Die Magie der Windmühle – Das Château du Moulin-à-Vent

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Neben gereiftem Riesling, den Weinen der Loire und des Burgund ist es vor allem der Beaujolais, der es Stephan Bauer zunehmend angetan hat. Deshalb schreibt er hier darüber. Und das gewissermaßen um sich warm zu machen für die in Kürze anstehende Beaujolais-Reise, von der er im März dann noch deutlich umfangreicher berichten wird. Hier aber zunächst ein Gastbeitrag zu einem Abend im Hamburger Mercier & Camier.

Quereinsteiger in die Weinwelt gibt es genug. Wer träumt nicht davon, auf einem schönen Anwesen, umgeben von Weinbergen, in den Sonnenuntergang zu schauen und die Träubchen langsam reifen zu sehen. So verwundert es nicht, dass so manches Quereinsteigerprojekt in landschaftlich attraktiven Gegenden verwirklicht wird – Napa Valley, Toskana, Provence.

Sich in Romanèche-Thorins im Niemandsland zwischen Lyon und Chalon-sur-Saone niederzulassen und das noch im Beaujolais, das erst seit ca. 10 Jahren seinen Ruf als Gegend für einfachste Tischweine abzulegen beginnt, bedarf wiederum entweder einer gewissen Vision oder familiärer Wurzeln in der Gegend. Zwar haben in den letzten Jahren zahlreiche Winzer und Négociants aus dem Burgund im Beaujolais investiert – Louis Jadot, Thibault Liger-Belair, Michel Lafarge, Henriot / Bouchard, die Familie Labruyère (Domaine Jacques Prieur), um nur einige zu nennen. Aber als Wohlfühl-Tourismus-Gegend ist das Beaujolais allemal nicht bekannt.

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Im Jahr 2009 entschied jedenfalls Jean-Jaques Parinet, Gründer der Softwarefirma Orsyp, die er 2008 an einen Private Equity Fonds verkaufte, sich nach dem Verkauf zur Investition in das Beaujolais, kaufte nicht nur das Château du Moulin-à-Vent (historisch: Château des Throns) mitsamt seiner 37 ha Weinberge, sondern zog auch dorthin mitsamt der Familie. Von Paris nach Romanèche-Thorins. Dass die Familie mit Haut und Haaren dabei ist, zeigt auch, dass Jean-Jacques Parinets Sohn Edouard nach Abschluss seines Wirtschaftsstudiums auch gleich mit in den Betrieb einstieg und sich nunmehr um den Vertrieb kümmert.

So wie in Deutschland gerne erzählt wird, dass am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts Weine aus dem Rheingau, von Mosel und Saar oder vom roten Hang bei Nierstein die teuersten Weine der Welt kamen, die teurer waren als Château Latour oder Château d’Yquem, wird im Beaujolais gerne erzählt, dass früher mal die Weine aus Moulin-à-Vent so hohe Preise erzielten wie die Grand Crus aus dem Burgund. Der Blick auf historische Restaurant-Weinkarten aus den 10er und 20er Jahren des 20. Jahrhunderts legt allerdings eher Preise auf dem Niveau eines Nuits St. Georges oder Gevrey-Chambertin Village nahe. Nichtsdestotrotz waren die Weine aus Moulin-à-Vent schon immer die am höchsten bepreisten Weine aus dem Beaujolais. So geht aus dem Buch “Les vins du Beaujolais, du Mâconnais et du Chalonnais” von Victor Vermorel, u.a von 1893 hervor, dass die Weine aus Chénas (nicht gleichzusetzen mit der heutigen AOC Chénas, da die Weine aus der heutigen AOC Moulin-à-Vent überwiegend, wenn auch nicht vollständig, zur Kommune Chénas hinzugerechnet wurden, bevor die AOCs im Beaujolais geschaffen wurden) einen Preis von 150 Francs je Fass erzielten und damit ca. doppelt so viel wie die Weine aus Fleurie, Chiroubles oder Regnié.

Die hohen Preise erzielten die Weine nicht ohne Grund. Aus der AOC Moulin-à-Vent kommen im Beaujolais die strukturiertesten und vollsten Weine. Die meisten Fleuries oder Chiroubles wird man in ihrer Feinheit mit einem Ausbau in kleinen, neuen Holzfässern erschlagen. Ein Moulin-à-Vent aus guter Lage hält das aus und gewinnt durch den Holzfassaubau an Struktur. Die Voraussetzungen für die Familie Parinet waren also gut, zumal das Château du Moulin-à-Vent seine 37 ha Reben nicht in irgendwelchen Lagen stehen hat, sondern in einigen den besten Lagen, die sich auf und um das Plateau “Les Thorins” bei der für die AOC namensgebende Windmühle befinden. Zwei Lagen sind hier hervorzuheben: Champ de Cour, eine nach Osten ausgerichtete Lage, die sich um den Hang schlängelt und Les Vérillats (bei Parinets “Croix des Vérillats” genannt) direkt hinter dem Château. In beiden Lagen haben die Parinets beachtliche Anteile von jeweils mehreren Hektar, die ihnen eine rigorose Selektionierung für die Lagenweine erlauben.

In beiden Lagen findet sich der für die AOC Moulin-à-Vent typische rosa Granit, wobei dieser im Champ de Cour etwas mehr zersetzt ist und sich ein höherer Lehmanteil findet, während er im Vérillats ziemlich schnell nach dem Oberboden beginnt. Die Weinberge sind mit einer recht hohen Pflanzdichte von über 10.000 Stöcken pro Hektar bepflanzt, auf denen die Reben in Gobelet (Busch) – Erziehung stehen. Die Reben der Domaine sind zwischen ca. 30 und 60 Jahren alt.

Das Programm des Château du Moulin-à-Vent ist mehrstufig aufgebaut. An der Basis steht der Moulin-à-Vent “Couvent des Thorins”, der als einziger Gamay der Domaine mit maceration semi-carbonique, also Ganztraubenmaischung unter Kohlensäureschutz, erzeugt und in Stahltanks ausgebaut wird. Er repräsentiert den eher frischen, jung zu trinkenden Beaujolais-Stil und wird vor allem in der Gastronomie vertrieben. Es folgt der Vorzeigewein der Domaine, der Moulin-à-Vent tout court. Dieser ist stets eine Lagencuvée, für den die Trauben vollständig entrappt werden, der eine längere Maischestandzeit erhält und anschließend für 14 Monate in 228 l Fässern mit ca. 20% Neuholzanteil ausgebaut wird. An der Spitze stehen die Einzellagenweine: Croix des Vérillats, Champ de Cour und – seit dem Jahrgang 2012 – La Rochelle. In ausgewählten Jahrgängen gibt es zudem den “Clos de Londres”, eine Spezialcuvée, die bislang ihren Weg nur nach England und in die USA, aber noch nicht nach Deutschland gefunden hat. Die Lagenweine werden 4 Monate länger als der Village Wein ausgebaut.

Im Januar 2015 kam Edouard Parinet nach Deutschland, um seine Weine zusammen mit seinem Händler Norbert Müller zu präsentieren. Die beiden entschieden sich für ein Dinner in Hamburgs vielleicht derzeit zweitspannendsten Restaurant, dem Mercier und Camier im Literaturhaus am Schwanenwik. In wunderbarer familiärer Atmosphäre stand an dem Abend weniger eine wortreiche und langatmige Vorstellung der Weine im Vordergrund, sondern vielmehr ein gutes Essen begleitet von tollen Weinen.

Zu mehreren tollen Amuses Gueules (Rote Bete Gelée mit Meerrettichmousse, Tafelspitzsülze) begann das Dinner mit den beiden neuesten Jahrgängen des Couvent des Thorins (2011 und 2012). Während der 2012er jahrgangstypisch eher knackig in der Frucht, herb und rotbeerig war, spiegelte der 2011er ebenfalls sehr schön den Jahrgang wieder mit seiner Harmonie der Aromen, samtigen Tanninen und ausgewogener Säure. Welchen Jahrgang man hier bevorzugt, ist am Ende Geschmackssache.

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Für die nächsten vier Weine, eine Mini-Vertikale des Moulin-à-Vent Village von 2012 bis 2009, wurden mehrere Platten für ein Family-Style-Dinner gebracht – hausgeräucherte, wunderbar milde und zarte Forelle, Kalbsfrikadellen mit Kartoffel-Gurken-Salat, mit Bulgur gefüllte Tomaten, der mittlerweile schon zum Klassiker avancierte Mercier und Camier Salat mit kandierter Zitrone und Oliven und eine wunderbar samtige Kartoffelsuppe mit Mettenden. Auch beim Village kamen die Jahrgangscharakteristika sehr schön heraus. 2012 eher herb und schlank, 2011 (aus einer Magnumflasche) harmonisch, füllig, balanciert, 2010 etwas streng, sehr mineralisch, wie mit dem Lineal gezogen, 2009 (ebenfalls aus der Magnumflasche) sehr üppig, sonnig, an der Grenze zum Rotwein eher südlicher Prägung (südliche Rhône, Midi). Mein persönlicher Favorit an dem Abend war der 2010er, der sehr spannende Kräuternoten (Dill, Minze, Eukalyptus), feine Lakritznoten und einer sehr tiefe Mineralität hatte. Auch wenn viele Leute mittlerweile auf den sonnigen Jahrgang 2009 schimpfen, halte ich es für gesichert, dass auch der 2009er einmal ganz groß wird. Die ganze Materie muss jedoch noch ein bisschen zur Ruhe kommen, bis dieser Wein sein ganzes Potenzial zeigen wird, zumal aus Magnumflaschen.

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Ebenfalls zwei Magnumflaschen hatten wir zum Hauptgang: 2011 Champ de Cour und 2011 Croix des Vérillats. Hierzu brachte der wie immer großartiger Mercier und Camier Service, geführt von Markus Ernst, einem Restaurant-Service-Naturtalent, geschmorten Lammbraten mit einem intensiven Lammjus, Schnippelbohnen, Artischocken und Polenta. Bei dem Champ de Cour und dem Croix des Vérillats zeigen sich die Lagenunterschiede sehr deutlich. Edouard erläuterte die geschmacklichen Unterschiede vorher exakt auf den Punkt, was zeigt, dass er seine Weine sehr gut kennt. Champ de Cour: geradeaus, präzise, linear, ein wenig streng. Croix des Vérillats etwas weicher, ausladender in der Aromatik, rotbeeriger, sehr würzig. Exakt so präsentierten sich die Weine auch. Während ich anfangs den Champ de Cour bevorzugte, einen Wein, den ich auch von anderen Winzern wie Richard Rottiers, Domaine Labruyère, Bernard Diochon oder Château des Jacques sehr schätze, wuchs der Vérillats mit dem Lamm zusammen über sich hinaus. Diese feine Würze, die perfekte Reife der Frucht, der zarte Holztouch, das ist der Stoff, aus dem Träume gemacht sind. Der Champ de Cour war zum Essen vielleicht etwas streng, aber in ein paar Jahren und evtl. auch zu anderem Essen vielleicht der bessere Wein. Beide Weine gehören aber in jeden gut sortierten Beaujolais-Keller, am besten in 0,75 l und 1,5 l Flaschen.

Zum Dessert hat das Château du Moulin-à-Vent keine Weine zu bieten, aber nach dem Dessert probierten wir noch den 2012 Pouilly-Fuissé Vieilles Vignes aus zugekauften Trauben und den 2012 Moulin-à-Vent La Rochelle. Die Trauben für den Pouilly-Fuissé kaufen die Parinets von einem Winzer zu und bauen ihn eher fruchtbetont aus, ohne nennenswerten Holzeinsatz mit Fokus auf die Frucht und die Frische. Der 2012 La Rochelle war zum jetzigen Zeitpunkt noch etwas schwer einzuschätzen, die Konzentration der Aromen ist immens, hier ist enorm viel Stoff drin, durchaus eine präsente Säure, Tannin, eine sehr dichte Frucht. Der Wein wird aus meiner Sicht Jahre brauchen, bis er sich wirklich öffnet, aber die Anlagen sind hervorragend.

Dank der engagierten Vertriebsarbeit der Parinets sind die Weine in einigen Ländern schon bei den jeweiligen Top-Importeuren verfügbar, Flint und Berry Brothers & Rudd in Großbritannien, Wilson Daniels in den USA. In Deutschland werden die Weine von Norbert Müller importiert, glücklicherweise auch häufig in Magnum-Flaschen, die für diese köstlichen Weine wie das perfekte Format für einen geselligen Abend wie den Abend im Mercier und Camier wirken. Trotz aller Seriosität sind auch die Moulin-à-Vents der Parinets keine Weine zum Anbeten, sondern zum Trinken, am besten zu einem guten Familienessen. Viele Kritiker wie die Revue des Vins de France, David Schildknecht und Allen Meadows haben die Weine der Domaine schon für sich entdeckt und es würde mich nicht wundern, wenn sich die Domaine in den nächsten Jahren noch weiter oben etabliert. Die Qualität der Weine spricht für sich.

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