Wenn mir jemand die Frage stellen würde, welche zwei Flaschen ich mit auf eine einsame Insel mitnehmen würde, wenn es also wirklich nur zwei sein dürften, müsste ich bei Erzeuger und Jahrgang länger überlegen, bei den Rebsorten nicht. Ich würde eine Flasche Riesling mitnehmen und eine Flasche Pinot. Allerdings würde ich protestieren, denn zwei Flaschen sind doch ein bisschen wenig.
Beim letzten Treffen unseres Kleinen Bonner Weinzirkels haben wir uns mit der zweiten Rebsorte beschäftigt. Deutschland gegen den Rest der Welt war das Thema. Entsprechend kam knapp die Hälfte der 15 angestellten Weine aus deutschen Landen, die Welt musste sich die restlichen Plätze teilen. Dabei ist klar, dass bei so begrenztem Platz trotz eines Abends mit 15 Weinen nur der Bruchteil eines repräsentativen Querschnitts geliefert werden kann. Doch wie spannend war der Abend…
Begonnen haben wir mit einer Trias aus drei deutschsprachigen Weinen: die 2004er Spätburgunder Spätlese Im Sonnenschein vom Weingut Ökonomierat Rebholz stand neben dem 2000er Pinot Nero Schweizer von Franz Haas, Südtirol, aus der Magnum-Flasche genossen und dem 2005er Sanford & Benedict von Au Bon Climat.
Für mich war der Spätburgunder von Rebholz der Gewinner des ersten, verdeckt servierten Flights – auch wenn ich damit in der Minderheit war, den meisten gefiel der Haas besser. Dieser Wein ist kein Überflieger und wirkte auch schon ein wenig müde, das muss ich zugeben. Die Tannine sind ein wenig mürbe, der Wein schien etwas spröde zu sein. Trotzdem gefiel er mir ausgesprochen gut: ein warmer, fast molliger Wein mit relativ viel geröstetem Holz, Zeder und einer Portion Vanille. Dazu kam getrockenete Kamille und ein paar nicht näher zu definierende andere Kräuter. Vor allem aber gefiel mir die leicht salzige, deutlich steinige Mineralität und die angenehme Länge.
Der Schweizer von Franziskus Haas dagegen wirkt auf mich ein wenig aufgesetzt parfümiert, etwa so, als hätte jemand heimlich ein Glas Gin in den Pinot gekippt. Später allerdings erhebt sich dieser Pinot über den Spätburgunder von Rebholz, wirkt jugendlicher und frischer und auch das Parfümierte tritt in den Hintergrund.
Ausgesprochen enttäuschend fand ich den Pinot des eigentlich ziemlich genialen Weinmachers Jim Clendenen von Au Bon Climat. Der 2005er aus dem Weinberg Sanford & Benedict im Santa Maria Valley, Central Coast wirkte bitter und herb, mit einigen Erinnerungen an Kirschen und anderen roten Früchten. Das ist schade, denn die anderen Weine die ich von Au Bon Climat kenne gehören für mich zum besten und frischesten, was ich an kalifornischen Pinots kenne.
Der 2007er Black Dog von Dr. Crusius, der 2003er Grand Duc vom Deutzerhof und der 2003er Pinot Noir Ata Rangi, Martinborough, Neuseeland bildeten die zweite Gruppe.
Dr. Crusius aus Traisen im Gebiet Nahe gehört schon seit den 60ern zu den renommierten Betrieben in diesem Gebiet. Dies liegt einerseits an der traditionellen, sehr überlegten Arbeitsweise, zum anderen am hervorragenden Weinbergsbesitz zu dem unter anderem ein halber Hektar der berühmten Traiser Bastei gehört, ausserdem Teile des Schlossböckelheimer Felsenbergs und der Kupfergrube, dem Traiser Rothenfels und der Niederhäuser Felsensteyer.
Pinot gehört nicht unbedingt zu den bekannten Weinen des Dr. Peter Crusius. Dieser setzt vor allem auf Riesling, trocken wie restsüß, mit ein wenig weißen Burgundersorten. Spätburgunder bildet nur 5% des Anbaus. Der Black Dog war nicht ganz mein Fall. In der Nase zunächst Kirsche und ein Duft nach typisch deutschem Spätburgunder, in der Nase und im Mund dann weiches, geröstetes Eichenholz, der Wein wirkte insgesamt weich, zwar frisch, aber mir persönlich zu wenig geerdet. Der Pinot schmeckte ein wenig zu stark nach Erdbeershake und zu wenig nach Boden – so würde ich das mal zusammenfassen.
Der Grand Duc vom Mayschosser Weingut Deutzerhof – Cossmann-Hehle im Gebiet Ahr, war da von anderem Holz. Kraftvoll, dicht, stoffig, geerdet wirkte er, wenn man sich durch die fast penetrante UHU-Nase gearbeitet hat, die ziemlich lange im Glas stehen blieb. Ich stehe ja immer vor deren Flaschen und wundere mich ein wenig über die französischen Bezeichnungen der Weine, die wohl so einen Adelshabitus erhalten sollen, der mich fast peinlich berührt. Aber letztlich zählt ja der Inhalt und den hat Wolfgang Hehle im Griff. Das Weingut gehört seit Jahren konstant zur Spitze des Gebietes. Früher wurden den Weinen – übrigens auch denen des Kollegen Meyer-Näkel – gerne vorgehalten, sie wären nicht alterungsfähig, würden zu schnell vergehen. Das kann ich nicht unterstreichen. Ich habe mittlerweile so einige Weine der beiden getrunken die vor 2000 gekeltert wurden und die Weine waren ausgezeichnet. Der 2003er hier ist mir ein wenig zu kräftig. Man merkt den heißen Jahrgang, der Wein hat 14% Alkohol und wirkt neben der Frucht und erdigen Dichte ein wenig zu schwer, zu massiv. Das wird sich auch nicht mehr glätten. Kein schlechter Wein, Gott bewahre, aber auch nicht wirklich begeisternd.
Der Ata Rangi Pinot Noir aus Martinborough, dem Pinot Gebiet auf der nördlichen Insel Neuseelands stammt von Reben, die Anfang der 80er angelegt wurden als das Weingut gegründet wurde. Amüsant ist übrigens, dass der Pinot-Klon ursprünglich aus den Lagen Romanée-Contis stammt. Ein neuseeländischer Reisender hatte ihn dort schlicht gestohlen und wollte ihn als Erinnerung an den Weinberg mit in sein Heimatland nehmen. Dieses jedoch hat die Einfuhr verweigert. Einfuhren von Rebstöcken sind auf Grund der Reblaus-Gefahr grundsätzlich verboten, bzw. unterstehen strengen Hygienevorschriften. Der Zufall wollte es, dass der Weinmacher Malcolm Abel damals in der Mitte der 70er noch als Zolloffizier gearbeitet hat und den Klon konfiszieren konnte, um ihn an die staatliche Weinforschungsanstalt weiterzuleiten. Diese haben den Klon dann verfielfältigt und Abel dann zurückgegeben. Abel wurde kurz vor seinem plötzlichen Tod zu Anfang der 80er Berater des Weingutes Ata Rangi und hat diese Klone mitgebracht.
Der 2003er Ata Rangi ist ein schöner Wein, jedoch ebenfalls keiner, an den ich lange zurückdenken werde. Leicht erdig war er, mit herber Würze, die mich ein wenig an die obere Rhône erinnert, die Kirschfrucht wirkte fein, nicht aber die Tannine, die waren mir zu ruppig.
Feiner, weicher, mit schöner Länge stand der 2001er Oberrotweiler Eichberg »RS« des Weinguts Salwey im Glas. Er stammt aus dem letzten komplett verantworteten Jahrgang des leider unlängst verstorbenen Gründers Wolf-Dietrich Salwey. Seit 2002 verantwortet sein Sohn Konrad den Ausbau der Weine. Waren die beiden früher vor allem berühmt für ihre Weiß- und Grauburgunder aus dem Henkenberg, haben sie sich auch im Spätburgunderbereich kontinuierlich an die Spitze des Gebietes herangearbeitet. Der 2001er Eichberg bestätigt den Weg, den das Gut genommen hat.
Dagegen wirkte der 1999er Chambolle-Musigny der Domaine Phillippe Charlopin-Parizot kränkelnd, wie ein Schatten seiner selbst. Einserseits im Geruch von einer Würzsoßenmaromatik bestimmt die dort eigentlich nicht hingehört, störte am Gaumen eine unangenehme Säure.
Der 2002er Marimar Estate aus dem Don Miguel Torrres Vineyard im Russian River Valley stand noch in der Blüte seines Lebens. Begeistert hat er wohl keinen von uns so recht, ein wenig zu gemacht wirkte der Wein, ein wenig zu heiß, doch gut fanden in trotzdem die meisten. Kirschmarmelade gefolgt von Holzaromatik bestimmte das Bild. Trotzdem wirkte der Wein in sich stimmig, harmonisch, mit einer schönen Länge.
Wie man es dort noch besser machen kann zeigte uns dann im nächsten Flight der 1997er Pinot Noir Reserve von Robert Mondavi. Zunächst ein wenig UHU und Stallgeruch in der Nase, setzte sich dann vollreife Frucht und Karamell durch. Das ist nun definitiv eine kalifornische Art, Pinot zu machen, aber es ist eine schöne Art, eine tolle Erfahrung. Da steckte ziemlich viel Süße drin, der Wein war voll und dicht, lang und ausgewogen, dicht und harmonisch und trotz des fortgeschrittenen Alters kein bisschen müde. Tja, 1997, als man bei Mondavi noch guten Wein kaufen konnte.
Zunächst mal gar nicht so schlecht kam der 2003er Reichestal »RR« vom Weingut Franz Künstler aus dem Rheingau daher. Mit einer fruchtbetonten Frische und kühler, leichter Zedernholzaromatik wirkte er gar nicht gebietstypisch, auf einen deutschen Wein wäre ich auch nicht so ohne weiteres gekommen. Nicht zuletzt deshalb allerdings, weil der Wein mit der Zeit im Glas zunehmend alkoholstark wirkte, und bei längerer Verweildauer im Glas auch brandig wurde. Das allerdings ist bei 15% (!) Alkohol auch kein Wunder. Das war eindeutig zu viel.
Der dritte Vertreter des Flights war ein 2002er Vougeot »Les Cras« Premier Cru des Weingutes Domaine de la Vougeraie. Diese wurde im Jahr 2010 mit Preisen geradezu überschüttet: Der Chef-Önologe und Regisseur der Domaine de la Vougeraie, Pierre Vincent, wurde bei der International Wine Challenge IWC 2010 in London zum besten Rotweinmacher des Jahres ausgezeichnet. Noch dazu wurde der Bonnes Mares Grand Cru in vier Kategorien ausgezeichnet: 1. Bester Rotwein Burgunds 2. Bester Rotwein Frankreichs 3. Bester Pinot Noir der Welt 4. Bester Biowein der Welt (Das Gut arbeitet strikt bio-dynamisch).
Wie auch immer, wir haben den Wein ja verdeckt verkostet, Preise spielten keine Rolle, sind aber nachvollziehbar: für mich, und nicht nur für mich, war dies der Wein des Abends. Solch einen Wein finde ich eben nur im Burgund. Bei allem überteuerten Schrott, den man dort kaufen kann; die Weine der gewissenhaft arbeitenden Winzer mit ausgezeichneten Lagen können ein Größe haben, wie sie sonst schwer erreichbar ist. Das Filigrane, Präzise, die Feinheit und Komplexität bei gleichzeitiger Kraft, das leicht Nervige, die Tiefe und feine Fruchtsüße von reifen Kirschen machte diesen Wein überaus faszinierend und er bleibt in meiner Erinnerung haften wie ein Bild, wie ein Stilleben eines großen niederländischen Meisters. Da ist nichts, was plakativ die Aufmerksamkeit an sich zieht, es fasziniert dadurch, das jeder Pinselstrich im Detail genau so präzise und stimmig ausgeführt ist wie im Großen die Gesamtkomposition, die Harmonie der einzelnen Bildteile stimmt…
Es gab an diesem Abend noch mindestens einen weiteren Wein, dem ich hier huldigen möchte. Der 2003er Spätburgunder Assmannshäuser Höllenberg, vinifiziert von August Kesseler ist meilenweit vom 2003er Reichestal entfernt und ich persönlich hätte ihn auch nicht in Deutschland verortet. Zu heiß, zu alkoholstark ist hier nichts. Aus dem Glas strömte zunächst eine ganze Wolke Holunder und Johannisbeere, gepaart mit ein wenig Rosenduft, Brennessel und, ja, Kümmel, dazu etwas Holz. Am Gaumen findet sich ein kraftvoller, fest gewirkter Wein mit viel Substanz, Tiefe und Kraft. Sehr harmonisch, großes Kino.
Da konnten die zwei weiteren Weine des letzten Flights nicht ganz mithalten, auch wenn der 1999er Spätburgunder R vom Weingut Fürst in Franken ein wirklich guter Wein ist. Kein bisschen müde, von der Typizität her ein deutscher Spätburgunder par excellence, frisch, feine Kirscharomen, etwas Asche, nicht zu konzentriert und dicht, schön, aber nicht so einprägsam wie die beiden davor beschriebenen Weine.
Auch der 1998er Clos de la Roche Cuvée Vieilles Vignes von der Domaine Ponsot konnte hier nicht mithalten. Auf mich wirkte der Wein so, als käme er weiter aus dem Süden, sagen wir nördliche Rhône. Süße in der Nase, fast parfümiert wirkend mit orientalischen Gewürzen wirkte er wie ein Adventswein, wo sich neben Kirsch und Cranberry-Aromen zunehmend ein wenig Pampelmuse eingeschlichen hat. Alles in allem merkte man dem Wein sein Alter an, nichts für ungut.
Zum Abschluss dieses faszinierenden Abends fand sich im Keller des Gastgebers eine Flasche gereifter Kanzemer Altenberg Riesling Auslese vom Weingut von Othegraven. Ich finde es ja immer wieder faszinierend, in Würde gealterte Rieslinge zu probieren wenn sie in gutem Zustand sind. Diese Flasche war in blendendem Zustand und keiner von uns hat auch nur annähernd den richtigen Jahrgang getippt. Auch wenn klar war, dass wir es hier mit einem älteren Modell zu tun haben würden. Die Alterungsnoten – schwarzer Tee lässt grüßen – waren offensichtlich, doch das Süß-Säurespiel des Weines war so beeindruckend, wirkte noch so frisch, dass wir nach unserer Meinung eher einen Mitte- bis Endachtziger im Glas zu haben glaubten statt eines 1975er!
Schön, wieder einen Post von Dir zu lesen!
Und gleich so einen… ein illustres Beisammensein. Da ich ja letztens ein bisschen über Erdbeermarmelade-Spätburgunder aus mittelprächtigen Klonen gelästert habe, und weil Du ja weißt, welche Rebsorten Du für die einsame Insel bevorzugst, hier sind drei Pinots, die ich im letzten Jahr ganz groß fand. Und die aus Gegenden kommen, wo man es nicht immerzu und überall vermuten würde:
1. Sancerre rouge “Vendanges Entières” von Vincent Pinard, ein Lagerwein allerdings, aber einer der Extraklasse (35 € bei Wein-Wuttke)
2. Christian Hermann Pinot Noir Reserve und Pinot Noir H, Graubünden, Schweiz (30 bzw. 50 €, gab’s mal bei K&U)
3. Conca de Barberà Escoda-Sanahuja La Llopetera, ein katalanischer Biodynamik-Extremist, tolle Weine, aber man darf natürlich kein Erdbeer-Wässerchen erwarten (17,90 € bei Wein-Kreis und demnächst bei Dir ;))
Viele Grüße, Matze
P.S. Ziereisen finde ich persönlich auch sehr stark.
Hallo Matze,
ich bin momentan ein bisschen gebeutelt mit meinem Internetzugang. Siehe oben. Einen ebenfalls hervorragenden roten Sancerre kenne ich bisher lediglich von Vacheron. Pinard würde mich auch mal interessieren.
Bei den Schwyzern ist es ja immer schwer, überhaupt etwas zu bekommen. Bis auf den extraklasse teuren Gantenbein kenne ich da bisher wenig.
Tja, und den Biodynamie-Extremisten muss ich mir mal antun und beim Wein-Kreis bestellen, das hört sich ja spannend an. Vielen Dank für den Tip.
Ja, Ziereisen hätte ich ja auch gerne mit in die Runde genommen, wie auch Vacheron und Albert Mann aus dem Elsass. Aber diesmal hatte ich bei der Auswahl nix zu melden, und das ist auch ok so.
Grüße, Christoph