Wir hatten mal wieder Ottenser Weinrunde. Die fünfte Ausgabe hatte Ungarn zum Thema. Ist natürlich klar, dass selbst 20 Flaschen nicht ausreichen, um tiefer zu kratzen. Aber für viele ist das Weinland ein völlig oder im Wesentlichen unbeschriebenes Blatt und a ist es dann schon ganz hilfreich, wenn man mal ein bisschen was ins Glas bekommt. Zumal es viel Furmint gab.
Begonnen haben wir mit einem Pet Nat vom Furmint, den ich eigentlich weiter hinten Richtung Balaton einsortiert hätte, aber es war der einzige Schäumer des Abends. Kevin hatte ihn direkt vom Weingut aus Ungarn, dessen Gründerin Annamária Török er mal bei Gernot Heinrich im Burgenland kennengelernt hat. Heute macht sie zusammen mit Attila Francisti auf drei Hektar Wein am Szent György-hegy, einem ehemaligen Vulkankegel amn Balaton mit viel Basalt. Der Berg taucht später noch häufiger auf. Der Pet Nat war ein reiner Furmint der Kolonia 52 mit vier Tagen Maischstandzeit, 12 Gramm Restzucker und 12 monaten Hefelager: Ein fruchtiger, frischer, duftiger, wilder, hefiger und auch an Hopfensprossen erinnernder Einstieg mit etwas mürbem, süßem Apfel dazu.
Was folgte waren zwei Furmint aus dem Tokaj-Gebiet von Mád-Moser, einem ungarisch-österreichischen Joint-Venture bei dem wir alles uns gefragren, haben, was diese Weine erreichen wollen. Daie Ausstattung ist himmelschreiend, die Weine für ihre Qualität furchtbar teuer und die Rebsorte mehr entstellend als fördernd. Der MM5 aus dem Edelstahl wirkt zu glatt, rein filtriert und ohne Seele. Der MM55 für mehr als 40 Euro wie die Karikatur eines teuren Weines mit viel zu viel geflämmtem Holz, Vanille und Butter. Weine von gestern, irgendwie.
Ganz anders der Tokaj von Attila Hormonna, der in der Subregion Rány einen reinsortigen Furmint vorwiegend vom Muschekalk erzeugt. Der Wein hat eine gediegene Reife, die aber von einer lebendigen Säure gekontert wird. auch hier findet man wieder mürben apfel, gar Apfelstrudel und eine leichte, passende Oxydation. Mir persönlich hat der Wein etwas zu viel Gewicht, aber es ist sehr gelungen und balanciert.
Wir sind dann erst einmal von der Tokaj-Region zum Balaton gewechselt und haben mit den Weinen des Ungarn-Kanadiers Robert Gilvesy weitergemacht. Eigentlich wollte ich nur zwei Weine öffnen aber es sind dann doch drei geworden. Das ist eine sehr schöne Entdeckung von Frank Krüger von Edel und Faul, die ich zum ersten Mal auf der Hauts les Vins in Düsseldorf probiert habe. Die Pixus sind die Weine mit sehr wenig Intervention und kaum zugesetztem Schwefel. Einmal Olazrizling, also Welschriesling, einmal Furmint. Beides aus 2021. Man erkennt den Natural-Aspekt, aber die Weine sind ganz sauber und stabil, in ihrer Aromatik unverfälscht und schön, lebendig und auch sehr deutlich in ihrem Rebsortenunterschied. Der Olazrizling etwas heller, apfeliger mit mehr druckvoller Säure, der Furmint feiner, eleganter und doch auch mit einer klaren säurestruktur und Mineralität. Einer meiner Weine des Abends war dann der 2019er Badacsónyi Furmint „Váradi“. All diese Weine stammen wieder vom Szent György-hegy, also vom Sant-Georgs-Hügel mit viel Basalt. Der Lagenwein wurde ausgebaut im gebrauchten 500er und verbindet die karge und vibrierende Basalt-Mineralität mit einer wunderbaren Seidigkeit, Finesse, etwas Rauch und Saft. Sehr stark.
Der Kolonia 52 Furmint 2021 stammt noch aus zugekauften Bio-Trauben, so lange der eigene Weinbefrg noch wächst. Sie stehen im Ság-hegy, Dénes Birtok. 5 % der Trauben hatten Botrytis. es wurde direkt gepresst, für fast ein Jahr in ein 600-Liter-Eichenfass. Durch Schwerkraft abgefüllt, ohne Zusatz. Kein Filter, keine Schönung. Der Wein schafft nicht ganz die Stimmigkeit der Weine von Gilvesy, bietet aber einen sehr schönen zusätzlichen und ungeschminkten blick auf diese Rebsorte und ihre Affinität zum Basalt.
Ebenfalls direkt aus Szent György-hegy findet man die Weinberge von István Bencze, der sein Weingut 2011 am Berg gegründet hat und dort einem ganz eigenen Stil folgt, den ich sehr mag, der aber durchaus polarisiert. Und das tat er auch gestern. Der Autochthon 2019 wirkte auch noch unfertig, die Säure noch nicht ganz eingebunden. Es ist ein Wein aus Furmint (22 %), Hárslevelű (Lindenblättriger) (42 %), Kéknyelű (Blaustengler) (14 %) und Rózsakő (22 %) (Rosenstein – Der Rózsakő Wein, eine Hybride, die aus der Kreuzung der Sorten Kéknyelű (Blaustengler) und Budai). Die Trauben wurden zu verschiedenen Lesezeitpunkten geerntet. Die Hälfte des Hárslevelű wurde entrappt und in offene Gärbehälter gefüllt, wo er 8 Tage lang blieb. Die andere Hälfte des Hárslevelű wurde zusammen mit dem Kéknyelű und dem Furmint als ganze Trauben sanft gepresst. Der Saft wurde in verschiedenen Amphorentypen vergoren und 9 Monate lang auf der Feinhefe gelagert. Anschließend wurde er im Juni verschnitten und im Juli ohne Schönung, Filtration oder SO2-Zusatz in Flaschen abgefüllt. Ein wilder, trüber, fordernder Wein, der zumindest aktuell auf jeden Fall eine Essensbegleitung benötigt.
Weiter ging es dann mit #2 und #3 aus dem Projekt, das Roland Velich vom Burgenländischen Weingut Moric angestoßen hat. Er arbeitet dort mit ungarischen Winzern zusammen und ich hoffe, dass sie dadurch mehr internationale Aufmerksamkeit erlangen, als wenn sie ihre Weine ohne seine Hilfe machen würden. Bei Tamás Kis dürfte das der Fall sein. Er arbeitet in Nagy-Somló, dem kleinsten ungarischen Weinbaugebiet: ein alter verwitterter Vulkankegel mitten in der flachen Ebene mit viel Basalt. Vor rund zehn Jahren hat es Tamás Kis zu dem Vulkan hingezogen, und er hat dort Weinberge übernommen, die er seit 2014 biologisch bewirtschaftet. Unter anderem sind diese bestockt mit Hárslevelü (Lindenblättriger), Furmint und Welschriesling, die in Anteilen von ca. 45, 45 und 10 Prozent in diesen Wein eingeflossen sind und nach Spontanvergärung im großen Holz ausgebaut wurden. Der Wein hat mir ausgesprochen gut gefallen. Da gibt es Kraft und Dichte, Körper und Frische, Lindenblüten und Fenchel, Anispollen, Kernobst und Kräuter. Am Gaumen ist der Wein saftig, seidig, dann wieder elektrisierend und spannungsvoll.
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Dann kommt die Cuvée aus Riesling und Furmint, die in de Zusammenarbeit mit der Villa Tolnay entstanden ist, für mich nicht mit. Als ich den Wein vor einem Jahr das erste Mal im Glas hatte, fand ich ihn klarer, frischer, tiefer. Jetzt ein bisschen verwaschen mit einer zu reifen Riesling-Frucht. Aber das ging nicht allen in der Runde so, ich glaube das die Vorlieben sinch die Waage hielten. Was man deutlich spürt ist die Säure, die von den vulkanischen Böden stammt. Ebenso die Salzigkeit. Ich habe den Eindruck, dass ein reinsortiger Furmint hier interessanter gewesen wäre.
Etwas ganz Außergewöhnliches ist die Rebsorte Kéknyelű (Blaustengler), die auch schon im Wein von Bencze Birtok vorhanden war und in den beiden Weinen Badaćsony Kéknyelű 2021 von Laposa und dem Badaćsony Kéknyelű 2006 (!) von Huba Szeremley. Der aber hatte leider Kork! Das wäre interessant gewesen, wirkte er doch abgesehen vom Kork sehr jung, hell und frisch. Der 2021er hatte diese Attribute auch, zeigte sich aber auch etwas sehr sauber und stromlinienförmig vinifiziert, so dass die Rebsorte nicht besonders wirkte. Das ist schade, denn sie ist auf Grund der Tatsache, dass es nur zwei oder drei andere Rebsorten gibt, mit denen man sie bestäuben kann, sehr rar und wäre fast ausgestorben.
Die ungarischen Rotweine waren in diesem Tasting eindeutig unterrepräsentiert. Und aus Villany, der ungarischen Hochburg des Cabernet Franc hatten wir gar nichts dabei.
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So gab es zwei Weine von Heimann & Fiai aus Szekszárd, was so etwas auf zwei Dritteln des Weges von Budapest aus nach Kroatien liegt. Auf 25 Hektar wirtschaften Ágnes und Zoltán Heimann seit diesem Jahr auch zertifiziert biologisch. Wir haben zwei Ortsweine probiert. Einen Szekszárd Kadarka und einen Szekszárd Kékfrankos. Das waren sehr einfache, eher süffige unkomplizierte Weine, die für die Preislage (13 bis 14 Euro) aber dann auch ein wenig an Komplexität vermissen ließen.
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Das kann man vom 2018er Steiner von Franz Weninger nun nicht behaupten. Ich kenne sowieso kaum ein Weingut, dass ein besseres Preis-Genuss-Verhältnis für seine biologisch und biodynamischen und händisch erzeugten Weine aufrufen würde. Der Steiner stammt aus Sópron am Neusiedlersee und ist historisch die bedeutendste Lage dort. Der Wein war klar und ätherisch, tintig und dunkel, erinnerte an Zwetschgen und Kirschen, war saftig und würzig mit feinem Säurespiel und eleganter, pudriger Tanninstruktur. Der Wein war der Auftakt zu einem Abend, an dem wir uns noch mal gesondert mit Kékfrankos, a.k.a. Lemberger a.k.a. Blaufränkisch beschäftigen werden.
Abschließend sind wir noch mal zurück, um noch ein bisschen Tokaj zu probieren. Es gab einen Furmint Sec 2019, den Darrel mitgebracht hatte und den wir vor dem Tasting geöffnet haben. Ich selber hatte noch eine halbe Flasche des gleichen Weines und Jahrgangs, die ich aber schon im Oktober 2022 geöffnet und dann in den Keller gestellt hatte. Manchmal mache ich solche Experimente. Das Amüsante war, dass der Wein lediglich etwas runder wirkte, etwas weniger säurebtont und dafür etwas süßer. Ansonsten haben ihm die Luft in der Flasche und die fünf Monate im Keller nichts ausgemacht. Der Furmint Sec von Királyudvar, der den selben Besitzern wie die Domaine Huet in Vouvray gehört, ist eine Cuvée aus 85 % Furmint und 15 % Hárslevelű aus allen eigenen Lagen rund um Mád und Bodrogkeresztur. Die biodynamisch erzeugten Trauben wurden in Pressen von Huet langsam gepresst und in 5-Hektoliter-Fudern aus slawonischer Eiche spontan vergoren und nach acht Monaten mit 13,5 % Alkohol, 8,5 Gramm Restzucker und 6,4 Gramm Säure gefüllt. Der Wein ist in seiner Saftigkeit, Viskosität, Eleganz und dieser Mischung aus Saft, konzentrierter Frucht, Säure, Rauch und Würze schnn ein besonderes Highlight.
Abschließend gab es noch ein paar Tropfen Esszencia 2002 von Királyudvar. Bei 3 % Alkohol ist das kein Wein mehr. Die Cuvée aus 74 % Furmint und 26 % Hárslevelű wurde über 66 Monate in Demi-Johns ausgebaut. Die Süße liegt jenseits der 548 Gramm pro Liter und die Säure bei 13,4 Gramm. Das ist ein extremes Konzentrat, von dem man wirklich nur ein paar Tropfen in einer meditativen Stunde benötigt.
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Das war wieder ein äußerst spannender Abend mit Fokus auf Furmint, die sicher zu den großen europäischen Sorten zählt. Wir haben allerdings nur an der Oberfläche gekratzt und ich soweit ich das sehe, tun das die meisten Winzer bisher auch. Da ist noch enorm viel Potential drin!