Lieber Jens Priewe…

vor einigen Tagen habe ich einen kurzen Artikel über die Ökobilanz der Transportwege eines Übersee-Weines am Beispiel eines argentinischen Malbec geschrieben. Es war ein kurzes Nachdenken über ein Thema, welches ich in näherer Zeit gerne vertiefen möchte – es war also ein kleiner Stein des Anstoßes, gewissermaßen.

Nun haben sie auf www.weinkenner.de unter dem Titel Gefährliche Bio-Logik – Wein aus Argentinien: Konsumverzicht wegen langen Transportwegs? eine Replik veröffentlicht, die mich in gewissem Maße freut, andererseits jedoch mindestens so sehr ärgert.

Der Ärger allerdings hat mehrere Gründe, die ich in der Form eines offenen Briefes darlegen möchte:

auch wenn es mich freut, dass Sie sich so ausführlich meinem am 22.06. auf meinem Weblog veröffentlichten kurzen Posting und auch meiner Person widmen, hätte ich es doch vorgezogen, wenn Sie sich ein wenig mehr in mein Blog eingelesen hätten. Dann wären einige Unterstellungen und Missverständnisse vielleicht direkt auf der Strecke geblieben. Ihr Artikel erinnert mich so ein bisschen an die typisch deutschen Schwarz-Weiss-Diskurse mit den darin häufig einhergehenden Vorbehalten vor zu viel Gutmenschentum, einem Verhalten, was nicht nur synonym für Nerverei und Besserwisserei steht, sondern was auch schnell mit Rechthaberei, Spitzeltum und dem gewollten Einschränken der Rechte anderer besetzt wird. Zudem begibt er sich zunehmend in eine Polemik, die der Sache letztlich nicht gerecht wird.

Ich nehme Ihre reflexhafte Unterstellung oben genannter Eigenschaften in Verbindung mit der Angst vor einem nahenden Öko-Diktat dabei zwar nicht nur in Ihrem Artikel wahr – gerade gestern noch habe ich beispielsweise drüben beim Würtz zu seinem Artikel Wahrhaftiger Wein mal die Kommentare gelesen und mich gewundert, wie schnell die Emotionen hochkochen, wenn mit Begriffen wie Wahrheit, Konsequenz und Nachhaltigkeit jongliert wird – ich stelle aber gerade in Ihrer Reaktion fest, dass man selbst  mit vorsichtigen Äußerungen zum Thema Klimabilanz direkt den gesamten Welthandel um die Ohren gehauen bekommt, außerdem wird man als Genussverächter in die Ecke gestellt, als naiv und tendenziell gefährlich eingestuft. Woher kommt das?

War mein kurzer Artikel so falsch zu verstehen, dass man daraus eine Diskriminierung oder den Wunsch nach einer Öko-Diktatur ableiten konnte?

Ich könnte meinem Artikel im Nachhinein vorwerfen, dass er etwas zu kurz war, ich hätte meine Frage etwas stärker ausformulieren sollen, denn was mir definitiv fern liegt, ist die willkürliche Diskriminierung eines Produktes, die Sie mir jedoch nebst einem unglaubwürdigen Öko-Engagement unterstellen:

“Wer öko-bewusst lebt, sollte seine gesamte Welt, in der er sich aufhält, auf den Prüfstand stellen und nicht nur ein Produkt willkürlich diskriminieren, um sein Gewissen zu entlasten. Übersee-Weine von Einkaufszettel zu streichen, aber mit dem Auto zum Petersiliekaufen fahren – so ein Öko-Engagement ist nicht glaubwürdig.”

Ich habe an jenem Abend ein Glas Wein des Schweizers Dieter Meier getrunken, den ich als Typ ausgesprochen schätze. Seine Musik, seine Texte haben mich ein großes Stück meines Lebens begleitet, entsprechend habe ich vor Kurzem auf ein anderes seiner Weinprojekte hingewiesen sowie auch auf seine momentane Ausstellung in Hamburg. Ihn und seinen Wein zu diskriminieren war also nicht meine Absicht.

Argentinischen Malbec zu diskreditieren war ebenso wenig meine Absicht – originalverkorkt ist grundsätzlich keine Plattform, um irgendjemanden oder irgendetwas zu diskreditieren – außerdem gibt es ausgezeichnete Malbecs. Ebenso chilenische Carmenères. Außerdem halte ich viel von diversen kalifornischen Cabernets, Zinfandels und Cuvées, ja, einige davon zählen zu den besten Weinen, die ich bisher getrunken habe, siehe zum Beispiel hier. Ich mag den Pinotage von Kanonkoop sehr gerne, genauso wie den beeindruckenden Stil, den Springfield Estate pflegt und worüber ich hier geschrieben habe. Also dürfte nach Studium meines Blogs eigentlich klar sein, dass die Unterstellung, diese Sie im Folgenden formulieren, komplett überflüssig war :

“Er  fragt lediglich, „ob das, was drin ist, sich wirklich lohnt. Ob der Wein also, wie man heute neudeutsch sagt, ein Alleinstellungsmerkmal aufweist“ – der argentinische Wein. Wer so fragt, hat die Antwort schon parat: Wein aus Argentinien bietet nichts, was den weiten Weg nach Europa lohne. Eine gewagte Behauptung, die aus der Feder eines Weinfachmanns erklärungsbedürftig ist. Meint Raffelt, dass ein Malbec aus Mendoza keine Spezialität sei? Dass ein Pinot Noir aus dem 1200 Meter hohen Tupungato kein unverwechselbarer Wein ist?”

Was ich mich vielmehr frage, und ich habe dies laut getan, ist, ob die einfachen Weine, denen man nicht sonderlich viel Charakter attestieren kann, nehmen wir zum Beispiel kalifornische Massenproduktion von Gallo und Co., oder die ganzen Diskounter-Übersee-Weine, ob man sich also dafür einfach so entscheiden sollte oder ob es zu viel verlangt ist, noch mal darüber nachzudenken. Und ja, auch, ob nun der einfache, aber gut gemachte Malbec von Dieter Meier so individuell und charaktervoll ist, dass man sich genau für diesen Wein entscheiden sollte, oder ob man doch lieber etwas nimmt, was weniger Emissionen mit sich herum trägt. Diese Frage finde ich absolut und zu jeder Zeit legitim, bei Äpfeln wie beim Wein, bei Industrieprodukten wie bei Kleidung.

Dabei stellt sich nicht die Frage, ob ich mich immer und zu jeder Zeit für die klimaneutralen, ökologisch wertvollen, sauberen Produkte entscheide, die dann mein Gewissen weniger belasten. Ich sage Ihnen, ich tue es nicht! Diesen Anspruch habe ich auch zu keinem Zeitpunkt formuliert und würde dies auch nicht tun, dafür bin ich selber viel zu inkonsequent. Mir aber die Möglichkeit eines kritischen Diskurses oder einem kritischen Nachfragen absprechen zu wollen, weil ich ja möglicherweise

“den Schnittlauch mit dem Auto einkaufe”,

Herr Priewe, das ist ein wenig billig und niveaulos, finden Sie nicht? Es geht doch hier nicht um wer frei von Makel ist, werfe den ersten Stein, sondern darum, ob wir die Welt, in der wir leben, auch aktiv mitgestalten wollen. Und da können wir uns doch immer wieder aufs Neue beim Griff in die Regale und anderswo entscheiden, wie wichtig uns dieses Mitgestalten ist. Das muss übrigens keine Instanz entscheiden, Gott bewahre. Das kann doch jeder selber entscheiden, der sich bewusst mit Produkten auseinandersetzt. Das muss auch nicht

“ein Arbeitskreis des Evangelischen Kirchentags”

sein, diese Polemik finde ich ein wenig fehl am Platze. Wenn dieser Anspruch, sich immer wieder bewusst zu entscheiden, schon ein zu viel an Gutmenschentum für Sie ist, fände ich das jedenfalls schade. Aber zwischen den Zeilen hört es sich so an, wenn Sie Folgendes schreiben:

“Und ich wäre einverstanden, wenn jeder selbst entscheidet, ob er aus moralischen Gründen auf Übersee-Weine verzichtet. Nur wäre es schön, wenn er seine Entscheidung in voller Kenntnis der Lage samt aller Implikationen träfe, die mit dieser Entscheidung verbunden sind. Moral ist nicht teilbar. Man kann nicht dreiviertel aller in Deutschland gefertigten Autos zum Export über die Weltmeere schicken und gleichzeitig glauben, durch Verzicht auf den Konsum von Überseeweinen die Welt ein bisschen besser zu machen.”

Dieses ist letztlich entlarvend, denn Sie wissen so gut wie ich, dass man nicht alle Implikationen mit berücksichtigen kann, zum anderen stimmt Ihre Logik keineswegs: Der große Unterschied bleibt der, dass nicht ich diese Fahrzeuge ins Ausland exportiere (ich gehe auch nicht für die Autoindustrie in Sippenhaft), mir aber die Wahl bleibt, für welche Fortbewegungsmittel ich mich persönlich entscheide (ich kann Ihnen auf Nachfrage gerne etwas zu umweltbewussten Fortbewegungsmitteln erklären, ebenso zu Car-Sharing, wenn es Sie interessiert, aber dies hier ist ein Weinblog). Genau so kann ich mich jederzeit entscheiden, ob ich den Sauvignon Blanc xy aus Neuseeland nehmen möchte oder beispielsweise einen aus Rheinhessen.

Dies war meine Intention, ein kurzes Nachdenken über bewusste Entscheidungen für das ein oder andere Produkt, keine Handlungsanweisung. Und, abschließend bemerkt, fände ich es deutlich zielführender, solche Diskussionen personenunabhängiger und weniger polemisch zu gestalten, dafür sachbezogener und zielführender.

mit freundlichen Grüßen, Christoph Raffelt

20 Kommentare

  1. Ich bin vorhin auch durch einen Zufall über den Priewe Artikel gestolpert und mir geht es genauso wie Dir.

  2. Wenn man Herrn Priewe Polemik unterstellen kann trifft das auf ihren ersten Artikel in selbiger Weise zu!
    Und wer Herrn Priewe in diesem Forum Niveaulosigkeit und billig zu sein vorwirft, lässt selber das eben kritisierte Niveau vermissen!
    Mir gefällt die Stellungnahme von Herrn Priewe gut und Sie täten gut daran dies auch nur als “Stellungnahme” zu sehen.
    Wer einen Blogg dieser Art eröffnet, sollte ein wenig relaxter mit Kontroversen umgehen!

  3. Ich bewundere Deine Gelassenheit. Ich finde das Priewe-Stück in seiner argumentativen Struktur ziemlich dürfitg, vor allem aber infam in seiner Machart.

  4. Hihi, und schon schlagen sie ein, die ersten anonymen Gäste, die eigentlich nicht mehr zu sagen haben als: Priewe hat Recht. Denn, lieber “Gast”, die steile These, dass, wer Herrn Priewe völlig zurecht eine – wenigstens implizierte – Unverschämtheit ankreidet, Niveau vermissen lasse, würde durch das ein oder andere Argument doch ganz erheblich gewinnen. Ach, sie haben keine? Sehen Sie, das dachte ich mir!

  5. Ach, Jens Priewe macht sich damit doch in meinen Augen lächerlich. Aber ich verstehe, dass dich das (absichtliche?) Missverstehen ärgert.
    Relativierung sind immer ein Zeichen von mangelndem Verständnis und Argumenten. A la: solange Deutschland Autos exportiert, darf sich ein deutsches Individuum keine Gedanken über Okobilanz machen. So ähnlich relativierte ja auch ein Leo bei deinem Post meinen Kommentar. Schmerzliche Wahrheiten, die das eigene Konsumverhalten betreffen, will kaum jemand hören. Dann stellt man lieber jemanden in das Eck des “Gutmenschen”, eine Keule, die man so ziemlich immer jemanden auf den Kopf knallen kann, ohne Argumente zu haben.

  6. @Marqueee Meine Gelassenheit kommt daher, dass ich gestern Abend einen Artikel geschrieben und dann noch mal drüber geschlafen habe und mir dann heute morgen klar war, dass ich nicht ins selbe polemische Horn stoßen wollte. Dann habe ich ihn noch einmal neu verfasst.

    @»Gast« Kontroversen finde ich ausgezeichnet. Siehe dazu aber bitte den letzten Absatz in meinem offenen Brief.

    @Eline Ja, Mit dem Gutmenschen zu kommen macht jede Diskussion kaputt, Schade. Der Kommentator Leo hat ins selbe Horn geblasen und beide haben überhaupt nicht verstanden, worum es mir geht.

  7. @ Christoph “Nochmal drüber schlafen” ist ohnehin eine in Diskursen aller Art sträflich unterbewertete Kulturtechnik.

  8. Vorneweg:Ich bin “Gast”
    Lieber Marqueee:Ich bewege mich sehr sehr selten in solchen Foren, daher dachte ich eine Anmedlung mit Namen sei nur mit einer vorherigen Registrierung möglich.Dem war nicht so. Ich bitte um Entschuldigung!
    Aber eine Meinung sollte, völlig wurscht ob ich mir nun einen Namen ausdenke, mich hinter einem Synonym verstecke oder mit meinem tatsächlichen Namen agiere, auch als solche Verstanden werden.
    Den wer ich nun bin oder nicht ändert für Sie im Prinzip nichts an meiner Meinung.
    Davon abgesehen ging es mir um diesen Satz von Herrn Raffelt, den ich hier noch einmal zitiere und der eigentlich auch Argument genug sein sollte.
    “Herr Priewe, ist ein wenig billig und niveaulos, finden Sie nicht?”
    Mir war nicht bewusst dass Herr Raffelt seinen eigenen “Wachhund” hat, den ich natürlich nicht verärgern möchte.

  9. @Dirk Sie haben recht, trotz Korrekturlesens ist mir der Fehler nicht aufgefallen. Ich hatte schreiben wollen: “Herr Priewe, das ist ein wenig billig und niveaulos, finden Sie nicht?” Ich hatte zwar schon das Komma platziert, das »das« aber vergessen und es jetzt hinzugefügt. Ich wollte nicht Herrn Priewe selbst als billig bezeichnen sondern lediglich die Polemik. In die gleiche Kategorie fällt übrigens Ihre Wachhund-Polemik.

  10. @Dirk: Zugegeben, der zitierte Satz ist so, wie er dort stand inakzeptabel. Ich hatte diesen Fehler, genau wie der Autor und Hausherr hier, einfach überlesen und das fehlende “das” kurzerhand antizipiert. Ansonsten müssen wir uns wohl darauf einigen, unterschiedlicher Meinung zu sein und vermutlich wohl auch zu bleiben.

    Sprach’s und legte sich in seine Hundehütte, um erst einmal ein Nacht darüber zu schlafen.

  11. @ Marqueee
    Ich komme gut damit klar mit Ihnen unterschiedlicher Meinung zu sein.
    So lange wir uns im Geiste gestern abend gemeinsam bei einem anständigen Glas Wein wieder vertragen konnten!:)

  12. Holgi

    Haha! Der Priewe hat einfach nur Schiss, weil ihm sein vermeintliches Herrschaftswissen von Leuten streitig gemacht wird, die in seinen Augen Amateure sind und zu fressen haben, was er ihnen vorwirft. Immerhin will er Bücher und Artikel verkaufen, was ihm zunehmend schwer fallen dürfe, wenn die Verlage mitbekommen, dass er nix exklusives zu bieten hat.
    Das ist bei allen Journalisten so – und bei solchen, die dazu neigen, ihren Geschmack verabsolutieren zu wollen, ganz besonders. Da greift man dann nach jedem Strohhalm und pisst notfalls irgendwelchen Bloggern ans Bein. Nur sein Problem wird davon nicht kleiner, sondern eher größer, weil er dir nämlich noch Leser rüberschickt.
    Vor dir scheint er übrigens besonders viel Angst zu haben, sonst würde er keinen Schmuddeljournalismus betreiben, sondern bei der Sache bleiben. Ab jetzt weiss Google, wes Geistes Kind Herr Priewe ist.

    Am besten lachst Du ein wenig über diesen Tüpen und legst schonmal eine schöne Flasche zur Seite, die Du zur Feier genau des Tages trinken wirst, an dem die meisten solcher professionellen Weinschreiber sich als die Schwätzer entpuppt haben, die sie schon immer waren und dann verschwinden.

    Du wirst dann immer noch da sein.

  13. si.lenz

    mein lieber (Holgi)-Mann, poetischer hätte man das Ganze kaum auf den Punkt bringen können. Das Herr Priewe ein derart großes Kaliber wählt um einen Blogger zu denunzieren der einfach seine Leidenschaft darstellt und naheliegende Fragen stellt die, von im Thema verhafteten Journalisten die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten müßen, gar nicht gestellt werden können, entlarvt die Verzweiflung die zwischen den Zeilen schwelt.
    Lieber Herr Priewe;-guter Artikel für Leute die sich die Fragen die sie nicht haben, gerne von ihnen beantworten lassen.

  14. Stefanie

    Die Kommentare hier sind teilweise dem Thema nicht angemessen: Priewe hat niemanden denunziert und sein Artikel ist doch keineswegs persönlicher oder polemischer als dieser hier. Er vertritt eine andere Meinung, verbal mit weniger Marketing-Touch und mehr blumigen Beispielen – dennoch sind seine Argumente nicht weniger angemessen als die von Herrn Raffelt, er kommt nur zu einem anderen Schluss. Daraus muss man keinen Krieg Blooger-Journalisten inszenieren oder Verzweiflung attestieren. Ein weniger verkürzte Zitatauswahl in obigem Artikel hätte wahrscheinlich auch zu einer sachlicheren Debatte beigetragen.

  15. Christian

    Vielen Dank Stefanie.
    Ich sehe das genaz genau so!

  16. Christian

    Vielen Dank Stefanie.
    Ich sehe das ganz genau so!

  17. Lieber Herr Raffelt,

    Eigentlich hatte ich nicht vor, mich noch einmal zu dem Thema zu äußern. Aber da sind ja inzwischen einige abenteuerliche Kommentare gepostet worden! Manche Leute scheinen meine Stellungnahme zu Ihrem Weblog als die Kriegserklärung eines “mächtigen” Journalisten an einen “braven” Blogger anzusehen. So ein Quatsch!

    Ich lese aus dem Offenen Brief, den Sie an mich geschrieben haben, aber auch heraus, dass Sie meine Stellungsnahme betroffen gemacht hat. Vielleicht haben Sie die persönlichen Anspielungen geärgert. Vielleicht fühlten Sie sich als einer, der sich ganz arglos ein paar Gedanken darüber machen wollte, ob der Transport gewisser Überseeweine nach Deutschland unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten vertretbar ist, von meiner – zugegeben – sehr weit ausholenden Argumentation über globalen Handel etc. überrumpelt. Ich weiss es nicht. Aber es muß, finde ich, erlaubt sein, das Recht der individuellen Entscheidung über den Konsum eines Weins in einen größeren Kontext zu stellen.

    Ich empfinde im Übrigen durchaus Sympathie für jemanden, der darüber nachdenkt, ob man jeden Mistwein um die halbe Welt schicken muß mit den bekannten Folgen für das Weltklima. Ich sehe aber auch das Dilemma, in dem man sich als Mitglied einer Exportnation wie Deutschland befindet, die ihrerseits Welthandel betreibt und davon lebt, dass deutsche Autos etc. über die Weltmeere geschippert werden. Das ist doch eigentlich nachvollziehbar.

    Und wenn der Konsument sich dann entscheidet, Wein mit langen Transportswegen zu meiden, muß er sich fragen lassen, warum er, wenn er schon so verantwortungsbewußt ist, dasselbe nicht mit anderen Produkten tut. Tut er ja vielleicht. Oder Sie tun es. Aber Sie wissen doch, dass längst nicht alle, die so pharisäerhaft auftreten, es tun. Paula Bosch, die Tantris-Sommelière, hat auf weinkenner.de einen interessanten Kommentar gepostet. Sie berichtet von früheren Gästen, die grossmütig auf Überseeweine verzichteten und sich mit deutschen Weinen bescheideten, weil das Gute ja so nah liegt, aber gleichzeitig in teure Kashmiranzüge gewandet waren. Seit wann Kashmir aus Deutschland komme, hat Paula Bosch die Gäste gefragt. Genau darum geht es. Das meinte ich in meiner Stellungnahme mit Implikationen.

    Zum Thema persönliche Anspielungen, Polemik etc. Blogger scheinen manchmal zu glauben, sie lebten ausserhalb der Öffentlichkeit. Das stimmt natürlich nicht. Ihre Weblogs sind genauso öffentlich wie die Berichte und Kommentare in Tageszeitungen. Deshalb müssen Sie damit leben, dass sich gelegentlich mal einer von ausserhalb der Community mit Ihren Weblogs auseinandersetzt, auch ungefragt und kritisch. Wenn ich polemisch gegen die Heuchler schreibe, die ständig ihr Gutmenschentum raushängen lassen, aber mit dem Auto zum Petersiliekaufen fahren, dann weiß ich nicht, was daran billig und niveaulos ist. Aus meiner Stellungsnahme läßt sich jedenfalls nicht herauslesen, dass Sie damit gemeint sein könnten. Weshalb dann so empfindlich?

    Im Übrigen finde ich schon, dass man auch persönlich werden darf. Bloggs sind schließlich persönliche Tagebücher, oft in Ich-Form geschrieben, auch Ihr Weblog. Solange man die betreffende Person nicht diffamiert oder herabsetzt, ist es erlaubt, sie in die Argumentation einzubeziehen. Das passiert – ich wiederhole mich – täglich in in Zeitungen, im Fernsehen etc. Und bei Ihnen auch. Sie gehen in Ihrem Offenen Brief ja sehr viel polemischer mit mir um als ich mit Ihnen in meiner Stellungsnahme. In der Sache finde ich das unberechtigt. Aber eine gewisse Emotionalität ist wohl nicht zu vermeiden, wenn ein Aussenstehender plötzlich in eine geschlossene Community eindringt. Und vielleicht ist es auch gar nicht schlimm. Gefühle sind manchmal wahrer als sachliche Statements.

  18. si.lenz

    @Stefanie, sicher kann man über die Wortwahl in einigen Kommentaren streiten. In meinem Kommentar wählte ich “denunzieren”; Herr Priewe in seinem Artikel unterstellt Christoph Raffelt ein Produkt zu “diskriminieren”, was er zu keinem Zeitpunkt tat.
    Sie haben recht; Herrn Priewe Verzweiflung zu attestieren war falsch, vielmehr benutzt er Herrn Raffelt, der seine Gedanken in die Öffentlichkeit stellt, um unangemessen ein Persönlichkeitsbild zu entwerfen das dann exemplarisch zu sein hat für die “Generation Bio”.Ich finde nicht das das dann noch etwas mit dem ursprünglichen Artikel von Herrn Raffelt und seiner Fragestellung zu tun hat.

  19. @Jens Priewe

    Mich hat Ihr Artikel nicht betroffen gemacht sondern geärgert. Und das hat übrigens überhaupt nichts damit zu tun, dass Sie den Inhalt meines Postings kritisiert haben. Im Gegenteil finde ich Austausch gerade über solche Themen durchaus wichtig und spannend. Natürlich gehe ich nicht davon aus, dass ich, wenn ich in einem Weblog, oder überhaupt öffentlich schreibe, in einem Vakuum sitze, welches ausserhalb der Realität oder Öffentlichkeit existiert. Ich bewege mich seit vielen Jahren sehr intensiv in diesem virtuellen Raum und habe, was das angeht durchaus Erfahrung und ebenso wenig Illusionen.

    Es ist jedoch immer eine Frage des Stils und der Mittel. Sie schreiben, wenn ich mich nicht irre, seit Anfang der Siebziger als Journalist. Sie werden also mit den Stilmitteln und Genres hinreichend vertraut sein. Deswegen bin ich mir sicher, dass Sie sich über die Wahl Ihrer Mittel im Klaren sind. Die Form, wie Sie mich auf Ihrer Plattform vorgestellt haben, und wie diese Form mit Inhalt und Polemik verknüpfen ist, finde ich, auch wenn ich es jetzt noch mal lese, weiterhin ziemlich unangenehm. Dies sieht übrigens jeder, mit dem ich über Ihren Artikel gesprochen habe unisono so – der sonst sehr ruhige @Marqueee nannte es sogar “infam in seiner Machart” – ganz unabhängig vom Inhalt. Was hat beispielsweise Ihre Auslassung über meine Arbeit als Grafikdesigner für den DuMont-Buchverlag mit Wein zu tun? Hätte ich Ihrer Meinung nach konsequenter Weise das Layout für ein Buch über die Geschichte des Automobildesigns ablehnen sollen weil diese Fahrzeuge, die dort abgebildet werden CO2 ausstoßen?

    Ich gebe Ihnen übrigens durchaus Recht, wenn Sie die Diskussion in Teilen als verlogen ansehen – aber die Diskussion über den Inhalt konnte nach der Form Ihres Artikels eigentlich gar keinen Raum mehr bekommen.

  20. Martin

    Viel Rauch um nichts, wenn lediglich der Transport in die CO2-Bilanz des Weins eingeht…

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