Großer Gewächs Grand Prix 2019 in Wiesbaden, Teil 1

Pünktlich eine Woche, bevor die VDP.Großen Gewächse des VDP.Die Prädikatsweingüter der Öffentlichkeit vorgestellten werden, haben ausgewählte Journalisten, Händler, Sommeliers und allem Anschein nach auch potente private Sammler die Chance, in Wiesbaden all jene Weine zu probieren, die dann ab dem 1. September in den Handel gelangen. Was Große Gewächse offiziell sein sollen und was dahinter steht, habe ich vor einigen Jahren mal im Rahmen einer anderen Vorpremiere zusammengefasst und hier erläutert. Was die Großen Gewächse tatsächlich sind, ist für mich noch immer nicht abschließend geklärt. Klar ist allerdings, dass der Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) in diesem Jahr 450(!) Weine zu Großen Gewächsen (fürderhin als GG bezeichnet) erklärt hat. Davon stammt ein Großteil natürlich aus dem Jahr 2018. Ein immer größer werdender Teil stammt aus dem Vorjahr, weil diverse Weingüter ihren Spitzenweinen einfach mehr Zeit geben möchten, und einige wenige Weine sind noch länger gereift, werden aber jetzt erst lanciert. Ich weiß gar nicht so genau, wann ich genau damit beginnen soll, mich damit auseinanderzusetzen, ob es gerechtfertigt ist, so viele Weine als GGs zu deklarieren. Ich glaube, ich mache es ganz zum Schluss. Wichtiger ist doch am Anfang das Lob, dass zunächst einmal den OrganisatorInnen der Vorpremiere gehört. Da waren sich auch in diesem Jahr wieder alle unter den TeilnehmerInnen einig, das es besser kaum geht. Ich konnte mich also drei Tage lang durch die 515 Weine kämpfen und immer einen Flight (meist vier bis sechs Weine ordern), die mir dann Minuten später an den Tisch gebracht wurden. Lediglich bei den Rotweinen war auf Grund der hohen Außentemperatur von über 30 °C irgendwann am Nachmittag keine optimale Probiertemperatur mehr zu erreichen.

Ich nutze diesmal – entgegen der üblichen Gewohnheit in diesem Blog – Punkte zur besseren Einordnung. Ich glaube, die höchste Wertung im Laufe der Tage waren 96 von 100 möglichen Punkten. Das sagt schon etwas über den Jahrgang 2018 aus, von dem ich der Meinung bin, dass er insgesamt ein guter Jahrgang, in manchen Gebieten auch ein sehr guter, aber sicher kein großer Jahrgang ist – auch wenn es in der Spitze natürlich einige wirklich überragende Weine zu vermelden gibt. Ich möchte dabei noch einmal in Erinnerung rufen, dass ein Wein von 85 – 89 Punkten als sehr guter Wein bezeichnet werden kann, ein Wein von 90 – 94 Punkten als hervorragender Wein und ein Wein mit 95 Punkten und mehr als großer Wein angesehen werden kann. Dass es dann Kollegen gibt, die beispielsweise am Mittelrhein keinen Wein unter 93 Punkte sehen, macht mich ein wenig ratlos. Aber, jeder Jeck is anders, wie der Kölner sagt (und ich mag Mittelrhein wirklich gerne).

Copyright: VDP

Alle GGs, die keine Rieslinge sind

Der erste Verkostungstag galt den Sorten, die kein Riesling sind, also Grauer Burgunder, Weißer Burgunder, Chardonnay, Spätburgunder, Lemberger und Silvaner. Dieser Tag war mehr von Frustrationen begleitet als von größeren Freuden. Gerade beim Grauburgunder und beim Chardonnay, aber auch beim Weißburgunder wurde sehr schnell die ganze Problematik der GGs offensichtlich. Da standen 2018er Weine an, die offensichtlich viel zu früh abgefüllt worden sind.

Grauburgunder
Würde man neben die 17 Grauburgunder der Verkostung auch nur einen aktuellen Zind-Humbrecht Pinot Gris aus dem Clos Windsbuhl daneben stellen, er würde sie alle wegblasen. Lediglich Rainer Schnaitmanns Grauer Burgunder Lämmler 2017 (91P) hatte für mich die Statur, die ein GG besitzen sollte. Würde man Weine dieser Verkostung dagegen als Erstes Gewächs anbieten, dann würde ich auch Salweys Grauer Burgunder Henkenberg 2016 (89P), Dr. Hegers Grauer Burgunder Winklerberg Hinter Winkeln »Gras im Ofen« 2017 (88P), Blankenhorns Grauer Burgunder Sonnenstück 2018 (87P) und Andreas Laibles Grauer Burgunder Plauelrain »Am Bühl« 2018 (88P) mit dazu nehmen.

Chardonnay
Bei den Chardonnays sah das ähnlich aus. Wer das Blog oder auch die Podcasts auf dieser Seite verfolgt hat, weiß, dass ich durchaus ein Fan deutscher Chardonnays bin; eben weil sich hierzulande in Bezug auf diese Sorte viel getan hat. Das spiegelte sich bei den GGsmeiner Ansicht nach aber nur unzureichend wider. Allerdings handelte es sich auch nur um eine kleine Menge. Wer sich trotzdem ein paar dieser Weine zur weiteren Entwicklung in den Keller legen möchte, dem sei Bernhard Hubers Chardonnay Bienenberg 2017 (Notiz: Etwas penetrant gewollte Flintnase, fast beißendes Schießpulver, hell und druckvoll am Gaumen, säurebetont, fast unreif wirkend, aromatisch grün mit einigen wenigen gelben Noten; abwarten, ob das wirklich gut wird, hat Kraft und Druck; 90P) empfohlen, Franz Kellers Chardonnay Kirchberg 2017 (Notiz: pikante Nase, Holz, leichter Blütenduft, hat Substanz; am Gaumen saftig mit Salzzitronen, etwas Nougat, auch etwas Vanille, gelbfleischig, saftig, gut eingebundene Säure, Holz aktuell etwas dominant, 91P) und – für mich eine positive Überraschung – Staatsweingut Freiburg Chardonnay Doktorgarten 2017 (Notiz mollig und warm, cremig, fast Sahnequark mit etwas Vanille und Birne, am Gaumen dann überraschend klar und druckvoll mit Kraft aber nicht ohne Eleganz, cremig, gute Säure, etwas Holz, macht Spaß, 90P).

Weißburgunder
Bei dem Weißburgundern habe ich mir nur eine kleine Auswahl gegönnt, weil ich persönlich der Meinung bin, dass diese Sorte unter den GGs eigentlich ähnlich weniger leistet wie der Grauburgunder. Dafür gibt es leider viel mehr davon (31). Ich weiß, ich trete damit vielen Leuten auf die Füße, aber einen Weißburgunder im Glas zu haben, den ich als Großes Gewächs bezeichnen würde, ist mir bisher nur selten untergekommen, ganz ehrlich. Ich sehe diese Weine eher in den unteren Bereichen der Qualitätspyramide, wo sie ja auch sehr erfolgreich sind. Die Weine, die mir sehr positiv aufgefallen sind, sind vor allem die aus Württemberg. Das gilt nicht nur für Grauburgunder und Weißburgunder, sondern später auch und vor allem auch für den Riesling. Württemberg is big gulp! Diese Weine tranken sich durch die Bank weg sehr gut – auch wenn ich sie natürlich alle gespuckt habe – aber der Trinkfluss wurde enorm animiert. Also, die Empfehlung lautet: Ellwanger Weißer Burgunder Hungerberg 2018 (90P) und Aldinger Weißer Burgunder Gips Marienglas 2017 (91P). Dazu kommen aus der Pfalz Pfeffingen Weißer Burgunder Herrenberg 2018 (90P), Ökonomierat Rebholz Weißer Burgunder im Sonnenschein 2018 (91P) und am besten abgeschnitten hat bei mir  – ich war selbst überrascht – der blütenduftige, fast zarte, und doch auch gut mit Holz versorgte Dr. von Bassermann-Jordan Weißer Burgunder Langenmorgen 2018 (92).

Spätburgunder
Und die Pinots? Ja, die Pinots … die waren, so leid es mir tut, in 2017 auch nicht immer der wirkliche Hit. Ich musste zwischenzeitlich echt kämpfen bei 55 Weinen aus 2017 und 25 älteren Weinen. Und doch gibt es einige sehr gute und ein paar wenige herausragende Weine. Enttäuschend fand ich die Riege der Ahr-Pinots, die ich in den letzten Jahren mal auf einem besseren Weg sah. Doch wenn ich zum Beispiel Julia Betrams Top-Spätburgunder daneben vorstelle mit ihrer Lebendigkeit und Frische und Saftigkeit bei gleichzeitiger Komplexität und Tiefe, dann kommen mir bei einem »likörig, überreif und fast gekocht« wirkenden Pinot fast die Tränen, das muss ich einfach mal sagen. Anderswo habe ich mir notiert: «süßlich abgestanden, ohne Gripp und Verstand». Ich weiß, es ist nicht nett, das so zu schreiben und ich vermeide das auch normalerweise. Aber es ärgert mich, solche Weine dort probieren zu sollen, wo es um Große Gewächse geht und die von Größe einfach mal sehr weit entfernt sind. Was mir in diesem 2017er Jahrgang übrigens besonders aufgefallen ist – und das vor allem in Baden – sind die oft penetranten Cassis-Noten, die ich darauf zurückführe, dass viel Schwefel vor und bei der Gärung verwendet wurde, was ich ebenfalls nicht goutieren kann.

Aber kommen wir doch zu etwas Positivem. Flight Nummer 71 beinhaltete mit Battenfeld-Spanier Kirchenstück Spätburgunder 2017 (Notiz: sehr attraktiver Holzeinsatz, etwas Vanille, dunkle Kirschfrucht, etwas Cassis, etwas Bleistift; am Gaumen mit schönem Säurespiel, leicht vanillig auch hier, rund, durchaus vielschichtig und mit Substanz, ein klein wenig kurz; 90P), Klaus Peter Keller Bürgel Spätburgunder 2017 (Notiz: leicht säuerlich wie Granatapfel und Berberitze, viele Trockenkräuter; im Moment mit dominierender Säure, leicht salzig, fast ein wenig warm wirkend; 90P),Rings Spätburgunder Saumagen 2017 (Notiz: sauersaftig, attraktiv und leicht pikant mit markanter Holstruktur, Holzkohle; leicht cremig, saftig, sehr fein, tief, etwas Sauerkirsche auch hier, Holzstruktur passend; 91P) und Christmann Spätburgunder Idig 2017 (Notiz: dunkel säuerlich mit markanter Phenolik; recht viel Holzwürze und Säure, da ist noch ein aromatisches Loch am Gaumen, aber eine wahrnehmbare Tiefe, noch sehr unfertig; 90P) gleich vier sehr gute Spätburgunder aus 2017. Direkt danach aber kam mit Flight Nummer 72 einer der besten Flights der gesamten Veranstaltung. Es waren gerade einmal drei Weingüter die daran teilnahmen. Rudolf Fürst Spätburgunder Schlossberg 2017 (Notiz: Holzwürze, rote und dunkle Frucht, etwas Stein, Trockenholz, etwas Rauch und kalte Asche, etwas Würze; leichte Süße, recht viel Saftigkeit, Substanz, gute Fülle, etwas Schmelz, stark; 93P), Benedikt Baltes Spätburgunder Schlossberg 2017 (Notiz: reduktive, leicht teerige Note mit Knallplättchen und dunkler Frucht; leicht süß, kraftvoll mit teeriger roter und dunkler Frucht, griffiges Tannin, ausgeprägte Säurestruktur, vielleicht aktuell etwas kurz; 91P), Benedikt Baltes Spätburgunder Bischofsberg 2017 (Notiz: weniger ausgeprägter Flintton, etwas Leder, noch recht verschlossen; dunkel, Holz kaum spürbar, pikante Säure, kraftvoll, lang, aber noch etwas undefiniert;  92P), Rudolf Fürst Spätburgunder Centgrafenberg 2017 (Notiz: feine Vanille, etwas Zimt, leichte Wärme, fast weihnachtlich aber sehr attraktiv auch im Hochsommer; leicht süßer Kern, sehr gute Struktur, Tannin prägnant aber gut eingebunden, gute aber noch nicht überragende Länge; 93P), Rudolf Fürst Spätburgunder Hundsrück 2017 (Notiz: Leider scheine ich mir die weggeext zu haben, es bleibt nur die Punktzahl und das Gefühl, einen unglaublich harmonischen, tiefen und berührenden Wein im Glas gehabt zu haben; 95P), Benedikt Baltes Spätburgunder Hundsrück 2017 (Notiz: etwas dunkles Miso, dunkle und rote Frucht, herrliche Kräuterwürze, etwas Bohnenkraut? Fantastisch klar und transparent; 93–94 P) sowie Zehnthof Luckert Spätburgunder Maustal 2017 (Notiz: Leicht reduktiv, etwas Cassisbonbon, feines Holz; saftig und leicht herb am Gaumen, pikant, transparent und klar, gute Länge; 92P). Tendenziell war ich in den letzten Jahren immer ein wenig mehr Fanboy von Benedikt Baltes, diesmal aber musste ich feststellen, dass die Fürstschen Weine eine Spur eleganter, feiner, tiefer und komplexer waren, was der Qualität der Baltes’schen Weine keinen Abbruch tut. Der Fürst Hundsrück ist für mich ganz unbestritten der Rotwein des Jahrgangs. Leider gibt es ihn nur in mikroskopischen Mengen.

Dass es bei Bernhard Huber, Dr. Heger, Franz Keller oder auch Klaus Peter Keller gute oder sehr gute Burgunder gibt, muss man nicht betonen, in helle Begeisterung haben sie mich in diesem Jahr noch nicht versetzt. Im 2017er Jahrgang würde ich zu den genannten Weinen außerdem empfehlen: Dautels Spätburgunder Forstberg 2017 (91P), Dr. Heger Spätburgunder Schlossberg 2017 (92P), Franz Keller Spätburgunder Schlossberg 2017(Notiz: leicht reduktiv Flint, Holz, Kräuterwürze; leicht warm, saftig, pikant, schöne Würze, viel Saft und Kraft; 91P), J. Neuss Spätburgunder Horn 2017 (Notiz: etwas von dem Flint bzw. Schießpulver, leichte Röstaromen dahinter; saftig, recht rund zunächst, dann pikant mit Kraft und klarer Säurestruktur, Holz gut eingebunden, vielleicht etwas warm hinten raus;  91P).

Bei den gereifteren Pinots stachen vor allem zwei Weine hervor. Die 2016er von Friedrich Becker waren alle exzellent. Vor allem aber der Friedrich Becker Spätburgunder Kammerberg 2016 (93P) war in seiner Saftigkeit und mit seinem Trinkfluss samt einer begeisternden Komplexität schwer zu toppen. Das gelang nur dem Rebholz Spätburgunder Im Sonnenschein 2014, dessen fünfjährige Reife viel dazu beigetragen hat, den wohl aktuell harmonischsten Pinot ins Rennen zu schicken (94P).

Silvaner
Was die Silvaner angeht, so haben mich von den angestellten 2018ern und 2017ern insgesamt nur wenige abgeholt. In 2018 lagen für mich Horst Sauer Silvaner Am Lumpen 2018 (Notiz: schön balanciert mit feiner Würze, balanciert; lebendig, leichtes CO2, saftig mit Druck, Kraft, Länge und Tiefe, mineralisch, Mirabelle und Steinfrucht, feine Textur, feine Bitternote;93P) zusammen mit Zehnthof Luckert Silvaner Maustal (Notiz: hell, leicht zitrisch, etwas unreife Ananas, gemahlener Stein, kreidig-kalkig, etwas Erde feine pikante Würze; ganz leichte Hefesüße, linear und klar mit feiner Pikanz, recht hell in seiner Aromatik, mit Kraft und Strahlkraft. Stein, Zitrone, packend und saftig, auch hier etwas Mirabelle und knackige Birne; 92P) weit vorne. Diese beiden Weine hätten noch von Bickel-Stumpfs Silvaner Mönchshof 2017 (Notiz: Böckser, Kuhstall, unreif wirkend; am Gaumen deutlich besser. Saftig, kernig aber reif mit gelber Frucht und Kraft, angenehmer Säure, cremiger Textur, das ist sehr gut; 92P) getoppt werden können, wenn der nicht einen Fehler gehabt und nach Kuhstall gestunken hätte. Am Gaumen aber war er begeisternd. Noch hervorheben möchte ich Paul Weltners Küchenmeister Hoheleite Silvaner 2018, Rainer Sauers Am Lumpen Silvaner 2018 und auch Egon Schäffers Am Lumpen Silvaner 2017. Diese Weine gehörten für mich auch in die Riege der Empfehlungen dieses Jahrgangs. Der Rest war für mich eher Mittelfeld zwischen 81 und 90 Punkten. Und dabei muss ich noch mal betonen: Mittelfeld ist überhaupt nichts Schlechtes. Ich trinke oft Mittelfeld, ich trinke oft Ortswein und freue mich darüber. Die Frage ist nur, ob so viel Mittelfeld in einer Großen-Gewächs-Probe erscheinen muss und das Ganze auf 515 Weine aufbläht, oder ob man aus vielen Weinen zum Wohle der Qualitätspyramiden-Struktur nicht doch eine erste Lage oder einen Ortswein macht oder selber mal einen Wein deklassifiziert in einem Jahr, in dem er einfach nicht in die Spitze vorstoßen kann. Denn: Über dem Großen Gewächs gibt es beim VDP nichts mehr. Und eine solche Anzahl an mittelmäßigen Weinen verwässert auf Dauer einfach den Wert der Qualitätspyramide.

Copyright: VDP

Die Rieslinge

Rheinhessen
Diese beiden großen Bereiche bilden für mich immer so etwas wie den Kern der Probe, mit rheinhessischen Weinen hat meine Leidenschaft für diese Sorte begonnen und so nehme ich sie auch immer zur Justierung. 38 Gewächse waren es aus Rheinhessen, 49 aus der Pfalz. In beiden Gebieten gab es ein paar traumhaft schöne Weine, die einen gewissen Frust, der sich am Tag zuvor eingestellt hatte, schnell vergessen ließen. Insgesamt war in beiden Regionen das Niveau recht konstant, mit wenigen Ausreißern nach unten. Von den beiden Neuankömmlingen in Rheinhessen hat sich das Weingut Bischel als exzellente Wahl herausgestellt (ich hatte es nicht anders erwartet) und mit der ureigenen Lage Scharlachberg und Hundertgulden und mit der mit Wagner-Stempel getauschten Lage Heerkretz drei richtig gute Weine abgeliefert – Chapeau. Winters Weine aus dem Leckerberg, Geiersberg und Kloppberg sind für mich eher Erste Lage statt Großer Lage. Dort befinden sich für mich auch immer die Weine von Kruger-Rumpf, über die ich mich immer freue, wenn ich sie irgendwo trinken kann, aber hier nicht unbedingt weit oben einordnen würde. Bei St. Antony ist nach den ganzen Umbrüchen sicher deutlich Luft nach oben, da wird noch an der Stilistik gefeilt. Ok, es wurde dort zehn Jahre lang an der Stilistik gefeilt, aber jetzt bin ich mir sicher, dass es in Kürze auch eine klarere Aussage geben wird. Von den 38 Gewächsen aus Rheinhessen habe ich 25 Weine bei über 90 Punkten gesehen. Um noch mal auf den Jahrgang zurückzukommen: Die meisten der dargebotenen Weine habe ich schon besser im Glas gehabt. Das erwähne ich nur noch mal, weil zwischenzeitlich immer wieder behauptet wurde, 2018 wäre ein großer Jahrgang. Nein, ist er nicht, zumindest sieht er aktuell nicht danach aus. Und doch machen die Weine großen Spaß, weil sie dank des langen Sommers natürlich schön saftig geworden sind. Manchen Weinen merkt man allerdings auch den Trockenstress an und wenn zu lange mit Maischestandzeiten gearbeitet wurde, dann kann es auch mal bitter werden. Andere Weine wiederum sind schlicht zu süß – gebietsübergreifend.

So, nun wieder zu dem, was Spaß gemacht hat. Per se kann man sagen, dass Gunderloch, Kühling-Gillot, Battenfeld-Spanier, Wittmann und Wagner Stempel abliefern. Und das nicht etwa routiniert, denn das wäre langweilig, sondern mit stetem Drang, immer noch ein bisschen besser zu werden. Das ist natürlich auch bei Klaus Peter Keller der Fall, aber da musst man sich mit einem Wein, nämlich dem Keller Riesling Abts E 2018 (Notiz: phenolisch und hefig, dann rauchig dunkel, trotzdem saftig wirkend; am Gaumen ausgesprochen saftig und frisch, dazu leicht dunkel würzig, etwas wild, voller Energie, mineralisch, stark: 94P+) begnügen. Es ist übrigens auch bei Kai Schätzel der Fall, nur dass seine Weine noch sehr unfertig wirken und ich die Weine eigentlich erst in einem Jahr beurteilen möchte. Auf dem 93 bis 94-Punkte-Niveau sah ich auch Kühling-Gillot Riesling Ölberg 2017 (Notiz: Orange und Zitrone mit viel Säure, viel Glycerin, Kräuterauszug, zart duftig, untergründige Kraft, wunderschön saftig, leicht salzig), Wittmann Riesling Aulerde 2018 (Notiz: neben der Zitrusfrucht und Stein durchaus ein wenig rotbeerig, etwas floral sogar; am Gaumen viel Saft, Druck, mit Zug, auskleidend, sehr saftig und immer salziger werdend), Wagner-Stempel Riesling Heerkretz 2018 (Notiz: erst ein wenig floral, dann immer rauchiger werdend, ein paar grüngelbe und zitrische Noten, Kräuter; baut am Gaumen mächtig Druck auf, ist kraftvoll, dunkel würzig, rauchig) und Wagner-Stempel Riesling Scharlachberg 2018 (Notiz:dunkelwürzig und zitrisch, etwas Petrol und Rauch, Stein, aber auch etwas Kernobst; kraftvoll und tief mit Phenolik, rauchig steinig mit klarer Mineralität, lang, pikant). Nur ganz knapp dahinter (92P) lagen für mich Gunderloch Riesling Pettenthal 2018 (Notiz: hell, zitrisch, fast streng, kühler Stein, Saft einer gerade reifen Zitrone; auch am Gaumen zitrisch, voller Druck und Spannung, sehnig geradezu mit viel Power, aber auch schwebend), Kühling-Gillot Riesling Pettenthal 2018 (Notiz: etwas weicher als Gunderloch, seidiger, etwas Gelbfrucht neben Zitrus, bzw. eher weißfleischig; saftig, dann aber auch ziemlich kristallklar, seidig, elegant, ruhig, etwas in sich gekehrt), Schätzel Riesling Pettenthal 2018 (Notiz: etwas wild im Moment noch von der Gärführung, salzig, phenolisch, rauchig, tabakig; sehr saftig schon, floral, Salzzitrone, leicht rauchig, sehr lang), Kühling-Gillot Riesling Hipping 2018 (Notiz: attraktiv, speckig, cremig, rauchig, noch etwas Gärung mit drin; sehr saftig, etwas floral, feine Würze, leise aber eindringlich mit strahlender Säure, land, druckvoll), Schätzel Riesling Hipping 2018 (Notiz: noch etwas Verärung mit drin, Hefe, etwas Salbe; sehr salzig, mächtig, feine Hefesüße, kompromisslos) und Wittmann Brunnenhäuschen Riesling 2018 (Notiz:zitrisch klar und hell mit gewisser zitrischer Strenge, aber auch viel Spiel, hinten raus etwas zermahlener Kalk, am Gaumen ein schöner Druck und eine leichte Phenolik, feine Textur, zitrisch-kalkig und sehnig, 92P).

Für mich strahlen allerdings noch zwei Weine über dieser Phalanx, und das sind Wittmanns Morstein Riesling 2018 (Notiz: erstaunlich fruchtig, saftig gelb, dann etwas Stein und so saftig, strahlend, hell, dann rauchig, feine Textur, nicht enden wollend, lang; 94–95P) und Battenfeld-Spaniers Riesling Zellerweg am schwarzen Herrgott 2018 (Flintig, wild und dunkel, immer mysteriös, etwas Petrol, dann kommt etwas violett Florales, Stein, Tiefe, Länge, und immer der schwarze Stern, 94–95P).

Wenn ich die Versteigerungsweine, die uns am Abend des zweiten Verkostungstages noch dazu nehmen dürfte, dann würde ganz oben auch Wagner-Stempels EMT Riesling 2018(Versteigerungswein, 360 Flaschen) stehen, der ebenfalls ein Gigant geworden ist.

Pfalz
Da würde übrigens auch Battenfeld-Spaniers Zellertal Kreuzberg Riesling 2018 (240 Flaschen). Also ob das Zellerweg oder Zellertal Kreuzberg heißt: diese dunklen, mysteriösen, rauchigen in die tiefsten Tiefen reichenden Rieslinge finde ich einfach zum Niederknien schön.

Doch zurück zu den eigentlichen Großen Gewächsen. Davon hat es in der Pfalz naturgemäß eine ganze Menge, und doch fällt es mir nicht schwer, die Highlights herauszupicken. Da gab es zunächst einen exzellent besetzten Flight mit den Orten Zell, Dirmstein, Laumersheim und Kallstadt. Rings Saumagen Riesling 2018 hat für mich die Nase vorn (Notiz: straff, straight, kühl, kräuterwürzig, saftig, druckvoll, würzig, tief und lang mit feiner Phenolik, sehr mineralisch, absolut lebendig und energetisch, 94P). Knapp dahinter das Philipp-Kuhn-Dreigestirn mit Kuhn Kirschgarten Riesling 2018 (Notiz: etwas floral, eigen, dunkel, etwas rotbeerig; 92P), Kuhn Schwarzer Herrgott Riesling 2018 (Notiz: phenolisch extrakreich mit wilden rauchigen Noten, dunkel und wild, kraftvoll; ganz leichte Süße, kühl, dunkel, mineralisch straff mit viel Säure, Phenolik und Druck; 93P) und Kuhn Saumagen Riesling 2018 (Notiz: recht balanciert und saftig, dunkel aber auch recht weich, später dann kommt Phenolik, und viel Säure; 93P). Tolle Weine von einem Weingut, dessen Erzeugnisse ich früher nie sonderlich goutiert habe. Auch Knipsers Mandelpfad Riesling 2018 (Notiz: etwas limosüß, Bitter Lemon, etwas Holz, etwas Stachelbeere und kalk, reif, saftig, trinkreif, gelb und weißfleischig, 91P) und noch mehr Knipsers Steinbuckel Riesling 2018 (Notiz: mehr Phenolik, dunkler, etwas rotbeerig auch, saftig, recht hell sogar, reif, viel zitrische Frische und Druck, hinten auch kalkiger Druck, gut aber reif, 92P) fand ich sehr gelungen. Pechstein, Jesuitengarten, Ungeheuer und Kirchenstück und Freundstück waren komplett besetzt von Acham-Magin, Georg Mosbacher und Geh. Rat Dr. von Bassermann-Jordan. Acham-Magin legt eine wirkliche gute Kollektion vor: Beim Acham-Magin Pechstein Riesling 2018 mit viel Druck und Zug und einer angenehm kühlen Mineralik (91P), beim Acham-Magin Ungeheuer Riesling 2018 mit viel Würze und Tiefe, das gefällt mir sehr gut (92P). Der Acham-Magin Kirchenstück Riesling 2018 dagegen gefällt mir mit seiner Stachelbeer-Cassis-Aromatik weniger gut, auch wenn es nicht aufdringlich ist, aber nach meinem Geschmack ist er zu süßlich. Diese an Sauvignon blanc erinnernde Aromatik findet sich auch im Bassermann-Jordan Langenmorgen Riesling 2018, und dort ist sie lauter und limonadiger, so dass von der Rebsorten-Typizität nicht viel bleibt. Da gefielen mir Hohenmorgen und Freundstück doch deutlich besser. Den Weinen von Georg Mosbacher konnte ich persönlich nicht viel abgewinnen. Da war mir zu viel Reife, zu viel Süße, zu viel Fruchtzwerg-Aromatik mit drin und dafür einfach zu wenig Säure, auch wenn das andere gerne trinken mögen – und das ist für mich völlig ok. Schließlich handelt es sich hier um eine persönliche Betrachtung, und ist nicht der Weisheit letzter Schluss.

Ab Flight 40, also der Paarung mit Kirchenstück und Freundstück startete dann auch so die Christmann’sche Ouvertüre, die dann nach drei Akten nahtlos in die Rebholz-Festspiele überging. Sie prägten die 2018er-Präsentation der Pfalz wie kein anderes Weingut und ich denke, ich bin mit dieser Meinung nicht alleine. Es ist ja auch nicht wirklich eine Überraschung – zumal, wenn Dr. Bürklin-Wolf und Reichsrat von Buhl gar nicht am Start sind. Es zeigt aber auch, dass die eigentliche Spitze insgesamt im VDP sehr klein und überschaubar ist. Nicht nur im VDP natürlich, denn von außerhalb spielen wahrscheinlich nur Koehler-Ruprecht und Odinstal in der gleichen Liga in der Pfalz. Den Auftakt bildete Christmanns Reiterpfad-Hofstück Riesling 2018 (Notiz: würzig, fast ein bisschen medizinisch herbal, kalkig, kühl fast mager, straff, klar, fokussiert, eine ganz leichte Hefesüße, ansonsten trocken mit reifer Säure, Saftig außerdem, hinten raus leichte Phenolik, etwas Stein, durchaus mineralisch, saftiges weißes Obst, 92P), das eindrücklich zeigt, dass auch die wärmste Christmannsche GG-Lage in einem langen heißen Sommer straff, mineralisch und auf Textur statt auf opulente Frucht hin ausgebaut werden kann. Weiter ging es mit Christmanns Idig Riesling 2018 (Notiz: manchen Weinen merkt man beim ersten Atemzug an, dass sie groß werden. Beim Idig ist das so, beim Kastanienbusch von Rebholz auch, nur anders. Hier ist es die puristische Kargheit, die steinig kalkige Note, die leichte Creme, die darüber liegt aber wie ein Hauch wirkt, etwas Kernobst, Kräuterwürze, am Gaumen pur und herb und saftig, tonisch, lebendig mit einer feinen Textur und einer immensen, leicht salzigen Mineralität, gar nichtweit ausladend sondern straight und fokussiert, noch lange nicht fertig aber schon wunderschön, 95+ Punkte). Es ist ein unfertiges Monument aus 2018, für mich sicher unter den besten drei Rieslingen des Jahrgangs. Es ging noch weiter mit Christmanns Mandelgarten-Meerspinne Riesling 2018, aber die hat es schwer, diesem Idig-Koloss das Wasser zu reichen. Es ist trotzdem ein sehr gelungener Wein (Notiz: recht verschlossen, kreidig, leicht nussig, etwas zitrisch, am Gaumen sehr fokussiert, straight, straff, fast mager, karg und doch tief und stinig würzig, mit etwas Kernobst und Zitrus, 92P). Was man dabei nicht vergessen sollte ist der Müller-Cartoir Bürgergarten »Im Breumel« Riesling 2018, der sich phenolisch, extraktreich aber nicht bitter, rauchig, saftig und mit einer hellen Kopfnote sehr angenehm und zugänglich präsentiert hat (92P).

Die Südpfalz präsentierte sich mit acht Weinen von exzellenter Qualität. Siegrists Sonnenberg Riesling 2018 zeigte sich hell, klar, weißfruchtig, leicht kräutrig, leicht cremig und zitrisch im Duft und am Gaumen herb, kreidig kalkig, ebenfalls zitrisch, insgesamt komplex und lang (93P). Kranz’ Kalmit Riesling 2018 steht ihm in nichts nach, ist halt nur ein anderer Typ. Er zeigt mehr Phenolik, ist extraktreicher, straighter, leicht salzig mit viel Zug, in Bezug auf die Frucht recht hell, gleichzeitig rauchig (93P). Bevor ich mich den Rebholz-Festspielen widme, sollten die beiden Kastanienbusch-Rieslinge von Dr. Wehrheim erwähnt werden. Denn die waren ebenfalls von herausragender Qualität, auch wenn sie nicht ganz an Rebholz’ Kastanienbusch heranreichen konnten – da der Riesling jedoch meiner Ansicht nach ebenfalls zu den Top 3 des Jahrgangs gehört, ist das wahrlich keine Schande. Der »einfache« Dr. Wehrheim Kastanienbusch Riesling 2018 zeigt sich zunächst leicht vegetabil mit Kern- und Steinobst, gleichzeitig elegant und harmonisch, am Gaumen saftig, auch hier elegant, cremig, mit leichter Salzigkeit und gutem Trinkfluss (91P). Dr. Wehrheims Kastanienbusch »Köppel« Riesling 2018 war deutlich rauchig mit weißer Frucht, leicht kräuterbetont und spannungsvoll. Am Gaumen mit viel Gripp und Ernsthaftigkeit, einer leicht süßen Frucht, insgesamt aber trocken mit guter Länge (92P). Ökonomierat Rebholz’ Im Sonnenschein Riesling 2018 lieferte eine leicht schwebende Süße, dann eine Mischung aus weißblütigen floralen Elementen, etwas Stein- und Kernobst mit Minze. Am Gaumen war der Wein saftig, hell, kräutrig, leicht phenolisch mit gelungener Säurestruktur, sehr klar und geradelinig (92–93P). Ökonomierat Rebholz’ »Ganzhorn« Im Sonnenschein Riesling 2018 war geprägt von einer Note, die an Obstkuchen mit Hefeteig und einer leichten reifen Süße erinnerte. Am Gaumen fand sich Kernobstfrucht, weißfleischiges Steinbost, leicht cremig mit viel Kraft, etwas mehr Phenolik als im Sonnenschein, im Finale lang mit immer mehr Phenolik, flüssigem Stein, zitrischem Druck und einer leicht salzigen Mineralik (94P). Rebholz’ Kastanienbusch Riesling 2018 schließlich war der zweite Riesling, bei dem mit dem ersten Moment klar war, dass man es hier mit einem außergewöhnlich großen Wein zu tun hat. Weitgehend verschlossen und unfertig, leicht herb mit Trockenkräutern, Zitronen, Äpfeln, Apfelschalen, mit phenolischen Tönen, Austernschalen und Nussschalen. Am Gaumen kompakt, mit sehr viel Phenolik, herber Tiefe, wiederum Apfel und Apfelschale, zitrischen Noten und Stein. Ein druckvoller, kompromissloser, mächtiger und langer Wein – ein stiller Riese (96P).

Dr. Bürklin-Wolf und Reichsrat von Buhl kamen jeweils mit Late Releases aus 2017 zur Verkostung und ich muss gestehen, ich habe sie nicht probiert.

Hier geht es zu Teil 2.

11 Kommentare

  1. Frank

    Bevor ich den letzten Satz gelesen habe, wollte ich schon meckern. Kein Moselwein? Doctor? Scharzhofberg?

    🙂

  2. Friedrich Lang

    Die mangelnde Typizität des Bassermann Langenmorgen liegt wohl daran, dass es ein Weißburgunder ist. Wahrscheinlich falsch eingestellt.

  3. Tja, das ist mir jetzt auch nicht klar. Den Langenmorgen Weißburgunder GG von Bassermann-Jordan hatte ich ja weiter oben lobend erwähnt, aber in der Liste der angebotenen Riesling GGs taucht tatsächlich der Bassermann-Jordan Langenmorgen auf – neben dem von Georg Mosbacher. Und zwar sowohl in der offiziellen Verkostungsliste, als auch in der mit vorliegenden Excel-Tabelle. Ich forsche mal nach. Danke für den Hinweis jedenfalls.

  4. Friedrich Lang

    Ich habe noch mal bei Bassermann-Jordan nachgefragt: Es gibt
    keinen Langenmorgen Riesling.

  5. Also, ich habe jetzt gerade beim VDP nachgefragt und der VDP hat im Weingut Rücksprache gehalten mit Herrn Gunther Hauck, dem kaufmänischen Leiter des Weinguts. Er hat bestätigt, dass es sich um den 2018er Langenmorgen Riesling GG gehandelt hat, der aber noch weitgehend unbekannt ist und erst neu und in kleinen Mengen abgefüllt wird.

  6. Friedrich Lang

    Oh, das tut mir jetzt aber leid, dass ich unnötige Irritationen und Aktionen
    verursacht habe. Die Existenz des Rieslings GG wurde auf meine Nachfrage
    so eindeutig verneint, dass ich nicht mal B-J Co-Chef Uli Mell, den ich am
    selben Tag zufällig traf, darauf angesprochen habe. Vielen Dank dann
    doch für die Aufklärung.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert