Cool Climate & Consorten: Ein Pinot-Noir-Tasting rund um den Globus, Teil 1

Weine aus kühlen Lagen waren im Sommer schon mal das Thema eines zweiteiligen Berichts. Damals ging es um Chardonnay aus aller Welt, jetzt war der Pinot dran. Während die Weine des Chardonnay-Tastings vor allem aus dem Burgund, Südafrika, Neuseeland, Australien und Kalifornien kamen und es nur einige wenige zusätzliche Einsprengsel gab, war die Vielfalt beim Pinot etwas höher. Nicht zuletzt deshalb, weil man solch ein Probe ohne deutsche Pinots nicht mehr machen will. die grundsätzliche Idee hinter dem Tasting war vor allem, wie sich Übersee-Pinots im Gegensatz zu mitteleuropäischen Weinen im Vergleich präsentieren würden. Erkennt man die direkt? Ist Cool Climate tatsächlich etwas, was man in Neuseeland, Australien oder auch Kalifornien praktizieren kann? Und auf welchem Niveau wird dort gearbeitet? Das Tasting mit 30 Weinen kann dazu natürlich nur eine gewisse Übersicht geben. Doch immerhin gab es einen Eindruck und der war durchaus spannend und wie immer bei solchen Blindverkostungen gab es manche Überraschungen.

Unterstützt wurden wir Riedel – The Wine Glass Company mit den passenden Pinot-Noir-Gläsern aus der Veritas-Serie.

Wir schon beim Chardonnay-Tasting habe ich auch diesmal zusammen mit Bertel Bruun die Flights am Vorabend zusammengestellt. So haben die Weine ein wenig Luft bekommen und es gab die Möglichkeit, eine grobe Einteilung vorzunehmen. Natürlich verändern sich die Weine teils erheblich über die Nacht und es ist bei Pinot noir auch noch mal ein wenig schwieriger als beim Chardonnay, für jeden Flight ein passendes Motto zu finden.

Bei Chardonnay hatten wir noch jeder Runde einen Burgunder vorangestellt und die übrigen Plätze verteilt. Das haben wir dieses Mal nicht getan, weil es für uns keinen Sinn in der Zusammenstellung ergeben hat. Begonnen haben wir viel mehr mit den leichtesten Pinots im Feld. Da sowohl aus der Verkoster-Gruppe also auch von Weinhändlern, die Weine zur Verfügung gestellt haben nach Bewertungen gefragt wurde, haben wir diesmal entgegen der Tradition dieses Blogs bewertet.

Flight 1: Norman Hardie – Hofgut Falkenstein – Tom Litwan – Black Estate – J. B. Becker

Norman Hardie, Pinot noir unfiltered 2014 , Ontario, Niagara Peninsular
Die Zeiten, in denen man kanadischen Weinbau – wenn überhaupt – ausschließlich mit Eiswein gleichgesetzt hat, sind langsam aber sicher vorbei. In UK und anderen Märkten ist das schon offensichtlicher, hierzulande dagegen ist die Auswahl an kanadischem Wein noch extrem beschränkt. Glücklicherweise bietet Wein am Limit die Weine von Pearl Morissette an. Darüber hinaus kenne ich sonst nur Wine and Waters in Berlin, von denen ich im Chardonnay Tasting den Closson Chase ausgewählt hatte. Die Weine von Norman Hardie waren mir durch begeisterte Artikel bei Jancis Robinson und Jamie Goode untergekommen und ich habe von Hardie ein paar Flaschen zugeschickt bekommen. Der Pinot noir unfiltered 2014 stammt aus Ontario, genauer gesagt aus den Weingärten Dundee Hills, Abbey Ridge und Charlie’s Vineyard in Niagara Peninsular. Die Halbinsel reicht in den Ontario-See hinein und liegt unweit der Niagara Falls. Der Boden ist geprägt von Kalk, Kalkmergel und lehmigen Oberböden. Dort ist nicht nur im Winter Cool Climate mit Werten von minus 16 °C. Im Sommer wird es kaum wärmer als 22 °C und so liegt da Jahresmittel unter 8 °C.  Der Pinot  lag bei 11,4 % Alkohol. Es gab eine kühle Vorvergärung über sieben Tage hinweg, danach eine spontane Vergärung und nach dem Durchgären ein langsames Pressen mit einer Korbpresse in 228-Liter-Fässer. Hier wird konventionell gearbeitet, im Keller mit sehr wenig Schwefel. Der Pinot wird nicht geschönt und nicht filtriert.

Beim Öffnen wirkte der Pinot noir unfiltred relativ karg, fast ein wenig gemüsig und dabei zart. Beim Tasting hat der Wein Fahrt aufgenommen, sich geöffnet und dabei relativ viel Holz verströmt. Die Frucht bliebt zart, in der Nase gab es eine leicht volatile Note, am Gaumen etwas Karamell und eine feine Süße. Von der Struktur her gelungen, stört aktuell das etwas zu deutliche Holzmanagement und eine Bitternote, die mit möglichen unreifen Stilen und Stengeln in Verbindung gebracht wurde.

 

Wein freundlicherweise direkt vom Weingut erhalten.
Durchschnittliche Bewertung: 15,91 (Platz 24 / 30)

Hofgut Falkenstein, »Niedermenninger Herrenberg« Rotwein 2015, Saar
Mit dem so genannten 2015er Rotwein aus dem Niedermenninger Herrenberg vom Hofgut Falkenstein startete der erste deutsche Pinot ins Feld. Das Hofgut Falkenstein hat in den letzten beiden Jahren mit traditionellem Saar-Riesling von sich Reden gemacht. Da im Gegensatz zu Erich und Johannes Weber die Dame des Hauses keinen Riesling mag, entsteht immer auch ein Fuder mit Pinot noir. Auch hier wird spontan vergoren, der Wein ist bei 2 Gramm Restzucker und 6,5 Gramm Säure stehengeblieben. Es gibt keine durchgängige Malo, es wird nicht filtriert und niemals chaptalisiert. Da der Spätburgunder von der Saar kommt, ist es natürlich der entsprechende Schiefer, der hier seinen Fußabdruck hinterlässt. Der Alkoholgehalt lag hier ebenfalls bei 11,5 %.

Das scheint ein Wein »am Limit der Vegetationsmöglichkeit zu sein«, hieß es in der Gruppe. Der Spätburgunder aus dem Niedermenniger Herrenberg ist schlank und kühl und öffnet sich mit einer Note von Bitterorangen und Kräutern, Schlehen und einer Bitterkeit, die so manchen an zu lange gezogenen Schwarztee und sogar an Teebaumöl erinnert hat. Der Wein ist säurebetont, was mancher in der Gruppe in dieser Konsequenz mochte, insgesamt aber eher auch Ablehnung stieß, da das Tannin als nicht ganz reif empfunden wurde.

Wein freundlicherweise erhalten von Tom Schramm, Winery Heilbronn.
Durchschnittliche Bewertung: 15,61 (Platz 28 / 30)

 

Tom Litwan, »Auf der Mauer« Pinot noir 2014, Aargau, Oberflachs, Schweiz
Der Schweizer Tom Litwan hat sich in den letzten Jahren einen sehr guten Ruf mit sehr eigenständigen Weinen erworben. Der gelernte Maurer hat sich 2006 mit seinem Weingut im Kanton Aargau in der Ostschweiz selbständig gemacht und produziert bis heute rund 8.000 Flaschen jährlich. Der 2014er Pinot noir »Auf der Mauer« stammt vom Weinberg Mason, einem vier Hektar großen, nach Süden hin ausgerichteten Hochplateau, das von 400 auf 450 Meter ansteigt. Der Boden besteht aus tonreichem Jurakalk. Der Weinberg wird biologisch zertifiziert mit biodynamischen Methoden bewirtschaftet. Im Keller verwendet Tom Litwan gebrauchte Fässer. Der Alkoholgehalt liegt hier bei 12,5%.

Es gibt Weine, die haben es in einer Verkostungsreihe von 30 Weinen besonders schwer. Tom Litwans Auf der Mauer gehört sicher dazu. Trotzdem wurde die Qualität des Weines hervorgehoben und erkannt. Am Vorabend wirkt der Wein noch extrem streng und karg wie ein überzeugter Calvinist. Beim Tasting ist er zart, sehr zart und fein und bleibt doch streng. In der Nase wird er floraler als am Vorabend bei wenig Frucht und einer Tendenz zu balsamischen Noten. »Das ist toll,« heißt es, »aber lachen darf man dabei nicht.« Unterm Strich hat der Wein eine schöne Säure, ja er pendelt zwischen Süße und Säure hin und her. »Keller hat einmal gesagt, Pinot sei roter Riesling, hier kann ich die Aussage sehr gut nachvollziehen,« heißt es in der Runde. Ein Wein, der viele Jahre benötigt, um nur annähernd eine Zielgrade vor Augen zu haben.

Wein freundlicherweise erhalten von Linke Weinhandelsgesellschaft.
Durchschnittliche Bewertung: 16,33 (Platz 19 / 30)

 

Black Estate »Netherwood« Pinot Noir 2014, Northern Canterbury, Neuseeland
Im März 2015 habe ich Black Estate besucht. Es liegt in Northern Canterbury in Neuseeland, unweit der Weingüter Pegasus Bay, Bell Hill und Pyramid Valley. Für mich gehört das Gebiet mit zu den spannendsten in Neuseeland. Doch überzeugen und überraschen konnten in diesem Tasting zwar andere Weine aus Neuseeland, dieser hier jedoch nicht. Ein letzter Platz im Ranking hat mich etwas deprimiert, zumal ich den Wein überhaupt nur mit Mühe und in letzter Minute bekommen habe. Black Estate ist ein biodynamisch wirtschaftendes Weingut, dessen Weinberge, speziell der Netherwood von Waipara Green Sand und grünem glaukonischen Sandstein geprägt ist. Der Weinberg wurde 1986 noch wurzelecht angelegt. Der Alkohol lag hier bei 12 % bei 6,2 Gramm Säure. Es findet eine 100 %ige Ganztraubenvergärung statt, der Pinot wird in drei bis zehn Jahre alten Fässern ausgebaut.

Am Vorabend zeigte sich beim Netherwood eine elegante, dunkle, von Pflaumen dominierte Frucht samt etwas Backteig und Kräutern. Beim Tasting gefiel mir die Tiefe und die feine Struktur. Der Runde war der Wein im Duft zu phenolisch. Er wurde mit den einfachen Domaine des Tours von Emmanuel Reynauld verglichen, mit diesen etwas wilden, durchaus alkoholstarken und süßen und durch hellen und würzigen Grenache. Manchem wirkt der Wein zu gekocht, es gab die Aussage: »Schmeckt wie Vanille-Eis mit heißen Himbeeren.« Ich habe das selbst nicht als so extrem empfunden und hätte den Pinot ein Stück weit höher gesehen.

Über NZ-Wine direkt ab UK-Importeur.
Durchschnittliche Bewertung: 15,5 (Platz 29 / 30)

 

J.B. Becker, »Wallufer Walkenberg« Spätburgunder Kabinett 2014, Rheingau
Hajo Becker geht ganz anders an den Pinot heran als der Rest der Winzer. Bei ihm gibt es eine maceration carbonique, bzw. semi-carbonique. Die Maischegärung findet also bei 4 bar im Hochdrucktank mit CO2 statt. Danach erst erfolgt die weitere Gärung im großen Holzfass. Ein wenig von dem CO2 hat sich der Pinot auch noch bewahrt. Der 2014er Spätburgunder Kabinett stammt aus dem Wallufer Walkenberg im Rheingau, der rund 120 Meter hoch liegt. Der Boden ist geprägt von Lösslehm mit kiesigem Untergrund. Der Kabinett leigt im Alkohol bei 12 %.

Das verwendete CO2 findet sich hier auch noch im abgefüllten Wein. Der Wein zeigt sich am Vorabend mit heller, roter Frucht, etwas ruppig und mit einem leichten Geranienton. Er erinnert nicht unbedingt so offensichtlich an Pinot, mancher denkt an Gamay, was bei der Maischegärung auch durchaus Nahe liegt, andere an Cinsault. Insgesamt ein Wein, der mehr von der Machart als von der Frucht geprägt ist, mit Luft immer angenehmer und einladender wirkt, auch wenn er insgesamt unstrukturiert wirkt und ein wenig bitter und metallisch bleibt. Trotzdem wurde er vergleichsweise hoch bewertet.

Vom teilnehmenden Ralph Kawelke erhalten, ab Hof.
Durchschnittliche Bewertung: 16,38 (Platz 18 / 30)

 

Zwischenfazit
Der erste Flight war direkt fordernd. Es waren lauter leise Pinots, die sich allerdings völlig unterschiedlich präsentiert haben. Für Gerhard Retter passten die Weine »exzellent zum (völlig verregneten, kühlen) Novemberwetter. Eine gewisse Melancholie macht sich breit…« Gleichzeitig waren das »irrsinig spannende Weine, die Trinkanimation blieb aber eher verhalten.« Tatsächlich hatte man hier eher Essensbegleiter im Glas, von denen als Solist eigentlich keiner wirklich überzeugt hat, außer der Wein von Tom Litwan, der jedoch noch deutlich mehr Zeit benötigt. Trinkfreude sieht anders aus, dies war eher ein weinakademisches Lehrstück.

 

Flight 2: Newton Johnson – Littorai – Ocean Eight – Hamilton Russell – Jamie Kutch

Newton Johnson Family Vineyards, Pinot Noir 2015, Upper-Hemel-en-Aarde, Südafrika
Walker Bay und speziell der Bereich Upper Hemel-en-Aarde ist die angesagteste Region, wenn es um Cool-Climate-Weine aus Südafrika geht. Eines der Weingüter, die in den letzten Jahren den größten Sprung gemacht haben sind die Newton Johnson Family Vinyards. Nadja & Gordon Newton Johnson sind dort seit 1999 verantwortlich. Seit Jahren werden die Weine, allen voran der Pinot noir bei John Platter mit Höchstpunktzahlen bewertet. Grund genug, den 2015er Pinot Noir ins Feld zu schicken. Die Frucht stammt von verschiedenen Weingärten in Hemel-en-Aarde. Sie liegen zwischen 220 und 290 Meter hoch und sind geprägt durch Porphyr, verwitterten Granit und eisenhaltigen Lehm. Bei Newton Johnson gibt es cold soacking, also eine kühle Vorvergärung über fünf Tage. Es gibt einen kleinen Anteil von Ganztrauben. Im Weingut wird spontan und über 20 Tage hinweg vergoren mit wenig pigeage und sehr wenig Schwefelzugabe. Schließlich wird der Wein über 11 Monate in Barriques und Punchons ausgebaut von denen 27 % neu und gering getoastet sind.

Wie bei vielen anderen Pinots auch, gingen hier die Meinungen teils deutlich auseinander. Von »totaler Begeisterung« ob des ernsten Charakters ging es bis zum »unteren Durchschnitt mit viel Säure und zu viel Holz-Karamell.« Insgesamt aber überwog die Begeisterung. Beim Öffnen wirkte der Wein südlicher als beim Tasting. Da war der Wein süß und aromatisch mit einigen grünen, fast bitteren Noten. Die konnte man beim Tasting nicht mehr schmecken. Ja, der Wein war insgesamt durchaus üppig, doch die Frucht (viel Sauerkirsche) war abgefedert durch die Säurestruktur, der Wein zeigte sich »harmonisch und ausdrucksstark« und wurde entsprechend bewertet. Wie so oft bei diesem Tasting, sah man die besseren Weine aus den südlichen Ländern eher in Mitteleuropa. Der Newton Johnson wurde mit seiner Tanninstruktur und den leichten Reifenoten tendenziell als deutsch angesehen.

Anbieter: capegrape-shop.de, € 29,90.
Der Wein wurde zwischen 16 und 18,5 bewertet und kam auf eine durchschnittliche Bewertung von 17,38 (Platz 9 / 30).

 

Littorai, »Hirsch Vineyard« Pinot Noir 2014
Ted Lemon gehört zu den Vorreitern des Cool-Climate-Anbaus in den USA und gleichzeitig zu den Pionieren des biodynamischen Anbaus. Lemon war der erste Amerikaner, der eine burgundische Domaine, nämlich Guy Roulot geleitet hat. Vorher hatte er sein Handwerk bei Georges Roumier, De Villaine und Dujac gelernt. 1993 gründete er mit seiner Frau das Weingut Littorai und traf Vereinbarungen für das Pachten oder den Kauf von Trauben von Weinbergen im Sonoma County und im Mendocino County. 2008 stellten sie Ihre eigene Kellerei in der Nähe von Sebastopol im westlichen Sonoma County fertig. Sie betreiben mittlerweile nicht nur Ihr Weingut, sondern eine ganze Landwirtschaft nach den Grundsätzen und dem Kreislauf von Steiner: keine Spritzmittel, keine zugesetzten Hefen, keine kultivierten Bakterien, kein Säurezusatz, keine Enzyme usw. Bei Hirsch hat Ted Lemon einen Teil des Hirsch Vineyards gepachtet. Der liegt an der Sonoma Coast, direkt am Russian River, drei Meilen vom Pazifik entfernt auf rund 450 Meter Höhe. Der Boden ist geprägt von kiesigem Lehm und Schieferverwitterungsböden. Die beiden Parzellen wurden 1995 und 2001 gepflanzt, eine ist nach Osten ausgerichtet, eine nach Norden. Littoria kauft schon seit 1994 Trauben bei der Familie Hirsch.

Der Wein öffnete sich am Vorabend saftig und beerig mit einem süßen Kern und viel Kraft. All das trägt er in das Tasting hinein. Allerdings wirken die Gerbstoffe zwar einerseits sehr reif und samtig, andererseits schwingt da noch eine Bitterkeit mit, die etwas stört. Mit 12,8 % bleibt der Alkohol, den man tatsächlich nie spürt, moderat, trotz der Üppigkeit, die der Pinot besitzt.

Anbieter: schreiblehner.de, € 78,- (Import durch Koehler-Ruprecht).
Der Wein wurde zwischen 16,5 und 18,5 bewertet und kam auf eine durchschnittliche Bewertung von 17,36 (Platz 10 / 30).

 

Ocean Eight »Aylward Reserve« 2013, Mornington Peninsular, Australien
Seit 1986 wird auf der Halbinsel Mornington Peninsular Weinbau betrieben. Dieses Gebiet liegt ideal für die Erzeugung von Cool Climate Weinen. Unterhalb von Melbourne am Rande des Pazifiks profitiert es genauso wie das vorgelagerte Tasmanien von arktischen Strömungen. Dazu gibt es sandig-lehmigen Böden mit Kalkmergel im Untergrund. Mike Aylward hat bis 2004 im elterlichen Weingut Kooyong sein Handwerk gelernt. Kooyong war eines des ersten Weingüter in Melbourne. Mit Ocean Eight ist er dann eigene Wege gegangen und produziert Chardonnay, Pinotr Gris und Pinot Noir. Der Weinberg, in dem die Aylward Reserve entsteht ist mittlerweile rund 20 Jahre alt, flach und liegt auf 80 Meter Meereshöhe. Die biologische und biodynamische Arbeit ist durch Biogro zertifiziert. Mike Aylward arbeitet mit Cold soaking über fünf Tage und einer zwölftägigen relativ kühlen Vergärung.

So entsteht hier ein mineralisch lebendiger, schlanker Pinot mit einer dunklen Ausrichtung. Er spielt zwischen einer gewissen Kargheit und einem süßen Kern sowie erdigen Noten, die an Rote Beete erinnern. Mit Luft wird die Süße vordergründiger und so war der Wein der Runde ein wenig zu schmeichlerisch.

Dankend erhalten von Hendrik Thoma, Wein am Limit, € 49,-.
Der Wein erhielt eine durchschnittliche Bewertung von 15,88 (Platz 25 / 30).

 

Hamilton-Russell, Pinot Noir 2014, Upper-Hemel-en-Aarde
Hamilton-Russell gehört ganz ohne Frage zu den stilbildenden südafrikanischen Weingütern mit großer Vorreiterrolle. Gegründet von Tim Hamilton-Russel im Jahr 1975 war es eines der ersten Weingüter, die die besonderen klimatischen Bedingungen des kleinen Gebietes Hemel-en-Aarde zu nutzen wussten. Bis heute entstehen dort einige der besten Chardonnay und Pinot noir des Landes.

Leider gehörte diese Flasche des 2014ers nicht dazu. Wäre es am Vorabend offensichtlich gewesen, dass der Wein fehlerhaft ist, hätten wir eine zweite Flasche genommen doch der Pinot wirkte beim Öffnen nur etwas unharmonisch, etwas zu süßlich und ein wenig so wie der Catena White Stones bei der Chardonnay-Probe: angereichert mit einigen ungewöhnlichen Komponenten wie Eukalyptus. Beim tasting selber hat sich das dann Richtung »Leberwurst mit Majoran« entwickelt, bzw »Saunaaufguss Kiefernadel mit Sojasauce, Maggi und Karamell oder auch wie ein alter, ausgezehrter Burgunder. Das war sicher nicht im Sinne des Erfinders.

Anbieter: cwd.de, € 36,-.
Fehlerhaft, entsprechend aus der Wertung gefallen.

 

Jamie Kutch, »McDougall Ranch« Pinot Noir 2014 , Sonoma Mountains, Kalifornien
Jamie Kutch gehört zur jungen Generation von Weinmachern in Kalifornien, die bedingungslos auf Höhenlagen und Cool Climate setzen. Kutch ist Quereinsteiger, war vorher in New York, ist angefixt worden von Weinen, die er dort getrunken hat und die er sich leisten konnte – er war Broker. Bis 2009 als er sich entschieden hat, noch mal etwas direkt mit der Scholle zu machen. Also hat er sich eine alte Lagerhalle in Sonoma gemietet, ist hier und da in die Lehre gegangen, wenn man das so nennen will und hat begonnen, vor allem mit Pinot zu experimentieren. Heute gilt er als einer der profundesten Pinot-Kenner vor Ort. Er vergärt seine Pinots mit Stil und Stengel, also völlig unentrappt im Open-Top-Fermenter und natürlich spontan, wie man es erwartet. Kutch hat bei diesem Jahrgang minimal Säure zugegeben und den Wein über 16 Monate im französischen Holz ausgebaut. Der Pinot stammt aus dem McDougal-Ranch-Vineyard auf 300 Meter Höhe, fünf Kilometer vom Pazifik entfernt. Die Clones 114 und 115 sind 15 Jahre alt. Der Weinberg ist rund 2,5 Kilometer vom Hirsch Vineyard entfernt und ist von Grauwacke und Sandstein geprägt.

Für mich gehörte der Wein beim Öffnen zu den schönsten Weinen mit seiner dunklen, eleganten Frucht und der feinen Kräuternase samt einem kühlen Zug hinten raus. Die Aussage »Rubens, massig bis zum Geht-nicht-mehr,« konnte ich nicht ganz nachvollziehen, auch wenn der Wein über Nacht deutlich an Körper gewonnen hat. Für mich bleibt der Kutch kühler und feiner als Littorai und später auch Domaine de la Côte. Manchem missfiel das Dunkle des Weines, das man irgendwo bei Pflaume und Balsamico ansiedeln konnte, samt einem fleischigen Körper und einem diskreten Gerbstoff.

Dankend erhalten von weinhalle.de, € 59,90,-.
Der Wein erhielt eine durchschnittliche Bewertung von 16,3 (Platz 22 / 30).

 

Zwischenfazit
»Nach den Mager-Modells des ersten Flights kommt jetzt Dolly Buster,«
hieß es in der reinen Männerrunde. Und tatsächlich war es hier einigermaßen vorbei mit der Kargheit und die Weine wirkten schon deutlich tiefer und etwas satter in der Frucht. Newton Johnson hat hier einen deutlichen Achtungserfolg errungen, die Kalifornier waren bei weitem nicht so präsent und herausragend, wie sie es beim Chardonnay-Tasting gewesen sind. Insgesamt bestätigt sich der Einruck vom ersten Flight. Pinot noir ist im jetzigen Stadium der Trinkreife deutlich schwieriger zu beurteilen als es der Chardonnay war. Entsprechend gingen auch die Vorlieben zu den einzelnen Weinen auseinander.

 

Flight 3: Farr – Blank Canvas – Paul Cluver – Domaine de la Côte

By Farr, »Sangreal« Pinot Noir 2013, Victoria-Geelong
Ja, auch im dritten Flight gab es noch keinen französischen Wein aber immerhin zwei, die tendenziell dafür gehalten wurden. »Man ist voreingenommen und man hat die klassischen Länder im Visier. Das hätte jetzt niemand erwartet.« Tatsächlich gab es bei der Bewertung des By Farr weitgehend Einigkeit. Der Pinot Noir aus Geelong im australischen Victoria stammt aus dem 1994 angelegten Weinberg Sangreal. Dort findet sich Dolorit, darüber Kalkstein und eisenhaltiger Sandstein an der Oberfläche. Nick und Gary Farr lassen die Pinot-Frucht vier Tage lang kühl vorvergären, nutzen 65 % ganze Trauben und lassen den Wein lediglich über acht Tage vergären. Wenn der Tresterhut sinkt, wird gepresst, sagt Gary. Vergoren wird in hölzernen Open-Top-Fermentern und ausgebaut im neuen Holz über 18 Monate hinweg. Danach wird nur einmal leicht geschwefelt, es wird weder geschönt noch filtriert.

Der Sangreal bietet sowohl rote als auch dunkle Frucht, wobei mir besonders Sauerkirschen und Johannisbeeren samt ihrer Stengel auffielen. Dazu eine ätherische, kräutrige, ein wenig an Eukalyptus erinnernde Nase. Am Gaumen präsentierte sich der Wein kühl und fein, ja säurebetont. Das Holz, obwohl komplett neu, war exzellent eingebunden, der Pinot zeigte sich balanciert und fein. Für mich sicher der beste Pinot noir aus Australien, den ich bisher probieren konnte. In der Runde hieß es: »Jetzt mal ganz ehrlich. Wenn Du liest: Pinot noir aus Australien. Dann denkst Du nicht an sowas.« Das ist so gut. Allerdings kannst Du das halt nur verkaufen, wenn die Leute dir vertrauen und Du sagst: »Du bestellst jetzt mal ne Flasche. Im Zweifel zahl ich sie, Hauptsache, du probierst das.«

Anbieter: CB-Weinhandel.de für € 49,50.
Der Wein wurde zwischen 17 und 19 Punkten bewertet und kam auf eine durchschnittliche Bewertung von 18,05 (Platz 2 / 30).

 

Blank Canvas, Pinot Noir 2014, Marlborough
Es ging auf diesem Niveau weiter. Blank Canvas ist ein noch ganz neues Projekt, auch wenn der Weinmacher bereits rund 50 Jahrgänge Erfahrung aufweisen kann. Als Flying Winemaker bekommt man das in 25 Jahren hin und Matt Thompson war so einer, bevor er sich niederließ um mit seiner Frau Sophie ein eigenes Weingut zu gründen. Den Pinot-Weinberg im Waihopai-Valley in Marlborough hat Matt Thomson 2001 mit angelegt und er wird seitdem Bio-Gro-zertifiziert bearbeitet. Dort stehen ausschließlich Dijon 115er-Klone auf Kalkmergelböden mit Ton. Geerntet wurde mit 35hl/ha. Auch hier fünf Tage kühle Vorvergärung mit der Nutzung von 50 % Whole-Bunch, danach wurde spontan vergoren und über zehn Monate in gebrauchten und neuen Barriques mit wenig Toastung ausgebaut. Die Weine von Blank Canvas sind gerade erst in Deutschland erschienen und ich war froh, ein Exemplar für dieses Tasting verwenden zu können. Immerhin hieß es bei Jancis Robinson bzw. Julia Harding, die 18,5 Punkte gegeben hat, das sei der beste Marlborough-Pinot, den sie bisher probiert hätte. Tatsächlich war das gut nachvollziehbar, wenn auch ein anderer Marlborough-Pinot noch besser abschneiden sollte – marginal.

Im Gegensatz zu den eher dunklen Pinot-Varianten, die man eigentlich aus Neuseeland kennt, ist Marlborough deutlich rotfruchtiger. So ist es auch hier. Die Frucht ist hell und wird von Gewürzen, ja fast einer Pfeffrigkeit unterlegt. Der Wein atmet durch die Ganztraubenpressung eine schöne Frische, das Tannin ist fein und doch kraftvoll. Insgesamt ein ausgesprochen balancierter Wein mit Saft und Kühle. »Mustergültig«, hieß es und »Farr und Blank Canvas sind auf demselben Niveau. Farr ist etwas schmutziger. Blank Canvas ist ganz präzise, delikat, fein. Während man Blank Canvas in den Keller bringt, möchte man den Sangreal schon auf den Treppenstufen trinken.«

Erhalten von Neuseeland-Weinboutique (Endkunde), Vinabonus (Wiederverkäufer). Kostet € 29,99. Der Wein wurde zwischen 16,5 und 19 Punkten bewertet und kam auf eine durchschnittliche Bewertung von 17,86 (Platz 4 / 30).

 

Paul Cluver, »Seven Flags« Pinot Noir 2014, Elgin
So wie Tim Hamilton-Russel den Weinbau in Hemel-un-Aarde neu begründet hat, hat Paul Cluver das Ende der 1980er Jahre in Elgin getan. Das Gebiet, das mittlerweile Weltkulturerbe ist, war eher bekannt für den Obstbau. Doch der Neurochirurg hatte erkannt, dass es sich mit seinem kühlen Klima und dem Bokkeveld-Schieferverwitterungsboden hervorragend für Riesling, Sauvignon, Chardonnay und Pinot eignen müsste. Und so baut der Quereinsteiger genau das an. Mittlerweile ist Paul Cluver eines der renommiertesten Weingüter am Kap. Der Weinberg für den bekanntesten Wein des Weinguts, den Seven Flags Pinot, wurde 1989 gepflanzt, und zwar von 280 auf 400 Meter Höhe auf besagtem Schieferverwitterungsboden mit Lehmauflage. Auch hier wird kühl vorvergoren und zwar sechs Tage lang. Danach wird mit einem geringen Anteil Ganztrauben vergoren und drei- bis viermal am Tage der Tresterhut untergedrückt Weinmacher Andries Burger baut den Wein über 11 Monate in 228er und 500er Fässern aus von denen 20 % gering getoastet neu sind.

Tatsächlich fügt sich das Holz hier sehr schön ein. Es ist präsent, aber ummantelt die Frucht ganz passend, so dass der Wein süß rauchig wirkt, am Gaumen cremig mit einer leicht süßen Kuchenteig-Assoziation und einer saftigen Frucht. Allerdings ist der Pinot weder besonders komplex noch besonders lang und mit Wärme wird eine Note immer präsenter, die mancher als Hopfen, andere als Bonerwachs bezeichnen und die dort eigentlich nicht hingehört.

Anbieter: ludwig-von-kapff.de, € 39,-.
Der Wein erhielt eine durchschnittliche Bewertung von 15,86 (Platz 26 / 30).

 

Domaine de la Côte, »La Côte« Pinot noir 2013, Santa Rita Hills
Während Rajat Parr und Sashi Moorman mit ihrem Bentrock-Chardonnay aus dem Weingut Sandhi bei Cool Climate Chardonnay Tasting, ganz weit vorne lagen, haben wir uns mit dem La Côte deutlich schwerer getan. Der Weinberg La Côte, nachdem auch die Domaine benannt ist, liegt 500 Meter über dem Santa-Ynez-River rund zehn Kilometer vom Pazifik entfernt. Der Weinberg wurde nach und nach zwischen 2007 und 2006 gepflanzt und wird mittlerweile biodynamisch bewirtschaftet. La Côte ist ein kraftvoller Wein, intensiv und fruchtig. Allerdings dominieren hier die vegetabilen Noten als wären die Stängel von der Ganztraubenpressung nicht durchgängig reif gewesen. Dazu findet sich ein Geranien-Ton, der da definitiv nicht hingehört. Der Pinot wurde als »plüschig« bezeichnet, als »burlesk« und so, als wäre da »von allem zuviel.« Für den aufgerufenen Preis ist das ein sehr schwieriger Stoff, der definitiv noch nicht zu sich gefunden hat oder das auch nicht mehr tut.

Anbieter: bacchus-vinothek.de, € 79,-.
Der Wein erhielt eine durchschnittliche Bewertung von 16 (Platz 23 / 30).

Fazit
Daniel Twardowski hat es auf den Punkt gebracht: »Wir steigern uns. Wir haben zunehmend mehr Trinkfluss, es wird wärmer, es gibt eine längere hanging-time. Ich bin sehr überrascht über Neuseeland, wie gut die sind. Das hatte ich nicht erwartet. Und vor allem Marlborough, wo man sonst doch immer Central Otago oder Martinborough auf dem Schirm hat.« Tatsächlich hatten wir mit By Farr und Blank Canvas zwei große Überraschungen auf den Tischen, wo es ein ungläubiges Erstaunen gab, als ich aufgedeckt habe. Und das natürlich, weil hier keiner auf Übersee gesetzt hat. Die Weine wirkten beide vergleichsweise kühl, dazu komplex und balanciert. Dem Australier hat das zusätzliche Jahr in der Flasche gut getan. Der Wein wirkte fertig und in sich stimmig. Da kann man sehr gespannt sein, wie er sich in den nächsten Jahren entwickelt. Ob er es besser wird ist schwer zu sagen. Beim Blank Canvas dürfte es da keine Probleme geben, der Wein war blutjung, sehr einladend aber hier kann man noch mal eine deutliche Steigerung erwarten. Seven Flags und La Côte waren dagegen eindeutigere Kandidaten für Übersee. Beim Seven Flags sollte man noch mal eine weitere Flasche öffnen, so ganz stimmig schien diese nicht zu sein.

Hier geht es zu Teil 2.

Anwesend waren am 20.11.2017:
Christoph Raffelt (G.O., hat nicht mit gewertet)
Axel Bode, Witwenball
Ralf Kawelke (Weinakademiker etc.)
Gerhard Retter (Fischerklause, Cordobar)
Markus Budai (Lobenberg, Weinwisser)
Bertel Bruun (privater Weinliebhaber)
Christoph Nicklas (Meininger Verlag)
Hendrik Thoma (Wein am Limit)
Paolo Ardente (CWD)
Daniel Twardowski (Raritätenhändler, Pinot Noix)
Joseph Viehauser (Koch)
Tom Schramm (Sommelier, Winery Heilbronn)
Frank Krüger (Wein & Glas Compagnie)

 

 

 

 

 

5 Kommentare

  1. Super spannender Bericht! Bin auf Teil II gespannt!

  2. Sehr interessanter Zweiteiler.
    Nach welchen Kriterien wurden die Weine denn ausgewählt?

  3. Die Auswahl ergibt sich meist schon durch die Begrenzung des Angebots. In D gibt es nicht allzu viele Weine aus Übersee auf dem Niveau. Weine direkt aus den Ländern schicken zu lassen, ist aufwendig und die meistren Weingüter haben keine Lust, das zu tun.

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