Letzten Montag fand mal wieder ein Treffen unserer Ottenser Weinrunde statt. Wir immer gab es ein Thema, zu dem die Einzelnen der Runde jeweils ein oder zwei Flaschen mitgebracht haben. Das Thema war: Die ungleichen weißen Geschwister des Chardonnay und es ging um Muscadet, Aligoté, Tressalier und Auxerrois. Es gibt noch mehr mehr Geschwister von den Eltern Pinot und Gouais Blanc (weißer Heunisch), aber wir haben es bei diesen belassen.
Es ging los mit dem Paar Yannick Meckert »Deux Couleurs: Jaune« Vin de France 2023 und Terres de Roa »Tresse à Lier« ohne Jahresangabe. Der Wein mit dem Reclam-Etikett war ein Auxerrois, dessen elässische Herkunft und Rebsortentypizität man hinter der hohen Flüchtigen Säure allerdings zu keinem Zeitpunkt wirklich erkennen konnte. Der Wein wirkte eher anstrengend und scharf. Kein Gute Flasche dieses Weines, dem kein Schwefel zugesetzt wurde. Das hatte Miguel, der die Flasche mitgebracht hat, schon anders erlebt. Der zweite Wein stammt aus Saint-Pourçain an der oberen Loire, Richtung Auvergne gelegen. Ich habe diese Region im letzten Jahr erstmals besucht und war überrascht über die Qualität der Rebsorte Tressalier, die ihren Namen wohl daher hat, dass sie irgendwann aus dem Burgund, wo sie ausgestorben ist, über den Fluss Allier gebracht worden ist. Auch in Saint-Pourçain, das im Mittelalter mal zu den drei begehrtesten Weinregionen Frankreichs gehört haben soll, wäre die Sorte beinahe ausgestorben, hätten nicht zwei oder drei Betriebe vor zehn Jahren die Sorte gerettet und wieder angefangen, am Ruf der Appellation zu arbeiten. Mittlerweile gibt es wieder sehr gute Weine dort, wobei die AOP-Weine Cuvées aus Tressalier und Chardonnay bzw. Pinot Noir und Gamay sind. Der reinsortige Tressalier ist immer ein Landwein. Der aus biodynamischer Bewirtschaftung stammende »Tresse à Lier« wirkte aromatisch recht dezent, wie es für diese Rebsorten typisch ist. Auch die Säure wirkte vordergründig nicht so prägnant, wohl aber im Wechselspiel mit seiner Mineralität und dem leichten Gerbstoff, den der Wein besitzt. Ein echter Textur- und Strukturwein mit sehr guter Länge.
Das zweite Paar bildete der 2022er »Bourgogne Aligoté« von Aline Beauné und der 2022er »Pour L’Histoire« von Ménard Gaborit. Der Wein der burgundischen Winzerin hat uns sehr gut gefallen. Es ist ein schlanker, nichts desto trotz intensiver, feiner Wein mit gelungener Frische und Balance. Der Muscadet von Ménard Gaborit wirkte zu reif und zu spät gelesen, so dass er eine eher exotische und etwas an Gummibären erinnernde artifizielle Frucht bot.
Das nächste Paar bestand aus zwei Aligoté. Der erste war der 2020er Bourgogne Aligoté »Les Maréchaux« von Chavy-Chouet, der zweite ebenfalls ein 2020er Bourgogne Aligoté, aber von Emmanuel Rouget. Beide haben uns nicht begeistert. Chavy-Chouets Aligoté fand keine Balance und besaß auch eher eine artifizielle Frucht. Der Wein von Emmanuel Rouget hatte mal locker zwei Prozent mehr Alkohol, die man auch spürte mit Hitze im Hintergrund und einer unausgewogenen Fülle. Das wirkte so, als wäre die Lesemannschaft in dem Jahr nicht hinterher gekommen und hätte den aligoté gelesen, als die Trauben aus den hochkarätigeren Weinbergen im Keller waren. Vor kurzem hatte ich die Chance, »Les Reipes Reserve« 2020 Aligoté von Les Jardins Vivants / Tino Kuban zu probieren. Der hatte ähnlich viel Alkohol, war auch reif und besaß Fülle, aber das war ein Wein mit Struktur, Tiefe und Balance, die uns begeistert hat. Am Rouget war nichts, was begeistert hätte.
Weiter ging es mit dem 2020er Auxerrois »Entre Chien et Loup« der Domaine Rietsch aus dem Elsass und dem 2020er »Terre de Pierre« Muscadet von Luneau-Papin. Das waren beides begeisternde Weine. Rietsch liefert eigentlich immer. Dort versteht man es, Naturwein ohne Ausfälle zu erzeugen. Der Auxerrois hatte eine feine Aromatik, viel Frische mit einer klaren Säurestruktur und viel Leben am Gaumen. Der »Terre de Pierre« von 50 Jahre alten Reben auf dem Butte de la Roche ist ein eleganter, cremiger Wein mit feiner gelber Kernobstfrucht, einer seidigen Säure, die aber die ganze Zeit präsent bleibt und sich mit einer feinen Mineralität und der für die Sorte typischen leichten Bitterkeit paart. Ich habe diesen Wein vor kurzem aus dem 2013er Jahrgang getrunken und es war auch nach elf Jahren ein zeitlos schöner Wein.
Das letzte Paar bildete eine 2019er »Bourgogne Aligoté« der Domaine Jean-Marc Bouley und der 2002er »Excelsior« Muscadet, wiederum von Luneau-Papin. Auch das war noch mal ein gelungenes Paar. Der Bouley war für mich ein archetypischer Aligoté mit saftiger, heller, immer dezenter Frucht, einen schönen, leichten Grip, einer seidigen Säure und guten Länge. Einfach ein guter Wein! Der »Excelsior« 2002 gehört sicher zum Besten, was Muscadet zu bieten hat. Der mittlerweile 22 Jahre alte Wein, den ich mittlerweile zum sechsten Mal über die letzten fünf Jahre getrunken habe, stammt aus dem Clos des Noëlles im Weinberg La Plécisière im Dorf La Chapelle-Heulin. Die Reben wurden 1936 gepflanzt und gehören zu den ältesten im gesamten Nantais. Der Boden besteht aus Schiefer und Glimmerschiefer. Das ist das Musterbeispiel eines zeitlos schönen und eleganten Muscadets, der so wirkt, als könne er immer weiter reifen (bei Luneau-Papin soll es noch Weine aus den späten 1970ern geben). Es ist ein sehr guter Wein und wenn man die Rahmendaten mit dazu nimmt, also die Rebsorte, der im Allgemeinen nicht viel zugetraut wird und das Alter, ist es eigentlich ein großer Wein: geradlinig mit einer klaren Säure, Länge, feinem Wachs über gelber Frucht mit leichter Nussigkeit.
Konnte man nun ein Fazit ziehen bezüglich dieser ungleichen Geschwister? Ich finde schon: Es sind alles Sorten, die erst auf den zweiten Blick ihre Schönheit und Besonderheit offenbaren. Es entstehen Weine mit vergleichsweise wenig Aromatik, die aber mit ihren eher feinen Säurestrukturen und der Möglichkeit, einen leichten Gerbstoff herauszuarbeiten, Mineralität und pikant herbe und erfrischen bittere Noten zu erzeugen, sehr gute Essensbegleiter sein können.