Der Grand Prix der Großen Gewächse 2024 – das Resumée

Zum ersten September 2024 werden 561 Große Gewächse des VDP für den Markt freigegeben. Rund 460 davon habe ich über drei Tage hinweg in Wiesbaden bei der Vorpremiere probiert und bei der schieren Menge der angestellten Weine, sollte niemand meine spontanen Eindrücke, die ich über die drei Tage hinweg live in die Tastatur gehämmert habe, für der Weisheit letzten Schluss halten. Es sind Momentaufnahme, beeinflusst durch Tagesform (die war über die drei Tage hinweg allerdings erstaunlich gut und gleichmäßig), Temperatur der Flaschen und dem Öffnungszeitpunkt usw. Bei so vielen Weinen kommt man dann zudem auch irgendwann an die Grenzen der Umschreibung, aber diese Berichte sind ja auch nur tendenziell dazu geeignet, sie in einem Stück von vorne nach hinten hinweg durchzulesen. 

Wie war es also in Wiesbaden? Ich würde sagen, es war beeindruckend unspektakulär. Es gab weder etwas, worüber man sich echauffieren müsste, noch etwas, das man über die Maße feiern könnte. Das kann man langweilig finden, hat aber auch etwas Positives. Denn das, was angestellt wurde, befand sich in seiner Gesamtbreite auf einem sehr guten bis sehr hohen Niveau. Und dass das alles in meinen Augen so unspektakulär war, hat auch viel damit zu tun, dass vor allem der 2023er Riesling-Jahrgang ein so schöner, ausgeglichener, in sich stimmiger Jahrgang ist. Eigentlich gilt das auch für die weißen Burgunder und Silvaner. Wer gut gearbeitet hat, und das waren die meisten, hat auch sehr schöne Weine hervorgerbacht. Die hohe Qualität war zudem viel ausgeglichener als im Vorgängerjahrgang. Man merkte auch, dass die wenigen 2022er, die zwischen den 2023er eingestreut waren, sich deutlich schwerer taten. Sie waren weit weniger charmant und balancierter, manchmal hart, manchmal wässrig. 

Setting am Platz
@Franzi Stegemann

Riesling

So kommt es, dass ein weiteres schwieriges Jahr im Weinberg, Weine von großer Klasse hervorgebracht hat. Gerade die Rieslinge wirken jetzt, generell gesagt, offen und einladend, schlank, präzise elegant, feinfruchtig, seidig, sinnlich, aromatisch eher auf der hellen Seite, im Finale oft prägend mineralisch mit oft sehr schönen Extrakten. 

Das hat mich auch dazu geführt, dass ich Mosel, Saar und Ruwer dieses Jahr beim Verkosten deutlich nach vorne gezogen habe. Es waren zwar sehr viele Fassproben dabei (Dr. Loosen, Nik Weiß), die ich nicht probiert habe, aber darüber hinaus blieben viele Rieslinge übrig, die mir sehr gut gefallen haben. Ich hatte das Gefühl, dass wir hier in diesem Jahr mehr Mosel-GGs im Glas hatten, die trocken wirken und dem Anspruch eines GGs in Bezug auf Restzucker auch entsprechen. Manche Weingüter wie Von Othegraven oder Knebel, waren leider nicht mit dabei. Aber Clemens Busch und Heymann-Löwenstein haben jeweils sehr schöne Weine am Unterlauf der Mosel präsentiert, vor allem Grans-Fassian, Fritz Haag und Schloss Lieser – Thomas Haag am Mittellauf. Besonders spannend fand ich die Stile vom Karthäuserhof und Maximin Grünhaus, die ich beide mag und schließlich hat Van Volxem eine, meiner Ansicht nach, wirklich exzellente Kollektion abgeliefert.

An der Nahe gab es deutlich mehr Licht als im letzten Jahr, wo mich viele Weine frustriert haben. Besonders gelungen finde ich den Stilwechsel bei Schäfer-Fröhlich, der für mich die Kollektion des Jahres an der Nahe abgeliefert hat. Die Reduktionsnoten sind viel feiner, sind besser eingebunden als früher und ich würde den Weinen mal eine große Zukunft voraussagen. Was mir besonders gefallen hat, waren die Weine, die rund um Dorsheim entstanden sind, also Kruger-Rumpf, Joh. Bapt. Schäfer und Schlossgut Diel. Bei allen drei Weingütern hatte ich das Gefühl, dass die Rieslinge eine etwas druckvollere, frische Säure gezeigt haben, als die vom Mittellauf der Nahe. 

Auch der Scharlachberg von Kruger-Rumpf hat mir in diesem Jahr besser gefallen, da steckt mehr Präzision drin als bisher. Überhaupt Rheinhessen … was für viele schöne Rieslinge und auch Spätburgunder! Da waren nur sehr wenige Weine dabei, die ich nicht weiterempfehlen würde. Ich mochte sehr Bischel und Knewitz, Wagner-Stempel, Wittmann und Spanier-Gillot sind auf ihrem Niveau nicht wirklich Überraschungen, aber sie haben herausragende Weine erzeugt. Die Weine von Gunderloch sind noch ein wenig leiser, werden ihren Weg aber machen. Auch hier gilt: Diese Weine schmecken jetzt schon hervorragend, sind balanciert, sinnlich, vielschichtig. Man möchte das alles einfach gerne trinken. Das war 2021 und 2022 oft nicht so. Beim Spätburgunder hat sich die Reduktion ähnlich reduziert wie bei Schäfer-Fröhlich. Das finde ich sehr gut. Der Heerkretz-Pinot von Daniel Wagner schien dagegen bei meiner Flasche noch in der Findungsphase zu sein. Insgesamt waren wenige Spätburgunder angestellt. 

Im Rheingau hat sich meiner Ansicht nach der Kiedricher Gräfenberg 2023 besonders hervorgetan als ein Rheingau-Riesling par excellence im klassischen Stil mit allem, was diese Weine so eindringlich und charmant machen kan. Zudem der Sankt Nikolaus 2022 von Peter Jakob Kühn, der für mich auch aus seiner eigenen Kollektion deutlich hervorstach. Bei den Spätburgundern ist weiterhin viel Luft nach oben. Da sind mit lediglich Kloster Eberbach 2021 Assmannshäuser Höllenberg und Kaufmann 2022 Hattenheim Hassel positiv aufgefallen, wobei Kaufmann auch einen sehr guten Riesling aus dem Wisselbrunnen mit dabeihatte. Das Weingut muss ich stärker in den Blick nehmen, es entwickelt sich kontinuierlich nach oben. 

Freudiges war auch aus den weniger großen Rieslinggebieten zu vermelden. MittelrheinSaale-Unstrut und Sachsen haben ein paar schöne GGs präsentiert. In Württemberg gefielen mir Aldinger und Rainer Schnaitmann besonders gut und Kopf an Kopf, wobei ich mal wieder den Götzenberg dem Lämmler vorgezogen habe. Auch in Franken gab es gemessen an den 15 angestellten Weinen überdurchschnittlich viel Gutes: Rudolf Fürst, Weingut am Stein, Max Müller I und nicht zuletzt der Maustal vom Zehnthof Luckert, der für mich der beste Riesling dieser Riege gewesen ist. 

Bleibt noch die Pfalz, wo es eine ganze Reihe hervorragender Weine gab, aber auch viel Unstetes. So hatte ich bei Weinen von Georg Mosbacher und Reichsrat von Buhl manchmal den Eindruck, dass die Weine von völlig unterschiedlichen Menschen gemacht worden sein müssten. Klarheit stand hier manchmal neben zu viel Holz, Flüchtiger Säure, diffusen Aromen und dann gab es plötzlich wieder einen sehr guten Wein. Battenfeld-spaniers Kreuzberg war für mich ebenso ein Highlight wie Rings‘ Annaberg. Die gesamte Kollektion von Dr. Bürklin-Wolf, A. Christmann und Rebholz (was die Rieslinge angeht, Weißburgunder und Spätburgunder fand ich nicht so stark, dafür aber ist das der schönste Kastanienbusch, den ich bisher im Glas hatte), war hervorragend, wobei mir gerade Christmanns Weine mit einer entspannten Offenheit begegnet sind, die die Weine in den letzten beiden Jahren auch nicht gehabt haben. Acham-Magin fand ich übrigens auch sehr schön in seiner ruhigen, klassischen Art, aber das Weingut ist mir irgendwie ein Rätsel. Ich sehe nie Weine von ihm. Nie.

Fazit: Sehr viele Weine sind beeindruckend offen und einladend, weisen dabei eine sehr gute innere Spannung auf, haben Extrakt und Struktur. Sie sind klassischer, als die beiden Vorgängerjahre und man sollte sie bei allem Charme auch in ihrer Komplexität und Reifemöglichkeit nicht unterschätzen.

Silvaner

Es gab 19 Silvaner, davon stammten 12 aus 2023. Tendenziell hatte ich das Gefühl, dass der Jahrgang vergleichsweise viele exotische Noten hervorgerbacht hat, vor allem im Zusammenspeil mit Holz. Mir persönlich behagt das nicht, aber das ist Geschmackssache. Das Niveau war sehr gut und ich habe eine ganze Reihe an Weinen sehr gemocht. Schon der erste Flight war toll mit einem 2019(!)er Schlossberrg von Castell, einem 2022 Stein von Ludwig Knoll, einem 2022er Rothlauf von Bickel-Stumpf und einem 2023 er Rothlauf von Rudolf May.Beide Bickel-Stumpf-weine haben mir sehr gut gefallen dieses Jahr, auch der Mönchshof. Beide waren sehr stright. Max Müller I hat inklusive des Rieslings eine sehr gute Kollektion geliefert und der Zehnthof Theo Luckert gehört für mich zu den Winzern des Jahres, zumal ich den Rest der Kollektion hier auch schon beurteilen kann. 

Weiß-, Grauburgunder und Chardonnay

Auch hier gab es viel Gutes zu berichten, zumal ich über die Weißburgunder meist recht schnell drüberfliege. Diesmal habe ich alles verkostet, ich hatte so einen Lauf. Weißburgunder hat mr vor allem in der Pfalz Spaß gemacht, aber auch beim einzigen aus Württemberg, beim Grafen Neipperg, der überhaupt in seiner klassischen Stilistik eine sehr stimmige, sehr gute Kollektion geliefert hat. Über alle drei Rebsorte hat mich die Ruhe in den Weinen von Salwey betört, wogegen die unruhigeren und wieder sehr typischen Chardonnays von Bernhard Huber stehen. Eine gute Entwicklung nimmt für mich auch Blankenhorn. 

Frühburgunder, Spätburgunder, Lemberger

Der 2022er Jahrgang für Früh- und Spätburgunder ist im Vorfeld sehr gelobt worden und ja, das ist ein sehr schöner Jahrgang. Ob es ein großer ist, würde ich zumindest in Frage stellen. „Sehr gut“ finde ich schon sehr gut und aktuell passender. Da ist ja noch Spiel drin in der Beurteilung.

Was für mich offensichtlich ist: Die im letzten Jahr oftmals herausragenden Weine der Ahr können ihr Niveau nicht halten. Außerdem gabe es nur zwei Weingüter die angestellten haben, plus einen Wein von Stodden. Beim Deutzerhof mochte ich die Frühburgunder sehr, die Spätburgunder in der Tanninstruktur und der Art, wie das Holz eingesetzt wurde, weniger. Meyer-Näkel hat mir im letzten Jahr eine der drei Kollektionen des Jahres geliefert, in diesem Jahr sind die Weine sehr unterschiedlich gut und variieren auch sehr im Stil. Um es zusammenzufassen: die Weine wirken auf mich zu international mit zu wenig Terroir-Identität. 

Maximin Grünhaus hat das erste Pinot-GG aus dem Anbaugebiet Mosel präsentiert. Ich finde, dass da noch Luft nach oben ist, aber ich finde es toll, dass sie es gemacht haben. Rheingau und Rheinhessen habe ich angesprochen. Bei Franken fehlen so einige Weingüter, von den fünf Weinen sind drei von Rudolf Fürst und die zeigen, warum das Weingut zu den besten in Deutschland gehört. Das ist eine sehr gute Kollektion und eine der besten des Jahres. In der Pfalz gefiel mir vor allem Rings‘ Felsenberg, während der Saumagen stark von Reduktion geprägt war. A. Christmanns Idig noch vor dem ebenfalls exzellenten Vogelsang gehörte für mich ebenfalls zum Besten, was 2022 an Spätburgundern bietet. Bei Fürst ist es vor allem das Sinnliche, was mich neben der Präzision anspricht, bei Christmann die Finesse. Bei Bernhard Huber sind es die Balance und das Selbstbewusstsein und bei Franz Keller die wunderbare Frucht und Offenheit der Weine. Die Lemberger, 2021 und 22, haben mir fast durch die Bank weg sehr gut gefallen. Vielleicht mit dem größten Ausrufezeichen bei Karl Haidle. 

Ich hatte ja die schlimmsten Befürchtungen, als ich nach einer Woche steter Verkostung für den Feinschmecker Wineguide zu Wittmann gefahren bin, um dort 30 GGs von Wittmann, Rebholz und Christmann zu probieren, dann zu Schlossgut Diel und Clemens Busch zum 222. Geburtstag ihrer jeweiligen Weingüter mit einer weiteren Verkostung, um dann am nächsten Tag mit den ganzen neuen GGs zu beginnen. Aber ist mir so leicht von der Hand gegangen, wie nie, was ganz sicher an den Weinen lag. Während ich letztes Jahr und vorletztes oft mir den Weinen und mit mir kämpfen musste, um noch ein Glas und noch ein Glas zu probieren, war das diesmal kein Problem. Der Charme-Faktor dieser Weine ist hoch und ist es nicht da, was wir bei aller Suche nach Komplexität und Individualität auch suchen? 

Kollektionen des Jahres für rote Burgunder: Rudolf Fürst, Franz Keller, Bernhard Huber, A. Christmann

Kollektionen des Jahres für weiße Burgunder: Salwey, Bernhard Huber

Kollektionen des Jahres für Riesling: Clemens Busch, Schäfer-Fröhlich, Battenfeld-Spanier, Wittmann, Dr. Bürklin-Wolf, A. Christmann, Ökonomierat Rebholz

Silvaner des Jahres: Maustal vom Zehnthof Luckert

Wer teils ähnliche, teils andere Eindrücke sucht, der schaue bei Felix Bodmann vorbei der direkt schräg hinter mir saß und auch live vom Geschehen berichtet hat.

Das war es von hier aus. Mit vielem Dank für die wieder hervorragende Organisation an das Team des VDP rund um Theresa Olkus.

Note to myself: Insgesamt 95.965 Anschläge, 1.912 Anschläge weniger als letztes Jahr. 😀

10 Kommentare

  1. Julian Holzapfl

    Herzlichen Dank für die tolle Berichterstattung. Das professionelle Arbeitspensum beeindruckt, zum anderen ist es schön und lehrreich, finde ich, mal eine Pause von den Punktewertungen zu machen und eher die verschiedenen Stile rauszulesen. Beides macht Lust auf den ein oder anderen Kauf.

  2. Das freut mich. Es ist ja Tradition hier im Blog, dass hier nicht bewertet wird, weil es mir auf etwas anderes ankommt. Ich freue mich, wenn es eine gut Anregung ist.

  3. Sven Anders

    Vielen herzlichen Dank für die viele Arbeit, die du dir gemacht hast. Das Mitlesen war total spannend und auch deine Beschreibung der Weine hat (Geschmacks-)Bilder im Kopf erzeugt. Bei den Kollektionen des Jahres sind viele etablierte Erzeuger dabei, die doch mittlerweile sehr regelmäßig abliefern. Die Weißen von Salwey gefallen mir schon seit einigen Jahren außerordentlich. Ich denke auch an der Mosel passiert wieder einiges, sodass ich es super fand, dass du das Gebiet wieder komplett verkostet hast. Insgesamt besten Dank, die Kaufentscheidungen werden knifflig, aber zumindest scheint der Jahrgang eine große Auswahl an guten Alternativen zu bieten.

  4. Wir kommentieren ja fast alle fast nirgends mehr, aber für diese Monsterarbeit MUSS ich mich einfach in aller Form und großer Freude bei dir bedanken. Wie du das alles so wunderbar geschafft hast! Ich habe jedes Zeichen gelesen und kann vieles gut nachvollziehen, auch bezüglich der Weine, die ich selbst probiert habe. Ruh dich gut aus, und dann hoffentlich bald mal wieder in echt!

  5. Ich danke dir sehr! Ich kommentiere selbst auch nur noch selten. Daher freue mich mich ganz besonders. Jetzt hatten wir noch zwei Tage Umzug mit Arthur richtung Bonn und heute ist tatsächlich mal Ruhetag.

  6. Danke! Ja, es gibt viele Alternativen, vieles war sehr nah qualitativ beieinander. auch das, was ich nicht betextet habe, weil es zu viel gewesen wäre. Ich fand die Qualität sehr homogen.

  7. Michael Fuchs

    Vielen Dank für die ausführliche Berichterstattung der Wiesbadener Tage, die ich nun seit einigen Jahren aktiv verfolge und ohne die ich komplett verloren wäre. Es ist schön, weiterhin ein paar Fixpunkte wie Dich oder Felix Bodmann zu haben, die einem helfen den Überblick zu bewahren und gleichzeitig dabei extrem fundiert und nachvollziehbar die Weine beschreiben ohne auf billige Effekte o.ä. zu setzen.
    Die erste Kaufentscheidungen (weil seit Jahren immer) kann ich nun durch ein paar weitere ergänzen.
    Nochmal herzlichen Dank und Grüße ans Zahnfleisch.

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