Weinrallye #8: Etikettentrinken

Es war dieses Mal Iris Rutz-Rudel, die auf ihrem Winzertagebuch das Thema zur 8. Weinrallye ausgerufen hat. Etikettentrinker! Jaha, dachte ich, das ist gut. Da werden die meisten eher zu viele Weine im Kopf haben, die sie beschreiben können, als dass sie ernsthaft nachforschen müssten.

Weinrallye_Logo

Auch für mich stellte sich eher die Frage, welchen Wein ich denn nun aussuchen sollte. Ich müsste lügen, wenn ich mich nicht auch zu den Etikettentrinkern zählen würde. Ja, ich kaufe Wein auch nach Etikett. Die Betonung liegt auf auch! Es wäre ja seltsam, wenn ich als Gestalter, der schließlich auch Augenmensch sein muss, keinen Blick für diese Dinge hätte. Es ist dementsprechend ein grafisches, ein bewusst durchgestaltetes Etikett, eines, bei dem man direkt sieht, das Marketing und Agentur/Grafiker ihr Bestes gegeben haben, wofür ich mich entschieden habe. Und, nachdem ich den kleinen Bruder dieses Weines schon mal klar abkanzeln musste, war ich gespannt auf den Stoff in der Flasche.

Aber langsam … An erster Stelle stand die Frage, wonach ich mich überhaupt richten sollte beim Etikettentrinken. Nach dem Namen? Ein Mouton wäre da schön gewesen, ein 1997er vielleicht mit einem Etikett von Niki de Saint Phalle, einzig, das kann ich mir nicht so recht leisten und sehe es auch nicht ein. Aber das wäre die wahre Etikettentrinksymbiose gewesen. Kunst und großer Name. Moderne Kunst und klassische Typografie. Dabei wird mir wehmütig ums Herz. Ich war mal im Besitz eines Posters aus dickem, hochwertigem Papier, auf dem die Künstlerjahrgänge von Mouton abgebildet waren. Ich hatte immer einen Platz finden wollen dafür und es bis dahin aufbewahrt in einer schlichten Posterrolle – bis zum vorletzten Umzug, bei der die Rolle verschwand …

Nun, Etikettentrinken nach teurem Namen schied also schon mal aus. Bliebe die Wahl zwischen Trash und Anspruch, zwischen bewusst schlechtem Geschmack und grafischer Ausgestaltung. Ehrlich gesagt, ich habe mich ganz banal für die Unterstützung meiner Profession und damit für die grafische Ausarbeitung entschieden. Da gehe ich mit wachen Augen durch die Weinwelt und bleibe meist an Flaschen hängen, die von der iberischen Halbinsel stammen. Es gibt dort eine Fülle von modern und handwerklich gut gestalteten Etiketten. Das Problem ist häufig eher, was drin ist.

Einen Wein, den ich blind hätte nehmen können, dessen Etikett jedoch schon hinlänglich bekannt ist, ist der Fabelhaft von Niepoort. Das ist guter Stoff zu fairem Preis mit gutem Marketing und feiner Grafik nebst guter Idee. Was will man mehr? Der Wein dürfte sich gut verkaufen, schätze ich. Und ich wünsche ihm Glück, denn dass das alles so gut zusammenpasst, ist selten.

Niepoort Fabelhaft 2004

Doch entscheiden konnte ich mich nicht für ihn, beschrieben hatte ich ihn schon hier, die Weinwahrheit war schon aktiv, der Charles hat den Wein schon gecastet, Thomas Günter hat ihn erwähnt und wo nicht noch …

Also runter in den Keller und rauf mit dem Col.lecctio von Albet y Noya.

Albet y Noya Col.lectio Cabernet Sauvignon

Ein schönes Etikett oder nicht? Die ganze Serie sortenreiner Weine wurde von einem Künstler gestaltet, dessen Arbeiten mir zumindest durchaus gefallen.

Col.lectio Kollektion

Die Weine auch, soweit ich sie kenne. Da betrifft das handwerkliche Können im Weinberg und im Keller auf das der Gestaltung und des Verkaufs. Und hey, das ist schon ok. Das muss nur einmal funktionieren. Ich gehe in den Laden und kaufe den Wein auf Grund seines Etiketts. Dann hat es sich gelohnt. Den Rest, das Erlebnis zu Hause, muss schon die Qualität des Produktes übernehmen, und selbst wenn die stimmt, sollte dies auch für das Preis-Leistungs-Verhältnis gelten, für das gefühlte. Ist ja eh alles subjektiv. Wer weiß, wie vielen von denen, die den Artikel lesen, das Etikett meines Etikettenweins so gut gefällt wie mir.

Zurück zum Wein. Den Col.lecctio habe ich nicht geöffnet. Mir war nicht danach. Nicht nach Cabernet und nicht nach diesem Wein an diesem Abend. Das wäre Perlen vor die Säue. Mir ist eh nicht so gut seit ein paar Tagen.

Lieber was von diesen neuen Winerys aus Spanien. Ja, so kommt es mir vor. Mit ziemlichem finanziellen Aufwand aus dem Boden gestampfte Bodegas produzieren Weine für den internationalen Markt, gegengecheckt vom nationalen Weinmarketingverband. Übrig bleiben also die Weine von Espelt …

Espelt di vini

Schönes, frisches Design oder? Junges Unternehmen. Junge Zielgruppe. Das Design stammt von Javier Mariscal, dem Gestalter u.a. des Logos der Olympiade 1992 in Barcelona. Und die Auswahl, schaut euch mal die Auswahl an. Und das ist jetzt nicht nur die Allerweltsplörre. Allein vier Dessertweine und zwei Rosé. Von denen hätte ich gerne ein Probierpaket. Stattdessen ist das hier nur fauler Zauber; denn der Wein in der Flasche, die ich hier exemplarisch fotografiert habe, ist längst getrunken und eine zweite habe ich nicht.

Care…

Care Mix

Noch Fragen? Ein paar Weine habe ich probiert, zwei, die teuren warten noch auf die Verköstigung. Aber da traue ich mich gar nicht so recht ran. Die aus dem mittleren Preissegment waren schon radikale Fruchtbomben mit Marmeladenextrakt. Und der XCLNT? 50 % Garnacha von 80 Jahre alten Rebstöcken, 50 % Cabernet von 25 Jahre alten Rebstöcken. Das Ganze wird dann praktisch dehydriert und die Fruchtessenz wandert in das Kompott. Nee, das ist mir dann heute auch zu viel.

Acustic? …

Acustic 2005, Monsant

Bleibt noch, und dabei bleibt es dann auch: Der Geol 2005 von Tomas Cusiné, dessen Weine vom Castell del Remei mich schon an schlechte Beispiele aus neuer Welt denken ließen. Der Vilosell war, wie gesagt, auch eine Pleite.

Tomas Cusiné, Geol und Vilosell

Der Geol wird hoch gelobt. Parker meint, er wäre der beste Merlot-dominierte spanische Wein, den er kenne, und gibt dem 2003er 93 Punkte, dem 2005er, den ich hier im Glas habe, immerhin 90 Punkte. Sobremesa, spanisches Gourmetmagazin gibt 90 Punkte und hält den Geol für den besten Wein aus den Costers del Segre. Jay Miller sagt ebenfalls: 90 Punkte. Und ich sag’ nix zu Punkten.

Ich sage: Brombeer-Pflümli-Gelee-Vanille-Holz-Zimt-Aroma mit ein wenig Peffer und anderen Gewürzen garniert. Und schmecken tut es ebenso. Spät gelesene Süßkirschen kommen noch dazu. Und ich schrieb nicht Marmelade, ich schrieb Gelee. Das ist ein gut gemachter Wein. Und die Betonung liegt mal wieder auf gemacht. Aber hier und heute Abend finde ich meinen Frieden damit. Und nehme noch ein Glas mit ans Bett. Und das Etikett?

Etikett Geol

Das ist stimmig. passt auch zum Wein. Wie sagt man so schön? Modernes Lebensgefühl drückt sich aus in … Ach, im Hintergrund höre ich den Ozilator. Ist ja gut, ich halt ja die Klappe, jetzt habe ich auch wirklich lange genug gequatscht.

2 Kommentare

  1. Wow, so viele Etiketten in einem Artikel, das steigert die Statistik der N° 8 ganz erheblich. Ich finde die meisten sehr schön – aber irgendwie scheint design auf leicht düster zu reimen – oder ist das der erdige Rotwein, der da den Designern im Kopf herumschwirrt?

  2. Häufig wird dieses leicht Düstere als edeler angesehen, als wertiger, denke ich. Und wird dann eh bei Rotweinen eher verwendet, bei den schweren, konzentrierten Tropfen. Wenn du dir die Weiss- oder Roséweine auf der Seite von Espelt (link im Text) anschaust siehst du frische Farben und Formen…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert