Weinwochen gibt es, an die erinnere ich mich immer gerne zurück. Eine solche fing kürzlich mit einer ziemlich verschnupften Prowein an. Sonntags war ich gar nicht da, am Montag habe ich nach der Bordeauxprobe abgebrochen, erst der letzte Veranstaltungstag hat wirklich was gebracht und da musste ich mich dann sputen, um wenigstens mein Basis-Programm erledigen zu können.
Am Donnerstag dieser Woche durfte ich dann abends in der Vinothek in Essen die bereits beschriebene 6-Liter-Flasche Dominus 1991 öffnen, eine Offenbarung genauso wie der 2002 Araujo Estate. Dabei habe ich dann in jenem Artikel den hervorragenden 2001er Cos d’Estournel ebensowenig erwähnt wie den Tom Eddy Napa Cabernet und den 1986er Bella Oaks von Heitz Cellars. Jeder für sich ein charaktervoller Wein, jedoch überragt von diesen beiden Spitzenweinen.
Worauf ich hinaus möchte ich die Probe, die mich dann am Samstag dieser Weinwoche noch erwartet hat. Fünf gereifte Weine unbekannter Provinienz im kleinen Kreis genossen. Fünf Stunden mit fünf Weinen. Das können viele nicht nachvollziehen und es mag auch ziemnlich nerdig sein aber ich liebe solche Abende. Raus aus dem Alltag für diese paar Stunden und rein in die Weine.
Der Abend begann mit drei Weißweinen. Und ich sage es vorweg, je länger wir uns mit den Weinen beschäftigt haben, umso unsicherer bin ich geworden. Am Anfang stand für mich fest, die ersten beiden sind Rieslinge und der dritte kommt von der Loire. Zwischenzeitlich habe ich den zweiten für einen Chardonnay aus dem Burgund gehalten ohne die Holzkomponente. Das hat also nicht gepasst und je länger der Wein sich entwickelt hat, desto mehr war ich wieder beim Riesling. Kalkigem Riesling. Riesling, der nicht zuletzt durch Kräuter und Zitrusaromen dominiert wurde. Leicht nussig war er, crémig, aber nicht zu stark. In gwissem Maße schlank und trotzdem mit ausgezeichneter Dichte und Länge und beeindruckender Harmonie. Wir waren uns zwar alle nicht sicher, was wir da im Glas hatten, aber wir waren uns einig darüber, dass dies ein großer Wein war. Daran bestand kein Zweifel. Es war der erste G-Max vom Klauspeter Keller: der 2000er Hubacker Max.
Eine ganz andere Stilistik fand sich naturgemäß im 2000er Winninger Uhlen von Heymann-Löwenstein. Eine goldgelbe, trockene Auslese stand neben dem eher hellgelben, absolut frischen Max. So goldgelb die Farbe, so klar auch die Alterungsnoten im Wein. Nicht übermächtig aber klar präsent: etwas schwarzer Tee, ein wenig Honig, leicht süße Butter. In der Nase beeindruckt der Wein deutlich stärker als der zurückhaltende Max. Der Uhlen wartet zu Beginn mit deutlichen Moccatönen auf, das Ganze geht über in eine Blütenaromatik und wird dann abgelöst von Aprikosen und Mirabellen in die sich zunehmend ein paar Kumquats mischen. Die finden sich neben den Alterungsnoten auch auf der Zunge. Neben reifem Apfel und dem Steinobst. Der Wein ist breiter als der G-Max, auch weniger mineralisch, er wirkt eher wieder der große, eteas dicklaibige Bruder des durchtrainierten Gesellen vom Hubacker. Trotzdem ein wunderschöner Wein, auch hier findet sich eine schöne Länge und viel Balance und Harmonie.
Warum ich bei 2003er Veltliner Smaragd Ried Loibenberg von Emmrich Knoll an gereiften Chenin Blanc gedacht habe, weiss ich noch genau. Es war die Aromatik, das Mürbe gereifter Äpfel und Birnen, gerade der Birnen, die mich auf den Holzweg geführt haben. Zu dieser mürben Furcht gesellt sich eine feine Kräuteraromatik und, ganz amüsant, Vanillequark, speziell in der Nase. Mir gefiel die Mineralität dieses Weines, die Dichte, das leichte Aufschimmern von Süßholz am Gaumen. Doch leider findet sich eben dort, am Gaumen, etwas Alkoholisches und ein leichter Mangel an Säure. Das dürfte dem Jahrgang geschuldet sein und lässt den Veltliner im Trio etwas hinterherhecheln.
Die beiden Rotweine waren für mich, eigentlich für uns alle was das Raten anging ein Schuss in den Ofen. Bei beiden Weinen bin ich von Spätburgunder ausgegangen, beim ersten von deutschen Spätburgunder, den zweiten habe ich nach Frankreich einsortiert. Aber Pustekuchen, nix war’s mit Pinot.
Vielmehr hatten wir einen lang gereiften 1985er Brunello di Montalcino im Glas. eine Riserva des Weingutes Pertimali. Dessen Besitzer, die Sassettis, besitzen 16 Hektar Rebberge in den Hügellagen des Montosoli und gehörten Ende der 60er mit zu den Gründern des Consorzio del Brunello di Montalcino. Heute gehört Ihnen ebenso das Maremma-Weingut La Querciolina.
Dieser Brunello ist gereift, vollreif gewissermaßen, jedoch kein bisschen müde. Die Fruchtaromen sind in der Nase nur noch in Form eingekochter dunkler Früchte zu erahnen, hier bestimmen Tabak -ich denke sogar an Latakia, diese orientalisch-würzige Sorte -, Leder und Rauch die Palette. Die Früchte finden sich erst am Gaumen. die Nase ist dicht und eindringlich und es dauert lange, bis ich mich entschließe, einen Schluck zu nehmen. Dabei enttäuscht der Wein am Gaumen kein bisschen. Dichte Frucht, Brombeer vor allem aber auch ein wenig Erdbeere verweben sich mit weichem Holz, Kokok- und Vanillearomen. Die Tannine sind fein geschliffen, der Wein hat Länge und Dichte und macht enorm viel Spaß. ein Freund unseres Gastgebers hat den Wein dieses nicht übermäßig bekannten Weingutes damals gleich kistenweise gekauft, so überzeugt war er von der Jahrgangsqualität. er hat sich nicht getäuscht.
Mindestens genau so beeindruckend ist der 1982er Riserva la Serra di la Morra, ein Barolo von Gianni Voerzio. Ich habe bisher mit solch gealterten klassischen Barolo keine große Erfahrung, aber dieser Wein hat mich sehr beeindruckt. Das ist das Beste, was ich persönlich bisher aus der Gegend getrunken habe. 1982 und kein bisschen müde. Der Wein hat noch Kraft für weitere zwanzig Jahre. Die Frucht wirkt so frisch wie ein wenige Jahre alter Wein. Wir hätten übrigens bei beiden Weine nie gedacht, dass da was aus den 80ern stammen könnte, so frisch wirkten beide.
Auch hier findet sich Rauch, etwas Tabak und Leder in der Nase, mehr noch aber dominiert etwas Kalkiges. Ein wenig Jod kommt hinzu, etwas Lakritz, Bitterschokolade und eingelegte Sauerkirsche. Die findet sich in Likörform, ja in Kompottform auch am Gaumen wieder. Zusammen mit Mocca- und dunkeln Schokoladentönen, dabei bleibt der Wein jedoch mineralisch-kühl. Ein langer Wein der vor Selbstbewußtsein strotzt, eine beeindruckende Gestalt.
Pinot isses, dachte ich…