Heute war so ein Tag, an dem ich dringend einen schönen Wein am Abend brauche. Der letzte Ferientag, den Sohn zum Flughafen gefahren, eine kleine Hiobsbotschaft am Rande, das reicht aus, um in Ruhe und mit Muße ein Glas guten Weins trinken zu wollen. Beispielsweise einen gereiften Bordeaux. Gut, dass in der letzten Weihnachts-Mitarbeiterkiste meines Arbeitgebers zwei Flaschen Gazin lagen. Kein herausragenden Jahrgänge, aber das muss nichts heißen.
1993 beispielsweise ist jetzt nicht unbedingt ein Bordeaux-Jahrgang, der in die Analen der Weingeschichte eingehen wird. Das Wetter war sehr wechselhaft und es gab im Herbst viel Regen. Dem Cabernet hat dieser Jahrgang sehr zu Schaffen gemacht, der Merlot hatte es besser. Gazin liegt im Pomerol und hat einen Merlot-Anteil, der bei 90% liegt. Daher war ich gespannt, was dieser Wein mir bieten würde. Château Gazin gehört zu den großen Weingütern im Pomerol, auch wenn es im Gesamtvergleich des Bordelais mit 26ha klein ist. Die Lage ist exzellent, die gesamten 26ha liegen zwischen Pétrus und L’Evangile. auch wenn dem Château nachgesagt wird, dass es einst einem Templerorden gehörte, beginnt die eigentliche Geschichte jedoch erst mit Antoine Feuilhade, einem Anwalt und Politiker des 18. Jahrhunderts, der an der Erschließung Pomerols als Weinbaugebiet nicht ganz unbeteiligt war. Lange Zeit schon gehört der Besitz jedoch schon den Bailliencourts, einer hochadeligen Familie, die den Besitz zunächst bis zum Ende der 1960er komplett verkommen ließ. Erst Etienne de Bailliencourt versuchte daran etwas zu ändern und finanzierte dieses Unternehmen, indem er 5 Hektar an den Besitzer des Nachbargutes Pétrus, die Familie Moueix verkaufte. Doch auch wenn der Wille da war – der Wein wurde nicht besser. Es wurden zweifelhafte Parzellen bepflanzt, die Erträge waren ungewöhnlich hoch und es wurde maschinell gelesen, ein No-Go bei renommierten Gütern. Der eigentliche Umschwung zum Bessern kamen erst mit Nicolas de Bailliencourt, Ende der Achtziger, und der 1993er legt ein frühes Zeugnis davon ab. Die Erträge waren 1993 schon wieder auf dem Niveau der Nachbarweingüter, die Chais und die gesamte Produktionsanlage wurden erneuert und von Moueix hat man fachlichen Beistand erhalten, so dass man heute wieder auf exzellentem Niveau liegt.
Jetzt aber zum Wein. Er hat eine karminrote Färbung, die nur geringfügig ins Bräunliche übergeht. Im ersten Moment liegt ein Muffton über dem Glas, der allerdings schnell verfliegt. Dann öffnet sich eine für gereiften Bordeaux typische Nase von Zedernholz und getrockneten Kräutern mit etwas Majoran. Hinzu kommt typischer Merlot mit einer pflaumigen Note und einem Hauch Latakia. Es ist durchaus noch etwas reife Fruchtsüße vorhanden und ein Hauch von Rost mischt sich in den Rest von Frucht und Toffee. Das lässt sich gut an. Geschmacklich kann der Wein das, was er in der Nase verspricht jedoch leider nicht halten. Die Frucht ist fast weg, auch die süßliche Note. Der Gazin hat ein Zuviel an Säure und einen Mangel an Dichte. Er schmeckt, als habe man irgendwann Wasser in den Wein gegossen und zwar das aus der eisenhaltigen Quelle in Bad Godesberg.
Wenn man den 1993er noch bekommt, liegt er so um die 50 Euro die Flasche. Hätte ich das bezahlt, müsste ich mich ärgern. Da ich jedoch nur einen Bruchteil bezahlt habe, ist das schon ok mit dem Wein, auch wenn es Schade ist, weil der duft so sexy war. Es ist immer einen Versuch wert, Weine zu lagern, doch im Allgemeinen ist die Zeit der 1993er Bordeaux halt schon seit sieben, acht Jahren vorbei. Damals dürfte der Wein Spaß gemacht haben. Heute kann ich nur darauf hoffen, dass der 1996er, der noch im Keller liegt, besser sein wird. Den mache ich allerdings nicht mehr auf. Bekämpfe ich den leichten Blues halt mit dem feinen Näschen…