Niko Brandner ist ein umtriebiger Mann. Der Franke hat vom Stand weg und innerhalb kürzester Zeit das neu gegründete Sekthaus Griesel & Compagnie in die erste Reihe der deutschen Schaumweinerzeuger geführt. Griesel hat seinen Namen vom dem Berg der hinterm Haus beginnt und in dessen Fundament man die Keller der ehemaligen Staatsdomäne in Bensheim an der hessischen Bergstraße gebohrt hat. Die dort ansässige Unternehmerfamilie Streit konnte die Domäne vor einigen Jahren erwerben und hat Niko aus dem dualen Studium in Heilbronn weg engagiert. Es gehört einige Chuzpe dazu, so ins kalte Wasser zu springen aber Niko hat es gewagt. Und wer wagt, der kann gewinnen. Da ihm die Erfahrung weitestgehend abging, muss der Mann diese durch ein unglaubliches Gespür für Schaumwein ersetzen. Denn Wein zu machen ist das eine, guten Schaumwein zu erzeugen aber ist noch mal eine ganz andere Kunst. Etwas von dieser Kunst hat er in sich aufgenommen als er eine Zeit lang an der Seite von Volker Raumland gearbeitet hat, Deutschlands führendem Sektmacher. Doch Niko hat ganz schnell zu einem eigenen Stil gefunden – und allein das ist bemerkenswert.
Eine neue Zeit mit von Buhl
Dass er da draußen im Markt mit seinen Sekten nicht alleine steht, ist ihm dabei wohl bewusst. Sekt, das ist für viele hierzulande etwas Halbseidenes. Und dieser Vorbehalt hat auch durchaus seine Berechtigung. Denn gefühlt fällt in Deutschland alles, was hier mit Bläschen versehen wird unter den Oberbegriff Sekt. Das hat diesen Begriff der einmal für Qualität stand, nachhaltig beschädigt. In der Champagne werden zwar auch mediokre Schaumweine produziert doch selbst die sind auf Grund der viel höheren Mindeststandards um ein Vielfaches besser als das, was inklusive Sektsteuer für unter € 5,- im deutschen Lebensmitteleinzelhandel angeboten wird. Der Begriff Sekt hat unter Weingenießern also keine Reputation und die sehr wenigen wie Volker Raumland, die hier in Deutschland in den letzten 20 Jahren Sekt auf hohem Niveau erzeugt haben, hatten es schwer, dagegen anzukommen. Doch in den letzten fünf Jahren hat sich etwas getan. Das hat unter anderem etwas damit zu tun, dass Richard Grosche, der Gutsverwalter des Pfälzer Weinguts Reichsrat von Buhl den langjährigen Chef de Cave des Champagne-Hauses Bollinger, Mathieu Kauffmann in die Pfalz holen konnte. Seitdem dieser den ersten Sekt unter seiner Regie lanciert hat und das Ganze entsprechend medial begleitet wurde, hat sich die deutsche Schaumweinszene verändert – ein Marketing-Coup. Und weit mehr als das. Die Sekte tragen eine völlig eigene Handschrift und sie tragen natürlich etwas von der Champagne in sich. So viel, dass hier und da zum Spaß von deutschem Champagner gesprochen wird.
Vorbild Terres et Vins
Doch nicht nur bei von Buhl werden hochklassige Sekte produziert. Um das zu zeigen hat Niko Brandner eine Veranstaltung organisiert, deren Vorbild Terres et Vins de Champagne heißt und seit zehn Jahren in der Champagne stattfindet. Die Terres et Vins sind eine Vereinigung von Winzern, die damals ebenso auf sich und die Veränderungen in der Champagne aufmerksam machen wollten, wie es die deutschen Sektweingüter hierzulande vorhaben. Als ich das erste Mal die Terres et Vins besucht habe, es war das Jahr 2012, das bestand die Veranstaltung aus rund 13 Winzern und einer interessierten aber übersichtlichen Menge an Besuchern. Das Ganze hatte Platz im Veranstaltungssaal eines kleinen Hotels im Örtchen Ay. Heute hat sich nicht nur die Zahl der Winzer verdoppelt sondern es drängeln sich im großen Saal im Palais du Tau in Reims den ganzen Tag über hunderte von Besuchern. Zudem sind aus der einzelnen Veranstaltung zwei Dutzend geworden und aus einem Tag eine ganze Woche die sich Printemps de Champagne nennt. Sie zeugt vom Wandel in der Champagne. Einem Wandel, den die Sektmacher in Deutschland ebenfalls herbeiführen möchten. Natürlich sind die Verhältnisse anders, aber es herrscht Aufbruchstimmung.
Das erste Mal Rohkost
Der Name Rohkost steht für ein wesentliches Detail der Präsentation, wie man sie auch bei den Terres et Vins findet. Die Winzer, die sich am 7. April bei Griesel eingefunden haben, präsentierten dort nicht nur ihre fertigen Sekte sondern ebenso ihre Grundweine, aus denen Sekte entstehen. So bekommt man eine Ahnung davon, welche Wandlung sich im Laufe der Zeit vollzieht. Vorbildlich an jenem Samstag im Hause Griesel war das Weingut Wilhelmshof, das zu den altgedienten Sektmanufakturen in Deutschland zählt. Dort bewahrt man sich immer einige Flaschen Grundwein auf um sie später wieder probieren zu können. Daher konnte Herbert Roth, der das Weingut zusammen mit seiner Frau Christa in Siebeldingen leitet, den Grundwein, den noch nicht degorgierten Wein und den fertigen Sekt präsentieren – eine spannende Angelegenheit. Denn es wird klarer, wie sich Frucht und Säure verändern und wie sich Spannung im Wein aufbauen kann.
Neben dem Wilhelmshof haben es sich Heide-Rose und Volker Raumland nicht nehmen lassen, der Veranstaltung beizuwohnen und sie haben ganz eindeutig ihre Klasse gezeigt. Meiner Meinung nach sind die Weine in den letzten Jahren noch mal besser und präziser und vor allem tiefer geworden und ich könnte mir vorstellen, dass es daran liegt, dass bessere Lagen die Grundlage dafür bilden. Hervorragend abschließend der 2010er Pinot Blanc de Noir Prestige Brut.
Von den schon etablierten Sektgütern war Schloss Vaux mit dabei, deren Stilistik mir persönlich aber immer zu reif und zu glatt ist. Das schmeckt mir immer so wie die bekannten Champagne-Marken, die letztlich allen gefallen wollen. Aber auch die haben ihre Berechtigung.
Ebenfalls zur weinigen Fraktion aber meiner Meinung nach mit deutlich mehr Charakter präsentiert sich das Weingut Bamberger von der Nahe. Bei den Sekten und auch schon bei den Grundweinen allerdings finde ich einen Stil, dem ich nichts abgewinnen kann. Der Riesling-Grundwein ist von sehr guter Qualität aber es ist ein Grundwein, der wie ein fertiger Riesling schmeckt. Daraus entsteht dann ein sehr weiniger Sekt. Das fühlt sich für mich nicht stimmig an, denn wenn ich Schaumwein trinken möchte, will ich zwar auch Klasse, Tiefe und Komplexität am Gaumen haben, aber ich suche ebenso nach Spannung und Druck am Gaumen. Ich will Frische.
Die finde ich beispielsweise bei Krack, dem jungen Sekthaus aus Deidesheim in der Pfalz, das seit meinen ersten Proben einen großen Sprung gemacht hat. Was da auf dem Tisch stand, war mehr als überzeugend, das war richtig gut. Die Grundweine wie beispielsweise der 2017er Langenmorgen Nature hatten genau die richtige Reife und Säure und Christian Krack hat bei den aktuellen Weinen die Perlage in den Griff bekommen. Die Bläschen waren in der ersten Zeit doch recht grob, der Sekt gerne im Mund aufschäumend. Die aktuellen Sekte sind viel präziser geworden. Chapeau Nummer 1!
Chapeau Nummer 2 geht an das Sekthaus Solter, dessen Erzeugnissen ich lange nichts abgewinnen konnte. Doch Kellermeisterin Sabrina Schach hat in den letzten Jahren wohl richtig herum gewirbelt und im Gespräch mit ihr wird ein sehr angenehmes Selbstbewusstsein und eine klare Linie deutlich. Das ist gut, richtig gut. Die Chardonnay-Grundweine sind präzise und genau stimmig in der Spannung von Säure und Schärfe sowie Körper und Komplexität, Rohsekt und fertiger Sekt aus dem Rüdenheimer Berg machen richtig Laune.
Sekt und Baden (die Region, nicht die Wanne) hatte ich bisher nicht zusammengebracht. Doch was in der Sektkellerei Reinecker aus Trauben aus dem Markgräfler Land entsteht ist überraschend guter Stoff. Das will nicht an der Champagne kratzen sondern einfach nur guter Sekt sein. Und genau das ist es – unkompliziert, frisch und klar zu bestechenden Preisen.
Dass im Badischen auch Grundweine für Spitzenprodukte entstehen können zeigen Laura Burkhardt und ihr Mann Sebastian Schür. Was die beiden auf der Rohkost als Premiere des Sekthauses BurckhardtSchür präsentiert haben, hat nicht nur mich umgehauen. Laura, früher im Team von Vinaturel und Sebastian, Außenbetriebsleiter im Weingut Fürst in Bürgstadt bringen Pinot noir vom Kaiserstuhl mit Chardonnay aus Franken und Pinot Meunier aus dem Taubertal zusammen und versekten das auf einem von Beginn beeindruckenden Niveau. Von diesem Nebenerwerbs-Startup werden wir noch Einiges hören, da bin ich mir sicher, und das ist natürlich Chapeau 3.
Dass im Weingut Eymann, wieder Pfalz, hervorragende Sekte entstehen, weiß man zum Beispiel bei Berry Brothers & Rudd in London, weshalb das altehrwürdige Haus die Sekte auch importiert. Vincent Eymann hat viel, viel Gefühl im Keller – beim Stillwein wie beim Sekt. Der 2011er Pinot Noir, der in Kürze auf den Markt kommt, wird ein Highlight im aktuellen deutschen Sektangebot, das ist eine Granate und befindet sich für mich auf einem Niveau mit den Sekten von Niko Brandner, die so erfrischend klar und präzise sind, wie man es hierzulande so lange so sehr vermisst hat. Und bei Griesel & Compagnie kommt noch so einiges, wie man im Grundwein des 2017er Pinot Noir Fürstenlager Tonneau schmecken kann und ebenso in der komplexen »Solera 5« aus den Jahren 2013 bis 2017. Derweil werden auch letzten Degorgements des 2013er Pinot Brut Nature Prestige immer besser und besser. So konsequent ist sonst kaum ein Wein in Deutschland versektet.
Dass wir hier keine Kreide im Boden haben, kann man da dann auch einfach mal vergessen – zumal diese Sekte eh keine Champagner sondern eigenständig Produkte sein wollen. Trotzdem darf man natürlich rüber in die Champagne schauen, wo das Know how viel komprimierter zu bekommen ist als hier. In der Sektmanufaktur Flik in Mainz ist noch Luft nach oben und das ist nicht schlimm. Gerade am Premium-Wein, dem Rosé Suavium darf noch gefeilt werden. Da gibt es spürbaren Holzeinsatz aber eine meiner Ansicht nach viel zu kurze Flaschengärung. Das ist noch nicht im Lot. Interessant ist hier aber der Auxerrois, der über eine erstaunlich komplette Säure verfügt.
Bei der rheinhessischen, biologisch arbeitenden Sektmanufaktur Strauch wird nach meinem Geschmack zu viel Verschiedenes ausprobiert. Da gibt es Sekt aus der Siegerrebe, aus Gewürztraminer und Bukettrebsorten, aus Gewürztraminer und Riesling, aus Weißburgunder, aus den klassischen drei Champagner-Reben, aus Silvaner und Chardonnay und irgendwie verliert man sich darin. Das ist mir persönlich zu viel Firlefanz. Seit Jahren gelungen finde ich den Zero Brut nature aus Weißburgunder und den 40 Monate gelagerten 2012er Riesling.
Abschließend zu Braunewell, ebenfalls in Rheinhessen. Die Meister des rheinhessischen Grauburgunders – ja, die gibt es auch – haben mit dem François Chardonnay und vor allem mit Chardonnay brut nature und Pinot Prestige brut nature starke Qualitäten im Sortiment.
Die Rohkost war gut besucht und sie war ein guter Anfang. Nächstes Jahr wird es weitergehen. Es war eine gute Idee, damit zu starten und es ist eine wichtige Initiative für den deutschen Sekt. Manche Namen wie Winterling, Andres & Mugler oder Barth fehlen noch, aber vielleicht gesellen sie sich ja noch dazu. Auch ein Weingut Scheuermann aus der Pfalz, in dem sehr ambitionierte Sekte entstehen, dürfte meiner Ansicht nach gerne dabei sein. Denn Zusammenrottung ist wichtig, um diese so lange niedergegangene Marke Sekt wieder zu stärken.
Wer mehr zur jungen Geschichte von Griesel erfahren möchte, der schaue ab nächster Woche in die Podcasts, da gibt es dann ein Interview mit Niko Brandner.
Wow ein wunderbarer Artikel! Danke dafür Herr Raffelt!
Das freut mich. 🙂