Die Klassenersten der österreichischen Traditionsweingüter

Während die schreibende deutsche Weinzunft ganz im Zeichen des VDP-Adlers steht, genauer gesagt, im Bann der Großen Gewächse, werden in Österreich aktuell ähnlich schwere Kaliber präsentiert. Unser österreichischer Außenposten Branko Mucina war bei der Veranstaltung der Österreichischen Traditionsweingüter auf Schloss Grafenegg und hat sich ein Bild gemacht von einigen der besten Rieslinge und Grünen Veltliner, die das Nachbarland zu bieten hat:

Auch wir haben so etwas wie den VDP. Nun gut, vielleicht nicht ganz exakt einen VDP wie ihn unsere deutschen Nachbarn haben, aber so was in der Art. Und so was wie Wiesbaden haben wir auch. Aber lasst mich mal vergleichen.

In Österreich gibt und gab es neben dem mittlerweile recht gut bekannten Herkunftsschutz einiger Regionen (Districtus Austriae Controllatus, „Weinviertel DAC“ etwa oder „Kamptal DAC“) bereits seit Längerem Bestrebungen, Weine nicht nur in Qualitätsstufen zu klassifizieren, die durch Mostgradationen und Alkoholwerte definiert wurden, sondern – sinnvollerweise – auch besonders gute Lagen zu berücksichtigen. Lagen also, die seit Winzergenerationen als besonders hochwertig und herausragend angesehen wurden und die verlässlich hohe und höchste Weinqualitäten hervorbringen. Da das österreichische Weingesetz diesen Weg einer Klassifikation nicht (oder noch nicht) würdigt, tat dies ein privater Verein. Dem VDP in diesen Punkten also nicht ganz unähnlich.

Foto ©: Branko Mucina

Foto ©: Branko Mucina

Der Verein heißt „Österreichische Traditionsweingüter“, er ist seit 1990 tätig und umfasst mittlerweile 33 Betriebe, die zum Großteil aus dem Kamptal und Kremstal stammen, ergänzt durch eine Handvoll Weingüter aus dem Traisental und vom Wagram. Celebrities wie die Wachau sind hier also nicht dabei, sie kochen gerne ihr eigenes Süppchen. 62 Weinlagen sind in der Zwischenzeit als „Erste Lagen“ klassifiziert, weitere könnten hinzukommen. Neue Spitzenbetriebe (und deren Toplagen) wurden und werden ebenso aufgenommen, auch dies eine Parallele zu den Nachbarn.

Nun ist natürlich nicht jeder Apfel eine Birne. So finden sich unter den ÖTW „nur“ Weingüter aus den besagten Regionen in Niederösterreich und nicht darüber hinaus. Das Siegel einer 1. ÖTW-Lage dürfen ferner nur Weine aus Grüner Veltliner und Riesling tragen – als unbestrittene Aushängeschilder ihrer jeweiligen Herkünfte. Der VDP ist also im Vergleich um Vieles größer und breiter, er umfasst mehr Regionen, mehr Rebsorten und lässt auch Rotweine zu klassifizierten Ehren kommen. Doch ein wenig VDP-GG-Feeling kommt schon auf, umso mehr, wenn man sich die unbestrittene Spitzenqualität der österreichischen Gewächse auf der Zunge zergehen lässt.

Schloss Grafenegg, Foto ©: Alexander Haiden

Schloss Grafenegg, Foto ©: Alexander Haiden

Grafenegg, das österreichische Wiesbaden
In Wiesbaden werden ja alljährlich Ende August die deutschen Großen Gewächse aus dem Vorjahresjahrgang präsentiert. Als österreichisches Wiesbaden fungiert zur gleichen Zeit das wunderschöne Schloss Grafenegg in der Nähe von Krems – große Weine verdienen beidseits der Grenze ein würdiges Ambiente. Ein „preview“-Tasting für das Fachpublikum gibt es selbstredend auch. Mit perfekter Organisation im Rücken kann man sich hier also den etwa 130 Erste Lage Weinen aus Grüner Veltliner und Riesling widmen. Ob nun in lagenreinen Flights oder nach Produzent geordnet, alles ist möglich. Gleich vorweg: ich habe es leider nicht geschafft, alle zu verkosten und so muss ich eine etwas selektive Auswahl meiner Einschätzungen präsentieren. Jene Weine jedoch, die ich verkostet habe, etwa die Hälfte der möglichen, erlauben zumindest eine Annäherung an diese erstklassigen Grünen Veltliner und Rieslinge aus 2015.

Die 2015er
Bei allen persönlichen Vorlieben für bestimmte Weinstile und Ausbauarten muss ich unumwunden feststellen, dass die Qualitätslatte bei den ÖTW-Gewächsen extrem hoch liegt. Das mag nicht wirklich verwundern, handelt es sich bei den Betrieben doch um Vollprofis und wahre Könner ihres Handwerks. Der 2015er war zudem ein zwar nicht einfacher („einfach“ war mal und kommt wohl nie wieder) Jahrgang, man denke nur an die sommerlichen Hitzeperioden und stellenweise Hagelunwetter. Der tadellose Herbst präsentierte jedoch beste Lesebedingungen und so war Reife nun wirklich kein Thema. Die Schwierigkeit bei warmen Jahrgängen liegt ja eher darin, Spannung und Säure bei gleichzeitiger Aromenfrische zu bewahren und die Weine nicht zu schwer werden zu lassen. Hier sind Können, Erfahrung und Intuition gefragt.

Säure ist jedenfalls vorhanden. Mir sind kaum Exemplare untergekommen, die diese vermissen ließen, selbst die etwas kräftigeren Grünen Veltliner, die zumeist zusätzlich mit unbändiger Würze daherkamen und teils sehr reifer, gelber Frucht. Natürlich zeigten sich viele Weine noch sehr verschlossen und sollten mindestens 2 Jahre weggesperrt werden, wenn nicht länger. Denn ein Spaßwein ist so ein reifes, sehniges, vor Potential nur strotzendes Erste Lagen Gewächs in seiner Kindheit selten. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Erfreulich schien mir übrigens, dass sich die Alkoholwerte bei fast allen Weinen im Rahmen hielten: 13% war die (österreichisch akzeptable) Regel bei den Rieslingen, bei den Veltlinern war es meist ein halbes Prozent mehr, seltener 14%. Die meisten Rieslinge zeigten sich von einer ähnlichen Seite wie ihre Kollegen: viele fest, zugeschnürt, doch Tiefe und Charakter andeutend. Andere wiederum strotzten bereits mit beinahe tropischen Fruchtnoten, zugänglicher und geradezu sexy, und in den meisten schlummert Potential für viele Jahre. Auch hier gilt fast uneingeschränkt: weglegen!

Tipps
Was nützen allgemeine Einschätzungen und stilistische Wegweiser, wenn man nicht konkrete Namen nennt? Nix, hier also im Schnelldurchlauf einige meiner Erste-Lagen-ÖTW-2015-Lieblingsweine und -winzer. Wie gesagt, subjektiv und selektiv, nicht erwähnt heißt keinesfalls nicht empfohlen.

Heiligenstein

Foto ©: Branko Mucina

Ein Klassiker, und das völlig zurecht, ist der berühmte Heiligenstein im Kamptal, auf dem großteils Rieslinge wachsen. Hier tummeln sich alle Topwinzer – wenn sie können. Klassisch großartig sind alle drei Varianten von Bründlmayer, ob der „normale“ Heiligenstein, der „Lyra“ oder die „Alten Reben“: dunkle Würze, Dichte, alles noch lange nicht am Punkt. Die Heiligensteiner von Loimer und Hirsch sind etwas floraler, verspielter, besonders der leichtfüßig tänzelnde Hirsch hat es mir angetan. Die „Alten Reben“ von Jurtschitsch sind eine Ausgeburt an Komplexität und Tiefe, ein unglaublicher Wein. Und dass Schloss Gobelsburg anscheinend nur noch Topweine herausbringt, egal von welcher Lage, ist fast schon unheimlich. Der menschliche Faktor ist eben nicht minder entscheidend. Etwas zugänglicher schienen mir übrigens die Rieslinge vom Steinmassl (ebenso Kamptal): filigraner, mit rotbeerigen Akzenten und viel Fruchtsüße. Bründlmayer, Loimer, Weszeli, alle eine Bank.

Im Kremstal können sie Riesling auch, doch hier finden sich auf einer bestimmten Lage viel öfter nur ein oder zwei Produzenten. Der Geyerhof aus Oberfucha bei Furth etwa besitzt die Ersten Lagen Goldberg (ungemein viel Frucht, saftig, harmonisch, einer für Süchtige) und Kirchensteig (karg aber kraftvoll, tiefgründig, ein Marathonstar); der Nachbar Malat hat Riesling am Steinbühel und das Resultat ist ein richtiger „Steinwein“, zugeknöpft aber unglaublich fein. Ebenso dem kleinen, spektakulär schönem Kremstal zugehörig sind Winzer à la Proidl mit den Steillagen Ehrenfels und Hochäcker (die Weine sind kraftvoll, pikant, verströmen Wellen reifer Frucht, brauchen aber noch lange) oder der altehrwürdige Mantlerhof mit den Lagen Wieland und Steingraben. Auch hier: druckvoll, extrem jung, aber fruchtsüß und saftig. Eine wahre Schönheit ist jedoch auch der Traisentaler Riesling von der Lage Berg von Shooting Star Markus Huber: individuell, wunderschöne Nase, Minze, Kräuter, zum Niederknien.

Wo bleibt der Grüne? Er kommt und er kommt in Gestalt einiger wahrer Hochkaräter. Lamm ist wohl eine der berühmtesten Veltliner-Lagen der Welt und die Weine, ob von Bründlmayer, Gobelsburg, Jurtschitsch oder Hirsch, sind allesamt noch ungestüm, voll wilder Veltliner-Würze, Extraktreichtum in verschwenderischer Fülle, Säure, Kanten, Ecken – bis zum Trinkvergnügen braucht es Geduld. Ich frage mich übrigens, ob Top-Veltlinern nicht noch mehr Fassausbau gut täte, wie etwa bei Bründlmayers Lamm, der in Akazie ausgebaut wird. Ich empfinde sie dann als zugänglicher, offener, doch ohne Verlust an Potential. Eine Geschmackssache, bestimmt.

Besonders toll fand ich die GVs von Jurtschitsch, dessen Veltliner auf nicht weniger als fünf Ersten Lagen stehen; Dechant, Lamm, Käferberg, Loiserberg, Schenkenbichl. Alle strahlen mit einer tiefgründigen, beinahe geheimnisvollen Aura und sind doch alle verschieden. Am besten man kauft von jeder Lage etwas. Immer bei den Jahrgangsbesten auch die Lage Grub (Kamptal): bei Gobelsburg noch extrem ungezügelt, bei Hirsch wieder verspielter, leichter – ich denke insgeheim der Johannes Hirsch, der muss ein Deutscher sein, von der Mosel vielleicht ;).

Unbedingt erwähnenswert ist natürlich auch die Region Wagram, eine richtige Veltliner-Hochburg mit ein paar tapferen Rittern. Bernhard Ott und seine Prachtexemplare vom Rosenberg, Stein und Spiegel sind jedenfalls bereits Legenden. Klar, präzise, mit feiner, körniger Säure – einfach edel, einfach schön und ewig haltbar. Karl Fritsch aus Oberstockstall macht ebenso großartige Weine, und das obwohl er in den letzten Jahren böse vom Hagel heimgesucht worden ist. Sein Grüner von der etwas martialisch klingenden Lage Mordthal war für mich einer der beeindruckendsten Weine überhaupt: eine faszinierende karamellige Würze, Dichte und Ausdruck, voller Charakter, einfach der Wahnsinn.

Wie viel Geld muss man ausgeben, um in den Genuss dieser österreichischen Crus zu kommen? Nun, das hängt davon ab. Die berühmten Lagen und die bekanntesten Weingüter liegen oft im Bereich um die € 25-30, allerdings muss man bedenken, dass es von manchen Ersten Lagen auch klassische, sagen wir mal Kennenlern-Varianten gibt. So kostet Bründlmayers „normaler“ Riesling Heiligenstein um die € 17, der „Alte Reben“ hingegen liegt eher bei € 40. Die Wagramer Grüner Veltliner Spitzen bekommt der Endkunde ab ca. 22-25 €, ebenso viel (und manchmal eine Spur weniger) kosten beispielsweise die Top-Crus mancher Kremstaler (z.B. Weingut Stadt Krems oder Buchegger). Und Geyerhofs Veltliner von der Lage Steinleithn gibt es als Preis-Leistungs-Hit schon um € 14. Grob gesagt, um € 20 ist man großteils dabei und kann sich ein wenig Tradition antrinken – Tradition, deren Verfechter mitverantwortlich für den Boom der österreichischen Weißweine zeichneten und die in der Verankerung der großartigen Lagen dieses Landes auch künftig ein gewichtiges Wort mitreden werden.

Die meisten Weine sollten gut in Deutschland erhältlich sein. Mehr Info zur Klassifikation und zu den Weingütern gibt es hier: www.traditionsweingueter.at

 

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