Während die ganze Weinwelt wie beseelt zu sein scheint von der Qualität der 2012er Großen Gewächse, die ich nur so am Rande mitbekomme, weil ich bisher nicht die Chance hatte, an einer der einschlägigen Veranstaltungen teilzunehmen, habe ich vor einigen Tagen einen Riesling geöffnet, der schon ein paar Jahre mehr auf dem Buckel hat. Ich bin über diesen Wein irgendwann einmal im Netz gestolpert, als ich auf der Suche war nach Orange Wines, also jenen Weißweinen, die einen orangenen Ton erhalten, weil sie ähnlich wie Rotweine verarbeitet werden. Die Gärung erfolgt samt Traubenhäuten und nicht wie üblich ohne diese. Dieses Verfahren hat in den letzten Jahren eine kleine Miniatur-Renaissance erlebt, ursprünglich ist es vielleicht die ursprüngliche Weinherstellungsform. Denn schon dort, wo man die ältesten Zeugnisse der Weinherstewllung gefunden hat, am Schwarzen Meer, wurde vor 5.000 Jahren vornehmlich Weißwein angebaut und dieser samt Schalen in Tonamphoren ausgebaut. Diese so genannt Quevris sind vor allem in Georgien wieder zunehmend im Einsatz und durchaus beliebt. Weine, die ich bespielsweise auf der RAW probiert habe, hinterließen jedoch einen sehr gespaltenen Eindruck bei mir. Neben den Hardcore-Weinen aus Georgien, wo es allerdings auch durchaus balancierte Varianten gibt, waren es vor allem Winzer wie beispielsweise Josko Gravner aus dem Friaul und Mladen Rosanich aus Istrien, die den Orange Wine populär gemacht haben. Bei der Beschäftigung mit dieser Weinform bin ich vor ein paar Jahren über einen Artikel gestolpert, der Martin Tesch und einen Wein namens Five Miles Out erwähnt, eine Riesling-Spätlese, die einen besonders langen Kontakt mit den Traubenhäuten gehabt haben soll. Martin Tesch? denke ich, der Martin Tesch? Orange Wine passt eigentlich gar nicht zu ihm, was hat er da wohl gemacht?
Five Miles Out also. Das ist die Grenze, bei der sich Flugzeuge von Tower des Flughafens verabschieden, von dem aus sie gestartet sind. Ab da sind sie auf sich allein gestellt. Heute natürlich nicht mehr so wirklich, da der Luftraum mindestens so total überwacht ist, wie unser iPhone. Früher aber fing nach dieser Fünf-Meilen-Zone unter Umständen das Unbekannte an. Five Miles Out ist nebenbei gesagt auch der Titel einer LP von Mike Oldfield aus den Achtzigern und der Titelsong war auch das erste, was mir einfiel, als ich Teschs Riesling sah. Der Name ist also Programm, das ist bei Tesch nicht ungewöhnlich, eine Horizonterweiterung war also zu erwarten.
Teschs Riesling steht nach acht Jahren da wie eine Eins. In der Nase eine Petrolnote wie ich sie bei praktisch allen Tesch-Rieslingen bisher riechen konnte. Soweit also schon mal ganz der Stil des Hauses. Hinter dem Petrolton lauern dann eine reife süße Steinobstnote und eine Form von Säure in der Nase. Der Wein wirkt in der Nase keineswegs ungewöhnlich, vor allem auch nicht in der Farbe. Das Gelbgold ist satt, changiert aber keineswegs in Orange. Das ist weder von der Farbe noch vom Duft her ein Orange-Wine. Soll es auch gar nicht sein, wie ich dann später in einem Gespräch mit Tesch erfahre. Hätte ja auch ganz ernsthaft verwundert. Der Analytiker Tesch passt so gar nicht in die Amphoren- und Natural-Wine-Szene. Experimentierfreudig ist er trotzdem und Five Miles Out war ein Experiment, das mit dem Jahrgängen 2004 und 2005 auch in den Verkauf gelangt ist.
Die Riesling-Spätlese zeigt erst am Gaumen, was sie so ungewöhnlich macht und genau ab diesem Zeitpunkt macht sie so richtig Spaß. Weil sie eine enorme Kraft hat, eine Stoffigkeit und einen Extraktreichtum, eine präsente Säure und eine Reife, die beeindruckt. Vor allem, weil all das sehr schön balanciert ist. Der Wein ist tatsächlich komplett samt Traubenhäuten vergoren worden und zwar in einem spundvollen Edelstahl-Tank. Das Ganze wurde jedoch nicht gerührt, der Tresterhut wurde nicht untergetaucht, Tesch wollte eben nicht, dass zu viel Farbe und Extrakte aus den Häuten gewaschen werden, wollte nicht das Spezifische eine Orange-Wines. Er wollte erfahren, was passiert, wenn er einen Grenzweg geht, wollte wissen, wieviel Gerbstoff Riesling verträgt. Er musste allerdings auch erfahren, dass diese Art der Riesling-Bereitung letztlich deutliche Grenzen aufzeigt und mit seinem Selbstverständnis nicht kompatibel ist. Tesch ist jemand, der gerne von einer Sorte größere Mengen Wein produziert. Wein, den man im besten Fall so lange erwerben kann, bis der nächste Jahrgang vorhanden ist. Er will keine Spezialsupersonderweine in Kleinstmengen produzieren, der dann zwar möglicherweise in der Weinszene Aufmerksamkeit erregt, dann aber für die Allgemeinheit kaum zu haben ist.
Doch ein Riesling, der samt der Maische 30 Tage in größeren Gebinden wie beispielsweise einem 1.000 Liter-Tank vergoren wird, wird zu heiß. Das war das Resultat für Tesch. Der Edelstahltank kann die ganze Hitze, die bei der Gärung entsteht, nicht ableiten und so verbrennt der Wein geradezu. Beim 2005er ist das nicht passiert, das waren keine großen Mengen, doch das war eben auch nur ein Experiment. Ein gelungenes ohne Fortführung, was durchaus schade ist. Doch Tesch experimentiert natürlich weiter. Sein neuestes Experiment heißt Sonne und Mond. Was es damit auf sich hat, erfährt man jedoch wohl nur, wenn man sich zum Weingut nach Langenlonsheim begibt.