese aus dem Scharlachberg sich momentan ganz zurückgezogen hat und deutlich verschlossen wirkt, überzeugt der Hundergulden mit viel Saft und Kräuterwürze. Das ist ein voluminöser Wein mit feiner Mineralik der mit Sicherheit in den nächsten Jahren noch von sich reden machen wird.
Dass die Runkels jedoch nicht nur mit den klassischen Sorten umgehen können sondern in Neuseeland und Australien mit ganz anderen Sorten zu tun hatten zeigen Sauvignon Blanc und Chardonnay. Besticht der Erstere durch sehr viel grüne Paprika und Pfeffer, speziell dem 2009er Jahrgang geschuldet, finden sich im Chardonnay -S- alle Anlagen eines feinen Weines. Dieser Chardonnay vom Kalkstein, Ton und Lös wurde zu 1/3 in neuer, zu 2/3 in gebrauchter französischer Eiche ausgebaut. Der Wein besitzt schon jetzt eine feine Harmonie und ich bin gespannt auf die Entwicklung dieses Tropfens, der schon neben der noch deutlichen aber nicht zu starken Holznote Aromen von Birnen und Quitten mit ein wenig Banane in sich trägt.
Während ich den Artikel schreibe widme ich mich einer trockenen 2007er Auslese aus dem Binger Scharlachberg. Ich wollte mal sehen, wie sich die Weine entwickeln und bin sehr angetan. In der Nase leicht salzig-gemüsige Noten mit Würze und feiner Frucht. Am Gaumen ein vielfältiges Aromenspektrum, dass ein wenig an die nicht weit entfernte Nahe erinnert. Grapefruit und Pfirsich stehen neben Kräuterwürze und Mineraliät aus den von Quarzit geprägten Lagen. Eine feine Blütenaromatik kommt dazu und besteht neben der Kraft dieses Weines. Es ist ein sowohl kräftiger, als auch feiner Wein, gut ausbalanciert und harmonisch.
Wenn ich den 2007er über die Zunge rollen lasse, an den verschlossenen 2009er denke und dazu an den offeneren Riesling Quarzit, dann glaube ich, dass der Binger Scharlachberg durchaus irgendwann die Grundlage für einen schönes Großes Gewächs bieten kann, ebenso wie der Hundertgulden.
Nach der ersten Begegnung mit Matthias Runkel und seinen Weinen bin ich mir absolut sicher, dass dies nicht die letzte war. Jeder, der mein Blog liest und sich in meinem Shop umtut weiß, dass ich ein Rheinhessen-Liebhaber bin und ich werde aufmerksam verfolgen, was auf diesem Weingut passiert. Der Stil jedenfalls gefällt mir schon jetzt und ich bin mir ziemlich sicher, dass da noch bemerkenswertes passieren wird, das Brüderpaar steht ja erst am Anfang.