Urlaubsbesuch: Calvados Roger Groult

Normalerweise besuche ich gerne Weingüter, aber manchmal habe ich auch Lust auf andere Erfahrungen. So habe ich in der Woche, in der wir in der Normandie sind, ausnahmsweise mal keinen Wein- oder Cidreproduzenten besucht, sondern einen, der aus Äpfeln Calvados herstellt. Schließlich befinden wir uns im Pays d’Auge, dem Kerngebiet dieses geschützten Produkts. Und da ich mich daran erinnerte, dass mein Freund Torsten vor ein paar Jahren in der Gegend war und Produzenten besucht hatte, fragte ich ihn nach Tipps.

Das Haus des Erzeugers Roger Groult

Calvados Pays d’Auge
Ich bin bei Roger Groult gelandet. Und das war eine ausgezeichnete Entscheidung. Das 1850 zunächst als Nebenerwerb und vor allem für den Eigenbedarf gegründete Haus ist Traditionalist und geht gleichzeitig mit der Zeit. Ich hatte gestern das persönliche Glück, eine Führung ganz alleine zu bekommen und während der anderthalbstündigen Führung und der anschließenden ausgiebigen Verkostung ist auch sonst niemand aufgetaucht. Gut, der Produzent liegt etwas abseits, aber auf dem Hof ist Platz für viele Besucher. Die kommen sonst auch, aber in diesem Jahr ist es wohl selbst in Trouville und Deauville an der Küste ziemlich ruhig.

Roger Groult ist ein Betrieb mit 27 Hektar Apfelplantagen mit mehr als 6.000 Apfelbäumen auf schluffigen, silexreichem und tonigem Böden. Davon sind 15 Hektar Hochstämme und 12 Hektar Halbstämme. Die Richtlinien der AOP Calvados Pays d’Auge schreiben vor, dass ein Betrieb immer mehr Hochstämme als Halbstämme haben muss. Es gibt noch viel mehr Vorschriften, aber dazu später mehr. Insgesamt gibt es hier mehr als 30 Mostapfelsorten. Die Mostäpfel, die man kaum essen kann und die so heißen, weil sie eben zu Most verarbeitet werden, werden in der Region zu Apfelsaft, Cidre und eben Calvados verarbeitet, wobei bei Groult ausschließlich Calvados hergestellt wird.

Jede Menge Äpfel
Unter den 30 Mostapfelsorten sind folgende am häufigsten: Antoinette, Frequin Rouge, Bisquet, Moulin à Vent (bittere und bittersüße Äpfel, 70% der Produktion), Bedan, Noël des Champs (süße Äpfel, 20%) und Rambaud, Petit jaune (saure Äpfel, 10%). Alle Äpfel werden vor der Verarbeitung von Hand sortiert und gewaschen. Jährlich werden zwischen 400 und 600 Tonnen Äpfel gepresst, der durchschnittliche Ertrag liegt bei 650 Litern Apfelwein pro Tonne Äpfel.

Die Apfelsorten reifen sehr unterschiedlich zwischen Oktober und Dezember. Dann werden sie auf einem großen Platz ausgebreitet, vorsortiert und – das ist einzigartig bei Roger Groult – in Rinnen in den Raum mit der Mühle befördert. Von diesen Kanälen gibt es viele auf dem Hof, der leicht abschüssig ist, und das Wasser wird am Ende wieder dem Kreislauf zugeführt. Der Rest der gepressten Äpfel wird an das Vieh in der Umgebung verfüttert, das das sehr zu schätzen scheint.

Birnen gibt es bei den Groults kaum. Das liegt an der Ecke, in der sie zu Hause sind. Weiter südlich in der Normandie gibt es deutlich mehr Birnen. Dort, in der AOP Calvados Domfrontais, muss der Birnenanteil sogar mindestens 30% betragen. In der AOP Pays d’Auge dürfen es maximal 30 % sein. Die Apfelbäume werden übrigens alle und schon immer biologisch bewirtschaftet. Auf die Frage, warum man dann nicht zertifiziert sei, gab es eine einleuchtende Antwort: Die meisten Calvados werden im Solera-Verfahren hergestellt, d.h. die großen Fässer werden immer wieder nachgefüllt. Die älteste Solera ist wahrscheinlich von 1850 oder 1855, eine von 1870, und dann gibt es noch viele aus dem 20. Alle diese Soleras wären nicht zertifiziert, da die Bio-Zertifizierung erst ab dem Jahr der Zertifizierung gilt.

Brennvorgang
Alle Cidres, die Grundlage des Calvados, werden nach dem Pressen spontan vergoren, ohne Temperaturkontrolle. Der Saft kommt in Tanks und bleibt dort bis Juni, Juli oder August des folgenden Jahres. In dieser Zeit ist ein Apfelwein mit etwa 5 % Alkohol entstanden. Jetzt kommt er zum ersten Mal in die Brennblase. Die älteste stammt aus dem Jahr 1901, die zweite aus dem Jahr 1920 und die dritte aus den 1950er Jahren. Alle Destillierapparate werden noch mit Holz befeuert, während andere längst auf Gas umgestiegen sind. Aber auch hier ist Groult Traditionalist, denn das Feuer verlängert den Brennvorgang und das exakte Abstoppen des zweiten Brennvorgangs lässt sich hier viel präziser steuern.

Nach dem ersten Brennvorgang hat der Calvados, der dann Petite Eau heißt, einen Alkoholgehalt von etwa 30 %, läuft durch einen Kondensator und schließlich in ein Fass. Diese werden vom letzten verbliebenen Fassmacher der Normandie, Valéry Desfrieches, der auch Calvados herstellt, hergestellt. Das Petite Eau reift noch einmal, bevor es in der zweiten Destillation auf 70 % Alkoholgehalt gebracht wird. Das kristallklare Eau de Vie wird dann in verschiedene Fässer gefüllt.

Brennvorgang als Schaubild

Jedem sein eigener Fasskeller
Jede Groult-Generation bis zur heutigen hat ihren eigenen Fasskeller hinterlassen: Pierre Groult (1830-1918), Léon (1874-1923), Roger Groult (1905-1988) und Jean-Pierre (1946-2008). in Pierres Keller stehen die beiden ältesten Soleras. Eine für den “Doyen Âge” und eine für den “Resèrve Ancestrale”, beide um und vor 1870 begonnen. Es gibt Fässer mit sehr alten, alten und jungen Soleras, Fässer mit Calvados, die acht oder zwölf Jahre gereift sind, Fässer mit Jahrgangs-Calvados und Fässer, die zuvor mit Banyuls, Whisky, Vouvray, Met oder Sherry gefüllt waren. Auf jedem Fass ist der Füllstand der Solera, das Jahr der letzten Zugabe von neuem Calvados und der Alkoholgehalt vermerkt.

Was mich bei der ausgiebigen Verkostung besonders beeindruckte, war die Klarheit des Apfelaromas in allen Bränden. So unterschiedlich sie sich auch in ihrer Schärfe oder Seidigkeit, in ihrer Wärme oder Säure zeigten, es war immer Calvados. Ein Brand übrigens, der im Gegensatz zum Cognac nie mit Karamell in Berührung kommt und dennoch die unterschiedlichsten Bernsteinfarben aufweist. Dass Calvados nach Calvados und somit nach Apfel schmecken soll, liegt natürlich auf der Hand. Aber es ist hier die Klarheit, vielleicht Präzision, auf jeden Fall die Tiefe im Aroma, die beeindruckt – auch im Zusammenspiel mit den unterschiedlichen Fässern.

Meine persönlichen Highlights waren natürlich der “Doyen Âge” und der “Âge d’Or”, aber auch der 25-jährige sowie die Cask-Finish-Calvados aus Fässern mit Banyuls, Vouvray und vor allem Sherry.

Die Calvados habe ich in Deutschland zum Beispiel im Shop von Banneke entdeckt (unbezahlte Werbung).

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