Seit bald zwei Jahren wohne ich in Hamburg. Diese Stadt hat eigentlich Biertradition – es gab mal 500 Brauereien – doch als ich hier ankam, war nicht viel mit Tradition. Glücklicherweise hat sich hier in den letzten zwei Jahren etwas getan. Mittlerweile wird hier unter altem Namen aber mit komplett neuer Mannschaft und Investor im Hintergrund Ratsherrn gebraut. Das fände ich eigentlich gut, hätten die Investoren nicht auch gleich den Versuch unternommen, den Begriff Craft Beer für den deutschen Markt zu schützen. Das ist ihnen glücklicherweise vom Deutschen Marken- und Patentamt nicht genehmigt worden. Böse finde ich es trotzdem. Zusätzlich zu Ratsherrn gibt es seit einiger Zeit ein Duo namens Wesseloh und Matthies, die ihre Brauerei, die streng genommen erst noch eine werden muss, Kehrwieder Kreativbrauerei genannt haben. Kehrwieder, das ist der Name einer Insel an der Ausfahrt aus dem Hafen in die Elbe. Kreativ sind die beiden tatsächlich, denn es gibt mittlerweile sechs Biere, vier davon sind Indian Pale Ales mit Single Hops, also mit nur einer einzigen Hopfensorte und drei davon habe ich probiert. Alle drei Biere weisen einen bernsteinfarbenen Ton auf und haben eine feinporige, stabile, leicht cremefarbene Schaumkrone. Stammwürze, IBU und Alkohol sind bei allen drei praktischen gleich, sie werden im Prinzip gleich gebraut – bis auf den Hopfen. IBU liegt bei 65, die Stammwürze bei 16.8% und der Alkoholgehalt bei 7.5%.
SHIPAA
Die Abkürzung steht für Single Hops Indian Pale Ale Amarillo. Das Bier duftet schon aus der Flasche stark aromatisch. Da ist direkt viel Frucht im Glas, vor allem Orange, Mango, etwas Limette. Am Gaumen verbindet sich die Frucht mit einer angenehm intensiv herben Note. Zitrus und Pfirsich dominieren den Gaumen, dann entwickeln sichleicht herbe Kräuternoten. Das Bier ist nur leicht karamellig, immer bleibt das Herbe im Vordergrund, das Bier wirkt cremig im Mund und dank der ausgewogenen Kohlensäure immer frisch und hopfig, allerdings auch etwas süß, was der Pfirsichnote geschuldet ist, die zudem schnell etwas unnatürlich wirkt.
(Amarillo Doldenhopfen aus den USA: wächst bisher nur auf der Farm von Virgil Gamache in Washington, typische für amerikanische IPAs. Aromen: Orange, Zitronen, Blumen, Mango)
SHIPAC
Bei diesem Bier steht der letzte Buchstabe für Cascade, einem der bekanntesten Hopfen der amerikanischen Craft-Beer-Szene. Der typische Duft dieses Hopfen ist Litschi, Zitrone und Harz, wie in einem leicht geharzten Retsina. Genau so duftet das Bier denn auch. Auch hier dominiert wieder das Herbe am Gaumen, die karamellige Süße wirkt etwas dominanter, am Gaumen ist das Bier nicht so fruchtig, wie die Nase vermuten ließ. Zitronen ja, etwas Grapefruit, aber weniger Litschi. Außerdem ist es etwas kurz. Doch auch hier stimmen das cremige Mundgefühl und die Kohlensäure.
(Cascade Doldenhopfen aus den USA: Typisch für amerikanische Craftbeers, beliebt in der Hobbybrauerszene weil sehr blumiges und auch würziges Aroma: Litschi, Grabfruit, Blumen, Zitronen, leichte Bitterkeit)
SHIPAS
Schließlich das Simcoe Single Hop. Hier bestimmen Maracuja, Papaya und Ananas das Duftbild, unterstützt von Grapefruit und etwas Malz. Am Gaumen hat das Bier eine zunächst erstaunliche Süße, eine Honigsüße, hinter der aber kurze Zeit später die herben Noten hervortreten. Dann auch hier wieder Maracuja, Grapefruit, etwas Kräuterwürze und immer mehr herber Hopfen. Das Bier wird nach der ersten Süße erstaunlich bitter. Auch hier stimmt die relativ starke Kohlensäure und macht das Bier erfrischend.
(Simcoe Doldenhopfen aus den USA: Typisch für amerikanische Craftbeers, typische Aromen: Grapefruit, Maracuja, Kiefer (auch das Harz), mittlere Bitterkeit)
Gebraut werden die Biere übrigens bisher nicht in einer eigenen Brauerei, denn die gibt es noch gar nicht. Die beiden Brauer sind seit einiger Zeit auf der Suche nach einem geeigneten und bezahlbaren Ort in Hamburg. wer ihn vermittelt, bekommt ein eigenes Glas in der Brauerei, das einmal pro Tag gefüllt wird, solange die Kehrwieder Brauerei besteht. Das Bier wird momentan bei befreundeten Winzern ins Dänemark gebraut. Und zwar im Fanø Bryghus, wo allerdings kein Däne am Braukessel steht sondern der Österreicher Martin Simion.
Was mir bei allen drei Bieren aufgefallen ist, ist die Stimmigkeit der Kohlensäure und auch der etwas zu kurze Abgang. Da würde ich sagen, ist noch etwas Luft nach oben. Ansonsten ist es interessant, die drei Biere mal direkt nebeneinander zu probieren, am besten noch mit dem neuen, vierten Bier dazu, das mit der neuen deutschen Hopfensorte Hüll Melon gebraut wurde. Die drei Biere sind durchaus unterschiedlich in ihrer Ausprägung der fruchtig- expressiven Aromen. Genauso auch in der Form der Herbe bzw. Bitterkeit. Mir persönlich hat die Cascade-Variant am Besten gefallen, was wohl an der etwas harzigen Note liegt, die Cascade gerne hat, und die der verspielten Frucht eines amerikanisch geprägten IPA etwas entgegen tritt.