Terres et Vins de Champagne, eine Nachlese

Auch wenn wir schon lange wieder zurück sind und die beiden Kollegen viel schneller waren als ich, schreibe ich trotzdem noch was über eines der Highlights meines Weinjahres. Mit meinen geschätzten Blogger-Kollegen Marquee (der entsprechende Artikel und Matze (der entsprechende Artikelhabe ich die diesjährige Terres et Vins de Champagne besucht. Diese Veranstaltung ist ein Muss für jene, die kompromisslose Winzer-Champagner mögen. So liest sich die Teilnehmerliste dann auch wie das Who-is-who der alternativen Macher der Champagne, auch wenn ein paar Leute wie Laval, Lassaigne, Gautherot oder Bouchard nicht mit dabei sind, finden sich Léclapart und Agrapart ein, Bérèche, Lahaye, Tarlant, Horiot und diverse andere. Das Besondere dabei ist, dass sie neben den Champagnern auch die Stillweine mitbringen, also jene durchgegorenen Ausgangsweine, aus denen dann nachher der Champagner entsteht. Auch wenn mir nach einer gewissen Zeit die Zähne knirschten vor lauter Säure, ist es doch ausgesprochen interessant, die einzelnen Lagen, Rebsorten und Böden in Kombination und pur zu erleben. Die Böden spielen, der Name des Salons weißt schon daraufhin, eine wichtige Rolle, gerade weil viele der anwesenden Winzer Champagner aus einzelnen Jahrgängen und einzelnen Lagen herstellen. Für mich stachen fünf Winzer besonders heraus.

Terres et Vins de Champagne.

Auch wenn die Weine von David Léclapart in ihrer Jugend – und alles, was nicht 10 Jahre alt ist, ist bei ihm jugendlich, würde ich behaupten – sehr schwer zu verstehen sind, so faszinieren doch Kraft und Substanz sowohl in den Vin Clairs, als auch in den jungen Champagnern. Zu probieren waren drei Weine aus Trépail. der feinfruchtige, leicht blütenaromatische l’Artiste, eine Chardonnay aus 2006, zur Hälfte in Holz, zur Hälfte in Edelstahl ausgebaut. Der tiefere, würzigere, crémigere, etwas nach Holz und Latakia-Tabak duftende l’Apôtre 2006, der aus einer älteren Parzelle inmitten des Weinbergs stammt, der sonst für l’Artiste genutzt wird. Schließlich l’Alchemiste 2006, ein sehr, sehr straighter Rosé-Champagner aus 100% roten Trauben, non-dosage, einer, der zwei Tage auf der Maische liegt, bevor er in Barriques gefüllt wird und entsprechend schon von der Farbe her eher an einen Clairet erinnert denn an die lachsfarbenen Rosé-Champagner, die man üblicherweise findet. Der 2006er ist ganz jung und verschlossen mit purer Kraft und doch feiner Stilistik. Es ist einer der Weine, der so gut wie gar nichts mit jenen Champagnern zu tun hat, die wir sonst kennen. Etwas feiner wirkt dagegen der l’Astre, ein noch kommender Rosé, der bisher nur als Ausgangswein zu probieren war, aber mit ziemlicher Sicherheit was Großes werden wird.

Der Wein und sein Meister: David Léclapart.

Ähnlich tiefgründig rot kommt auch der Rosé de Riceys von Olivier Horiot daher. Der Rosé dieses jungen, charmanten Winzers ist die zu Bläschen gewordene Inkarnation jenes Stillweins, der eine eigene Appellation innerhalb der Champagne hat. Die Qualität der Champagner, die ich selber auch im Originalverkorkt-Shop verkauft hatte, ist fantastisch, gerade in den neuen Jahrgängen, die ich bisher nicht probiert hatte. Der Rosé schmeichelt schon mit seiner prägnanten, ausgesprochen intensiven Farbe. Duft und Geschmack präsentieren die Frische des noch jungen Jahrgangs, jedoch ebenso die Substanz dieses Weines. Er erinnert dabei ein wenig an junge, primärfruchtige elsässer Pinots oder jene aus dem Sancerre. Besonders bei Horiot ist die Mischung seiner Champagner. Der Biodynamiker setzt beispielsweise seinen 5 Senses aus fünf Traubensorten zusammen. Neben den üblichen Pinot Noir, Meunier und Chardonnay finden sich Pinot Blanc und Arbane. Auch Petit Meslier, eine weitere jener kleinen Champagnerrebsorten findet sich in seinen Weinbergen. Der 5 Senses ist dicht und voll, rauchig und markant, dabei viel zu jung. Ein Wein, der, wie auch der 2006er Pinot Noir, erst einmal ein paar Jahre im Keller verschwinden sollte.

Links: Olivier Horiot, rechts: Benoit Lahaye

Benôit Lahaye, ebenfalls ein Winzer, dessen Weine ich im Programm hatte, stammt aus Bouzy, einem der von Pinot geprägten Orte, und so hat er neben 0,6 Hektar Chardonnay nur Pinot Noir Bestockung. Seine Einstiegscuvées, die ich teils für unter €30,- verkaufen konnte, sind sehr schöne, leicht voluminöse, crémige, von Pinot Noir geprägte, also leicht erdbeerdominierte Champagner, die deutlich weiniger sind als viele andere Champagner bei dieser Probe. Etwas ganz Besonderes am Tisch von Lahaye war der Jardin de la Grosse Pierre Brut Nature 2009. Es ist ein Wein, der von einer uralten Parzelle stammt und im gemischten Satz steht, sprich, der Rebsortenspiegel ist breit und Lahaye meinte, er wüsste selbst nicht so genau, was da alles stehen würde. Anerkannte Champagne Rebsorten sind, ich hatte es ja schon bei Horiot erwähnt die großen drei, Pinot Noir, Meunier und Chardonnay, dazu kommen rbanne und Petit Meslier, jedoch auch Pinot Blanc und Pinot Gris. Wer weiß, was da noch alles rumsteht… Der Champagne, der erstmals 2013 auf den Markt kommen wird, jedenfalls wirkt jetzt schon sehr charaktervoll, sehr eigenständig, sehr würzig.

Le Cran

Bei einer Blanc de Blancs Probe im letzten Sommer hatte ich in der Probenfolge ganz vorne einen Wein, den ich bis dato noch nicht getrunken hatte. Es war ein Beaux Regards Brut Nature 2007 von Bérèche et Fils. Der Chardonnay-Champagner stammt von einer 9 Hektar-Domaine in der östlichen Montagne, unweit der Stadt Reims. Raphael Bérèche setzt seit 2007 auf Biodynamie, teils wird spontan vergoren, anderes wird mit den Spezialhefen des Biodynamikers Fleury vergoren. Die weine, die keine malolaktische Gärung durchlaufen werden unfiltriert abgefüllt, besonders ist, dass die Flaschen während der zweiten Gärung unter Kork und nicht unter Kronkorken arbeiten. Das Degorgieren erfolgt von Hand, die Dosage  besteht aus traditionellem Liquer, nicht aus Most, wie sonst heute üblich.

Der Wein hat damals direkt die Geschmäcker gespalten, manche fanden in brilliant, andere mussten sich fast abwenden und das Gesicht verziehen – auf jeden Fall waren alle wach und bei der Sache nach dem Genuss des Weines. Das ist so ein bisschen wie riding on a razors edge. In der Nase pfeffrig, crémig, pikant, sogar mit einer leichten Honigsüße. Am Gaumen dann klar und kompromisslos. Knalltrocken, dabei höchst mineralisch, saftig mit viel Zitrus- bzw. Grapefruitaromen, grüner Apfel kommt dazu, dabei sehr balanciert. Auch diesmal wieder fand ich den Wein ausgezeichnet.

Raphael Bérèche

Etwas Großes wird wohl der Le Cran 2005 aus Ludes, ein 1er Cru aus Pinot Noir, Chardonnay und Meunier. Der Wein, ebenso schonend ausgebaut wie Bérèches andere Weine, hat in verschieden großen Fässern gelegen, genauer gesagt in 205er, 228ern und 500ern um nach der zweiten Gärung für 60 Monate sur latte zu liegen. Auch wenn es hier weder eine malolaktische Gärung gab und auch keine Batonnage, wirkt der Wein ausgesprochen burgundisch. Die Revue des Vins de France schreibt: “Vin fin et minéral à la texture délicate, savoureuse qui évoque un premier cru de Puligny-Montrachet en année fraîche.” Das ist ziemlich genau getroffen. Obwohl das Holz noch dominiert, findet sich neben deutlicher Mineralität eine ganze Fülle von Banane, Ananas, etwas leicht kompottiges und buttriges. diesem Wein möchte gerne in einigen Jahren noch mal begegnen.

Die Weine, die mir und auch Torsten am meisten zugesagt haben stammen von einem, dessen Weine ich schon immer mal probieren wollte. Pascal Agrapart, der, wie so viele (zumindest auch Lahaye, Horiot, Léclapart, Tarlant, Doquet) an diesem Tag in einem blau-weiß quergestreifen Pullover, der ihm nicht wirklich stand, seine Weine anbot, besitzt 10 Hektar an der Côte de Blancs. Seine Weine schließen an das an, was beim Le Cran schon prägnant war: die burgundische Note. Etwas Holz ist im Spiel, Mineralität; die Weine sind weinig, nicht so straight und pur wie die meisten anderen Biodynamie-Winzerchampagner, etwas breiter sind sie, aber nicht zu breit.

Pascal Agrapart

Agraparts Champagner stammen von insgesamt 60 Parzellen in Avize, Oger, Cramant und Oiry, aus Vertus, Avenay, Val d’Or und Mardeuil. All diese Parzellen werden einzeln ausgebaut. Der Anbau erfolgt ganz nahe an der Biodynamie, auch wenn der Begriff nicht fällt. Agraparts Trauben werden sehr reif geerntet, was deutlich zum charakter beiträgt denn die Weine wirken so, als ob sie ein Quantum Dosage hätten, in der Tag sind sie aber eher extra-brut bis non dosé. Die großen Weine wie Minéral, Vénus oder L’Avizeoise werden in großen Holzfässern ausgebaut, die kleinen Champagner wie der Les Sept Crus oder der Terroirs, den wir beim Podcast probiert haben, vergären im Edelstahl. Auch wenn ich die drei großen Weine von Agrapart nicht mehr im Detail notiert habe, bleibt ein ausgezeichneter Gesamteindruck komplexer, hoch aromatischer, mineralischer Weine, die ich sehr gerne noch mal Stück für Stück in ruhe in Augenschein nehmen möchte.

Weiter ging es bei uns dann mit einem leicht angeschickerten Gang durch die Gemeinde. Ay wirkt mitten am Tag verlassen, die Bordsteine sind hochgeklappt. Genauso wie in den anderen Gemeinden der Côte de Blancs, durch die Torsten und ich noch am nächsten Tag kutschiert sind, während Matthias sich längst nach Paris abgesetzt hatte.

Unspektakuläre Landschaft 1

Wir sind auf der Suche nach dem Clos de Mesnil und finden ihn ganz zum Schluss, nachdem wir gefühlt sämtliche zugelassenen Wege in Mesnil-sur-Oger durchfahren haben, durch Zufall. Der Clos, einer der teuersten Weinberge der Welt, wirkt absolut unspäktakulär und hat genau gar nichts von dem Glamour, der um Krugs berühmten Einzellagen-Champagner verbreitet wird. Aber warum sollte er auch?

Unspektakuläre Landschaft 2: Clos de Mesnil

Wir jedenfalls hatten zwei sehr schöne Tage bei dieser Tour, die natürlich viel zu kurz war. Ein Übernachtungstipp ist bei dieser Tour genau so herausgekommen wie eine Schlemmerrunde, denn bevor wir uns abends dem Podcast gewidmet haben, sind wir durch den bestens ausgestatteten E.Leclerc gewandert und haben all das gekauft, was man bei uns meist vergeblich sucht.

Selten zu finden: Lyra-Bindung.

 

3 Kommentare

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  2. Valmont

    Najaaaa. Ein “Muss für jene, die kompromisslose Winzer-Champagner mögen”, ist einzig ein Besuch der Region selbst nebst ausgiebigen Keller-Inspektionen – und nicht etwa der Besuch einer Veranstaltung, die nicht einmal 20 Erzeuger repräsentiert. Natürlich ist “Terres et Vins de Champagne” eine beeindruckende Sache – aber das Projekt repräsentiert keineswegs ein nennenswertes Spektrum dessen, was sich in der Champagne derzeit tut. Die hier erwähnten “alternativen Macher der Champagner” stehen für eine sehr interessante, qualitätsorientiert agierende Gruppe – allerdings gibt es auch jenseits derer, die sich hier eine Vermarktungsplattform geschaffen haben, sehr beachtliche Weine, Ansätze und Philosophien. Etliche Winzer arbeiten ausgesprochen naturnah, würden sich aber niemals “Bio” auf die Fahnen schreiben. Agrapart ist grandios, und es sieht ja auch sehr nett aus mit dem Pferdchen – allerdings ist das Haus mit 10 ha bewirtschafteter Fläche, über etliche Dörfer verstreut, fast schon eine Fabrik. Unter “Winzerchampagner” verstehe ich etwas anderes.
    Bei einer Tour durch die Weingüter im Departement Aube habe ich kürzlich Ansätze kennengelernt, die wirklich beachtlich sind – das ist ein Kapitel für sich. Die Eleganz der “Cuvée Double Eagle” von Marcel Vézien oder die Dichte des Rosé von Gerbais habe ich an anderer Stelle (noch) nicht so intensiv erlebt. Dann gibt’s Erzeuger wie Pierre Peters, Daniel Caillez etc., die sich nicht unter den einschlägigen Schubladen rubrizieren lassen. Daher: Champagne-Entdeckungen gerne – nur ein bissl profunder müssen sie schon sein.

    Wo ich gerade dabei bin: das Verkosten von Stillweinen ist ein Gimmick, mehr nicht. Gärung und Hefelagerung verändern das Produkt grundlegend. Als Musikkritiker höre ich mir ja auch nicht die isolierte Bratschenstimme von Mahlers 3. Sinfonie an.

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