Cabernet Franc dürfte eine der ältesten Rebsorten sein, die in Frankreich wachsen, sie kann ausgezeichnete Weine hervorbringen (Cheval Blanc beispielsweise wird zum überwiegenden Teil aus Cabernet Franc vinifiziert), sie steht jedoch immer im Schatten der Cépages Noble Cabernet Sauvignon und Merlot. Mittlerweile kann man mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass der Cabernet Sauvignon aus einer Kreuzung zwischen Cabernet Franc und Sauvignon Blanc hervorgegangen ist und der Merlot aus einer Kreuzung aus Magdeleine Noire des Charentes x Cabernet Franc. Auch die Vaterschaft der Carmenère kann man dem Cabernet Franc zuschreiben: Er kreuzte sich mit Gros Cabernet.
In Frankreich stehen ca. 39.000 Hektar unter Reben, in anderen Teilen der Welt aber ist diese Rebsorte eine absolute Randerscheinung. In Deutschland sollen es gerade mal 15 Fußballfelder sein. Dabei würde sich der Anbau in größerem Maße vielleicht durchaus lohnen, wenn ich mir beispielsweise den Cabernet Franc “Fréderic” von Kistenmacher-Hengerer so auf der Zunge zergehen lasse. Dieser Wein von noch jungen Rebstöcken scheint sich in Württemberg ausgesprochen wohl zu fühlen, zumindest ist dies ein absolut gelungener Wein voller Würze, Frucht, Länge, schöner Säure und zurückhaltender Tannine.
Vielleicht ist genau dies einer der Gründe, weshalb der Cabernet Sauvignon im allgemeinen bevorzugt wird: die größere Menge an Tanninen, die den Wein offensichtlich robuster scheinen lassen, langlebiger, dichter. Dabei kann man Cabernet Franc eine längere Ausdauer kaum absprechen, so ein Cheval Blanc kann in guten Jahren durchaus altern, und auch die dichten Loire-Weine können ein hohes Alter erreichen.
Die Loire dürfte übrigens neben St. Emilion das wichtigste und auch bekannteste Gebiet für hochwertige Cabernet Franc-Weine sein und mit einigen Vertretern dieser Region haben wir uns beschäftigt und dabei Weine aus vier Apellationen probiert.
Chinon – Château de Coulaine
In Chinon, eine 1.800 Hektar Apellation im Bereich der Touraine, wird praktisch ausschließlich Cabernet Franc angebaut, lediglich 10% sind mit Cabernet Sauvignon bestockt. Der Boden setzt sich aus Kies-, Sand- und Kalksteinböden zusammen. All diese Böden findet man als Unterlage der ersten drei Weine des Abends, die einen Querschnitt der Arbeit des Winzers Etienne de Bonnaventure liefern, seines Zeichens Besitzer des über 700 Jahre alten Château de Coulaine, welches seit Anbeginn zum Besitz der Familie gehört. So alt das Familienerbe ist – einer der Vorfahren soll sich mit Karl dem VII und Jean d’Arc in Chinon getroffen haben – so alt ist die Weinbautradition. Etienne und seine Frau haben diese Tradition in eine neue Moderne geführt: Der Besitz wurde auf 12 Hektar erweitert, die Erträge auf maximal 35 hl/ha reduziert und seit 1988 wird biodynamisch gewirtschaftet.
Der 2006er Bonnaventure stammt von den oben genannten Böden, ein Teil der Hänge besteht aus lehmigen Kalksteinböden, ein anderer Teil von einem Plateau mit Sand- und Kalksteinböden. Die Vinifikation erfolgt ausschließlich im Eichenfass. Wie fast alle Cabernet Francs findet sich ein saftiges Kirschrot in der Farbe des Weines. Die Nase ist zunächst zurückhaltend, lediglich ein wenig Eisen/Blut findet sich, später öffnet sich der Wein und duftet nach roten Früchten, unterlegt mit tabakigen Noten, etwas Süßholz und Nelken.
Am Gaumen dominiert zunächst das Markenzeichen dieser Rebsorte, eine deutliche Säure von saftigen, sauren Kirschen. Der Wein wirkt nicht all zu dicht, geradezu aufgefächert in Aromen von Sauerkirschen, Johannnisbeeren, Brombeeren und orientalischen Gewürzen – auch hier findet sich wieder Süßholz, bzw. Anis. Wir hatten bei den Chinons fast das Gefühl, ein wenig Südfrankreich im Glas zu haben. Mit dem wesentlichen Unterschied, dass hier nie etwas zu schwer ist, nichts fett, nichts überreif, vielmehr saftig und frisch.
Im 2006er Les Picasses treffen sich Reben von über 80 Jahre alten Stöcken mit knapp 10 Jahre altem Cabernet. In der Farbe, in der Nase und am Gaumen finden sich auch hier die typischen Attribute von Sauerkirschen und prägnanter Säure. Ansonsten unterscheidet sich der Wein deutlich vom Bonnaventure. Ein Schmeichler ist es, nachdem die UHU-Nase verflogen ist. Dann verbindet sich die saftige Kirsche mit süßem Brotteig, etwas vanilligem Holz und zurückhaltenden indischen Gewürzen zu einem weichen Ganzen. Im Les Picasses wirkt die Säure verhaltener, die Tannine sind geschliffen, ein feiner, vielleicht fast schon ein wenig zu runder Wein.
Leider hatte der 2006er Clos de Turpenay Kork, nicht extrem, aber immer präsent und störend. Schade, denn abseits des Korks verbanden sich feine Holz-Vanille-Aromen mit Butter, Kirschen und Johannisbeere, etwas Pfeffer und Gewürzen.
Bourgueil – Domaine de la Chevalerie
Das Bourgueil liegt nicht weit von Chinon entfernt im Westen der Touraine. Die Böden sind ähnlich zusammengesetzt und bestehen im Wesentlichen aus Sand-, Kies- und Sandsteinböden. Der 2006er Galichets der mir vorher unbekannten Domaine de la Chevalerie aus dem Bourgueil schafft es an diesem Abend nicht in die vorderen Ränge. Dafür birgt der Wein einfach zu viel Säure in sich. Schade, denn die Ansätze fand ich zunächst sehr schön. Schöne Cassis- und Kirscharomen, etwas Paprika, Pfeffer und Noten von Eukalyptus. Aber die Säure…
Saumur – Domaine de Roches Neuves
Thierry Germain gehört mit zu den eloquentesten Winzern der Region Saumur, die sich über 2.800 Hektar an den Hängen von Loire und Thouet erstreckt. Aus einer bordelaiser Winzerfamilie stammend hat er hier eine neue Heimat gefunden und schafft mit seinen Cabernet Francs ebenso wie mit dem Chenin Blanc l’Insolite oder dem Crémant Bulles de Roche charaktervolle, teils faszinierende Weine. Mehr zum l’Insolite und zu Thierry Germain habe ich hier geschrieben.
Der 2007er Terres Chaudes stammt von den heißen Böden der Coteau des Poyeux, wurde im großen Holzfass ausgebaut und wird unfiltriert und ungeschönt auf die Flasche gezogen. In der Nase fand ich feines Holz mit etwas Vanille und leicht medizinische Noten. Dazu Brombeeren mit eher wenig Sauerkirsche, dafür jedoch ein wenig Unterholz. Der Wein ist extraktreich und lang mit einer markanten aber nicht zu starken Säure und feinen Tanninen. Schöner Stoff.
Anjou – Clau de Nell
Das Anjou dient eigentlich als Hauptapellation in der sich Unterapellationen wie Savennières, Coteaux du Layon oder das Saumur befinden. Das 12.000 Hektar Gebiet grenzt im Osten an Bourgueil und Chinon, im Westen an Muscadet.
Die Geschichte des Weingutes wie auch die Geschichte von Claude und Nelly Pichard, aus deren Vornamen Claude und Nelly der Names des Gutes Clau de Nell entstanden ist, ist ein wenig verrückt.
Irgendwann sind die beiden, die zu diesem Zeitpunkt auf dem elterlichen Hof im Burgund gearbeitet haben mit Weinen von Nicolas Joly, dem Vorreiter des biodynamischen Weinbaus in Kontakt gekommen und Claude war hin und weg. Er wusste, er möchte ebenfalls solche Weine machen. Da seine Eltern dagegen waren, deren Hof auf Biodynamie umzustellen, entschied er sich zusammen mit seiner Frau, sein Glück woanders zu suchen. Fündig wurde er im Anjou, in einer Gegend, in der es genau einen Weinberg gibt, 8 Hektar groß, mit 80 Jahren alten Reben bestockt, unter anderem mit der authochtonen Rebsorte Grolleau. Rings herum gibt es sonst nur Wald und Felder. Der Boden besteht aus einer oben liegenden Sandsteinschicht mit Feuersteineinschlüssen, 12 unterschiedlich dichten, aufeinander gefalteten Lehmschichten sowie einer darunter liegenden Kalksteinschicht die hervorragend geeignet ist, Wasser zu speichern oder zu drenagieren.
So gut die Arbeit der Pichards in Weinberg und Keller war, so schlecht war sie allerdings bei Buchführung und Planung, so dass sie nach drei Jahren schon Konkurs anmelden mussten. Kurz bevor der Weinberg verkauft werden sollte sprang die Großmeisterin aus dem Burgund, die Winzerin Anne-Claude Leflaive den beiden zur Hilfe. Sie hatte durch Zufall von den Weinen, den Winzern und dem Missgeschick gehört und sah die Chance und das Potential.
Der 2003er Cabernet Franc Clau de Nell duftet nach frischem Eichenholz mit den typischen Aromen von Vanille und Kokos. Nach und nach finden sich orientalische Gwürze ein sowie eine gewisse Süße reifer Früchte. Hinter dem noch etwas vordergründigen, aber feinen Holz wirkt der Wein sowohl filigran als auch komplex-opulent, burgundisch elegant und verführerisch, “rich”, wie die Engländer sagen.
Am Gaumen wirkt der Wein zunächst wie ein etwas geduckt wirkendes Kraftpaket mit leichter Herbe in der süßen Frucht und leicht medizinischen Noten. Beeindruckend von Beginn an wird der Wein im Laufe des Abends faszinierend. Es entfaltet sich die volle Kraft, Würze, Süße und die Dichte wird spürbar. Doch trotz aller Kraft bleibt der Wein immer subtil, ja filigran. Ein schönes Geschöpf und ein gutes Beispiel dafür, wie gleichberechtigt der Cabernet Franc neben seinem ungleich bekannteren Sohn bestehen kann.
Savennières – L’Enclos, Eric Morgat
Einen solchen Abend mit einen Chenin Blanc aus bestem Hause zu beenden macht enormen Spaß. Savennières liegt als 120 Hektar Enklave ebenfalls im Anjou und ist nicht zuletzt durch das Chateau de la Roche aux Moines des Nicolas Joly bekannt geworden. Selbstverständlich aber gibt es weitere, hervorragende Erzeuger, von den Eric Morgat nur einer ist.
Dieser kommt aus einer Winzerfamilie, die in den Coteaux du Layon beheimatet ist. Das Savennières hat Morgat 1995 für sich entdeckt wo er sich zu Füßen von Roches aux Moines einige Hektar Land kaufen konnte. Seinen Keller hat er zunächst im oben beschriebenen Château de Coulaine bei den Bonnaventures angemietet. Morgat arbeitet biologisch, ist aber nicht zertifiziert. Seine Weine werden in 400 Liter-Fässern fermentiert, spontanvergoren und durchlaufen etwa zur Hälfte eine spontane malolaktische Gärung. Die Weine bleiben lange auf der Hefe und werden immer wieder aufgerührt.
Das verwendete Holz ist sowohl in der Nase als auch am Gaumen deutlich erkennbar bei diesem 2006er Savennières l’Enclos. Um es direkt zu sagen: Der 2006er leidet ein wenig am Alkohol, der hinten raus ein bisschen brandig wirkt. Ansonsten ist das ein beeindruckender Chenin Blanc, irgendwo angesiedelt zwischen Tradition und Moderne. Voller Tiefe, reifer Birnenfrüchte und etwas Banane, mit Nüssen versetzt und mit Holz, ein wenig bitterer Orange und Karamell. Dabei wirkt die Säure ganz ausgewogen und fein. Ich muss sagen und es hier wieder betonen: Ich liebe diese Rebsorte in all ihren Facetten, trocken ausgbaut wie auch süß, verwegen wie geradlinig. Sie bietet eine ähnliche Bandbreite wie der Riesling, beeindruckt aber gerade auch in Verbindung mit Holz. Der l’Enclos ist hier hierfür ein ausgezeichnetes Beispiel.
Wunderbar, meine Lieblings-Weingegend! Dass der 2006er Savennières etwas zu alkoholisch war, kann ich übrigens absolut nachvollziehen (obwohl ich genau den auch im Keller habe…).
Darf ich mal pauschalieren? Ich habe aus diesem Jahrgang keinen einzigen trockenen Chenin blanc von der Loire (oder einen entsprechenden deutschen Riesling) getrunken, der besser gewesen wäre als sein Nachfolger. Und das liegt nicht daran, dass ich jüngere Weine bevorzugen würde, im Gegenteil. 2006 ist aber für meinen Gaumen in aller Regel zu säurearm und plump ausgefallen. Nun, ein Problem, das wir mit den 2010ern hierzulande vermutlich nicht haben werden.
Ich stimme Dir zu. Pauschal gesagt gefallen mir auch die 2007er durch die Bank besser.
Ach, und ja, die Loire… ich möchte da auch gerne mal wieder hin, bin viel zu lange nicht da gewesen.
[…] jungen Cabernets richtig Spaß gemacht haben, zum Schluss einen Chenin zu trinken ist eben ein i-Tüpfelchen. Der Wein hat mir damals gefallen, mit einer klaren Einschränkung, die ich ich hier nur […]
[…] ist, ist die mögliche Güte der Rotweine. Neben dem vorherrschenden Cabernet Franc, ich habe hier mal einige zusammengestellt, gibt es jedoch noch ein paar andere Rebsorten die wirklich selten sind […]
[…] scheint mir unter Freaks in Deutschland bekannter zu sein als in Frankreich. Deshalb könnt Ihr hier bei Christoph über den Beginn dieses ungewöhnlichen Guts lesen (in der Mitte des Artikels), […]