Letzte Woche habe ich das Tasting eines Weinfreundes besucht, der in den letzten 15 Jahren die Weine von Klaus-Peter Keller gesammelt hat. Das ist ein Glück für ihn; denn so schnell bekommt man heutzutage keine Zuteilung mehr. Und es war ein Glück für mich; denn so konnte ich 15 Jahrgänge des Rieslings aus dem Dalsheimer Hubacker probieren, plus einen Jahrgang Kirchspiel. Und das in netter und kompetenter Runde in der Winebank in Hamburg.
Da ich die Weine der Kellers nie gesammelt habe, komme ich vergleichsweise selten in den Genuss. Deshalb habe ich mich umso mehr gefreut, mal einen jahrgangstiefen Eindruck des Hubackers zu erhalten. Aus dieser Perspektive heraus habe ich das auch geschrieben. Die Notizen sind zudem Notizen eines Ist-Zustandes der Weine. In der Runde am Freitag wurde mehrfach auf das Potential vor allem der jungen Weine hingewiesen, die sich (noch) nicht in Balance befanden. Das Potential ist ganz sicher vorhanden, aber es ist kein Automatismus, dass sie irgendwann besser werden. Ich habe mir zum Spaß im Nachhinein ein paar offizielle Einschätzungen bei Robert Parker, Falstaff. Etc. zu Hubacker-Jahrgängen aus den 2010ern durchgelesen. da hatte ich selten den Eindruck, dass die Weine, die ich am Freitag im Glas hatte, noch mal besser geworden sind als die Kritiken.
Worum ging es also?
Es ging um Weine aus einem der bekanntesten Weinberge Rheinhessens. Dass dieser Weinberg überhaupt bekannt ist, liegt im Wesentlichen an der Familie Keller, die zusammen mit der Familie Wittmann – und zwar vor allen die Väter der jetzigen Weingutsbesitzer –, den Wonnegau überhaupt erst wieder in den Fokus der Weinwelt gerückt haben. Das war vor 40 Jahren ja noch unbekanntes Terrain, bekannt eigentlich nur für Fassware aus Dutzenden neu gezüchteter einfacher Rebsorten.
Der Hubacker, oder besser gesagt, der Obere Hubacker – und so heißt der Wein auch seit 2021 – trägt zudem auch nicht unbedingt den Namen eines edlen Weinbergs. Es ist halt ein Acker, der früher mit Pferden oder Ochsen bewirtschaftet wurde. Was die am Tag schafften, wurde als „Hufe“ bezeichnet. Es wurde zur Maßeinheit so wie beispielsweise „Morgen“. Aus „Hufe“ entstand der Begriff „Hube“. Im Jahr 1610 wurde die Lage „am Hubacker“ erstmalig urkundlich erwähnt. Im Jahr 1789 erwarb Johann Leonhard Keller den vorher im Stiftsbesitz des Klosters St. Andreas in Worms befindlichen vier Hektar umfassenden Teil, der „Oberer Hubacker“ genannt wurde. Es handelt sich hier um einen Kalkfelshang, der mit 25 bis 30 % Hangneigung auf 180 bis 200 Höhenmetern nach Süd-Osten exponiert ist. Neben dem Kalkstein gibt es hier Vorkommen von Löss und skelettreichem Tonmergel. Der weithin sichtbare Kalkstein-Turm am Oberen Hubacker wurde im Jahr 2000 von den Kellers in Gedenken an Klaus-Peters Mutter Hedwig (1948-2000) errichtet. Dass dieses Große Gewächs aus dem Hause Keller mit dem Jahrgang 2021 wieder den ursprünglichen Namen trägt, ist dabei kein Zufall. Das Jahr 2021 war das 100. Jubiläum der ersten Flaschenabfüllung im Hause Keller. Damals war es Georg Keller III., der sich entschloss, eigene Weine zufüllen, nachdem die Fasswaren allzu oft zu Bruch gingen oder miserabel in den Kellern der Händler behandelt wurden. 2021 war aber auch der 50. Jahrestag der Zusammenlegung der unterschiedlichen Gewanne des Hubackers zu einer großen Lage von 35 Hektar, die die Kellers nun ein Stück weit rückgängig gemacht haben. Neben dem großen Besitz der Kellers in der Lage gibt es meines Wissens nach noch kleinere Besitzungen der Weingüter Goldschmidt und Schales sowie seit kurzer Zeit von F. & F. Peters (Felix Peters, der ehemalige Leiter von St. Antony).
Zu probieren waren Kellers Hubacker Riesling Große Gewächse der letzten 15 Jahre, also 2007 bis 2021. Probiert haben wir auf Wunsch der Mehrheit von alt nach jung. Es gab zwischendrin zwei Piraten. Einer davon war das 2015er Kirchspiel, auf das ich eingehen werde. Die Weine wurden am Abend vorher geöffnet. Die jüngeren Jahrgänge (ab 2013) wurden dann kurz vor dem Servieren noch mal doppelt dekantiert. Es wurden immer zwei Weine parallel eingeschenkt.
Flight 1
Jahrgang 2007:
Dies ist ein reifer und sehr gut gereifter Riesling mit einer angenehmen inneren Wärme und Gelbfruchtigkeit. Es gibt schwarzen Tee mit Bergamotte, naturtrüben Apfelsaft, etwas Ingwer und gelbes Gewürz in der Nase.
Am Gaumen präsentiert sich der Wein cremig und seidig. Man merkt hier eine gewisse Fülle, Extraktsüße, Noten von Butterscotch und etwas Honig. Der Riesling besitzt aber auch etwas Blütenduftiges und wiederum gelbe Würze. Die Säure ist zwar reif, bleibt aber lange präsent. Das war ein guter Einstieg. Dem Wein fehlte etwas die Tiefe, dafür hatte er Charme.
Da Punkte angefragt wurden, habe ich dem Wein 90 Punkte gegeben. Beim Nachverkosten hat er dann 91 Punkte bekommen. Das war mal wieder das Los des ersten Weines der Verkostung, dass zu Beginn etwas zu zurückhaltend benotet wurde. (ø der 12 Teilnehmenden: 91,3)
Jahrgang 2008:
Der Riesling wirkt aromatisch heller als der 2007er, gleichzeitig aber auch vegetabiler. Hinzu kommen Noten von Penatencrème. Was ich zunächst als möglichen Kork in der Nase hatte, wurde mit Luft dann eher zu feuchtem Laub. Aus der Runde kam die Bemerkung, dass 2008 teils mit Stengeln vergoren worden sei. Das konnte man in dem Wein durchaus nachvollziehen.
Der Wein wirkt am Gaumen deutlich straffer als der 2007er. Das Laub ist wieder da. Insgesamt prägt den Hubacker eine gewisse Bitterkeit und alkoholische Schärfe. Er bleibt deutlich hinter 2007 zurück und erhält von mir 88 Punkte. (ø: 90,3)
Flight 2
Jahrgang: 2009
Den Duft empfinde ich als sehr harmonisch und schön. Mich erinnert der Wein an einen reifen Blanc de Blancsvon einem Champagne-Winzer, der ein wenig mit der Oxydation gespielt hat. Man findet hier eine gewisse Kühle, mürben Apfel, Grapefruitzesten, etwas Safran und Brioche.
Auch am Gaumen wirkt der Wein ausgewogen, saftig, fein und elegant. Man hat auch hier mürbe Noten von warmer Frucht, aber keineswegs das Gefühl, dass sich der Hubacker auf einem absteigenden Ast befinden könnte. Die Würze ist da, die Säure, die einen angenehmen Druck bietet, zudem etwas Extrakt, der für ein wenig Gripp sorgt. Ein schöner Wein mit einer hervorragenden Länge und Stoffigkeit im Finale, der sich für mich als der beste des Abends entpuppen sollte und dem ich 95 Punkte gegeben habe. (ø: 93,9)
Jahrgang: 2010
Der Riesling bietet eine ziemlich perfekte, ausgewogene Nase zwischen mürber Frucht und etwas feuchtem Waldboden mit Laub und Pilzen. Dazu kommt etwas Brioche.
Am Gaumen bietet sich ein schöner Säuredruck und eine feine Cremigkeit. Der Wein wirkt eleganter als der 2009er, allerdings findet er meiner Ansicht nach nicht ganz die Tiefe und auch nicht ganz die Länge, weshalb ich ihm 94 Punkte gegeben habe. Letztlich waren 2009 und 2010 zusammen auch der Flight des Abends, denn der 2010er stand dem 2009er kaum nach und wurde von der Gruppe insgesamt auch höher bewertet. (ø: 94,2)
Flight 3
Jahrgang: 2011
Deutlich weniger ansprechend ist der 2011er Jahrgang. Er präsentiert sich in der Nase leicht bitter mit Noten von trockenem Laub, etwas Grapefruit mit Schale, Stein und Petrichor, aber auch einem Hauch von Landwirtschaft, der nicht wirklich harmoniert.
Am Gaumen finden sich Gerbstoffe, aber auch etwas Aceton. Der Wein wirkt gleichzeitig kühl, saftig und rund, zudem etwas traubig, wobei die Trauben und Beeren einen süßen Geschmack hinterlassen. Hinzu kommt etwas Schärfe und Süße von kandiertem Ingwer.
Der Wein wirkte insgesamt etwas unausgewogen und wenig einladend und bekam von mir 90 Punkte. (ø: 91,8)
Jahrgang: 2012
Dieser Jahrgang wirkt da doch vom ersten Moment an deutlich ansprechender. Ich nehme Orangen- und Zitronencrème sowie reifen Pfirsich wahr. Es gibt etwas Stein und Kräuter und auch die typischen gelben Gewürze.
Am Gaumen wirkt der Riesling von Beginn an saftig und angenehm herb mit zitrischen Noten und kaltem schwarzem Tee. Der Wein wirkt fest, würzig und verfügt über eine gute Länge und Spannung. Weshalb ich ihm nicht mehr als 91 Punkte gegeben habe liegt daran, dass er am mittleren Gaumen abfällt und sich aromatisch, aber auch, was die Spannung angeht, eine Delle ergibt. (ø: 92,8)
Flight 4
Jahrgang: 2013
In diesem Flight geht es mit einem eleganten, cremig wirkenden Wein los, der in der Nase ganz klassisch nach Hubacker duftet: Gelbes Curry, Safran und Birnen mit Vanille findet man hier, dazu Darjeeling und mit Luft zunehmend trüben Apfelsaft und etwas Zitrone und Ananas. Der Wein wirkt gereift und angenehm hell und duftig.
Auch am Gaumen ist das ein saftiger Wein mit Reife und einem runden Mundgefühl. Die Säure bietet einen angenehmen Druck. Der Riesling wirkt dicht und lang, würzig und exktraktreich mit einem herben Finale. Es fehlt etwas die Komplexität des 2009ers, aber das ist ein sehr schöner, auch charmanter Jahrgang, den ich mit 93 Punkten bewertet habe. (ø: 92,6)
Jahrgang: 2014
Dieser Wein kommt an seinen Vorgänger nicht heran. Er wirkt in der Nase recht herb und phenolisch und erinnert mich an eine Mischung aus Zitronen, noch grünen Ananas und Hafer.
Am Gaumen zeigen sich ähnliche gelbe bis grüne, im Wesentlichen zitrische Note mit Zitronen und Grapefruits und vielen Zesten. Das ist ein pikanter Wein, der durchaus Länge besitzt, aber zu wenig Balance, zumal mir hier eine süße Note missfällt, die sich nicht gut einpasst und an Zitronensorbet erinnert. Ich habe dem Wein 87 Punkte gegeben. (ø: 88,8)
Flight 5
Jahrgang: 2015
In der Nase ist das mein Sweet Tooth mit viel Frucht, in die dann markant die steinige, kräutrige Würze einschlägt. Es gibt zudem etwas Curry und Grapefruit. Die Nase macht Lust auf mehr.
Am Gaumen kann der Wein die Erwartung jedoch nicht ganz halten. Es gibt Noten von Tee und Blüten, der Wein bietet Saftigkeit und vor allem ein cremiges Mundgefühl, aber wirkt auch etwas stumpf und bitter. Nicht überbordend, aber eben doch deutlich spürbar. Dafür fehlt ein wenig die mineralische Spannung und Salzigkeit, die der Wein mal gehabt hat. Im Vergleich fällt der Wein innerhalb des Flights ab. Es war vielleicht nicht die beste Flasche … Aber ich kann nur das bewerten, was ich im Glas habe. Ich habe dem Wein 90 Punkte gegeben. (ø: 90,9)
Jahrgang: 2015 „Kirchspiel“
Dieser Wein aus dem Westhofener Kirchspiel toppt für mich den Hubacker deutlich. Im Duft findet sich eine ähnliche jahrgangsreife Süße. Die für den Hubacker so typische markante Gelbwürze wird hier nicht deutlich. Dafür zeigt sich im Duft eine wunderbare Balance zwischen einer antizipierten Fruchtsüße, herben Grapefruit-Noten und etwas Ingwer.
Am Gaumen ist das weniger süß als erwartet. Da bindet sich der Extrakt sehr gut in die Frucht, die sich wiederum mit Noten von Gestein, schwarzem Tee und etwas Tahin, also Sesam, verbindet. Der Wein besitzt Länge, wirkt sogar in gewissem Maße tonisch und lebendig. Ich habe 93 Punkte gegeben. (ø: 92,2)
Flight 6
Jahrgang: 2016
Hier wird der Stilwechsel, den Klaus-Peter Keller vollzogen hat, deutlich. Der Hubacker wirkt viel heller, blütenduftiger und reduktiver als die Weine, die wie bisher im Glas hatten. Die gelbe Würze zeigt sich nur ganz fein, die Frucht wirkt eher naturtrüb und das manchmal aufblitzende Tropische stellt sich hier für mich nicht mehr ein. Dafür zeigen sich helle, aber reife zitrische Noten und eine kleine Menge weißer Beeren.
Am Gaumen wirkt der Wein ähnlich hell, lebendig, wiederum zitrisch mit einer leicht elektrisierenden Säure und feiner Mineralik und einer angenehm pikanten Bitterkeit. Das gefällt mir, wirkt aber noch ein wenig unfertig, weshalb ich 92 Punkte vergebe. (ø: 93)
Zwischenspiel
Mir missfällt an dem Wein jedoch auch etwas, was tiefer sitzt und mich für den Rest der Probe fast durchgängig begleiten wird: Während ich bei allen vorherigen Weinen ein Gefühl für den Hubacker zu haben glaubte, das mal mehr, mal weniger stark ausgeprägt war und mit einer bestimmten Aromatik, Finesse und Eleganz zu tun hatte, habe ich das Gefühl hier nicht mehr. Zwar handelt es sich um einen sehr guten Riesling. Ich kann ihn aber nur unscharf irgendwo zwischen Rheinhessen und Nahe verorten und er scheint für mich eher der Ausdruck einer Idee denn eines Terroirs zu sein. Dieses Problem mache ich nicht alleine an diesem Wein und an der Arbeitsweise von Klaus-Peter Keller fest. Es treibt mich seit Jahren um, aber ich finde es eben auch hier.
Jahrgang: 2017
In der Nase habe ich etwas von Lemon Curd, was abgelöst wird von viel Stein, Petrichor und etwas Limequats. Der Wein wirkt fordernd, hell und noch gedeckt.
Auch am Gaumen merkt, man, dass der Wein noch nicht da ist, wo er hinsoll. Er präsentiert ich fest, zitrisch und druckvoll mit klarer Säure. Es ist ein lebendiger Hubacker mit viel Spannung und einer Transparenz in der Frucht und einer schwebenden Anmutung, die gleichzeitig Tiefe und Mehrdimensionalität vermissen lässt. Wahrscheinlich kommt sie noch, aber möglicherweise auch nicht. Daher erst einmal 91 Punkte. (ø: 91,2)
Flight 7
Jahrgang: 2018
Dem Jahrgang merkt man durchaus eine gewisse Wärme an. Gleichzeitig wirkt der Riesling zitrisch hell und steinig. In nehme Noten von Efeu war.
Am Gaumen zeigt sich ein gewisser Druck in der reifen Säure, zudem aber auch eine Bitterkeit, die stört. Insgesamt fehlt dem Wein eine Tiefe am mittleren Gaumen. Im Finale erholt er sich und prägt dieses mit einer angenehmen hellen Kräuterwürze. Ich habe 89 Punkte für den Wein gegeben, bei dem ich den Eindruck hatte, dass Idee und Jahrgangsrealität, spricht Kühle/Säure/Mineralik mit der Wärme/Frucht des Jahrgangs nicht ganz in Einklang zu bringen waren. (ø: 90,9)
Der zweite Wein im Flight war ein Wein vom Weingut Dreissigacker, den ich hier nicht mit einbaue.
Flight 8
Jahrgang: 2019
Der 2019er Riesling wirkt deutlich fokussierter als der 2018er, was in dem Jahrgang sicher auch einfacher zu erreichen war. Er präsentiert sich in der Nase hell und steinig mit leicht bitterer Phenolik. Insgesamt scheint das noch ein schüchterner, verschlossener Wein zu sein trotz 24 Stunden Luft und doppeltem Dekantieren.
Am Gaumen findet man eine klare Säure und eine ebenso klare Mineralik. Man hat hier eine Assoziation zum Kalk, aber nicht unbedingt zu einer darüber geordneten Herkunft. Auch hier zeigt sich wieder eine Bitterkeit, die aktuell nicht ganz angenehm ist. Insgesamt wirkt der Hubacker etwas statisch, es fehlt ihm die Komplexität, die er haben sollte, aber gerade nicht zeigt. Daher 89 Punkte. (ø: 92,6)
Jahrgang: 2020
Dieses Jahr fällt aktuell völlig aus dem Rahmen. Der „Running Gag“ war ein bisschen, dass hier jemand einen „Zieregg“ als Piraten eingeschmuggelt hat. Weshalb kamen wir darauf? Weil es ohne Zweifel ein sehr guter Wein zu sein schien, aber keiner aus dem Hubacker. Dafür duftet es aktuell zu sehr nach Cassis, Blüten und Stachelbeere, vermischt mit flintiger Reduktion und Zitrone.
Am Gaumen merkt man dann auch noch mal das Unfertige dieses Weines, der hell, zitrisch und lebendig wirkt, dazu Druck aufbaut, Säure besitzt und auch eine gute Länge zeigt. Nach aktuellem Stand sind das für mich 90 Punkte, weil mir sowohl der Ausdruck der Rebsorte als auch des Terroirs ein wenig fehlt. (ø: 90,4)
Flight 9
Jahrgang: 2021 (jetzt „Oberer Hubacker“ genannt)
Auch der 2021er Jahrgang ist trotz frühen Öffnens und doppelten Dekantierens natürlich noch ein unfertiger Wein. Auch er wirkt hell, zitrisch, druckvoll und steinig, bringt aber auch etwas mit, was ich bei vielen GGs dieses Jahrgangs erlebt habe: Es ist eine Note von Bitter-Lemon und Kräutern. Zudem ist die Reduktion noch präsent.
Auch am Gaumen zeigt sich das Grüne und Gelbe wie ausgepresste Zitronen und Limetten mit etwas Fruchtzucker, viel Säuredruck und einem kargen Gesamteindruck. Fast so als würde hier nur noch Zitronensaft auf blanken Kalk gepresst und mit ein paar Kräutern versehen. Insgesamt wirkt das stimmig, komplett, lang und druckvoll, weshalb es von mir 92 Punkte gab. (ø: 91,9)
Fazit
Der vor wenigen Jahrzehnten noch weitgehend unbekannte Hubacker gehört Dank der Familie Keller heute zu den bedeutendsten Riesling-Weinbergslagen Deutschlands mit nationaler wie internationaler Reputation. Es wird häufig kommuniziert, dass dies ein deutscher Grand Cru sei. Wenn ich diesen Abend, zu dem ich eingeladen war und der für mich äußerst spannend und auch erhellend war, Revue passieren lasse, dann ist das sicher ein Cru. Ob es Grand ist, kann ich nach dem 15 Weinen noch nicht entscheiden, dafür bräuchte ich mehr Erfahrung. Aus den Bewertungen, die es bei mir gab, aber auch der Durchschnitt ergeben hat, lässt sich das nicht ablesen, aber das sollte man auch nicht überbewerten. Man konnte in der Abfolge deutlich erkennen, dass die Jahresverläufe ihren Teil zum Charakter der jeweiligen Jahrgänge beigetragen haben – wie es ja auch sein soll. Ich habe das Gefühl, dass KPK manchmal genau richtig auf den Jahrgang eingegangen ist, manchmal weniger. Er schwebt auch nicht über den Dingen. Ich denke, dass er das auch nicht behaupten würde, aber manchmal liest man kritikfreie Elogen wie die des eigentlich verehrten David Schildknecht auf Vinous, wo man das danach denken könnte – obwohl der Artikel zweifelsohne sehr umfassend und informativ ist. Ich bin mir der Bedeutung von Klaus-Peter Keller in ihren vielen Facetten sehr wohl bewusst und besitze Hochachtung, aber manche Ehrfurcht geht mir dann hier und da auch zu weit. Andererseits steckt so viel Herzblut und Arbeit in den Weinen, dass man ihnen auch gerecht werden sollte.
Was mich besonders interessiert hat, war der eigentliche Charakter des Weinbergs in der Interpretation dieses Winzers, den ich kennenlernen wollte. In der klassischen Herangehensweise – ich habe es im „Zwischenspiel“ ja schon angesprochen – hatte ich auch nach und nach das Gefühl, eine Idee dazu zu entwickeln. Im zweiten Teil des Tastings aber habe ich diese Idee wieder verloren. Mit einem Stilwechsel im Keller verliert das Große Gewächs für mich einen Teil dieser Wiedererkennbarkeit. Es wirkt zwar in den letzten Jahren fokussierter, präziser, heller und auch alkoholisch leichter. Doch durch die Suche nach mehr Stein, Zesten und Säure und dem weniger an Frucht und vor allem Würze wird der Wein stilistisch auch austauschbarer.
Die spannende Frage ist für mich – und die Frage habe ich hier nicht, aber auch bei vielen anderen Rieslingen der Moderne noch nicht geklärt: Kommt das irgendwann? Kommt damit auch wieder ein gewisser Charme, oder bleibt auch der Zugunsten der Kargheit a.k.a. einem veränderten Terroir-Verständnis auf der Strecke? Ist Terroir wirklich und vor allem Stein und Säuren (und ich mag Stein und Säuren) oder könnte da auch noch mehr dazu gehören? Ich probiere ja seit Jahren die GGs bei der Vorpremiere in Wiesbaden und stelle mir dort sehr häufig immer wieder genau diese Frage.
Ich habe am letzten Freitag jedenfalls gemerkt, dass ich dem Charme, den vor allem 2009 und 2010, aber beispielsweise auch 2007 oder 2013 ausgestrahlt haben, durchaus erliegen kann. 2009 und 2010 wirkten für mich ziemlich komplett und auch wenn sie vielleicht das Maß an innerer Wärme, dass 2020 oder 2021 zu wenig haben, ein bisschen zu sehr in sich tragen, gefällt mir das doch gut, zumal sich dort eine innere Harmonie eingestellt hat, die die jüngeren Jahrgänge noch nicht bieten können – naturgemäß. Ich hätte mir persönlich gewünscht, dass mich die Weine mehr gepackt, mehr aufgewühlt hätten. Das war nicht der Fall. Das ging anderen in der Runde anders. Innere Zustände zu Weinen sind verschieden, und das ist auch gut so und hat mit der zweifelsohne vorhandenen Qualität der Weine nur bedingt etwas zu tun. Ergriffenheit ereilt mich auch nicht alltäglich, aber bei manchen meiner persönlichen Grand Cru-Favoriten passiert das häufiger, als bei anderen Weinen. Vielleicht bin ich es dann, der beizeiten von diesen Weinen mal eine 15-Jahre-Vertikale auf den Tisch stellen wird.
Ich hatte ja vor ein paar Jahren das Vergnügen, die Abtserden durchzuprobieren.
Ließ mich auch etwas ratlos zurück.
Ich finde bei Kellers auch immer grandiose Einzelweine, aber auch Flaschen, die mich nicht überzeugt haben. Wenn man die Kritiken liest, werden da aber seit 10 Jahren eigentlich nur 95+P erzeugt. 😉
Meine etwas provokante These ist ja immer, dass KPK Rieslinge für Kunden macht, die keine Rieslinge mögen.
Die Preise auf dem Sekundärmarkt sind jedenfalls sehr schräg.
https://weinkaiser.de/weingut-keller-riesling-abtserde-gg-vertikale-2006-2015/amp/
Wie waren die Weine gelagert?
Alle vom selben Käufer nach und nach per “Keller-Kiste” erworben. Alle im selben kühlen Keller gelagert.
Sehr interessant! Was sind denn „Deine“ Grand Cru aus Deutschland. Ich tippe in jedem Fall auf den Wagnerschen Heerkretz….
Immer wieder überraschend, wie vielseitig und vielschichtig so ein Riesling im Geschmack sein kann.
An so einer Weinverkostung habe ich bisher leider noch nie teilgenommen, aber ich denke das habe ich in nächster Zeit generell einmal vor!
In Rheinhessen sind für mich die besten GGs die von H.O.Spanier. Ansonsten schau mal in die “Best of” der letzten Besprechungen der Vorpremieren der Großen Gewächse. Das findest du eigentlich all das in den letzten drei Jahren, was ich gut finde.