Gemischte Sätze, Complantés oder Field Blends sind Weine aus Weinbergen, in denen mindestens zwei verschiedene Rebsorten gemischt gepflanzt wurden, die gleichzeitig gelesen und vergoren werden. Früher war diese Art der Anpflanzung der Standard in Europas Weingärten. Ab dem 18. Jahrhundert hat sich aber zunehmend die reinsortige Anpflanzung durchgesetzt. Heute kommt man wieder ein Stückweit zurück zu dem Gemischten Sätzen und/oder pflegt zumindest die, die man noch hat. Denn heute weiß man, dass Diversität Trumpf ist in Weinbergen und Weinberge mit Mischpflanzungen gesünder sind. Das gilt auch für reinsortig bepflanzte Weinberge, wo keine geklonten Reben, sondern Reben als Massenselektion gepflanzt werden, wo also jeder Rebstock seine eigene Genetik hat.
In unserer Ottensener Weinrunde haben wir ein paar Weine dieser Machart auf den Tisch gestellt. Auf Grund diverser kurzfristiger Absagen waren wir schließlich nur zu viert, hatten aber trotzdem eine Menge interessanter Weine auf dem Tisch.
Wir haben mit einem Wein begonnen, von dem es gerade einmal 77 Flaschen gibt, von denen mir der Erzeuger zwei überlassen hat. Eine haben wir an dem Abend geöffnet. Der Erzeuger ist Yves Hechinger und dieser Wein ist sein erster, also auch sein erster Jahrgang, den er im Nebenerwerb bzw. als Ausgleich zu seinen sonstigen Tätigkeiten erzeugt. Es ist ein Gemischter Satz aus dem Jahr 2023. Die Reben stehen im Petersberg in badischen Weingarten und setzten sich zusammen aus 74% Riesling, 25% Silvaner und 1% (4. Rebstöcke) Müller Thurgau. So wie es sein soll, wurde der Ertrag von alten Reben bei einem Mostgewicht von 81° Oechsle zusammen gelesen und mit den Füßen eingemaischt. Es gab eine Standzeit von drei Stunden. Danach wurde mit einer Korbpresse abgepresst. Nach einer Nacht Sedimentation hat er den Saft eine Woche lang spontan angären lassen, da die Gärung aber nicht weiterging, hat Yves dann nachgeimpft, weil es sein erster Jahrgang war und er schlicht Angst hatte, dass da was schief geht. Runter gegoren wurde bis auf 0,1 Gramm Restzucker bei 7,1 Gramm Säure. Danach gab es fünf Monate Vollhefelager und minimalen Schwefel von einem Gramm auf zehn Liter Wein. Und wie war der Wein? Super, ehrlich gesagt. Er hatte etwas Wildes, etwas Gesetztes, er war frisch und klar, hell und zitrisch, leicht kräuterwürzig mit einem schönen Druck am Gaumen, leichtem Grip und viel Trinkfluss. Die Länge ist sicher etwas ausbaufähig aber insgesamt ist das ein sehr gelungenes Erstlingswerk. Chapeau!
Der zweite Wein war der »1901 Alter Satz« von Peter Vogel aus dem fränkischen Estenfeld. Der Weinberg wurde, wie der Name schon andeutet, 1901 im Rottendorfer Kehlberg noch wurzelcht gepflanzt. Die Größe beträgt 2.500 m2. In diesem Gemischten Satz stehen Gelber, Roter und Blauer Silvaner, Roter Traminer, Elbling, Putzscheere, Bukettrebe, Vogelfränkisch, Muskateller, Riesling und Müller-Thurgau. Peter Vogel ist ausgebildeter Önologe, leitet ein Weinlabor in Kitzingen und betreut fränkische Winzer. Der Weinberg ist seit 1901 im Familienbesitz und hat den ältesten Rebbesatz im Bereich Würzburg. Ich kenne diesen Wein seit vielen Jahren, hätte aber bis vor Kurzem nicht gedacht, dass ich ihn direkt bei mir um die Ecke im Nordischen Weinhaus in Ottensen finden würde. Doch da stand er im Schaufenster. Es ist ein komplexer, eleganter Wein mit gutem Tiefgang. Es gibt herbe, nussige, leicht vegetabile Noten wie bei so manchem Silvaner, dann gelbe und weiße Früchte, etwas Holz, etwas Gerbstoff, eine gut eingebundene Säure und angenehme Saftigkeit. Das ist gekonnt gemacht.
Wenn man über Gemischte Sätze spricht, dann landet man fast unweigerlich irgendwann auch bei Gottfried Lamprecht vom Herrenhof Lamprecht in der Steiermark. Wer zu ihm und seiner Arbeit wissen möchte, der höre sich den Podcast an, den ich 2014 mit ihm aufgenommen habe, dem Jahr, aus dem einer der kommenden Weine stammt. Vieles von dem, was Gottfried erzählt, ist heute noch immer so aktuell wie damals.
Hätte nicht jemand abgesagt, hätten wir drei Weine von ihm auf dem Tisch gehabt – bei fünf Personen. Dass Freund und Kollege Darrell eine Flasche mitbringen würde, war fast klar, hat er den Wein doch jahrelang im Restaurant Kleine Brunnenstraße ausgeschenkt. Die Rede ist vom Buchertberg, in diesem Fall aus dem Jahr 2020. Ich habe dann den Schrammelberg daneben gestellt, Jahrgang 2014. Der Unterschied der beiden Weißweine ist der, dass Gottfried den Buchertberg selbst angelegt hat mit einem irren Aufwand und dem Ziel, all die alten Rebsorten, die früher in der Steiermark und der weiteren Umgebung typisch waren, wieder in einen Weingarten zu bringen. Entsprechend gibt es weiße und rote Parzellen. Den Schrammelberg wiederum hat er gepachtet. Der bestand schon vorher und ist sicher einer der ältesten Weingarten der Steiermark mit ebenfalls vielen verschiedenen Sorten wie Welschriesling, Malvasier, Furmint, weiße Burgundersorten etc in Dichtpflanzung. Klar, früher ist man halt nirgendwo mit dem Trecker durchgefahren.
Beide Weine haben sich zwar aromatisch unterschieden, aber gemeinsam war ihnen zunächst die Fülle sowohl in der Aromatik, als auch im Körper, also auch der Holzeinsatz, der beim 2020er schon gut, beim 2014er sehr eingebunden war. Beiden Weinen war ebenso gemein, dass die Säure sich erst nach und nach in Bewegung gesetzt und die Fülle dann hervorragend balanciert hat. Die Weine hatten beide richtig Trinkfluss, wobei der Schrammelberg mit Luft zunehmend eine etwas wachsige Note bekommen hat, die den Trinkfluss etwas gebremst hat und vielleicht ein wenig dem Alter oder Jahrgang geschuldet ist. Beides aber sehr harmonische, irgendwie zeitlos wirkende Weine.
Abschließend gab es in weiß den Xisto Cru Branco 2021 von Luís Seabra. Luís war lange bei Niepoort Kellermeister. Wir hatten zwei seiner Weine bei der 100. Folge der WRINT Flaschen mit dabei. Wer also etwas tiefer einsteigen möchte, kann das hier tun. Der Xisto Cru – Xisto heißt Schiefer auf portugiesisch – stammt von dort, wo es heute immer noch die meisten Gemischten Sätze gibt: vom Douro – auch wenn man selbst dort einige Zeit lang vergessen hat, die Mischsätze wertzuschätzen und viele herausgerissen hat. Es ist ein alter Weinberg im Cima corgo, der so in etwa mit 70% Rabigato, 10% Códega, 10% Gouveio, 5% Viosinho und 5% Donzelinho Blanco bepflanzt ist. Die Reben sind älter als 80 Jahre und stehen auf bis zu 800 Metern Höhe (!). ausgebaut wird der Wein auf der Hefe im gebrauchten französischen Holz. Es ist ein voller, substanzreicher, cremiger Wein mit Noten von bestem Holz, etwas Rauch und Flint, Gewürzen, Wollwachs, Pollen, Biskuit-Teig, knackigen gelben Früchten und Zitrone. Man merkt schon, dass er aus einer warmen Gegend kommt, doch der Wein besitzt einen enormen Zug, Frische und elektrisierende Mineralität. Am Gaumen gibt es durchaus eine gewisse Parallelität zu gereiften Chablis. Großartig, aber noch sehr jung.
Ein Wein, der uns ebenfalls alle begeistert hat, war der Penapedre 2020 Vino de Espéron von Eulogio Pomares aus dem Ribeira Sacra-Projekt Quinta do Estranxeiro. Der Wein stammt aus einem 1925 angelegten Weinberg mit 85 % roten Trauben und 15 % weißen Trauben, die alle zusammen in Kastanienholz vergoren und etwa 18 Monate lang in einem 1.500-Liter-Garbelotto-Fuder ausgebaut wurden. Wenn wir von Trinkfluss reden, dann ist dieser Wein an diesem Abend nicht zu schlagen. Der Wein war so klar und transparent, so frisch und saftig, so duftig hell und fuchtig, so ätherisch und elektrisierend, dass davon wahrscheinlich jeder ohne Probleme eine Flasche hätte trinken können.
Peter Grahle war zwei Tage vorher aus seiner längeren Familienauszeit in Portugal wiedergekommen und hat dann auch zwei portugiesische Weine mitgebracht. Der erste war der 2018er Peladosa der Quinta da Costa do Pinhão. Auch das ist ein Wein mit Frische und Saftigkeit, aber dunkler, mehr Dichte, mehr Frucht, mehr Holz. Ein Wein von einem über 100 Jahre alten Weinberg bei Pinhão auf 300 bis 350 Metern mit über 30 verschiedenen Rebsorten. Spontan im Beton vergore, ausgebaut in 500er Holzfässern. Ein moderner Douro-Wein, der Spaß gemacht hat und den wir lediglich mt knapp 40 Euro ein bisschen teuer fanden.
Ebenfall vom Peter kam der 1996er Redoma von Dirk Niepoort. Eines der frühen Exemplare, bei dem ich direkt mal bei mir im Blog blättern musste. Und tatsächlich habe ich den Wein schon mal zu einem Tasting mitgebracht, dass allerdings schon 13 Jahre zurückliegt. Damals war es – wieder eine runde Zahl – mein 500. Blogpost im Jahr 2011. Und ich zitiere mal von damals: “Ein trüber Wein, süß in der Nase, etwas dumpf, matt, dazu etwas, was Matthias (Neske) als Schiefernote identifiziert hat, “so was wie Faugères”, meinte er, “so was wie Mas de Daumas Gassac“. Der Wein dreht erst richtig am Gaumen auf. Ein Wechselspiel zwischen Fruchtsüße und klarer Säure, einer inneres Messen ob Frucht oder Säure bei der Sauerkirsche überwiegt. Mineralität ist im Spiel, etwas Hitze. Es ist definitiv ein südlicher Wein und da ich weiss, was ich mitgebracht habe bin ich mir ziemlich sicher, was im Glas ist und halte die Klappe. Irgendwann wird dann doch aufgedeckt und wir sind uns so ziemlich alle einig, auch später, dass dieser 1996er Redoma von Dirk van de Niepoort der Rotwein des Abends ist. Viel Struktur, viel Charakter findet sich in diesem Wein, dessen autochthone Rebsorten auf den Schieferböden des Dourotals wachsen.” Eigentlich kann man das immer noch so unterstreichen. Der Wein ist immer noch sehr gut. Idealerweise hätte man ihn vielleicht drei, vier Jahre früher getrunken, da er mit Luft nach und nach abbaut, aber für den Moment war das hervorragend dicht, tief, strukturiert mit einer noch immer schönen Säurestruktur. Ein schönes Erlebnis.
Der letzte Wein des Abends war dagegen deutlich anstregender. Die 2011er Granja Remelluri Gran Reserva von Telmo Rodríguez and Pablo Eguzkiza hatte wirklich viel Holz, obwohl der Wein eigentlich im gebrauchten Holz ausgebaut wird. Das integriert sich entweder irgendwann noch, aber nachdem der Wein jetzt schon 13 Jahre alt ist, tut es das vielleicht auch nicht mehr. Der Wein stammt aus einem heißen, trockenen Jahr, und das merkt man ihm auch ein Stück weit an. Andererseits, um dem Wein Genüge zu tun, wäre es besser gewesen, ihn stundenlang vorher zu karaffieren. Aber das haben wir nicht gemacht. Der Wein stammt aus unterschiedlichen uralten Parzellen mit Mischsätzen in Doroño, Villaescusa, San Esteban, Cascajo und Portillo mit ca. 60 % Tempranillo, 26 % Garnacha, 11 % Graciano und einem kleinen Anteil weißer Rebsorten. Ausgebaut wurde er rund 30 Monate in gebrauchtem Holz. Das hat Kraft, Tiefe, Persönlichkeit mit einer sehr dunklen Frucht, Dichte, einem immer noch recht festen Tannin und einer inneren Wärme mit offiziell bei 14,5 % vol., die ich mir aber auch bei über 15 % vorstellen kann. Ich kenne viele Weine von Telmo Rodríguez, die viel Spaß machen, aber gerade auch im Vergleich zu den anderen Rotweinen am Tisch, wirkte diese Gran Reserva aus diesem Jahr etwas altbacken und den Trinkfluss hemmend, so dass wird lieber die Flasche Penapedre geleert haben.