Wie oft kommt es vor, dass man an einem Nachmittag den Weinbau eines ganzen Landes kennenlernen und probieren kann? Mir ist es, glaube ich, erst ein Mal passiert – gestern. Denn gestern haben sich so gut wie alle existierenden libanesischen Weingüter in Berlin präsentiert.
Charakter-Kopf: Colette Arslan Naim, Chateau Qanafar
Das war für dieses Land ein Ereignis. Deshalb war auch der Minister für Landwirtschaft da und das Ritz-Carlton als standesgemäßer Veranstaltungsort war vollgeparkt mit Botschaftswagen. Gerade einmal 2.000 Hektar Fläche stehen im Libanon unter Reben. Und doch ist der Wein ein wichtiger Wirtschaftszweig für diesen so ungewöhnlichen Staat im Nahen Osten. Denn viele Exportprodukte hat das von Krisen und Kriegen gebeutelte Land nicht zu bieten. Und vor allem nicht viele mit hohem Renomée. Der Libanon aber zählt zu den ältesten, Wein produzierenden Regionen der Welt und da er in Teilen immer noch christlich geprägt ist, ist das Land neben Israel das einzige in der Region, wo professionell Wein erzeugt wird.
Wer in die Rebsortenliste schaut, wird vor allem französische Reben finden, Cabernet und Syrah sind verbreitet, aber auch Cinsault und Grenache. Im Weißweinbereich herrschen Viognier, Sauvignon und Chardonnay. Lediglich Obeidy findet man hier und da als lokale weiße Rebsorte. Angebaut wird oftmals auf über 1.000 Meter Höhe. Das ist schon durchaus ungewöhnlich, bietet aber die Möglichkeit, Kühle in den Wein zu kriegen, Säure und Frische.
alt eingesessen und neu durchstartend, zwei Vertreter des libanesischen Weinbaus
Vor diesem Besuch kannte ich eine Hand voll Weingüter, jetzt kenne ich also fast alle – zumindest oberflächlich. Für mich stand gestern das bekannteste Weingut des Libanon über allem. Château Musar ist das Zugpferd, Gaston Hochar der unbestrittene Primus des libanesischen Weinbaus, der seit Jahrzehnten trotz aller Wirren Wein auf höchstem Niveau keltert, die zudem enorm haltbar sind. Hinter Château Musar jedoch folgen eine ganze Reihe interessanter Weingüter, deren Weine deutlich mehr Aufmerksamkeit verdienen, als sie sie bei uns bisher bekommen. Einige alteingesessene Weingüter, deren Weine ich empfehlen möchte sind Château Ka, Château Kefraya und Chateau Ksara. Weingüter, die neu gegründet wurden und meiner Meinung nach definitv Aufmerksamkeit verdienen sind Château Qanafar, Domaine de Baal, Adyar, Chateau Sanctus und Chateau Heritage.
Im Ritz – mit Berliner Weinfachmann im Suchbild
Abgesehen von Château Musar sind dies noch keine wirklichen Spitzenweingüter – aber sie arbeiten dran und haben die Möglichkeit, mit den speziellen Klimata, die in den Weingebieten von Batroun über Bekaa runter nach Jezzine herrschen, einen eigenen Charakter zu entwickeln. Das sollten sie nutzen. Ich denke, häufig dürfte es etwas weniger Holz sein, etwas seltener flüchtige Säure und die Winzer sollten an einem wirklich eigenen Charakter arbeiten, abseits des Vorbildes Frankreich. Auf dem Weg dahin sind sie. Und unterstützen sollte man sie dabei auch.
Lediglich Musar als Spitzengut zu bezeichnen, dürfte untertrieben sein, denn inzwischen hat sich doch gewaltig was getan. Einige der Newcomer wie Qanafar liefern Spitzenweine mit bisher kontinuierlich guter Qualität.
Leider in Deutschland noch nicht so einfach zu bekommen.
Die anderen Weingüter waren ja ebenfalls anwesend. Gerade im Vergleich wird aber klar, dass Musar noch immer ein ganzes Stück über den anderen Gütern steht.