Letzte Tage habe ich für Freunde einen italienischen Weinabend aus 12 Weinen zusammengestellt. Bis auf die beiden Süßweine waren es vor allem 2011er und ein paar 2010er. Insgesamt war das ein sehr gemischter Abend mit deutlich mehr Tiefen als Höhen. Insgesamt wirkten die meisten Weine zu breit, zu süß und dabei oft kratzig und unharmonisch. Vor allem wurde schnell offensichtlich, dass man diese Weine am besten nur mit Essen zu sich nimmt und sie solo deutlich weniger Spaß machen. Nun war 2011 gerade im Norden sicher auch kein einfaches Jahr.
Der 2011er Pranzegg Caroline dürfte die beste Zeit hinter sich haben. Die Caroline wirkt zu Beginn ja immer sehr reduktiv, gestern war sie eher oxydativ mit recht viel Extrakt und Gerbstoff. Mir hat der Wein durchaus gefallen, doch als Solist war die Cuvée aus Chardonnay, Viognier, Manzoni bianco und Sauvignon Blanc zu mächtig, wozu auch die 14,5 % Vol. beigetragen haben. Der 2011er Vie di Romans hatte Kork und da ich nur eine einzelne Flasche hatte, gab es dann den 2010er Vie di Romans Rive Alte Chardonnay. Der Wein machte überhaupt nicht den Eindruck eines Chardonnay. Er schmeckte eher nach Aromarebsorten wie Sauvignon Blanc oder Malvasia mit viel Frucht. Auch er wirkte insgesamt eher behäbig und wenig frisch.
Viel frischer und vor allem spannender dagegen zeigte sich der 2011er La Stoppa Ageno aus der Emilia. Eine Cuvée aus 90 % Malvasia di Candia Aromatica mit Ortrugo & Trebbiano, vier Monate auf den Schalen vergoren, ein fantastisch vielfältiger aromatischer Wein von jeder Menge Blüten über kandierte und getrocknete Früchte bis hin zu medizinalen Noten von Hustensaft, dabei knochentrocken am Gaumen mit seidiger Säure, viel Extrakt und guter Länge.
Der 2011er Pranzegg Quirein zeigte die Tiefe und Samtigkeit der Sorte Lagrein, die reife schwarze Frucht, aber auch recht viel flüchtige Säure bzw. Klebstoff-Noten, die mit Wärme immer stärker wurden und keinen Spaß machten. Auch der 2011er Nervi Gattinara Valferana verwöhnte nicht mit Trinkfluss. Der Nebbiolo wirkte eher breit, das Tannin noch ruppig und der Wein überhaupt nicht in Balance.
Der 2011er Gloria ist der Top-Wein vom Nusserhof in Südtirol und laut Antonio Galloni der beste Lagrein der Welt. Aber sicher ist er das nicht in 2011, es sei denn, die anderen Lagrein aus dem Jahrgang machen noch weniger Spaß. Der Wein ist zwar komplex und dicht gewebt, aber ihm fehlt am Gaumen die Frische und es fehlen ein paar Ecken und Kanten, um den Wein interessant zu machen. Für eine solche Runde ist das ein interessantes Lehrstück, aber trinken würde ich eher was anderes aus gleichem Hause. Im offiziellen Statement des Verbandes wurde der Jahrgang als gut bis sehr gut bewertet mit dem Zusatz: “With the red wines of 2011, everyone agrees: the absolute hit is Lagrein.“ Das kann ich für die beiden Lagrein von gestern nicht behaupten.
Weiter ging es mit einem Paar aus r Toskana, und zwar einem Wein mit Seltenheitswert gegenüber einem Wein aus einer angesagten Appellation. Der 2011 Podere Poggio al Gello Pugnitello kommt aus der Provinz Grossetto und wird erzeugt von Giorgio und Alda Chiarini Nelli. Pugnitello, das “Fäustchen”, ist eine autochthone Rebsorte der Region, von der man früher dachte, es wäre eine Variante des Montepulciano. Das war ein dunkler, leicht erdiger, konzentrierter Wein, der aber eher fast so süß und konzentriert wirkte wie ein Governo Toscano. Auf den 2011er Podere Scopetone Brunello di Montalcino bin ich vor Jahren gestoßen, weil der Wein zum Angebot von Marco de Grazia gehörte, einem erfolgreichen Weinhändler, der vor einigen Jahren das Etna-Weingut Terre Nere gegründet hat. Der Brunello hatte mir in den letzten Jahren immer wieder gut gefallen. Keine Highlight aber ein grundsolider Sangiovese. Den Charakter des Sangiovese hat man hier nicht mehr wirklich spüren können, da fehlte mir einfach die Säurestruktur. Ich hatte den Wein am Mittwoch umgefüllt und er hat bis Freitag sowohl in den kleinen Fläschchen als auch in der Originalflasche stark abgebaut, roch unangenehm und war am Gaumen dann zwar noch ganz gut, aber keine Besonderheit.
Dagegen war der 2010er Casal Vegri Decennale Valpolicella Classico Superiore von Ca’ la Bionda eine große Wohltat. Der Wein duftete nach roten wie dunklen Beeren mit einigen reifen grünen Noten und ein wenig Eisen. Fast streng wirkte er, aber gleichzeitig frisch. Am Gaumen hätte er etwas mehr Kante bieten können, da wirkte er fast ein wenig zu brav und harmoniesüchtig, dafür aber angenehm trocken. Das war für mich der beste Rotwein des Abends. Denn der 2010er Occhipinti Siccagno Nero d’Avola konnte nicht überzeugen. Der Wein wirkte etwas müde, oxydativ, mit einer spitzen Säure und etwas gekochter Frucht und kaum Tannin. Das ist so gar nicht das, was ich sonst von Arianna Occhipinti kenne. Auch hier gab es zu viel an Süße und zu wenig an Frische. Und wenn man den 2010er Contrada von COS daneben probiert, den wir in der gleichen Runde im Januar getrunken haben, dann sind das zwei verschiedene Welten.
Der 2007er Le Petit Manincor, ein reinsortiger Petit Manseng spaltete ein wenig die Gruppe. Die einen fanden in sehr angenehm fruchtig, reif und voll, wenn auch die Säure ein wenig fehlte. Die anderen störten sich deutlich an einer Duft- und Geschmacksnote, die sie an gekochten Kohl erinnerte. Mich erinnerte das ein wenig an Milchsäurebakterien, wie man sie in Effektiven Mikroorganismen (EM) findet. Ich mochte den Wein. Der eigentlich versöhnliche Abschluss des abends aber war der 2008er Marco de Bartoli »Bukkuram« Padre della Vigna Passito di Pantelleria. Was für ein fantastischer Süßwein: Tiefe und komplexe Frucht, viel Dörrobst wie Feigen und Datteln, viel kandierte Frucht, würzige Noten von Ingwer, Haselnüsse, eine sehr passende Säurestruktur, die die Opulenz des Weines am Gaumen sehr gut kontern konnte. Ich hätte in dem Wein baden können zum Schluss. Aber das wäre dann etwas sehr klebrig gewesen.
Was also ist die Lehre, die man aus dieser Probe ziehen kann? Die meisten Weine können zunächst einmal wenig dafür, dass ich sie zehn oder elf Jahre lang in den Keller gelegt habe. Manche dieser Weine sind sicher nicht darauf ausgelegt. Zumal, wenn sie aus einem eher schwierigen Jahrgang 2011 stammen. Doch andere Weine sind noch im Handel zu erwerben und insofern darf man ihnen durchaus auf den Zahn fühlen. Zumal, wenn es Weine sind, die eigentlich nur in den besseren Jahren gefüllt werden. Sie sollten dann schon zehn Jahre schaffen. Bei Martin Gojers Caroline muss man meiner Ansicht nach das richtige Zeitfenstererwischen, wenn der Wein aus der ersten Phase der starken Reduktion herauskommt. Den Zeitpunkthabe ich beim 2011er Jahrgang verpasst. Arianne Occhipintis Siccagno Nero d’Avola ist ein ganz anderer Wein als der COS Contrada Nero d’Avola. Letzter ist sicher ein Vin de Garde, Ariannas Wein eher zum früheren Genuss bestimmt. Bei anderen Weinen stimmen vielleicht Anspruch und damalige Wirklichkeit noch nicht so ganz. So bei Vie di Romans und Nervi, die 2011 sicher noch nicht da waren, wo sie man sie heute sieht oder in Zukunft erwartet. Bei manchen Rebsorten (in diesem Fall Lagrein) und Weintypen (vins vivants) macht es Sinn, die Entwicklung der Weine viel engmaschiger zu verfolgen, als ich es getan habe. Letztlich ist es eine solche Probe nur eine Momentaufnahme, die auch nur für den Moment eine wirkliche Aussagekraft hat.
Hallo ,
zuerst Mal zur schnellen Korrektur
Eine Cuvée aus 90 % Malvasia di Candia Aromatica 90% mit Ortrugo & Trebbiano ???
Keine Highlight aber ein grundsolider Sangiovese
Dann :
Interessant zu lesen, aber etwas verwunderlich was die Bewertung des 2011er Jahrgangs angeht. Ich bin da als südfranzösischer Deutscher sehr verwundert, weil es sowohl in BRD sehr gute, als auch hier mehrere erste Jahrhundertweine gab. Mir scheint das doch eher an der Lagerfähigkeit oder den Lagerkonditionen zu liegen.
Vin naturel und engmaschigere Beobachtung – ja das ist absolut notwendig. Die Weine sind in der Regel sehr lebendig. Da reihen sich viele Zustände aneinander. Ich würde nicht Entwicklungsphasen sagen, weil dass ein Bild von Weiterentwicklung im Sinne von Besser-werden bzw. vorher nicht gut sein vermittelt. Dem ist nicht so. Diese Weine haben Phasen in denen sie phantastisch sind und Phasen, wo man denkt : das war es jetzt. Mein Rat immer : liegen lassen und in 2-3 Monaten noch einmal probieren. Mit Glück reicht auch 2 Tage offen stehen lassen.
Zu fragen ist allerdings auch, ob die Lagerfähigkeit nicht viel mit der Machart, der sauberen und konsequenten Verarbeitung zu tun hat? Da sollte man sich scheuen das auch bei Weinen von angeblich gestandenen oder renommierten Winzern zu fragen.
Hallo Karl, Danke für die Korrektur, die 90 % hatten sich verdoppelt. Es mag auch in Italien sehr gute Weine aus 2011 geben, aber insgesamt war das dort ein sehr gemischter Jahrgang. Die Weine, die ich im Keller hatte aus der Zeit, hatten alle gute Lagerkonditionen. Da liegen auch Weine, die ich schon sehr viel länger lagere und die in bestem Zustand snd. Den Gatinara hatte ich gerade erst dazu gekauft, doch auch der wusste nicht zu überzeugen. Manche der Winzer, deren Weine nicht zu überzeugen wussten und eher zur low-intervention-Fraktion gehören, hatten noch nicht so viel Erfahrung. Martin Gojer zu Beispiel oder Arianna Occhipinti. Die haben sich seit dieser Zeit enorm weiter entwickelt. Warum jetzt der Brunello so abgebaut hatte, kann ich auch nicht erklären … Ansonsten habe ich seit 20 Jahren Erfahrung mit so genanntem Naturwein.