Der Grand Prix der Großen Gewächse 2022 – Tag 3, Riesling Württemberg, Nahe & andere 

Es gibt 13 Große Gewächse zu probieren.

Der 2022 Jürgen Ellwanger „Schnait Altenberg“ beginnt mit leichten, aber nicht störendem Pyrazin und weißen Beeren. Am Gaumen gefällt mir die Beerenfrucht, die sich von einer reifen, aber lebendigen Säure einlullen lässt. Das ist nicht allzu komplex, sicher kein GG, aber ein angenehmer, fröhlicher Wein. Von Fröhlichkeit kann man beim 2021 Aldinger „Stetten Pulvermächer“ nicht sprechen. Das riecht zu Beginn wie ein ICE nach der Vollbremsung. Und das macht nie glücklich. Immerhin aber, verzieht sich das verbrannte Gummi recht schnell und es bleibt auch hier eine Aromatik die mich ein wenig an Sancerre erinnert: leicht grüne aber reife Noten, weiße Beeren. Am Gaumen baut der Wein etwas Druck auf, wirkt saftig, leicht kreidig aber auch reif mit saftiger Frucht. Das ist ein gelungenes Wechselspiel und eine ebenso gelungene Interpretation des Jahrgangs. 2021 Karl Haidle „Stetten Pulvermächer“. Moritz Haidle avanciert zu einem der spannendsten Riesling-Interpreten im Süden. Der Pulvermächer hat heute eine leichte Flüchtige, dahinter findet man eine dezente helle Frucht, Blüten und etwas weißen Nougat. Am Gaumen baut der Wein einen angenehmen Druck auf, besitzt Tiefe und Kraft, aber auch eine seidige Sinnlichkeit. Die Säure ist druckvoll und wird den Wein lange tragen. Der 2021 Beurer „Stetten Pulvermächer – Berge“ bietet in diesem Jahr eine sehr eigene Interpretation des Terroirs. Das riecht und schmeckt nach Früchtetee mit Kräutern, etwas Hefebrot. Gleichzeitig hat das Druck, Würze und gute Länge.  

Der 202Rainer Schnaitmann „Uhlbach Götzenberg“ besitzt noch aromatische Reste von Spontanvergärung. Dazu gibt es ein wenig Hefe, Hopfen, weißen Tee und Kräuter. Am Gaumen sorgt der Riesling für einen leichten Druck am Gaumen, für viel Saft, Extraktsüße, eine naturale Würze und Hefigkeit. Das ist unaufgeregt, tief, offen und einladend, kräuterwürzig, leicht cremig und schön. Es folgt der 2021 Rainer Schnaitmann „Fellbach Lämmler“. Auch dieser Riesling wirkt offen und einladend mit einer reifen Quittennote und Hefe. Am Gaumen ist der Wein sehr strukturiert mit einem deutlichen Extrakt, Saft, mit feiner Würze und viel Substanz. Das hat Substanz, Tiefe und ist komplex – ein Württembergischer Überflieger.

Nahe

An der Nahe gibt es sechs Flights mit 33 Weinen.

Flight 1

Es geht um Monzingen und Bockenau. Beide Weine von Emrich-Schönleber starten mit einer leicht flüchtigen Säure. Der 2022 Emrich-Schönleber „Monzingen Frühlingsplätzchen“ wirkt dahinter blütenduftig und leicht weißfleischig mit ein wenig Limonade. Am Gaumen ist das ein vergleichsweise harmlos dahinplätschernder Wein mit feiner Frucht und Würze. Da fehlt aber das Tiefe, Zwingende. 2022 Emrich-Schönleber „Monzingen Halenberg“ wirkt naturgemäß etwas dunkler und steiniger, aber auch hier fehlt mir am Gaumen etwas Konzentration und Tiefe. Der 2022 Schäfer-Fröhlich „Monzingen Frühlingsplätzchen“ gefällt mir im Duft sehr gut. Die für ihn typische Reduktionsnote zeigt sich nur dezent – wie bei allen seinen Weinen in diesem Jahr. Das finde ich gut. Stattdessen ist es eine Mischung aus Blüten, etwas Gesteinswürze und Kräutern. Am Gaumen wirkt der Wein recht weich und leicht süß. Das Finale ist dagegen lang und zunehmend würzig und packend. Der 2022 Schäfer-Fröhlich „Monzingen Halenberg“ wirkt dunkler als das Frühlingsplätzchen und von Beginn an griffiger. Die dunkle wirkende Steinigkeit zieht sich durch den Wein. Der 2022 Schäfer-Fröhlich „Bockenau Stromberg“ verbindet eine recht weiche Textur mit einer leicht limonadigen Süße. Dann kommen Kräuter und Gesteinswürze, aber der Wein wirkt nicht sehr dicht. Der 2022 Schäfer-Fröhlich „Bockenau Felseneck“ bietet etwas Rauch und eine saftig helle Frucht. Da ist vor allem Kernobst, dann wird es zitrisch, mineralisch und präzise. Das ist aktuell vielleicht der klarste Wein der Kollektion. 

Flight 2

Einer der krassesten Weine ist der 2018 Gut Hermannsberg „Niederhausen Hermannsberg“. Hier gibt es mal wieder eine ICE Vollbremsung a.k.a. verbranntes Gummi zusammen mit einer schon sehr gereiften Frucht. Am Gaumen ist das erstaunlich süß und fruchtig. Und Süße plus Gummi geht so gar nicht. Zum Glück fängt sich der Wein im Finale, wird cremig und verliert das Gummi, so dass es einen versöhnlichen Ausklang gibt. Der 2022 Gut Hermannsberg „Niederhausen Steinberg“ wirkt hölzern und bitter. Kollege Harald Scholl, der neben mir sitzt, kratzt sich auch am Kopf, weil er die Weine vor ein paar Wochen noch viel schöner und stimmiger erlebt hat. So ist es leider mit Momentaufnahmen. Der 2022 H. Dönnhoff “Roxheim Höllenpfad im Mühlenberg“ verbindet grüne und gelbe Kernobstnoten mit ein wenig Haferflocken und einigen darauf herumtanzenden grünen Haribo-Bären. Am Gaumen wirkt der Wein recht süß, auch eher weißfleischig und sanft mit ein wenig Würze, die im Finale aber deutlicher wird. Da schwingt sich auch die Säure auf und bleibt lange stehen. Die 2022 H. Dönnhoff „Niederhausen Hermannshöhle“ greift diese Süße ebenfalls auf. Das wirkt ein wenig limonig, dann wird am Gaumen aber schnell die Tiefe und Kraft dieses Weines sichtbar. Plötzlich wird es fest, zwingend, druckvoll und steinig, ohne das Cremige und Saftige zu verlieren. Das ist gut!

Flight 3

Weiter geht es in Schlossböckelheim. Gut Hermannsberg kommt wieder mit einem älteren Jahrgang. Der 2018 Gut Hermannsberg „Schlossböckelheim Kupfergrube“. Dieser 2018er wirkt in sich stimmiger und nicht so reif und gereift. Da gibt es etwas Lemoncurd in Verbindung mit nur sehr wenig Gummi, aber vorhanden ist es auch. Am Gaumen setzt sich das mit dem Lemoncurd in Verbindung mit ein wenig Patisserie, leichter Süße und Saft fort. Das wirkt harmonisch, voll, trotzdem strukturiert, elegant und komplex, zumal die Säurebalance stimmt und der Wein mit einer feinen Würze und Lebendigkeit aufwartet. Der 2022 Schäfer-FröhlichSchlossböckelheim Kupfergrube“ riecht ein bisschen nach Kaninchenstall, der mal wieder gereinigt werden müsste. Am Gaumen stört mich die Süße, durch die sich dann die scharfe Säure ihren Weg bahnt und lange stehen bleibt. Das wartet noch auf Vollendung. Der 2022 Dr. Crusius Schlossböckelheim Kupfergrube“ zeigt im Duft einen recht limonadigen Charakter. Am Gaumen ist das weniger ausgeprägt, aber da finde ich den gesamten Wein eher oberflächlich. Frucht, Säure, Würze, Extrakt, alles ist nur in geringen Dosen vorhanden. Beim 2022 Gut Hermannsberg Schlossböckelheim Felsenberg“ brennt sich die Säure in den Gaumen wie die Sonne kurz nach der Sonnenfinsternis in die Netzhaut. Daneben finde ich relativ wenig, was die Säure ausgleichen könnte. Zugegeben, die Zahnhälse sind nach drei Tagen permanenter Verkostung strapaziert.

Flight 4

Der 2022 Dönnhoff „Norheim Dellchen“ wird noch einige Jahre auf die Vollendung warten. Aktuell wirkt der Riesling angenehm fest, mundwässernd, steinig und kräuterbetont. Das ist mal ein ganz trockener Nahe-Wein mit wenig Frucht und einer gewissen Kargheit. Der 2022 Dr. Crusius Traisen Steinberg“ wartet mit flüchtiger Säure auf. Dahinter wird es wieder recht weich und limonig süß. Ähnlich verhält es sich mit „Mühlberg“ und „Bastei“. Bleibt noch der 2022 Gut Hermannsberg Treisen Bastei“. Den Wein habe ich über die Mittagspause im Glas stehen lassen. Frisch nach dem Einschenken roch er nach Schießpulver mit Mettwurst. Dann hat er sich geöffnet, wurde duftiger, feiner, hochtöniger und balancierter. Plötzlich war das ein guter Wein – was zeigt, wie wenig Aussagekraft solche Momentaufnahmen eigentlich haben. Zuhause würde man Weine wie die hier gezeigten erst einmal in die Karaffe schütten und stehen lassen. Hier probiert man Dutzende innerhalb weniger Stunden. Das war es für mich von der Nahe, ich möchte noch ein paar andere Sachen probieren, bevor es nach Hause geht. 

Freispiel

Ich mochte den kompletten Flight mit Weinen von Heymann-Löwenstein. Das hat Kraft, eine tiefe Würze und ist angenehm trocken. Der 2022 „Uhlen Roth Lay“ bringt rote Beeren in die die weißfleische und zitrische Frucht. Am Gaumen wirkt das saftig, freudvoll, frisch und fein. Im 2022 „Uhlen Laubach“ findet man mehr Würze, Tabak, etwas Rauch und auch den längeren Nachhall. Die Weine wirken trotz der würzigen Aromen und der Kraft angenehm spielerisch. 

Eine feines Triumvirat bot Maximin Grünhaus. Besonders balanciert, druckvoll und kühl steinig war der 2022 „Mertesdorf Herrenberg“, der das Rauchig-Schiefrige mit seiner Mineralik in den letzten Winkel des Mundes getragen hat. 

Schmelzig, cremig, elegant und dabei mundwässernd saftig und mineralisch mit dunklen Zügen empfand ich den 2021 Von Othegraven „Kanzem Altenberg“. Der 2021 Von Othegraven „Ockfen Bockstein“ setzte noch einen drauf. Der Wein wirkt herrlich kräuterduftig, cremig und sinnlich mit einer feinen Schiefernote. Am Gaumen wirkt der Wein klar und präzise, saftig, cremig und entsprechend elegant. Es gibt eine feine Süße in einem grundsätzlich aber trocken wirkenden Wein, der lange trägt. Das würde ich gerne heute Abend austrinken.

So, das wars für mich aus Wiesbaden. „Ich habe fertig.“ Allerdings noch nicht ganz. Ich lasse das Ganze mal zwei, drei Tage sacken und schreibe dann ein Resümee mit einem Blick auf die Veranstaltung, die Qualität des Jahrgangs und die für mich besten Weine.

Danke an den VDP für die erneute hervorragende Organisation!

Herausragend

2021 Rainer Schnaitmann „Fellbach Lämmler“

2022 H. Dönnhoff „Niederhausen Hermannshöhle“

2021 Von Othegraven „Ockfen Bockstein“

Sehr empfehlenswert

2021 Rainer Schnaitmann „Uhlbach Götzenberg“

2021 Aldinger „Stetten Pulvermächer“

2021 Karl Haidle „Stetten Pulvermächer“

2018 Gut Hermannsberg „Schlossböckelheim Kupfergrube“

2022 Heymann-Löwenstein „Uhlen Roth Lay“

2022 Maximin Grünhaus „Mertesdorf Herrenberg“

Empfehlenswert

2022 H. Dönnhoff “Roxheim Höllenpfad im Mühlenberg“

2021 Beurer „Stetten Pulvermächer – Berge“

2022 Heymann-Löwenstein „Uhlen Laubach“

2 Comments

  1. Danke für den Bericht. Spannend zu lesen.
    Zumal ich aus Württemberg komme, im Remstal, Fellbach, Stetten aufgewachsen bin. Später waren wir in der Pfalz und Rheinhessen unterwegs. Für das VDP Event Württemberg in der alten Reithalle in Stuttgart fühle ich mich schon mal gut informiert. Aktuelle Infos aus Baden fehlen mir noch. Liebe Grüße Ute Mangold

  2. Das freut mich. Zu Baden habe ich ja über Pinot und Chardonnay geschrieben. Weißburgunder und Grauburgunder habe ich nicht geschafft.

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