Eine Handvoll Veltliner

In meinen Kindertagen fand man den Grünen Veltliner vor allem im Weinviertel rund um Wien in den Strausswirtschaften der Winzer. Von Hochgewächsen keine Spur. Nicht, dass es sie nicht gegeben hätte, davon zeugen heute immer noch trinkbare Veltliner aus den Fünfzigern, ja selbst intakte Vorkriegsweine sind noch zu haben, aber populär waren sie nicht. Das hat sich drastisch geändert. Der Grüne Veltliner, die mit Abstand am häufigsten angebaute Rebsorte Österreichs, ist heute im eigenen Land ein Star, doch auch darüber hinaus mehr als beliebt. Vor allem die frischen und saftigen Veltliner aus dem Weinviertel lassen sich auch in den Szenebars New Yorks finden und das für Sauvignon Blanc bekannte Neuseeland startet derweil mit dem Versuchsanbau.

Wien, Blick vom Nussberg ©ömv/elze

Die Fähigkeiten dieser Rebsorte jedoch gehen über den einfachen Schankwein und den frischen Szenewein weit hinaus. Wenige Rebsorten verfügen als Weißweine über so viel Alterungspotential. Darüber hinaus ist der Grüne Veltliner ein geradezu idealer Partner, wenn es darum geht, mit einer Rebsorte bestimmten Bodentypizitäten im Wein Ausdruck zu verleihen. Vor einigen Tagen hatte ich durch die Einladung der österreich wein in Person des Gerhard Elze, die Möglichkeit, eine ganze Reihe unterschiedlicher Weine zu probieren, die diesem Terroirgedanken Rechnung getragen haben. Von Weinen aus dem Weinviertel über das Traisental, das Kremstal, die Wachau, das Kamptal, die Bereich Lethaberg und Wagram war alles vertreten, was links und rechts der Donau Rang und Namen hat. Dabei fanden sich vor allem Weine der Jahre 2010 und 2011 ein, aber auch ein paar ältere Gewächse aus den 90ern.

Leider muss ich gestehen, dass ich mich mit einigen Veltlinern gerade aus den letzten Jahren immer wieder schwer getan habe. Tendenziell mag ich schlanke Weine einfach lieber als breite. Weine mit gemäßigtem Alkohol lieber als wuchtige und seit einigen Jahren hatte ich das Gefühl, dass es Österreich die Tendenz zu satt machenden, alkoholischen und überkonzentrierten Gewächsen gab. Die Probe am Montag wollte diesen Eindruck glücklicherweise nicht bestätigen und auf Nachfrage war auch Peter Moser, Chefredakteur des Fallstaff und ausgewiesener Experte der Szene der Meinung, dass sich was tut im Land. Das kann man den Weinbauern nur Wünschen, denn der schlankere Stil tut dem Veltliner ausgesprochen gut.

Die Herren Moser (Fallstaff, vorne) und Elze (ömv), recht sder Arm da, der gehört mir. Das ist offensichtlich, nicht?

Was mich wirklich beeindruckt hat, ist die enorme Vielfalt in den Stilen und Aromen die allerdings amüsanterweise eines fast durchweg vermissen ließen, das Pfefferl. Das Pfefferl wird ja immer wieder genannt, wenn es um Grünen Veltliner geht, so eine Spur von pfeffriger Würze, die vor allem hinten am Gaumen zutage tritt. Peter Moser jedoch ist der Meinung, dass dies Pfefferl eher fester Bestandteil des Marketings geworden wäre denn Realität der Sortentypizität sei. Was aber ist für den Grünen Veltliner sortentypisch? Nach diesem Abend bleibe ich etwas ratlos zurück denn ich kann es mit Worten gar nicht genau umschreiben. Was in fast allen Verkostungsnotizen auftaucht ist das Aroma vom Apfel, das zwischen grünem Apfel bei frischen Weinen hin zu rotem oder gelbem Apfel bei etwas gesetzten Weinen auftaucht. Darüber hinaus findet sich eine kräutrige, ja würzige Aromatik, die jedoch nur in seltenen Fällen auf eine Pfeffernote hinausläuft. Wenn ich diesen Umstand mit der Probe von Großen Gewächsen in Deutschland vergleiche, vornehmlich bei Riesling, stellt sich mir immer häufiger die Frage, wie stark die Traubensorte eigentlich noch im Geschmacksbild der Weine verankert ist, die den Fokus vor allem auf das Terroir (Boden – Mikroklima – Winzerhandschrift) legen. Mir schien dieser Aspekt in einer ganzen Reihe von Weinen deutlich stärker gewichtet, als eine mögliche Veltliner-Typizität.

Weinviertel

Der Veltliner ist eine sehr alte Rebsorte, die einerseits vom Traminer abstammt, zum anderen von einer Rebsorte, von der man vor Jahren noch einen einzigen, letzten existenten, Jahrhunderte alten Stock gefunden hat. Dieser wurde nach dem Fundort St. Georgen benannt. Auch wenn ein Elternteil der Traminer ist, finden sich keine typischen Traminer-Noten im Veltliner. Sie schwingen höchstens ein wenig mit, wenn der Wein sehr massiv und alkoholisch wird.

Um mal ein paar Weine hervorzuheben (leider konnte ich die Etiketten nicht fotografieren, daher greif eich gerne auf Fotos der ömv zuück) will ich nennen:

Walter Buchegger, Kremstal DAC, Klassik Gelbling 2011
Der Wein stammt von Lössböden, wirkt zunächst vergleichsweise leicht (bei 13%) mit einem cremigen Apfelduft. Am Gaumen findet sich eine angenehm würzige Note, unterlegt mit einer klaren aber harmonischen Säure. Es ist der einzige Wein, dem ich ein klares Pfefferl zubilligen würde. Der Wein lebt vor allem von einer steinigen Note, die den gesamten Geschmack unterlegt.

Weingut Liegenfeld, Leithaberg DAC, Grüner Veltliner 2010
Mit 12,5% der leichteste, aber aus subtilste Wein im Feld. In der Nase finden sich leicht gemüsige Noten, ein Umstand, den ich immer wieder bei Veltlinern finde, häufiger, als bei anderen Sorten. Dazu eine breite würzige Note, dichte Aromen die ein wenig von Physalis geprägt waren. Am Gaumen dann wieder diese leicht gemüsige Note. Der wein ist sehr trocken und vor allem extraktreich. Dazu macht er den Eindruck, dass er aus dem Holzfass stammt. Insgesamt sehr harmonisch und lang.

Weingut Hirtzberger, Wachau, Smaragd Honivogel 2011
Ein beeindruckender, ungwöhnlicher Wein, der ein wenig nach Ingwer duftet, ausserdem leicht oxydativ birnig und cremig, dazu findet sich so was wie eine Creme von grünem und roten Apfel, vermischt mit Gartenkräutern und Quitte. Eine ziemlich komplexe Nase also. Am Gaumen dann sehr breit, tief, wiederum cremig, sehr dicht und extraktreich. Ich hatte den Eindruck, ein wenig was von dunklem Tee zu schmecken und Fruchtsaft. Wow. Großes Kino im kleinen Glas.

Schloss Gobelsburg, Kamptal DAC, Reserve“Tradition“ 2010
Noch expressiver als der Honivogel ist diese Reserve. Ihr kommt sicherlich zugute, dass sie eine Jahr mehr Zeit auf der Flasche hatte. Der Wein wirkt in der Nase sehr reif (13,5%), hat bestimmt einen biologischen Säureabbau mitgemacht, die Säure wirkt schon in der Nase sanft, der Wein wirkt cremig, ja buttrig mit leichter Holznote, auch hier finden sich Würze und Gemüse ein, dagegen kann ich keine klaren Fruchtaromen erkennen. Auch dieser Wein ist am Gaumen sehr breit, ein Breite, die ein Riesling beispielsweise kaum hinbekommt. Auch am Gaumen ist der Wein sehr würzig mit einem ausgezeichnet eingebundenen Holz. Hier finde ich ein wenig Marillenmarmelade, unterlegt mit Sahnecreme. Der Wein hat sehr viel Substanz, ist dicht und lang und wahrscheinlich ewig und drei Tage haltbar. Da fällt mir ein, dass der Peter Moser gesagt hat, dass die Österreicher selbst solche Weine alle jung trinken würden. Ja seit’s noch gescheit? Lasst das Zeug liegen, das kann ganz groß werden, was dabei rauskommt. Siehe beispielsweise:

Weingut Bründlmayer, Kamptal, Reserve Käferberg, 1999
Honig in der Nase, unterlegt mit Holunderblütenduft, einem leichten Petrolton und etwas Kalk wie von Austernschalen. Am Gaumen sehr viel Länge, dazu feine Fruchtsüße, viel Mineralik, viel Boden sozusagen (hier finden sich Gneis, Glimmer und Schiefer, Sand und Kiesel) und eine leichte Kräuteraromatik. Die dreizehn Jahre merkt man diesem Wein, der allerdings auch stattliche 14,5% Alkohol hat, nicht an.

Weingut Bründlmayer, Kamptal, Reserve Käferberg, 2010
Für mich der Wein des Abends war der 2010er aus der gleichen Lage Käferberg. Von dem hätte ich gerne eine Kiste. Warum? Dieser ebenfalls leicht kreidig-kalkige Wein duftet nach Blüten, Äpfeln, Rosen und Sahnecreme. Auch am Gaumen finden sich die Blüten, dazu Kräuter und viel Stein. Das Ganze wirkt schwebend, trotz Bodenhaftung. Ungemein lang und subtil und unterlegt von einer momentan noch massiven, aber erstaunlicherweise auch jetzt nicht störenden Säure, die dem Wein jedoch Halt über Jahre hinaus geben wird. Groß!

Domäne Wachau, Smaragd Abtsleiten 2011 und 1995
Nicht vergessen werden sollten die beiden Weine der Domäne Wachau aus dem gleichen Flight. In der Nase hatte ich beim 2011er eine Rieslingaromatik. Sehr frisch, ja rassig, Kräuter, etwas Grafruitschale und Stein. Am Gaumen fast etwas malzig (ja, malzig), etwas Alkohol (leider, 14,4% machen sich etwas bemerkbar, geht aber vielleicht noch weg), dazu Süßholz, Würze und wiederum Stein. Bis auf den Alkohol ist dieser Wein sehr harmonisch und ausgewogen und ein ganz ausgezeichneter Vertreter seines Fachs.

Der 1995 leidet ein wenig an einer schwefeligen Note, der Flasche geschuldet, denn nicht jede Flasche hatte diesen Ton. Darüber hinaus ebenfalls ein hervorragender Wein. Schön gealtewrt mit Noten von Schwarztee und Petrol, jedoch nicht zu viel, dazu kommen etwas Gummi, honig und Orangenlikör. Am Gaumen ist der Wein schlank (12,5%), fein, mit ein wenig Steinobst, Orange und Tee.

Zum Schluss will ich noch einen Wein erwähnen, den ich nach der offiziellen Runde noch genossen habe:

Veyder-Malberg, Wachau, Hochrain 2011
Was Peter Malberg seit 2008 auf die Flasche bringt hat mit bekannter Wachau nicht so viel zu tun. Die akribische, immer biologische, teils biodynamische Arbiet, die ja in vielen Teilen Österreichs schon an der Tagesordnung ist, ist den Wachauern bisher fremnd. So ist er der einsame Rufer in der Wüste, der einigen Kollegen wohl auch schon auf die Füße getreten ist damit.- Was soll’s. Er ist macht seine Weine im Weinberg, terroirtypisch und kompromisslos wie bei dem Hochrain. Sehr jung, braucht noch viel Zeit, extraktreich und dicht, trotzdem subtil, dabei knochentrocken und würzig. ein sehr spannender Wein zum Abschluss.

Tja, tolle Weine, die nur dazu auffordern können, mehr von dieser Sorte zu probieren. Da haben die Österreicher schon ganz recht.

© Fotos: Österreich Wein (ömv)

2 Kommentare

  1. Die Oder hat sich wohl irrtuemlich statt der Donau eingeschlichen?

    Den breiten, alkohollastigen Veltlinern von Hirtzberger, Knoll und Pichler habe ich mich schon seit einigen Jahren verabschiedet. sortentypizitaet findet man da schon lnge nicht mehr. Riesling und Veltliner schmecken immer aehnlicher.
    Veyder-Mailberg ist gut, aber sicher der Bio-Pionier in der Wachau. Der Nikolaihof in Mautern ist schon sehr lange ein ausgezeichneter Bio-Betrieb mit sehr feinsinnigen Gruenen Veltlinern.
    Oesterreich hat einige Veltliner , die durchaus das beruehmte Pfefferl haben. Diese Auswahl hat sie nicht beinhaltet.

  2. Oh ja, Danke. Donau natürlich. Neben dem Nicolaihof kenne ich die Veltliner vom Geyerhof auch schon lange. Auch sehr schöne Weine, wobei ich die Rieslinge fast lieber mag.

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