Vor nicht allzu langer Zeit erhielt ich ein Päckchen von einem Bierhersteller aus Bitburg. Dieser hatte mir je zwei Flaschen von drei neuen Bieren eingepackt sowie zwei dazu passende Gläser. Ich habe einen Teil der Biere mit in den Sommerurlaub genommen und sie jeweils einem ähnlichen Bier entgegengestellt. Dann habe ich sie letzte Woche noch mal für sich verkostet. Bitburger hat für diese Biere eine neue Marke namens Craftwerk lanciert. Schon bei der Wahl des Namens wird klar, in welches Segment die Bitburger Braugruppe damit vorstoßen will und sie zeigt gleichzeitig das Dilemma, in dem man sich befindet.
Längst haben die großen Brauereien den noch kleinen aber stetigen Wandel des Biermarktes in Deutschland hin zu andersartigen Bieren erkannt. Andersartig sind sie in dem Sinne, dass es sie auf dem deutschen Markt so vorher kaum gab, vor allem nicht hier gebraut. Bierstile wie Bitter, Ale, Pale Ale oder Indian Pale Ale sind ja nun wahrlich nichts neues. Ebensowenig wie Dubbel oder Triple aus Belgien. Sie waren auf dem festgefügten deutschen Markt, in dem so gut wie gar nicht experimentiert wurde einfach nur nicht populär. Hier trank man bisher Weizen, Export, Pils, Kölsch, Alt und Schwarzbier. Das war es in etwa.
Geändert hat sich das in den letzten Jahren, weil in den USA, in Italien, in England und vor allem auch in Skandinavien eine neue Bierszene entstanden ist. Die Brauereien nennen sich häufig Micro-Breweries (weil sie so klein sind) und die Brauer nennen ihr Bier Craft-Beer (weil es für sie ein Handwerk ist). Tatsächlich gibt es diese Brauer, die im handwerklichen Stil arbeiten immer noch. Doch längst sind die berühmten dieser Szene mit ihrem Erfolg auch größer geworden. Die Brew Dogs sind so ein Beispiel. Die ehemaligen Punks unter den Bierbrauern mussten zwischenzeitlich sogar die Rezepturen verändern, um ihre Biere auch im größeren Stil anbieten zu können. So ist der Begriff Craft für die Bier und auch für die Destillerie-Szene mittlerweile umstritten weil sich auch großer Brauereien damit immer noch den Anstrich der alternativen Hinterhof-Brauerei geben.
In Deutschland hat sich lange Zeit nichts getan. Das ehemalige Vorzeigeland des Bieres hatte sich auf der Richterskala der Bierinnovationen längst in den untersten Bereich verabschiedet. Bis auf wenige Erzeugnisse aus kleine Brauereien im fränkischen und bayrischen Hinterland gab es praktisch immer und überall die gleichen Hopfen und das gleiche Malz. Und da wird dann auch gleich das Bremer Bier in Issum am Niederrhein abgefüllt, das spielt keine Rolle, es schmeckt eh immer und überall gleich. Das Felsquellwasser ist ja auch nur ein Marketing-Gag. Interessanter Weise war es jedoch einer der großen, der mit Braufactum die Nische der Craft-Beers auf dem deutschen Markt als Erster besetzt hat. Braufactum gehört zu Brau & Brunnen und die wiederum zum Oetker-Konzern. Braufactum sieht man das nicht an. Sie wirken modern und eigenständig, bieten importierte Spitzenbiere aus England, Belgien, USA oder Italien genauso an wie eigene Abfüllungen nach deutscher Tradition. Neben dieser etablierten Marke, deren Kühlschränke mittlerweile in vielen ambitionierten Lebensmittelmärkten stehen hat sich auch hier langsam eine eigene Brau-Szene entwickelt. Die hat sich bisher aufgeteilt in Projekte, wo ordentlich Startkapital dahinter steckt: Ratsherrn in Hamburg ist so ein Fall oder Crew Ale in München. Dann gibt es die Tüftler wie Bogk-Bier in Berlin, wo Andreas Bogk das traditionelle Berline Weiße mit Hilfe des Crowdfunding neu hat aufleben lassen – ein Bier, dass es so vorher nicht mehr gab und aus den Bakterienstämmen alter Weißen rekultiviert werden konnte. Die Vagabund-Brauerei hat sich gerade im Juli neu in Berlin gegründet. In Köln gibt es eine Miniaturbrauerei names Braustelle wo nicht In-Biere wie IPAs gebraut werden sondern eher alte Rezepte wiederbelebt werden und an die heutige Zeit angepasst werden. Ich habe einige dieser Bier hier vor einiger Zeit vorgestellt. Ebenfalls am Rhein auf Höhe Bonn gibt es Fritz-Ale, die auch mit der Braustelle verbandelt und ein sehr eigenständiges und qualitativ exzellentes IPA brauen. Weiter unten dann gibt es Kürzer Alt aus Düsseldorf. Es gibt natürlich noch viel mehr und man kann nur sagen, es tut sich endlich etwas.
Neu hinzugekommen ist nun die größte deutsche Fernsehbier-Privatbrauerei mit der Marke Craftwerk. Man sieht es an der ganzen Aufmachung: man möchte gerne so ein bisschen cool sein wie die Brew-Dogs oder die Dänen bei Mikkeller. Weil es allzu sehr nachgemacht zu sein scheint, ist es aber eben nicht cool. Und Craft wird es wohl auch nicht so richtig sein. In der Presseerklärung heißt es, man würde ständig tüfteln in den Experimentierbrauerei bei Bitburger und jetzt hätte man sich entschlossen, davon auch mal was auf den Markt zu bringen (der von anderen schon ganz gut vorbereitet worden ist). Das Ganze ist natürlich eine Entscheidung der Marketing-Abteilung eines großen Unternehmens. Doch ungeachtet davon, wie sind die Biere denn nun?
Das Tangerine Dream ist ein Single Hop Pale Ale, wie man es in der Craft-Beer-Szene immer häufiger findet. Die Aromen bekommt es jedoch nicht von bekannteren Hopfensorten wie Cascade oder Citra sondern von einer anscheinend neu komponierten Sorte namens Mandarina Bavaria. Und, wonach schmeckt es? Nach Mandarine? Eher nach Pampelmuse würde ich sagen. Verglichen mit einem The Kernel Single Hop Citra mag man es gar nicht trinken. Beim zweiten Versuch ohne Counterpart ist es ok aber langweilig. Das Mandarinen-Aroma wirkt aufgesetzt, die Bitterstoffe sind für ein Pale Ale zu lasch und doch zu vordergründig, die Frische fehlt und die Frucht am Gaumen ebenso. Nee, das ist nix dolles.
Das Hop Head IPA7 wird, wie der Name schon vermuten lässt, aus sieben verschiedenen Hopfensorten gebraut, hat 17.4 PLATO Stammwürze und IPA-typische 8% Alkohol. Es ist ein American Style IPA mit viel Citrus, Maracuja, Birne, Litschi, Kräuter und auch ein paar seifigen Noten in der Nase. Am Gaumen eine Fruchtexplosion, die schon beim ersten Bier angekündigt war, jedoch ausfiel. Hier gibt es sie und zwar in Verbindung mit einer Hopfenexplosion. Und beides hat man hier sehr gut unter einen Hut gebracht. Die Länge stimmt, die Dichte am Gaumen ebenso. Allenfalls ein wenig frischer hätte es sein können.
Beim Holy Cowl schließlich handelt es sich um ein Bier nach Art des belgischen Tripel. 9% Alkohol verbinden sich mit 19,5 Plsto Stammwürze und 40 IBU Bittereinheiten. In der Nase findet man das, was ein Tripel ausmacht in zurückhaltender Form. Malzige Noten, Süße, leichte Bitterstoffe, Biskuitteig, alles ganz angenehm. Das Holy Cowl ist vergleichsweise weich. Mir ist hier am Gaumen zu viel Toffee und zu viel warme Frucht. Kurz gesagt, es erscheint mir zu brav. Vor allem im Gegensatz zum Westmalle Tripel, wo die Hopfenbitterkeit präsenter ist und das Bier voller, etwas fordernder. Trotzdem, das Tripel namens Holy Cowl ist gelungen, vor allem für den Markt, den es wahrscheinlich ansprechen soll.
Ich gehe einmal davon aus, dass diese Bier ganz bewusst nicht aus der Art schlagen. Sie fordern einen Biertrinker, der die Stile häufiger probiert, nicht allzu sehr. Es sind eher Einstiegsbiere in diese für deutsche Zungen immer noch ungewohnten Geschmackserlebnisse. Ein Ratsherrn Pale Ale beispielsweise ist auch nicht fordernder. Wer mehr und besseres Bier möchte, ist bei den kleinen Brauereien deutlich besser aufgehoben. Das ist halt das Gleiche wie beim Wein. Die Penfolds und Antinoris dieser Welt machen auch anständigen Wein. Wer was individuelles im Glas haben will, geht woanders hin. Für die echten Craft-Beer-Freaks wird das also keine Konkurrenz sein. Projekte wie Ratsherrn oder Crew allerdings werden sehr genau beobachten, wie sich der Brauereiriese verhalten wird.
Apropos Glas: das Craftwerk-Bierglas habe ich mal direkt ausgesondert. Das geht ja gar nicht. Das ist dickes, schweres Pressglas in unsäglicher Form, das muss die Marketing-Abteilung noch mal mit der Beschaffungsabteilung ins Gericht gehen.
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