Seit einiger Zeit beschäftige ich mich immer intensiver mit einer Art von Wein, die im allgemeinen als Vin Naturel bezeichnet wird. Das ist so eine Sache, denn der Naturwein ist nicht klar umrissen oder definiert. Ich habe es im Rahmen der einer kürzlich veranstalteten Weinrallye No. 50 kurz zusammengefasst, was zumindest die meisten, die sich als Winzer dem Naturwein verschrieben haben, eint. Der ökologische und so schonend wie mögliche Anbau gehören dazu und ebenso der so schonend wie mögliche Ausbau im Keller. Dazu gehört der Verzicht auf Zuchthefen und Enzyme ebenso, wie der Verzicht auf Filtration und Schönung. Am Schwefel allerdings scheiden sich die Geister. Nur wenige schaffen es, Wein ohne zugesetzten Schwefel stabil zu kriegen und die meisten zweifeln auch an der Sinnhaftigkeit eines solchen Verzichts.
Auch wenn man unter dem Titel Vin Naturel so einige zweifelhafte Exemplare zu finden sind, was daran liegen mag, dass Vin Naturel einen gewissen Hype in den Metropolen von Paris, London und New York erfährt und einige Möchegernwinzer angefangen haben, mal eben ganz natürlich Wein zu machen, sind es doch vor allem seriöse Produzenten, die hier neue Wege gehen. Wenn man sich beispielsweise die Liste der Naturweinerzeuger anschaut, die im Frühjahr auf zwei großen Naturweinmessen in London anwesend waren, kann man schnell erkennen, wie ernsthaft dieses Thema diskutiert und angegangen wird.
Alice und Olivier de Moor gehören definitiv zu den ernsthaften Produzenten. Ihre knapp 8 Hektar befinden sich rund um Courgis, einem für Chablis-Verhältnisse relativ hoch gelegenen Ort, aus dem noch ein zweiter Produzent stammt, dessen Weine ich mal in der effilee vorgestellt habe und dessen einfachen Chablis ich hier in Kürze auch noch mal näher erläutern möchte. Die Rede ist von der Domaine Pattes Loup, dessen Besitzer Thomas Pico ähnlich arbeitet wie die de Moors. Aber dazu ein anderes Mal.
Olivier de Moor stammt aus dem Ort, hat Biologie und Önologie studiert und seine spätere Frau auf einem großen Chablis-Weingut getroffen. Auch Anne ist Önologin und sie sind den nun 15jährigen Weg gemeinsam gegangen. Vom einfachen Anbau als Nebenerwerbswinzer hin zu biologischen Anbau und entsprechender Zertifizierung hin zu immer konsequenterem An- und Ausbau. Der L’Humeur de Temps ist ein gutes Beispiel dafür. Die 15 Jahre alten Chardonnay-Stöcke stehen in steiniger Erde mit Kimmeridge-Unterlage. Der Ertrag liegt bei 40 Hektoliter je Hektar. Die alkoholische und malolaktische Gärung findet in Holzfässern statt, ebenso der 11 monatige Ausbau. Der Wein wird weder geschönt noch filtriert. Bei Abfüllung kommt eine kleine Prise Schwefel in den Wein.
Und wie ist der Wein nun? Knochentrocken, sehr straight, jung aber ausgewogen. Mit einem durchaus eigenen Charakter. Er gehört in der Klasse der normalen Chablis, also alles, was nicht in Richtung Premier Cru geht für mich zu den spannendsten und schönsten Chablis, die ich getrunken habe (neben dem von Thomas Pico). Den Holzausbau habe ich nicht geschmeckt, es hätte mich nicht gewundert, wenn der Chablis, wie meist praktiziert, im Edelstahl ausgebaut worden wäre. Vielleicht war es eine gewisse Cremigkeit, die durch den Fassausbau hervorgerufen wurde. Ansonsten überzeugen vor allem die pure Mineralität und Strenge dieses Weins. Der Säureanteil ist nicht unerheblich, das dürfte sich noch relativieren und ist auch jetzt nicht störend, aber markant. Und zum Schluss ist auch der Schluss, also das Finale nicht zu verachten. Der Wein hat einfach eine schöne Länge. Und da wir hier über einen Wein von unter 15 Euro sprechen, und das ist im Chablis, ja im gesamten Burgund günstig für einen Klassewein, sollte das auch gesagt werden. Dieser Wein ist ein schönes Beispiel dafür, dass ein Wein, der möglicherweise unter den Begriff Vin Naturel fällt – man muss dazu sagen, dass die de Moors diese Kategorie nicht benutzen – nicht völlig aus dem Rahmen fällt, in dem wir uns vielleicht üblicherweise bewegen. er ist weder fehlerhaft noch exaltiert. Er ist profund und ehrlich, würde ich sagen. Und er spielt eine Spielart des Chablis, die wir viel zu selten unter die Nase bekommen.
Dass die Weine von de Moor bei Louis Dressner und den Berry Brothers geführt werden, verwundert nach dieser Probe nicht und ich bin gespannt auf weitere Erzeugnisse der Domaine. Zu finden ist der Wein normalerweise bei dem in Sachen vin naturel sehr umtriebigen Alexander Zülch und seinem Shop Vin Vivants. Allerdings habe ich die letzten beiden Flaschen des Jahrgangs 2010 erworben. 😉 also warten oder ’nen anderen Wein von de Moor bestellen. Ich kann es auch schon verraten: Der 2011er À Ligoter lohnt sich.
Ein schöner, deutlich weiterführender Artikel ist zu finden bei wineterroirs.com und, gerade entdeckt, in der New York Times zu beiden Weingütern aus Courgis.
[…] ich meinen Freunden dann bei einer Blindprobe neben dem schon hier erwähnten Chablis ins Glas geschenkt habe, war Blind kaum zu erahnen und ging entsprechend weit […]