Blanc de Blancs Champagne: Teil 3 – Über Léclapart, Diebolt-Vallois, Lassaigne und Tarlant

l’Apôtre (2004) Blanc de Blancs Extra-Brut Premier Cru, David Léclapart
Den Einstieg in den dritten Flight des Abends machte der 2004er L’Apôtre von David Léclapart. Léclapart dürfte unbestritten zu den großen Winzertalenten der Champagne zählen. Sein Stern ist noch jung, erst wenige Jahrgänge sind abgefüllt, doch die Freunde seines zutiefst individualistischen Champagners reißen ihm die Ware praktisch aus den Händen und die ist begrenzt, denn Léclapart besitzt lediglich 3 Hektar Weinberge in Trépail, aufgeteilt in 22 Parzellen. Obwohl seine Familie schon seit einigen Generationen Wein kultiviert, ist er der erste, der den Wein unter eigenem Namen produziert. Dabei geht er einen kompromisslosen Weg, der möglich wurde, nachdem sein Vater im Jahr 1996 starb und seine Mutter ihn fragte, ob er den Betrieb übernehmen würde. Er wollte, jedoch nur unter der Vorraussetzung, dass er den Betrieb biodynamisch bewirtschaften könne.

Erst 1999 dann kam sein erster Jahrgang heraus. Zwei Ernten hatte er noch verkauft, der 1998er Jahrgang wurde vom Kontrollgremium nicht als Champagner akzeptiert und musste verspritet werden. Kein leichter Anfang also. Und doch hat es sich gelohnt – auch wenn er zugibt, dass die Umstellung auf Biodynamie in einer, was das Wetter angeht, sehr schwierigen Region, nicht gerade einfach ist. Der Regen, Fäulnis, Pilze… all das ohne Chemie in den Griff zu kriegen funktioniert nur mit zunehmender Erfahrung.

Léclaparts erster etikettierter Jahrgang brachte dann die erhoffte Aufmerksamkeit und Zuspruch. Seitdem geht es steil bergauf für den eher zurückhaltenden Winzer. Seine Weine stammen alle ausschließlich aus einem Jahrgang, er nutzt keinerlei Reserveweine. Entsprechend individuell sind die Champagner, und bilden jeweils sehr klar die Qualität der einzelnen Jahrgänge ab. So musste in den schwierigen Jahren 2001 und 2007 sogar chaptalisiert werden, was normalerweise nicht passiert. Seine Weine werden, wie üblich für Biodynamiker, mit eigenen Hefen vergoren, der l’Apôtre wandert dann in gebrauchte Fässer der berühmten Domaine Anne Leflaive aus dem Burgund. der biologische Säureabbau, also die Umwandlung von Apfel in Milchsäure wird bei ihm immer durchgeführt, nicht zuletzt, so sagte er, um den Wein stabiler zu machen und so wenig Schwefel wie möglich einzusetzen. Léclapart produziert ausschließlich Non Dosé, was nur funktioniert, ich habe es schon angesprochen, wenn die Trauben zum optimalen Reifezeitpunkt gelesen werden, vor allem nicht zu früh.

David Léclapart | Foto links ©: Thomas Iversen, Mad about Wine, Foto rechts: Christoph Raffelt

Neben einem kraftvollen Rosé, dessen Pinot Noir Reben, nachdem sie entrappt wurden für 24 bis 72 Stunden in alten offenen Holzbottichen gären und alle paar Stunden noch mit den Füßen durchgetreten werden, finden sich die Blanc de Blancs l’Amateur, l’Artiste und l’Apôtre, die Spitzencuvée. Da diese mit gerade einmal sieben Jahre noch relativ jung ist, habe ich sie deutlich vorher geöffnet und kurz vor dem Einschenken karaffiert. Für die meisten der Runde war ziemlich schnell klar, dass dies der beste Champagner des Abends war. Auch wenn dieser Wein noch jung ist, fasziniert er ungemein. Das ist pures, finessenreiches, Terroir. Es ist das Beste aus der Einzellage La Pierre St. Martin in Trépail, die Trauben stammen von 65 Jahre alten Rebstöcken, der Wein wurde, wie gesagt, ohne Dosage abgefüllt und in 2006 degorgiert.

Eigentlich ist es eine Schande, den Wein so früh zu trinken, doch um eine Ahnung von der Qualität seiner Weine zu gewinnen, ist es der richtige Jahrgang – abgesehen davon, dass er ja noch nicht allzu viele gibt und die älteren nicht verfügbar sind. Der 2004er birgt ungemein viel Entwicklungspotential. er ist, nach längerer Öffnung, aber jetzt schon zugänglich und macht richtig, richtig viel Spaß. Da ist so viel pure Energie drin, so viel Mineralität, verbunden mit einem komplexen Wechselspiel von Zitrus, Limone und Orange, Apfel und frischer Aprikose, Kreide und Hefe, da ist so viel Intensität und Konzentration, Finesse und Länge, es ist absolut faszinierend. Der Champagner wurde meiner Meinung nach nur von Cédric Bouchards La Bolorée als bester Champagner des Abends in Frage gestellt.

La Fleur du Passion 2004 Brut, Diebolt-Vallois
Im Gegensatz zu Léclapart ist Jacques Diebolt schon ein alter Hase, ein sehr respektierter muss man sagen. Auch wenn seine Champagner in Deutschland nicht sonderlich bekannt sind – in Frankreich oder Skandinavien fehlen sie auf kaum einer guten Weinkarte. Interessanter Weise allerdings stehen sie nicht auf der Weinkarte des NOMA, dort werden eher die jungen Wilden getrunken, die Biodynamiker, die noch Unangepassteren und wenn ich auf die Liste des Abends schaue, decken wir damit gut 2/3 der Champagnerkarte vom NOMA ab: Bérèche, Lassaigne, Laval, Tarlant, Bouchard, Larmandier-Bernier und Léclapart. Prévost hätte ich gerne dabei gehabt, allein, er macht nur Pinot Meuner und Vouette & Sorbée habe ich nicht mehr bekommen.

Vater und Tochter Diebolt-Vallois | Foto links ©: Thomas Iversen, Mad about Wine

Doch zurück zu Jacques Diebolt. Die Diebolts und Vallois, seit 1960 vermählt, besitzen 10 Hektar bester Lagen in Cramant sowie einige Parzellen in umliegenden Gemarkungen – allein das ist schon eine exzellente Grundlage für aussergewöhnlichen Stoff. Auch wenn Jacques nicht zertifiziert biologisch arbeitet, so ist er doch einer, der ganz überlegt und bewusst nicht nur seinen Wingert pflegt sondern ebenso im Keller arbeitet, dabei ist dieser Altmeister ein ganz bescheidener und zurückhaltender Mann, der stets hinter sein Werk zurücktritt. Wenn man langjährig Erfahrene spricht, so gibt es die einhellige Meinung, dass seine Champagner im Laufe der Zeit immer besser und charaktervoller geworden sind. Erfahrung dürfte der Grund dafür sein, doch ebenso die Offenheit, Dinge zu verändern. So ist er dazu übergegangen immer mehr Holzfuder einzusetzen, statt die üblichen Edelstahl- und Emailletanks zu verwenden.

Foto ©:  CIVC

Noch einen Schritt weiter geht Diebolt mit der Kreation des Fleur du Passion, was man einerseits mit Passionsblume übersetzen kann, andererseits aber auch als Ausdruck seiner Passion. Der Wein, der seit 1995 in den besten Jahren vinifiziert wird, erfährt einen Ausbau in Barriques. Das Traubenmaterial, wen wundert’s, stammt aus den besten Parzellen Cramants und ausschließlich von Stöcken, die älter sind als 50 Jahre. Der Wein wird, so wie bei dem direkten Vergleichschampagner von Léclapart, weder gefiltert noch geschönt oder stabilisiert – allerdings erfährt er auch keine malolaktische Gärung. Entsprechend ist dieser Champagner säurebetonter als sein Direkter Kounterpart, der l’Apôtre. Während dieser mit frühzeitigem Öffnen und Dekantieren durchaus offen und zugänglich ist, bleibt der Fleur du Passion reserviert, säurebetonter und unzugänglicher. Er fällt ab, das alles wirkt ein bisschen wie Kindermord. Der Champagner ist zu jung und das ist schade. Wenn ich Peter Liem lese, einen der wichtigsten Champagnerkritiker momentan, so sagt er, dass sich momentan gerade mal der erste Jahrgang, der 1995er und dann auch der allgemein zugänglichere 1999er so weit geöffnet hat, dass man ihn ohne schlechtes Gewissen trinken mag. Finger weg also von diesem großen Stoff, wenn man keine Enttäuschung erleben will.

Blanc de Blancs Millésime 2004 Brut Nature, Jacques Lassaigne
Der nächste Champagner des Abends stammt aus einem Teil der Champagne, den wahrscheinlich so gut wie niemand kennen würde, gäbe es nicht Emmanuel Lassaigne und seine Champagner aus Montgueux. Diese Unterappellation hat erst spät in den 60ern ihren Status erhalten und liegt ausserhalb der Kernzonen der Champagne, unweit von Troyes, sozusagen im Niemandsland. Der Ort hat allein deshalb das Recht, Champagner herzustellen weil es dort einen massiven Kreidefelsen gibt, der aus der Landschaft herausragt. An den Hängen dieses Felsens wächst feinster Stoff. Davon zeugt jedenfalls die Flasche Millésime 2004. Lassaignes 4 Hektar befinden sich ausschließlich an der Ostseite dieses kreidigen Hügels. Die Rebstöcke stammen teils aus der Zeit, als die Appellation gegründet wurde, sie sind also um die 45 Jahre alt, teils sind sie jünger, so um die 25 Jahre. Weil Lassaigne gerne noch ein wenig Traubenmaterial von der Südseite von Montreux verarbeiten wollte, hat er sich als Négociant-Manipulant registriert. Er darf also Trauben dazu kaufen, was auch bei kleinen Winzern nicht ungewöhnlich ist, denn direkt ganze Parzellen zu kaufen ist nur ganz selten möglich, zu rar sind die Filetstücke und zu teuer.

Um den Überblick über seine verschiedenen Parzellen zu behalten nutzt Lassaigne eine eigene klassische Conquard-Vertikalpresse, die Parzellen werden immer einzeln ausgebaut. Dabei verwendet Emmanuel fast ausschließlich indigene Hefen, schönt leicht, filtert jedoch nicht.

Der Jahrgangschampagner stammt aus drei verschiedenen Parzellen, wobei die Parzelle La Grande Côte in der Senke des Berges liegt, die ältesten Rebstöcke beherbergt und den dichtesten und vom Geschmack her tropischsten Wein hervorbringt. Damit der Champagner nachher nicht zu fett wird, gehen höchstens 25% in die Cuvée. Mehr Rasse haben die von sehr kreidigen Böden stammenden Weine aus den Parzellen Les Paluets und Le Cotet. Zusammen formen sie jahrgangsabhängig einen absolut ausbalancierten Champagner. Es ist genau der Anteil der verschiedenen Parzellen, den man hier wiederfindet. Als Basis erahnt man schon in der Nase die Tiefe, die nur alte Rebstöcke hervorbringen können. Jahrgangsbedingt – der 2004er ist allgemein etwas leichter – fällt diese Dichte der La Grande Côte nicht so deutlich aus wie beispielsweise im 2002er, und trotzdem ist sie klar erkennbar neben den kreidigen Aromen und der Orange-Zitruspalette der beiden anderen Lagen. In diesem Wein findet sich zum einen eine schöne crémige Note von Mandeln und Karamell, darüber liegt dann zum anderen viel Frische und eine angenehme Säurenote. Substanz trifft die Leichtigkeit des Seins in diesem Champagner, den ich wirklich hervorragend ausbalanciert finde.

la Vigne d’Antan 2000, Non greffée Chardonnay, Tarlant
Neben dem schmalen, feingliedrigen Lassaigne wirkt der Tarlant  la Vigne d’Antan Non Greflée 2000 wie ein ausgewachsener Bär. Wobei ich mich bei diesem Bild nicht nur auf die sehr unterschiedliche Statur der Winzer beziehe sondern auch und mindestens so auf den Champagner. Der Wein vom letzten Jahr (so die ungefähre Übersetzung), stammt von wurzelechten, alten Rebstöcken, die es in einigen Parzellen der Gemarkung Les Sables in Oeuilly geschafft haben, der Reblaus zu entgehen. Der Name des Ortes deutet schon an, warum dies der Fall ist. Die Bodenoberfläche besteht weitestgehend aus Sand, und die Reblaus hasst Sand. So kommen wir also an diesem Abend innerhalb der weiten Palette Blanc de Blancs zu einem weiteren Kleinod, denn Weine von wurzelechten Reben sind schon per se selten, hier in der Champagne jedoch absolut rar.

Die Lage “Les Sables” und wurzelechter Chardonnay | Fotos ©: Champagne Tarlant

Dieser Blanc de Blancs aus dem Jahrgang 2000 fällt durchaus aus dem Chardonnay-Raster heraus. Mit den kreidig-kalkigen puren Weinen von Lassaigne oder Larmandier hat er nichts zu schaffen. Am ehesten erinnert er an den breiteren Stil von de Sousa. Auch hier, bei Tarlant wird im Holz ausgebaut und die Hefe gerührt. Der Wein blieb auf der Hefe bis zum Mai 2001. Degorgiert wurde im März 2010. Was diesen Wein jedoch deutlich von de Sousa unterscheidet ist, dass dieser hier weniger wie ein reintöniger Chardonnay wirkt. Es finden sich viel mehr dunkle, würzige Noten in diesem Chardonnay als in allen anderen. Die Fruchtaromen sind kaum zu spezifizieren, hier dreht es sich um Mineralität – wenn auch nicht die der meist sonst vorhandenen Kreide-Kalk-Noten. Der Champagner befindet sich im Unbestimmbaren, wie in einer Zwischenwelt. Und das macht in sehr spannend. In der Nase Aromen von Hefe, Holz und etwas Akazien- und Lindenblüten, am Gaumen dann  Nüsse und Mandeln, nebst einem leichten Holzgeschmack und cremig, voller Textur. Zum Schluss dann ein sehr prägnanter, langer Abgang. Ein Champagner also mit Wucht und gleichzeitiger Finesse. Beeindruckend!

Benoît Tarlant und, typisch für bio-dynamisch betriebene Landwirtschaft: Pferde pflügen die Grasreihen | Fotos ©: Champagne Tarlant

Die Familie Tarlant übrigens produziert seit 1687 Champagner. Die mittlerweile 14 Hektar finden sich in Oeuilly, Boursault, St. Agnan und Celles-les-Condés. Neben den Hauptrebsorten und dem wurzelechten Chardonnay finden sich weitere, selten zu findende Exoten wie Weißburgunder, Arbanne und Petit Melier, zwei Sorten, die für Champagner zugelassen sind, jedoch kaum mehr verwendet werden. Schon seit Jahren arbeiten die Tarlants biologisch organisch, bzw. mittlerweile biologisch dynamisch. Wobei diese Arbeit für sie nicht zuletzt deswegen sehr aufwendig ist, weil die jeweiligen Böden ausgesprochen unterschiedlich sind und von typischen Kalkstein und Kreide-Kalk-Gemischen über Sand hin zu Kies reichen – eine ziemliche Herausforderung für die Bodenbewirtschaftung. Im Keller wird so schonend wie möglich gearbeitet. In Conquard-Pressen werden die 40 einzelnen Parzellen getrennt gepresst und auch getrennt ausgebaut. Der Saft läuft in die tiefer liegenden Tanks und Fässer aus Vogesen-Eiche. Die verwendeten Fässer sind immer neu – Benoît Tarlant möchte strickt eine malolaktische Gärung verhindern. Das Holz verwendet er entsprechend nur für die alten Weine, die genügend Power haben um im Holz nicht unterzugehen. In den besseren Champagnern finden sich entsprechend eine ausserordentlich schöne Balance von Holzeinflüssen mit der entsprechenden Struktur, sagen wir, einem zusätzlichen Rückgrad, und der in sich wohnenden Struktur und Kraft von Weinen, die keine Säureumwandlung hinter sich haben.

Was mich bei den Tarlants zusätzlich beeindruckt, ist deren informationspolitik und Medienaffinität. Zum einen kenne ich keinen Hersteller, der so viele Infos auf das Rückenetikett packt – bei manchen wäre man froh, wenn wenigstens das Degorgier-Datum abgedruckt wäre – zum anderen sind die Tarlants auf Facebook und Twitter unterwegs, man kann bei Flickr aus einem großen Fundus an guten Fotos schöpfen, und auch eine spezielle High-Society-Champagner-Variante namens Disco-Bitch mit Strasssteinchen ist auf dem Markt, und verdeutlicht, wie genau man den Markt beobachtet und auf Moden reagiert. Diese Marketingkompetenz mit der Hinwendung zur Natur, dem sehr genauen Blick, der Ruhe und dem Abwarten in Einklang zu bringen, ist herausfordernd und selten.

 

1 Comment

  1. Hi Christoph!

    Auf dem Foto zu Diebolt Vallois ist nicht das Ehepaar, sondern Tochter und Vater zu sehen.

    Grüße Jens

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert