Es ist ziemlich genau fünf Jahre her, da hatte ich eine Gruppe von Menschen aus der Weinwirtschaft, Sommeliers und Weinliebhaber zu einem runden Tisch im Hamburger Witwenball geladen, um 30 Chardonnay aus meist kühlen Gebieten rund um den Globus zu probieren. Die Ergebnisse – hier und hier noch einmal ausführlich nachzulesen – haben damals viel Beachtung gefunden, war es doch einer der ersten Auftritte der Chardonnay Resèrve 2015 von Tobias Knewitz. Dieser Wein schnitt dann schnell bei einigen weiteren Proben sehr gut ab und hat den Ruf von Tobias als Chardonnay-Künstler hervorgebracht – auch wenn er sich viel mehr als Riesling-Winzer versteht.
Damals schon hatte ich vor, die Konterflaschen einzulagern und sie fünf Jahre später zu einem „Reenactment“ wieder hervorzuholen. Dieses Reenactment hat nun am 11. Juli 2022 wieder im Witwenball stattgefunden. Leider unter Corona-Bedingungen, was dazu geführt hat, das ausgerechnet Tobias Knewitz nicht mit dabei sein konnte um zu erfahren, wie sein Wein fünf Jahre später abschneiden würde.
Die Bedingungen waren ganz ähnlich zu damals. Ich habe die Weine am Morgen geöffnet, probiert, die Flights zusammengestellt und die Weine konnten ein bisschen Luft ziehen. Von drei Weinen hatte ich keine Konterflaschen (Boillot, ersetzt durch Morey, Fèvre und Huddle Creek, wo ich die Konterflasche schon fürs erste Tasting gebraucht habe). Nachdem der Ganevat schon vor fünf Jahren nicht brilliert hat, hatte der zweit Wein Kork. Hinzugekommen ist lediglich der 2013er Alte Reben von Sabathi, der bei der ersten Probe nicht mit dabei war, weil er auf dem Postweg zu mir zwischenzeitlich verschollen war.
Den Gaumen „aviniert“ haben wir mit einem 2013er Quartz Reef von Rudi Bauer aus Central Otago. Ein Blanc de Blancs-Schaumwein in der Tradition der Francicorta, mit gefühlt weniger Druck und mehr Cremigkeit, als es beispielsweise in der Champagne üblich ist. Dazu wirkte auch die Brut-Dosage recht hoch. Insgesamt aber ein schöner, eleganter Schäumer.
Da ich die Chardonnays vor fünf Jahren alle näher in ihrer Herkunft und Machart beschrieben habe, beschränke ich mich diesmal im Wesentlichen auf ihre Präsenz am 11.7.2022.
Flight 1: Wohlmuth, Rod McDonald, Catena, De Wetshof
Der Wohlmuth Ried Edelschuh Chardonnay 2012 stammt vom roten und blau-schwarzen Schiefer aus sehr steilen Lagen in der Südsteiermark. Er wurde damals im Barrique vergoren und über 26 Monate hinweg ausgebaut. Schon für fünf Jahren konnte der Wein nicht überzeugen. „Der Wein wirkt aktuell ein wenig zu süß, strahlt etwas Hitze aus und wirkt in seiner Aromatik zu plakativ“ hieß es damals und der zu späte Lesezeitpunkt für die Trauben hat sich dann auch bei diesem Tasting ungünstig ausgewirkt. Der Chardonnay wirkte sehr gereift, hatte noch ein paar florale Noten und etwas Cassis wie vor fünf Jahren, aber auch gekochten Mais. Am Gaumen war zwar noch Säure da, auch Cremigkeit, aber der Wein wirkte müde und zu üppig.
Wertung ø: 15,5, eigene Wertung: 14,5 | Platzierung: 25 von 25
Der Rod McDonald Trademark 2015, Hawke’s Bay stammt vom alluvialem Schwemmland mit Kalksockel, 35 Kilometer inländisch auf einem alten Flussbett. Das ist nicht wirklich Cool Climate, und das merkt man dem Wein auch an. Dafür kann er aber nichts, immerhin habe ich ihn in die Probe gestellt. Der Wein, der mit seinem langen Ausbau in recht üppig getoasteten 500er-Tonneaux vor fünf Jahren viel zu jung war, hat deutlich an Balance hinzugewonnen. Er zeigt jetzt eine angenehme Reife, immer noch ein deutliches Holz mit Toastung, aber das mittlerweile integriert. Neben zitrischen Noten und Steinobst gab es Zimt und Wachs. Hier gibt es noch deutliches Potential. Der Stil wirkt international und wenig terroirbetont.
Wertung ø: 16,38, eigene Wertung: 16 | Platzierung: 20 von 25
Wer vor fünf Jahren mit dabei war, hat den Catena Zapata White Bones Chardonnay 2012 direkt erkannt. Damals haben wir den Wein so charakterisiert: „Was sich hier in der Nase tut, hätte einer der Beteiligten gerne als »Sauna-Aufguss« gehabt. Das soll allerdings nicht despektierlich klingen. Es ist halt nur anders. Der White Bones öffnet sich mit Anis und Eukalyptus, Fenchel, Cassis, Salbei und Earl Grey.“ Und diese Mischung mit weniger Sauna aber mehr Cassis und Minze konnte man hier wieder deutlich nachvollziehen. Nur dass das jetzt alles viel stimmiger wirkte und viel eleganter. Der Wein, dessen Trauben von Muschelkalk-Ablagerungen des Adrianna-Vineyards auf 1.524 Meter stammen hatte einen eleganten Körper, eine tolle Säure und viel Spannung. Wenn er nicht so horrend teuer wäre, wäre das eine Empfehlung. So bleibt aber ein Beigeschmack.
Wertung ø: 16,94, eigene Wertung: 17,5 | Platzierung: 12 von 25
Den De Wetshof Bateleur 2014 hatte ich noch mit in die Probe gestellt, obwohl er morgens schon sehr oxydativ war. Im Laufe der Stunden hat sich dann noch ein Korkschmecker dazu gesellt. Also keine Wertung.
Flight 2: Sauzet, Neudorf, Tolpuddle, Tyrell, Hirsch
Der erste Wein des zweiten Flights, der Sauzet, Puligny-Montrachet »Champs Canet« Premier Cru 2012 war die erste große Enttäuschung. Vor fünf Jahren habe ich zusammengefasst: „Manch einem fehlte aktuell noch der letzte Schliff und die letzte Feinheit, doch das dürfte sich mit dem zunehmenden Alter ändern. Für den Moment ist das ein ausgezeichneter Puligny und sicher der bisher balancierteste Franzose der Runde.“ Nun wurde über diesen Wein geschimpft, der ja nun nicht gerade günstig ist (damals schon 98,-) und sich nun schon fast oxydiert präsentierte. Ein Wein mit einem zwar feinen Zitrusfruchtunterbau und etwas Trockenholz und Pfeffer, aber mit wenig Tiefe und trotz einer klaren Säure doch müde wirkenden Gesamtverfassung.
Wertung ø: 16,11, eigene Wertung: 16 | Platzierung: 23 von 25
Deutlich besser präsentierte sich der Neudorf Moutere Chardonnay 2012 aus Nelson vom Kies, Schotter aus dem Pliozän und Peistozän, Schwemmland mit Oberboden aus sandigem Lehm und kiesdurchsetztem Kalkmergel. Der Wein hat eine angenehme Reife erreicht, hat viel Körper, wirkt fast noch ein wenig streng, auf jeden Fall kraftvoll und druckvoll und manch einem wirkte er zu international mit ein wenig zu viel Holzeinsatz. Ich fand, dass das Holz sehr gut ausgewählt war und haben den Wein auf einem hohen Niveau gesehen. Vor fünf Jahren hieß es: „Doch jene, die den Wein am Vorabend nicht probiert hatten, waren teils begeistert. Teils aber war ihnen der Wein etwas zu pomadig. Zum Schluss blieb der Eindruck eines noblen, eleganten Chardonnay, und das ist auch gut so.“ Im Prinzip hat sich der Wein nicht wirklich verändert, ist einfach reifer geworden und etwas balancierter.
Wertung ø: 17,22, eigene Wertung: 16,5 | Platzierung: 6 von 25
Übertrumpft wurde der Neudorf vom Shawn & Smith Tolpuddle Chardonnay 2013 vom Coal River in Tasmanien. Hier wurde Cool Climate glaube ich von allen Weinen am deutlichsten. Im Duft extrem fein, fast wie Mosel-Riesling, dabei noch reduktiv, etwas wachsig, rauchig, durchaus mit Druck am Gaumen und mit Kraft, dabei ziemlich balanciert und sehr elegant. Das hatte Länge, war stoffig, es gab durchaus Toffee und Holz, aber das war gut eingebunden. Im Finale salzig, kühl, frisch und geradlinig. Und jetzt dazu noch mal der Eindruck von vor fünf Jahren: „Mich hat der Wein am Abend vor der Probe angemacht mit seiner leicht exotischen aber keineswegs plumpen Nase, seiner Frische und Präzision am Gaumen. Doch bei der Verkostung war von der mineralischen Spannung und Präzision nicht mehr allzu viel übrig. Der erste Eindruck war: »Das ist doch kein Chardonnay, der ist so duftig, das ist Weißburgunder,« und das wäre nicht mal schlimm gewesen. Doch am Gaumen war die Frische einer gewissen Seifigkeit gewichen, die Spannung hing in den Seilen. Das war Schade. Ein Wein für einen Abend also.“ So kann sich ein Wein entwickeln!
Wertung ø: 17,61, eigene Wertung: 17 | Platzierung: 4 von 25
Auch der Tyrell ’s VAT 47 2012 , Hunter Valley ist kein wirklicher Cool Climate Wein, aber weil er so ein Sonderling ist, wollte ich ihn schon damals mit dabei haben. Er stammt von 100 Jahre alte Rebstöcken, präpheloxera, vom alluvialen Schwemmland, und sandig, brauner Erde irgendwo zwischen Sydney und Melbourne. Der chardonnay hat sich wieder absolut typisch, druckvoll, zitrisch, minzig, fast kreidig, saftig und hell in der Aromatik gezeigt, so wie es die Hunter Valley Sémillons auch tun. Erinnert er vor fünf Jahren an »WC Stein in einem alten Landgasthof in Tirol« gefiel manchen heute das Warme nicht, was er durchaus auch hatte. Mir gefiel der Facettenreichtum des Weines, der für mich noch ein deutliches Entwicklungspotential besitzt.
Wertung ø: 16,83, eigene Wertung: 16 | Platzierung: 14 von 25
Der fünfte Wein im Flight war der Hirsch Vineyards »Estate Chardonnay« 2013, entstanden auf gut 450 Meter Höhe im Westen von Cazadero, drei Meilen vom Ozean entfernt. Vor fünf Jahren war das noch ein leicht flintiger, reduktiver, salziger Wein, dem ein wenig die Frische gefehlt hat. Jetzt war es, zumindest aus dieser Flasche ein Wein mit dem Duft von Mostapfel mit recht viel Toffee. Ein runder Wein mit Kraft, etwas dumpf mit Wachs, Schmalz und Malzsüße. Es gab so manchen, der hier den Ganevat vermutete. Der Wein wirkte wie ein gereifter Natural, der etwas zu wenig Schwefel abbekommen hat bei der Füllung. Trotzdem hatte er noch eine frische Seite. Ein Wein, der polarisiert hat und sicher nicht typisch war.
Wertung ø: 16,06, eigene Wertung: 15,5 | Platzierung: 22 von 25
Flight 3: Briailles, Vasse Felix, Morey, Pegasus Bay, Crystallum
Die nächste große Enttäuschung war der Chandon de Briailles Corton Grand Cru 2012. Schon damals war der Wein, den ich am Abend vor der Probe geöffnet hatte, bis zur Probe in sich zusammengefallen. Hier konnte man es während der Probe im Glas spüren. Der recht intensiv gelb Wein duftete nach Kernobst, Quitte und etwas Bonbon, am Gaumen zunächst mit Kraft, Druck und Saft, dann immer mehr Toffee, Extraktsüße, immer wachsiger werdend. Dabei verlor der Corton zunehmend die Säurestruktur und wurde immer breiter. Ich habe schon viele gute bis exzellente Wein aus diesem Weingut probiert, allerdings hat dieser Wein gleich in beiden Proben schlichtweg versagt. Das ist für den Preis von 160,- nicht schön.
Wertung ø: 15,72, eigene Wertung: 16| Platzierung: 24 von 25
Der Vasse Felix Heytesbury 2015 aus Margeret River dagegen wirkte gerade im Vergleich wie ein Springinsfeld. Er zeigte sich immer noch recht reduktiv, druckvoll mit einer Aromenmischung aus Zitrusfrüchte, Cassis und Hafer. Die durchaus gelungene Mischung aus Reduktion und Holz machte ihn schwer einzuordnen, etwas international, mehr gemacht als terroirbetont, aber das auf sehr gutem Niveau mit sehr schöner Intensität und Länge.
Wertung ø: 17,22, eigene Wertung: 17| Platzierung: 6 von 25
Der Vincent & Sophie Morey Chassagne-Montrachet »Les Embrazées« 2013 hat hier den Wein aus der gleichen Lagen und dem gleichen Jahr von Henri Boillot ersetzt. Zum Henri Boillot hieß es damals: „Er war zwar saftig und hatte einen schönen Zug, war aber sonst weit von seiner sonstigen Präsenz entfernt. »Ein Wein wie eine Hose, die drei Tage feucht in der Waschmachine gelegen hat«, hieß es am Tisch. Der Wein wirkte etwas müde und staubig.“ Der Morey wirkt recht gereift und leicht wachsig mit Noten von Honig und Tonka-Bohne. Durchaus fest und mit Kraft im Körper baut der Morey Druck am Gaumen auf, bot ein wenig Jod, wirkt aber etwas zu ausladend und nicht balanciert und auch nicht sonderlich komplex. Ein Wein, den man schnell vergessen hat und auch hier zu wenig für das Renommée der Lage und des Hauses.
Wertung ø: 17,05, eigene Wertung: 16| Platzierung: 11 von 25
Der Pegasus Bay Estate Chardonnay Virtuoso 2013 hätte ganz nach vorne vorstoßen können, hätte die Säure des Weines nicht so deutlich neben allem anderen gestanden. Eigentlich im Duft fein, floral duftig, hoch elegant und ein wenig ätherisch. Am Gaumen hat sich das vor fünf Jahren noch zu präsente Holz exzellent integriert. Nur eben die Säure nicht. Schade.
Wertung ø: 16,77, eigene Wertung: 16,5 | Platzierung: 16 von 25
Der Crystallum Clay Shales Chardonnay 2015 hatte leider Kork.
Flight 4: Arnot Roberts, Jobard, Ataraxia, Knewitz, Bell Hill
Kommen wir zu dem Flight, in dem sich die drei ersten Plätze des Tastings befinden.
Der Arnot-Roberts »Watson-Ranch« Chardonnay 2015, bildete da einen sehr schönen Auftakt. Ich habe ihn weiter vorne gesehen, als er dann tatsächlich gelandet ist. Im Auftakt eine leichte Reduktion, etwas feine Süße in der Frucht, elegant, fein. Auch am Gaumen hervorragend gereift, etwas Popcorn und eine schöne Säure. Insgesamt wirkte er aber ein wenig zu blass in diesem Flight und nicht aussagekräftig genug. Da fehlte dann tatsählich auch ein bisschen die Länge und Spannkraft im Finale.
Wertung ø: 16,5, eigene Wertung: 17,5| Platzierung: 18 von 25
Der Remi Jobard, Meursault »Les Genevrières« Premier Cru 2013 war der Wein, und man muss leider sagen, der Einzige, der Fahne in diesem Tasting für das Burgund hochgehalten hat. Vor fünf Jahen hieß es: „Am Gaumen überzeugt der Jobard mit einer gelungenen Dichte bei gleichzeitig nerviger Mineralität. Der Wein ist höchst lebendig, salin und hell.“ Jetzt war das ein höchst eleganter Wein mit einer angenehmen Fülle und gleichzeitig viel Druck. Sehr ausgewogen in Körper und Säurestruktur mit einer guten Länge. Vibrierend frisch, vor allem im Finale. Noch mit viel Potential.
Wertung ø: 17,72, eigene Wertung: 18 | Platzierung: 3 von 25
Da konnte der Ataraxia Estate Chardonnay 2014 aus Hemel-en-Aarde zwar nicht mithalten. Aber dafür, dass das vor fünf Jahre eine völlige Katastrophe war, ist das hässliche Entlein zu einem Schwan geworden. Oder sagen wir so, damals sagten wir „Der Chardonnay präsentiert neben Cassis auch Stachelbeere und erinnert ein wenig an Scheurebe. Hinzu kommen Noten von Müsli und Getreide, Mais und Butter. Am Gaumen wirkt der Wein auch durch die Art des Holzeinsatzes zu süßlich und zu unpräzise.“ Jetzt gab es noch recht viel, aber nicht zu viel Knallplättchen-Reduktion, wo ja gerne auch immer ein wenig Süße mit dabei ist. Der Wein wirkte aber viel lebendiger, ausgeglichener, heller und sogar im Maßen elegant. Die säure hat sich nicht komplett integriert, aber das war ein Wein, den so ziemlich alles von uns gerne trinken mochten.
Wertung ø: 17,11, eigene Wertung: 17,5 | Platzierung: 10 von 25
Kommen wir zum klaren Gewinner des Tastings. Tobias hätte selbst an seinem Knewitz Chardonnay Reserve 2015 aus dem Hilberhseimer Steinacker wohl auch seine wahre Freude gehabt. Für die meisten von uns war es diesmal ziemlich klar, dass das Knewitz sein würde. Irgendwie ist der Wein deutscher geworden und noch viel besser als vor fünf Jahren. Ich finde das schon beeindruckend. Schließlich war das im Prinzip ein Jungfernjahrgang für diesen Wein und es wäre niemand überrascht gewesen, wenn der Chardonnay, der vor fünf Jahren begeistert hat, nun ein wenig mehr im Mittelfeld gelandet wäre. Stattdessen ist der Wein der Einzige mit einem durchschnitt oberhalb von 18. Tatsächlich war er auch für mich des kompletteste, balancierteste Wein. Auch hier gibt es noch Knallplättchen, aber die sind mittlerweile fein und genau so, wie ich es dann auch liebe. Was früher noch mehr ein Kellerwein mit einer bestimmten Idee dahinter war, ist jetzt viel mehr ein Terroirwein geworden, der diesen unbekannten aber exzellenten Weinberg widerspiegelt. Da ist viel Druck und viele Frische in diesem Wein. Das hat Spannung, Länge, Kraft, aber alles verbindet sich miteinander. „Mega!“ heiß es, und das finde ich auch.
Wertung ø: 18,38, eigene Wertung: 19 | Platzierung: 1 von 25
Nicht wirklich weit entfernt, aber ganz anders zeigt sich der Bell Hill Estate Chardonnay 2012, aus North Canterbury. Der war schon vor fünf Jahren sehr gut, aber nicht so auffällig wie jetzt. Jetzt hat mich seine Unaufgeregtheit begeistert. Dieses in-sich-ruhen. Einzig ein wenig störend war am Anfang eine leichte, aber keineswegs unsauberer Gemüsenote. Dann aber wurde es elegant, großzügig, seidig, ausgewogen und lang am Gaumen. Der Wein verfügte über mehr Wärme als der Knewitz, aber es war eine wohltuende Wärme, die einen einhüllt. Zudem wurde die reifere Säure von einer tiefen Mineralität begleitet, so dass es auch hier viel Leben gab. Auch sehr stark!
Wertung ø: 17,88, eigene Wertung: 18,5 | Platzierung: 2 von 25
Flight 5: Chanin, Sandhi, Ridge, Penfolds
Gavin Chanin hat hierzulande damals, vor fünf Jahren gerade zum ersten Mal hierzulande Aufmerksamkeit erregt. Der Chanin »Bien Nacido« Chardonnay 2014 aus dem Santa Maria Valley, Central Coast, Kalifornien hat damals sehr gefallen, auch wenn er keine Begeisterungsstürme hervorgerufen hat. Gestern war eher ein bisschen unter „ferner liefen…“ Er wirkte klassisch modern, nussig, mit etwas Nougat, etwas Holz, etwas Reduktion. Am Gaumen saftig, hell, frisch, mit leichtem Druck und etwas zu viel Nougat-Süße wirkte er eher wie ein Crowdpleaser, denn wie einer der jungen Wilden.
Wertung ø: 16,66, eigene Wertung: 16,5 | Platzierung: 16 von 25
Eine ganz andere Duftmarke hat der Sandhi »Bentrock Vineyard« 2013 Santa Rita Hills hinterlassen, auch wenn es just das falsche Bild ist, das ich wähle. Denn im Duft war da erst mal nix, oder zumindest ziemlich wenig. Der Wein wirkte geradezu sprachlos. Dafür wurde es dann am Gaumen aussagekräftig und der Chardonnay wurde nicht nur saftig mit zitrischer und weißfleischiger Frucht, sondern sehr frisch und druckvoll mit viel Mineralität. Das hat richtig Vibration erzeugt und gehörte zusammen mit dem Tolpuddle und Knewitz zum Frischesten der Runde. Dazu gab es feine Gewürznoten vom zurückhaltenden Holzeinsatz.
Wertung ø: 17,16, eigene Wertung: 18 | Platzierung: 9 von 25
Der dritte Kalifornier im Bunde war der Ridge »Monte Bello« Chardonnay 2012. Der Wein stammt, wie auch Chanin und Sandhi von Weinbergen, die nur ein paar Kilometer von der Pazifikküste entfernt liegen. Aber der Stil ist halt ein völlig anderer und es war auch ein etwas wärmeres Jahr. Damals hieß es: “Abgesehen von dem fehlenden Cool-Climate-Aspekt, ist der 2012er ein ausgezeichneter und typisch kalifornischer Chardonnay. Zunächst floral und immer holzbetont, wird der Wein buttrig und cremig mit etwas Honig und viel Popcorn, ein reifen, satten gelben Frucht und einer ordentlichen Zitrone drin. Am Gaumen ist der Wein exzellent strukturiert und zeigt eine große Länge. ‚Etwas pomadig aber geil.‘“ Irgendwie fand ich das, und nicht nur ich, auch jetzt noch ähnlich geil, wenn auch nicht mehr ganz so exzellent strukturiert. All an diesem Wein war reif, hatte viel Fülle, Kraft, eine leichte Schärfe, wirkte wuchtig und passt eigentlich nicht in mein Beuteschema. Und doch fand ich ihn sexy. Das empfand allerdings nicht jede/jeder so.
Wertung ø: 16,55, eigene Wertung: 17 | Platzierung: 17 von 25
Kam noch der Wein von Penfolds ins Spiel. Der Penfolds Bin 311 Tumbarumba 2013 ist sich treugeblieben. Damals schreib ich über den Wein, der mal kein multi-Regional-Blend ist, sondern aus Tumbarumba stammt: „a überwog eher der minzig duftige, an Kamille erinnernde Ton. Am Gaumen ist der Bin 311 fein cremig, angenehm schlank und balanciert und von einer feinen Säure durchzogen. Ein gekonnt gemachter Wein.“ Genau so! Das mag man gerne trinken, wirkt balanciert, gekonnt aber auch ein wenig belanglos auf hohem Niveau. Daher:
Wertung ø: 16,83, eigene Wertung: 17 | Platzierung: 14 von 25
Flight 6: Kumeu, Kershaw, Clossom Chase, Sabathi, Ramey
Kumeu gehört zu den erfolgreichen frühen Übersee-Chardonnay, die gerne mit Burgund-Chardonnay verglichen wurden. Dem wurde der Kumeu River Estate »Hunting Hill« 2014 auch vor fünf Jahren gerecht: „Über Nacht ist aus dem Hunting Hill ein präziser Wein geworden der im Auftakt mit einigen Reduktionsnoten und einem Hauch von Champignons neben der satten Frucht spielt. Am Gaumen ist das »Fein. Schöne Frische, toll, ja eigentlich grandios!« »Gestern so plakativ und weich und erhat sich richtig erholt.« Von der Abwesenheit von Säure keine Spur mehr, die ist jetzt präzise und strukturierend vorhanden, das Holz zurückhaltend gut eingebunden.“ Das Niveau hatte der Wein gestern leider nicht mehr. In der Nase recht wertneutral, wirkte er am Gaumen belanglos, zu warm und stoffig, eine wenig alkoholisch und leicht müde. Die Säure, die Präzision, die der Wein hatte, ist nicht mehr vorhanden.
Wertung ø: 16,88, eigene Wertung: 16 | Platzierung: 13 von 25
Sein Niveau gehalten oder sogar ausgebaut hat der Richard Kershaw Clonal Selection 2014. Damals hieß es: „Unterm Strich ist es dann doch ein echtes Lob wenn jemand sagt: »Das find ich super. Klassisch, typisch. Kräftig, komplexes, tiefes Burgund. Mâcon-Style.« Dabei ist der Wein nicht so komplex, wie man es jetzt vom besten Côtes de Beaune erwarten würde. Er ist also etwas weniger vielschichtig, besteht eher aus einem kräftigen Akkord, doch darin ist er absolut stimmig.“ Nun hat er sich mit einer leichten, stimmigen Reduktion präsentiert, aber mit Luft dann auch mit einer leicht oxydativen, aber schön mürben Note. Am Gaumen präsentierte sich der Wein füllig, aber mit einer kühlen Ader, etwas Toffee und etwas Pfeffer. Sehr stimmig, präsent und mit Charakter.
Wertung ø: 17,44, eigene Wertung: 17,5 | Platzierung: 5 von 25
Hätte man den Closson Chase South Clos 2013 vor drei Jahren geöffnet, dann wäre der Wein wahrscheinlich deutlich weiter vorne gewesen. So war er – wie so einige Weine – etwas über dem Zenit. Aber immer noch ein schöner Wein, der noch viel Frucht besitzt, ja geradezu nach Fruchtsaft duftet, dem es aber an säure mangelt und entsprechend auch an Frische und Druck. Es ist ein geschmeidiger Wein geworden, den man immer noch gut trinken kann. Es gab wahrhaftig schlechtere Weine. Und wenn man bedenkt, dass der Wein aus Kanada stammt, ist das aller Ehren wert. So lang wird dort noch kein Chardonnay erzeugt.
Wertung ø: 16,5, eigene Wertung: 17 | Platzierung: 18 von 25
Der Erwin Sabathi Chardonnay Alte Reben STK 2013 war, wie gesagt beim ersten Mal nicht mit dabei. Zitat vom Weingut: Der Pössnitzberg liegt am südlichen Rand der Weststeirischen Bucht des Steirischen Beckens. Ehemals (im Neogen) wurden hier mehrere 1.000 Meter mächtige Meeressedimente abgelagert. Bei den auch als „Steirischer Schlier“ bezeichneten Ablagerungen handelt es sich um tonig bis feinsandige, graugrün gefärbte Mergel mit Pflanzenfossilien und Sandsteinlagen. Merkmale dieser kargen und stark kalkhaltigen Böden, genannt „Opok“ (Kalkmergel), sind der durch die Verwitterung entstandene humose Oberboden von oft nur 20 Zentimetern und das feste Sedimentgestein.
Der Wein hat es weit nach vorne geschafft. Es war ein offensiver, recht runder, geschmeidiger und präsenter Vertreter mit recht viel, aber gut eingebundenem Holz und einer noch deutlichen Knallplättchen-Reduktion. Doch all das und ebenso die Säure wirkte stimmig, vielleicht etwas laut, aber das ist ja Charaktersache und kein Werturteil. Das ist einfach ein guter, ja sehr guter Chardonnay.
Wertung ø: 17,22, eigene Wertung: 18 | Platzierung: 6 von 25
Der letzte Wein war der Ramey Wine Cellar »Platt Vineyard« 2012 Sonoma Coast. Der war schon damals kein Cool Climate Vertreter, aber ein Wein aus renommiertem Hause. Damals wie heute ist mir das alles zu viel. Im Gegensatz zum Monte Bello, wo das auch der Fall war, aber stimmig und sexy, ist das hier protzig mit viel Cassis, etwas Morgenurin, Banane, Kohl, Holz. Nein, das mochte ich nicht trinken.
Wertung ø: 16,27, eigene Wertung: 15,5 | Platzierung: 21 von 25
Fazit
Zu diesem Tasting ein Fazit zu verfassen, ist nicht einfach. Es kommt zunächst einmal nur selten vor, dass man hierzulande zehn Jahre gereifte Übersee-Chardonnay im Glas hat. Allein dafür hat es sich schon gelohnt. Manche der Weine hatten den Höhepunkt deutlich überschritten, andere wie der Kershaw, Tolpuddle oder Sandhi haben noch viel Potential. Das Tasting hat das geboten, was vor fünf Jahren zum besten gehörte, was es in Deutschland an Übersee-Chardonnay auf dem Markt gab. Daran kann man schon sehen, dass sich einiges verändert hat. Heute gibt es deutlich mehr, was man in ein solches Tasting stellen könnte. Das gilt auch und nicht zuletzt für Weine aus Österreich und Deutschland, wo sich enorm viel getan hat.
Das Niveau der Weine insgesamt gesehen war eher obere Mittelklasse. Und da machten die Burgunder keine Ausnahme. Es waren vier Weine aus den Burgund. Und auch wenn es vielleicht nicht die ganz großen Namen waren, so doch welche mit Renommee aus renommierten Lagen zu ordentlichen Preisen. Dafür war haben sie als Gruppe enttäuschend abgeschnitten.
Es war interessant zu sehen und zu schmecken, wie stark bei manchen Weinen die Machart hervorstach und wie sich das auch in den fünf Jahren der Reifung verändert hat. Wein wird eben immer auch und vor allem erst einmal gemacht. Dass Winzer meinen, ein Wein entstehe im Weinberg und werde im Keller durch kontrolliertes Nichtstun begleitet ist tendenziell Romantik. Jede Entscheidung im Keller verändert den Wein. Und gerade beim Chardonnay wird viel mit Holz, mit Toastungen, mit Fassgrößen und mit Mostschwefelung für den richtigen Knallplättchen-Kick gespielt. Auch Tobias Knewitz hat das so gemacht und experimentiert bei seiner Reserve immer noch. Die Reduktion hat er im Laufe der Zeit heruntergefahren, den Ausbau verlängert usw. Die Chardonnay entsprechen insofern auch oft einem gewissen Zeitgeist. 2015 war die Coche-Dury-Reduktion halt sehr in, heute nicht mehr so stark. Dass sich das alles bei Tobias Knewitz aber so schön zu einem solch großartigen Wein zusammengefunden hat, ist natürlich kein Zufall. Auch wenn seine Weine in den letzten Jahren immer noch besser geworden sind, waren sie damals schon sehr gut. Der Mann hat einfach auch viel richtiges Bauchgefühl beim Weinmachen. Dass dann der einzige deutsche Chardonnay bei diesem Tasting gewinnt … was sagt das aus? Sicher, dass es ein sehr guter Wein ist. Noch mehr? Das wir einen deutschen Geschmack haben? Immerhin hatte beim Cool Climate Pinot Tasting vor 4,5 Jahren auch ein deutscher Wein gewonnen. Damals bei Knewitz wie auch bei Twardowski waren wir sicher, einen Burgunder im Glas zu haben. Diesmal haben doch einige auch blind auf Knewitz getippt. Ich kann es nicht beantworten.
Manche Weine konnten wir nach fünf Jahren wiedererkennen. Andere nicht. Was Burgund ist und was nicht, lässt sich nur noch manchmal, sicher aber nicht immer erkennen. Was dann burgundisch ist oder nicht, finde ich müßig zu beantworten, denn auch im Burgund gibt es jede Menge Schulen mit unterschiedlichsten Stilen und Macharten. Tendenziell fand ich es etwas ernüchternd, dass doch recht viele Weine ihren Höhepunkt nach acht bis zehn Jahren schon hinter sich hatten und eine wirkliche Begeisterung etwas zu selten aufkam. Bei Tobias Knewitz, bei Bell Hill und bei Remi Jobard aber war viel Begeisterung vorhanden.
Die Sieger
Platz 1: Tobias Knewitz, Chardonnay Réserve 2015
Platz 2: Bell Hill Chardonnay 2012
Platz 3: Rémi Jobard, Meursault 1er Cru Les Genevrières 2013
Es haben teilgenommen:
Axel Bode, Witwenball
Ralph Kawelke, Bartels-Langness
Matthias Neske, Chezmatze
Christoph Niklas, Meininger Verlag
Christoph Raffelt, Originalverkorkt
Werner Rieß, Tesdorpf
Peer Rohr, Witwenball
Marion Swoboda, marionswoboda.com
Maximilian Wilm, Kinfelts Kitchen & Wine
Sehr schöner Bericht, vielen Dank dafür!
Nur: ist bei der Wertung zum Ataraxia Estate Chardonnay 2014 ein copy-and-paste-Fehler passiert?
Oh, ja, vielen Dank!