Das Schöne an der Auseinandersetzung mit Wein ist die Tatsache, dass die Weinwelt so weit und vielschichtig ist, dass man immer wieder die Möglichkeit hat, Neues zu entdecken. Nicht nur Weine, nein, ganze Weinlandschaften, die man möglicherweise nie auf dem Plan hatte und welche plötzlich durch eine Fügung auf der Landkarte erscheinen und unvermittelt in den Fokus rücken.
Bei mir sind im Januar Weine aus dem Gaillac im Brennglas aufgetaucht. Das Gaillac ist ein Anbaugebiet, eine Appellation im Südwesten Frankreichs. Dieser Südwesten, man kann das sehr schön en détail nachlesen in dem sehr gut recherchierten Buch South-West France – the Wines and Winemakers von Paul Strang, grenzt ein Gebiet ein, das irgendwo zwischen Bayonne an der Küste und Toulouse im Landesinneren liegt und sich hochzieht bis östlich von Bordeaux. Manch ein Gebiet mag bekannt sein, Montbazillac zum Beispiel und Jurançon, beides bekannt für teils ausgezeichnete Süßweine. Madiran oder Cahors bringt eher rustikale, teils urwüchsige Rotweine hervor die, man denke an Château Montus und andere Weine von Alain Brumont, auf Weltklasseniveau daherkommen können. Die Gascogne zeichnet sich im Wesentlichen durch günstige, fruchtig-süffige Weißweine aus. Von Gebieten wie Chalosse, Turan, Irouléguy oder Béarn hatte ich noch nie gehört. Und auch das Gaillac war mir lediglich durch zwei Weine bekannt, die ich vor langer Zeit mal probiert und vergessen hatte.
Im Januar dann durfte ich an einem sehr schönen Abend teilnehmen, zu dem ich einige Weine beigesteuert habe. Andere Weine des Abends kamen von Gaillac et Voisins, unter anderem der Wein, den ich heute Abend im Glas habe. Der Combes d’Avès 2005 von Michel Issaly zeigt all das, was besonders und was möglich ist im Gaillac. Das beginnt bei der Flaschenausstattung, betrifft die Rebsorten, die An- und Ausbaumethode und schließlich das, worauf es kommt: den Geschmack.
Michel Issaly, der Besitzer der Domaine de la Ramaye, ist in Frankreich wahrlich kein Unbekannter. Vielmehr ist er seit Jahren der Vorsitzende der Vignerons Independants, einer zunehmend größer werdenden Gruppe unabhängiger Winzer, die sich als Interessensverband positionieren und häufig gemeinsam auftreten, nicht zuletzt in Straßbourg – von Deutschland aus häufig am schnellsten zu erreichen – präsentiert sich die Vereinigung mindestens ein Mal im Jahr auf einer eigenen Publikumsmesse und es lohnt sich, dort mal vorbei zu schauen.
Issaly gehört neben Robert Plageoles und dem ausgesprochen unangepassten Patrice Lescarret, ich schrieb kürzlich hier ein paar Zeilen über ihn, zu einem Dreigestirn des Gaillac, dass man ohne Problem als Avantgarde bezeichnen darf. Es ist eine Avantgarde, die vorauseilt in dem sie zurückkehrt. Eine, die die alten, authochtonen Rebsorten des Gaillac wiederentdeckt und angebaut hat. Vor allem Robert Plageoles war es satt, im Südwesten genau die gleichen Rebsorten anzubauen wie es das darüber liegende Bordeaux tut, wo die normalen Winzer, die nicht auf Sterneniveau arbeiten, seit langem große Probleme haben, ihre Weine zu vermarkten. Warum also im Gaillac ebenfalls weiter Cabernet anbauen und Merlot? Warum nicht Mauzac, Duras oder Braucol? Ein Alleinstellungsmerkmal schaffen und parallel die Qualität steigern, im Weinberg und im Keller? Genau das tun die drei Winzer und sie können nicht über Absatzprobleme klagen. Vor allem in Paris sind die Weine der drei Winzer ausgesprochen angesagt. Issaly bewirtschaftet seine vier Hektar auf Kreide-Kalk Böden, Die Weinbergsarbeit erfolgt komplett von Hand, ebenso die Lese. Die Vergärung erfolgt mit eigenen Hefen und beim Combes d’Avès beispielsweise bleibt der Wein noch dreissig Tage nach dem Ende der Gährung auf der Maische. Danach wandert er drei Jahre lang in ältere Holzfässer. Auch wenn keine Biozertifizierung vermerkt ist, arbeitet Issaly streng nach den Prinzipien.
Beim Combes d’Avès finden sich zu 50% aus Duras, zu 50% Braucol. Dies ist ein Wein, der mit seinen €18.20 nicht gerade günstig ist, doch ist er jeden Cent wert. Ehrlich gesagt, würde ich diesen Wein gerne in eine Bordeaux-Blindverkostung von namhaften Cru-Bourgeois-Weingütern stellen und mal schauen, was da passiert. Das ist in gewissem Maße Bordeaux, wie ich es gerne hätte für den Preis. Dabei sehr eigenständig und tief. Was beeindruckt ist das Mineralische in diesem Wein, die Kühle bei gleichzeitig satter Frucht und Würze. Der Duft dunkler Früchte und dunkler Schokolade strömt aus dem Glas. Am Gaumen verdichtet sich das alles und bleibt lange gegenwärtig.
Du weißt, dass es da einmal im Jahr im Gaillac zu Pfingsten ein Festival gibt, bei dem nicht nur die Vignerons ihre Sachen präsentieren, sondern auch die Produzenten von all den feinen Patés, Rillettes, etc..
Na, wie wär’s? Nächstes Jahr?
Nein, das wußte ich nicht. Obwohl Célines älteste Freundin in Toulouse wohnt (noch bis Herbst), haben wir es nicht geschafft, dort hin zu fahren, leider. Aber das ist ein schöner Anreiz. Da nehmen wir den Matze noch mit und machen wieder ne schöner Reise, hm?
Ich habe auch das Gefühl, dass der französische Südwesten so eine Art Paradies des Herzhaften ist. Irgendwie werden auch ständig “neue” uralte Rebsorten ausgegraben, die irgendein Bauer noch in seinem Garten hatte. Eigentlich komisch bei diesen Voraussetzungen (aber ich fürchte, das geht vielen so), dass ich noch nie dort war… Der “Combe d’Avès” gehört übrigens zu meinen Lieblings-Roten 2012. Gar nicht so ruppig wie ein Madiran, aber trotz der Frucht null weltweinig. Die Flasche, die eigentlich zum Einlagern gedacht war, ist jedenfalls schon wieder leer…
Wie gesagt, wir wär’s damit im nächsten Jahr: http://www.nptarn.org/images/biocybele2012/catalogue_biocybele_2012.pdf
@Marqueee: Ja, wie gesagt: Sehr gerne! Und wenn der Matze wieder Lust hat, machen wir wieder ne Sause zu dritt und begründen eine Tradition!
Gerne organisieren wir Besuche mit euch bei den Winzern, die nicht auf der Biocybele anzutreffen sind. Und Pflicht ist auch das “Vigne en Foule”, ein Restaurant in Gaillac, betrieben von Plageoles, Causse Marines, Issaly und weiteren Topwinzern mit entsprechender Weinkarte. Ansonsten mache ich euch eine lange Nase, denn ich bin über Pfingsten in Gaillac auf der Biocybele. Einladung zum Reisebericht mit lecker Weinprobe folgt.