Wenn ich mich recht erinnere, war es der vorletzte Arbeitstag von Marco Antonio “Toni” Aguado bei Ravenborg in Hamburg bevor er zu Pinard de Picard wechselte, als er mir diesen Wein empfahl, den ich nun vor einigen Wochen geöffnet habe. Sein Name? La Barajuela, Jahrgang 2013, Saca, also Abfüllung, 2018. Sherry? Ja, steht aber nirgendwo. Was hat es also mit dieser Flasche auf sich? Jahrelang bin ich um diese einzelne, rare Flasche herumgeschlichen. Im Dezember habe ich sie dann geöffnet.
Es ist ein Wein von Luis Pérez. Pérez stammt aus einer andalusischen Winzerfamilie und war lange Zeit Chefönologe des Hauses Domeq sowie Professor für Önologie an der Universität von Cádiz. Im Jahr 2002 wagte sich Pérez an sein persönliches Herzensprojekt und gründete sein eigenes Weingut. Er konnte Parzellen in Corchuelo und Balbaína erwerben. Balbaína war früher bekannt für seine Rotweine aus der Sorte Tintilla de Rota, was heute kaum noch jemand weiß. Pérez aber wusste es, schließlich hatte er sich intensiv mit der Geschichte der Region beschäftigt. Früher gab es dort alles: Schaumweine, Rotweine, Brandies, Süßweine, Olorosos, trockene Weine mit und ohne Flor, Weine mit Botrytis, Spätlesen. Doch lange Zeit gab es fast nur die aufgespritzten Sherrys der großen Häuser. Das wollte Pérez ändern. Zumindest für sich persönlich. Also beschäftigte er sich mit den roten Rebsorten rund um Cádiz, und sein Sohn Luis, genannt” “Willy”, Pérez junior, tat es ihm gleich. Willy ging nach Australien, um mehr über Rotweine zu lernen und auch, weil James Busby, einer der wichtigsten Protagonisten in den Anfängen des australischen Weinbaus, sich intensiv mit Sherry beschäftigte hatte und mit Pedro Domecq befreundet gewesen war. Alles, was er lernte, und das war eine ganze Menge, schrieb er zu Beginn des 19. Jahrhunderts Tages auf, und Willy las es. Er las nicht nur, er bekam eine ganz neue Vorstellung von den Weinen seiner Heimat, in denen es früher viel mehr um Terroir als um Criadera und Solera gegangen war. In ihm reifte die Idee, einen klassischen Sherry wie im 18. Jahrhundert zu machen. Terroir-Sherry mit natürlichem Alkohol.
2013 erwarb die Familie die Finca El Corregidor, die inmitten der Pago El Carrascal (Pago ist eher eine Zone als ein einzelner Weinberg) liegt, also direkt neben der Pago Macharnudo von Domecq, die Busby einst so genau beschrieb und in der die Pérez’ inzwischen ebenfalls Parzellen besitzen. Eine der Unterzonen von El Carrascal ist La Barajuela, und von dort stammt der erste La Barajuela, der 2013er. Hier wurden die Trauben später als üblich und in mehreren Durchgängen geerntet: Die ersten Trauben wurden für die Herstellung eines noch nicht angekündigten Branntweins verwendet, die zweiten für den Weißwein El Muelle de Olaso, die dritten für La Barajuela und im letzten Durchgang wurden leicht überreife Trauben für die Weinsorten Oloroso und Raya geerntet. Toni schreibt, dass die Lese der 60 Hektar des Weinguts El Carrascal im Jahr 2017 beispielsweise 50 Tage mit 14 Lesedurchgängen von 70 Personen dauerte.
Die Palomino-Trauben für La Barajuela wurden dann vor dem Pressen einige Tage in der Sonne gelagert – das nennt man asoleo, um den Zucker anzureichern. Dieses Verfahren war bis in die 1970er Jahre auch bei der Palomino-Traube üblich, wird heute aber nur noch bei Süßweinen aus Moscatel oder Pedro Ximénez angewendet. Der Saft wird durch Stampfen mit den Füßen in offenen Lagares gewonnen und in alten Sherryfässern spontan vergoren. Die Fässer bleiben dann dort und werden fast bis zum Rand gefüllt. Von allen Fässern, ich glaube es waren 12, haben es nur zwei geschafft, die Qualität der Dos Palmas zu erreichen, aus denen dann der Fino wurde, den ich jetzt im Glas habe. Um es noch einmal in Erinnerung zu rufen. Tatsächlich ist dieser Wein, der La Barajuela Fino 2013, der erste Fino-Sherry der modernen Geschichte, der ohne Anreicherung hergestellt wurde. Aufgrund der späten Lese und des Asoleo-Verfahrens hat er dennoch 15 % Alkohol. Durch die lange Lagerung im Fass hat er nur wenig Florhefe erhalten. Der Duft ist geprägt von Heu, grünen Mandeln und Nüssen, getrockneten Kräutern, gesalzener Zitrone und Jod. Ich kann eine Spur von Wachs, Hefe, etwas unreife Walnuss und grüne Oliven erkennen. Am Gaumen verbinden sich ganz leicht süße Hefeelemente mit getrockneten, saftigen Quitten und Apfelringen, Nüssen und etwas Bienenwachs. Trotz der süßen und auch cremigen Elemente wirkt der Dos Finos knalltrocken und dazu vibrierend, ja pulsierend mineralisch und mundwässernd salzig. Die Seidigkeit ist ebenso faszinierend wie die Kräuter- und Salzigkeit, die immer in einem feinen Wechselspiel agieren. Ein wunderschöner Wein, wie so einige aus der Region, die hier immer noch auf einen echten Durchbruch warten.
Quellen:
Sherrynotes: Über den Wein
Pinard de Picard: Der Text über die Bodega von Miguel Montfort
César Saldaña „The Book of Sherry Wines”, Almuzara 2022